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Konflikt – ewiger Fluch oder Chance im Job?
Ein Gastbeitrag von Judit Teichert
Unruhe und Konflikte in Teams und Organisationen sind lästig und ärgerlich und nervig und so wahnsinnig unproduktiv. Streit ist doch eigentlich immer überflüssig und kräftezehrend. Wie schön wäre die Welt ohne Konflikte?
Wirklich? Ja, irgendwie schon. Natürlich wäre es toll, wenn alles immer nur harmonisch wäre. Wir verwenden entsprechend auch sehr viel Zeit, Energie und Geld darauf, Konflikte möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Die Führungskräfte, die ich begleite, berichten oft davon, wieviel „Druck von oben“ sie nicht an ihr Team weitergeben, um keinen Konflikt aufkommen zu lassen.
Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich immer dann am meisten gelernt, wenn ich mich einem Konflikt gestellt habe und ihm so richtig auf den Grund gegangen bin. Ich möchte dich einladen, eine neue Perspektive auf Konflikte im Arbeitsumfeld einzunehmen: Konflikte sind – fast immer – produktiv und bieten eine Chance, das Lernen und Fortschritt stattfindet. Das alles ist natürlich einfacher gesagt als getan. Deswegen stelle ich einige Ideen vor, wie du erkennst, ob ein Konflikt produktiv ist, wie du ihn in produktive Bahnen lenken kannst und wie du deine eigene Konflikttoleranz aufbauen kannst.
Die eigene Konflikttoleranz entwickeln
Für Menschen ist es unterschiedlich leicht, Konflikte auszuhalten. Mir fällt es beruflich als Trainerin und Beraterin recht leicht, weil ich dort von außen beobachte und Impulse gebe. Privat tue ich mich schwerer. Hier bin ich selbst Teil des Systems und vertrete eigene Interessen. Ob jemand Konflikte gut toleriert hängt also nicht nur von der Persönlichkeit ab, sondern variiert auch je nach Situation.
Viele Menschen reagieren innerlich panisch, wenn es konflikthaft wird und versuchen dann Harmonie herzustellen: Lösungen anbieten oder durchsetzen, beruhigen und
besänftigen, den Konflikt vermeiden oder es „schön“ machen. Dadurch wird es schwer, den Konflikt als Lernmoment zu nutzen.
Konflikte auszuhalten und in produktive Bahnen zu lenken kann man lernen. Ähnlich wie
Schwimmen. So wie man schwimmen nicht im offenen Atlantik lernt, sondern im Nichtschwimmerbecken, so geht es im ersten Schritt darum, den Konflikt zu beobachten und besser zu verstehen.
Konflikte als Lernmomente
Wenn du das nächste Mal mit einem Konflikt konfrontiert bist – mit einem Kollegen oder einer Kollegin, im Team oder in deiner Organisation – dann halte inne und sage dir: Was für eine großartige Gelegenheit! Was mag mir dieser Konflikt aufzeigen? (Schon okay, wenn dir das zunächst nur schwer über die Lippen kommt).
Hier zwei typische Beispiele, die mir in der Arbeit mit Sozialorganisationen häufig begegnen:
1. In einer Jugendhilfsorganisation rangelten Abteilungen mit wirtschaftlichem Hintergrund (Controlling, Personalbüro, betriebswirtschaftliches Management) mit den pädagogischen Abteilungen darum, wer wichtiger für das Fortkommen der Organisation ist. Nicht so direkt natürlich, aber immer wieder schwangen in Sitzungen Sticheleien mit, dass die einen „nur auf die Zahlen achten“ während die anderen „kein Gespür dafür haben,
dass es finanzielle Grenzen gibt“. Es gab wenig Austausch zwischen den verschiedenen Lagern, die Pädagogen fühlten sich zu wenig als wertschöpfende Kraft wertgeschätzt und die administrativen Abteilungen fühlten sich zu wenig in ihrer Arbeit unterstützt und in ihrer Wichtigkeit ebenfalls nicht anerkannt.
2. In einer anderen Organisation fand ein Generationenwechsel statt. Viele langjährige Mitarbeitende sollten nun mit einigen neuen, deutlich jüngeren Kolleg:innen zusammenarbeiten, die andere Vorstellungen von Zusammenarbeit hatten und sehr motiviert Veränderungen diesbezüglich anstoßen wollten. Auch hier war die Atmosphäre in Teamterminen angespannt, immer wieder entstanden Reibungen darum, wie Prozesse bisher
gestaltet waren, wie dringend Veränderungen angegangen werden sollten und was gut lief, so wie es war.
Konflikte sind zunächst ein spannender Indikator dafür, dass es sich lohnt, genau hinzuschauen und hinzuhören. Denn Konflikte zeigen auf:
- wo Veränderungsarbeit stattfinden muss.
- wo Dissens in einem Team vorherrscht und ernst genommen werden muss.
- wo Brücken zwischen verschiedenen Teilen eines Teams oder eines Unternehmens gebaut werden sollten.
- wo Leitung und andere Teammitglieder neugierig nachfragen können: Du scheinst das anders als ich
zu sehen. Kannst du mir bitte mehr erzählen?
Die Produktivität von Konflikten einschätzen
Natürlich sind nicht alle Konflikte produktiv. Nur: Woran merke ich, dass ein Konflikt schadet und nicht nützt? Eine Möglichkeit ist sich vorzustellen, dass bei einem Konflikt „Hitze“ oder auch „Unruhe“ entsteht. Das Ausmaß der Hitze kann jedoch schwanken:
1 Geringe Hitze = Komfortzone: Hier findet wenig produktive Auseinandersetzung statt. Oft ist das der Zustand, in dem Menschen einen Konflikt unter den Teppich kehren.
2 Sehr hohe Hitze = Panikzone: Hier findet auch wenig produktive Auseinandersetzung statt, denn die Menschen fühlen sich durch den Konflikt überfordert.
3 Zwischen diesen beiden Zonen = Lernzone: Der Bereich, in dem Lernen und nachhaltige Veränderung stattfindet, in dem die Menschen sich beteiligen und Fortschritte erzielen.

Konflikte sind also immer dann produktiv, wenn die Hitze angemessen dosiert ist: Es muss dringend und heiß genug sein, dass sich die betroffenen Personen aus ihrer Komfortzone herausbewegen und dass Lernen und Auseinandersetzung möglich sind. Gleichzeitig darf die Toleranzschwelle der Personen für Hitze nicht überschritten werden – es darf nicht zu heiß werden. Es lohnt sich, gut einzuordnen, ob das, was man beobachtet, Anzeichen
für Lernen, für Panik oder für Komfort ist.
Mögliche Indikatoren für Lernen sind:
- Es wird inhaltlich und authentisch diskutiert.
- Es werden offen kontroverse Standpunkte angesprochen.
Einige Indikatoren für Panik (und Achtung! Panik bedeutet nicht nur „wütendes oder ängstliches Ausagieren“ sondern kann alle Formen von Kämpfen, Flüchten und Erstarren annehmen), z.B.:
- mentales Rausbeamen
- tatsächliches Verlassen des Raumes
- Attackieren, Bloßstellen, schwarze Peter zuschieben
- Diskussionen über die Art der Treffen, die Art der Moderation, …
- Festhalten an technischen Aspekten des Problems
Einige Indikatoren für Komfort können sein:
- passive Teilnahmekeine oder nur vereinzelte Verantwortungsübernahme
- wenig Beteiligung (explizit verbal oder auch wenig Mitdenken)

Produktive Konflikte regulieren und Lernen befördern
Im ersten Schritt lohnt es sich, besser darin zu werden, Konflikte, die Hitze, die dadurch entsteht und den Umgang damit gelassener zu beobachten. Anschließend stellen sich natürlich die Fragen: Wie kann ich die Temperatur regulieren? Wann und wie greife ich in Konflikte ein, damit Lernen stattfindet?
Um die Temperatur zu erhöhen eignen sich folgende Strategien:
1. schwierige und zentrale Fragen fokussieren
2. den Beteiligten mehr Verantwortung geben als das Maß, mit dem sie sich wohl fühlen (wohl dosierte (Über-)Forderung)
3. Konflikte spürbar und explizit werden lassen
4. provokative Kommentare tolerieren
5. die Gruppendynamik im Hier-und-Jetzt benennen und als Spiegel zentraler Herausforderungen der Gruppe nutzbar machen (z.B. die Verantwortung komplett an die Autorität abgeben bei einer Organisation, die mit steiler Hierarchie hadert; jemand einzelnen als schwarzen Peter brandmarken und alle Verantwortung bei dieser Person sehen bei einer Organisation, die sich mit der Marginalisierung von Minderheiten beschäftigt)
Wenn es zu heiß wird, wird Lernen unmöglich. Diese Strategien reduzieren Hitze:
1. diejenigen Aspekte mit den offensichtlichsten Lösungen adressieren, ebenso wie solche, die
durch Expertise oder Autorität entschieden werden können
2. Struktur geben, indem (a) das Problem in Teile aufgebrochen wird, (b) ein zeitlicher Horizont vorgegeben wird oder © Regeln für Entscheidungen und Aufgaben für
verschiedene Rollen aufgestellt werden
3. kurzzeitig die Verantwortung für schwierige Probleme übernehmen (aber nicht vergessen, die Menschen wieder zu beteiligen bei kollektiven Herausforderungen!)
4. Vermeidungsmechanismen nutzen (eine Pause nehmen, eine Geschichte oder einen Witz erzählen, eine Übung machen, …)
5. den Prozess entschleunigen: Normen und Erwartungen weniger rasant oder weniger auf einmal hinterfragen
Insbesondere Führungskräfte regulieren die Hitze oft allzu schnell herunter, um für Harmonie zu sorgen. Im obigen Beispiel der Jugendhilfsorganisation war die Versuchung für den Geschäftsführer groß, die verschiedenen
Lager (Pädagog:innen, administrative Abteilungen) immer wieder zu besänftigen und sich an den hohen Erwartungen beider Seiten aufzureiben anstatt den Konflikt direkt zu benennen und einen produktiven Austausch der beteiligten Personen zu fördern. Dieses Verhalten einer Führungskraft ist sehr verständlich. Sie möchte damit eine Eskalation vermeiden, nicht an angespannter Atmosphäre schuldig sein und für gute Stimmung sorgen. Doch oftmals ist genau das kontraproduktiv und verhindert Lernen. Insbesondere Führungskräfte sollten deshalb ihre
Fähigkeit, Konflikte auszuhalten, zu regulieren und gar zu orchestrieren bewusst entwickeln.

Quellen und Weiterführende Literatur
Heifetz, R. A., Grashow, A., & Linsky, M. (2009). The practice of adaptive leadership: Tools and tactics
for changing your organization and the world. Boston, MA: Harvard Business Press.
O’Brien, T. (2019, June 18). When Your Job Is Your Identity, Professional Failure Hurts More [Web log post]. Retrieved from https://hbr.org/2019/06/how-we-confuse-our-roles-with-our-self
Foto: © Lupo // Cordero
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Die neue Multiplikator:innen-Qualifikation der Paritätischen Akademie in Kooperation mit der Humboldt-Universität zu Berlin
Die Weiterbildung wird von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Lamers und Frau Dr. Nadja Melina Burgio, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin, koordiniert und unter ihrer Leitung in die Praxis umgesetzt. Dafür haben sie hervorragende Dozierende aus dem Fachbereich Pädagogik bei geistiger Behinderung gewinnen können, um gemeinsam eine umfassende und auf das Aufgabenfeld bezogene (Weiter-)Qualifizierung der Multiplikator:innen zu gewährleisten. Im Folgenden stellt Frau Dr. Burgio Hintergründe und Ziele der Weiterbildung ausführlich vor.
Hintergrund der Weiterbildung
In mehreren Forschungsprojekten hat sich gezeigt, dass ein bis dato organisatorisch und qualitativ sehr unterschiedliches Bild bezogen auf die Förder- und Bildungsangebote in Förder- und Betreuungseinrichtungen besteht. Teilweise orientieren sich diese nicht an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. Es mangelt an arbeitsweltbezogenen Angeboten und einer damit verbundenen Bildungsbegleitung für diesen Personenkreis. Dies konnte u.a. darauf zurückgeführt werden, dass für die tagesstrukturierenden Einrichtungen bisher weder in der Praxis noch im Bereich der Fachwissenschaft umfängliche und fundierte Konzepte existieren, die für die Planung und Gestaltung von Angeboten als Orientierung dienen können. Darüber hinaus wurde deutlich, dass bei vielen Mitarbeiter:innen ein Qualifikationsbedarf hinsichtlich des pädagogischen Grundlagenwissens und der methodisch-didaktischen Fähigkeiten besteht.
Den hier skizzierten Problemfeldern hat sich das Forschungsprojekt Qualitätsoffensive Förderbereich (Quo F) der Humboldt-Universität zu Berlin angenommen. Für die Wissenschaftler:innen war es Motiv und Herausforderung zugleich, sich mit der Frage auseinander zu setzen, welchen Beitrag sie für die Praxis leisten können, der Mitarbeiter:innen darin unterstützt, erwachsenen Menschen mit schwerer Behinderung einen vielfältigen und interessanten Alltag durch eine umfassende gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.
Dabei sind Materialien entstanden, die im Rahmen eines Multiplikator:innenprogramms dazu
beitragen, Fachkräfte in der Arbeit mit Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen im Erwachsenenalter weiter zu professionalisieren und sie darin unterstützt adäquate Förder- und Bildungsangebote zu planen und durchzuführen.
Ziele der Multiplikator:innen-Qualifikation
Die Multiplikator:innen-Qualifikation verfolgt zwei wesentliche Ziele:
1. Ziel: Ausbau von Handlungskompetenzen der Fachkräfte in der Arbeit mit Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen
Im Forschungsprojekt Quo F wurden ausgehend von theoretischen Überlegungen zur Lebensqualität und ‑zufriedenheit sowie zu Entwicklungsaufgaben im Erwachsenenalter von Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen zentrale Themenfelder für die inhaltliche Arbeit in den Bereichen Alltag, Arbeit und Kultur bestimmt. Es wurden spezifische Module entwickelt, die praxisrelevantes Grundlagenwissen in unterschiedlichen
Themenbereichen beispielsweise Biografiearbeit, Erkennen und Fördern von Kompetenzen sowie Wissen zu Kommunikation und Sprache vermitteln. In der Weiterbildung wird zum einen dieses Wissen gemeinsam mit den Teilnehmenden erarbeitet, zum anderen wird methodisch-didaktisches Knowhow zur Angebotsgestaltung erfahren. Fachkräfte mit unterschiedlichem Qualifikationshintergrund in verschiedenen Bereichen sollen so professionalisiert werden, im Alltag arbeitsweltorientierte, alltagsorientierte und kulturelle Angebote entsprechend der individuellen Bedürfnisse der schwer und mehrfachbehinderten Menschen zu planen, umzusetzen und zu reflektieren.
2. Ziel: Tätigkeit als Multiplikator:in
Als zukünftige:r Multiplikator:in soll das in der Weiterbildung vermittelte Wissen an andere Fachkräfte weitergeben werden können, deshalb beinhaltet die Qualifikation zudem die Vermittlung von didaktisch-methodischen Elementen aus der Erwachsenenpädagogik. Da der E‑Learning-Bereich ein essentieller Bestandteil aktuellen und zukünftigen Lernens darstellt und durch den derzeitigen Digitalisierungsschub sich immer weiter entwickeln wird, sind auch Elemente des Online-Learning bei der Konzeption berücksichtigt und werden den Teilnehmenden im Rahmen der Weiterbildung vorgestellt.
Bedeutung der Multiplikator:innen-Qualifikation
Fachkräfte erhalten durch die Teilnahme an der Weiterbildung die Möglichkeit sich bezüglich der methodisch-didaktischen Gestaltung von Angeboten weiter zu qualifizieren. Sie erlernen für den Personenkreis entsprechende Angebote zu konzipieren und umzusetzen. Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung können nur durch eine entsprechende Bildung und Förderung ihre eigene (Selbst-)Wirksamkeit und Produktivität erfahren und damit auch ihre Chance auf soziale und gesellschaftliche Teilhabe verbessern. Durch die Qualifizierung von Multiplikator:innen erhalten Einrichtungen die Möglichkeit das erworbene Wissen an Mitarbeiter:innen weiterzugeben und innerhalb der Organisation zu sichern. Kompetenzen können dadurch langfristig erhalten bleiben. Dies ist nicht nur wichtig für die Einrichtungen, sondern auch bedeutsam für die Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung. Sie haben damit die Chance langfristig auf sie abgestimmte Bildungs- und Förderangebote durch qualifiziertes Personal zu erhalten.
Foto: © Marcus Schlichting
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Unser Dozent Marek Körner im Interview
In unserem Masterlehrgang Management von Sozialeinrichtungen – Schwerpunkt Kinder- und Jugendeinrichtungen werden Fähigkeiten vermittelt, soziale Einrichtungen auf der Basis rechtlicher, betriebswirtschaftlicher und in der Praxis bewährter Managementkenntnisse zu führen und zu leiten. Mit wissenschaftlicher Herangehensweise entwickeln die Studierenden ein Verständnis für Organisationsstrukturen in komplexen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen. Das praxisorientierte Studium ist so konzipiert, dass durch die Bearbeitung realer und aktueller Problemstellungen das Gelernte sofort im Berufsalltag anwendbar ist. In den Studiengängen lehren neben Professor:innen und Lehrbeauftragten auch Praktiker:innen aus der Sozialwirtschaft. Seit 6 Jahren gehört auch Marek Körner zu unseren Dozierenden.
Im Interview mit Viola Strittmatter spricht er über seine Motivation, in diesem Studiengang zu lehren und über die Besonderheiten des Studienangebots.
Wo und in welcher Position arbeiten Sie derzeit?
Ich arbeite Bei FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH als Prokurist, Bereichsleiter West, sowie als Geschäftsleiter der Region Köln-Berg. FRÖBEL Bildung und Erziehung gGmbH ist im Bereich der Kindertageseinrichtungen mit knapp 17.000 betreuten Kindern und ca. 4.000 Mitarbeiter:innen Deutschlands größter Freier Träger.
Was ist Ihre Motivation als Dozent in diesem Studiengang tätig zu sein? Was führte sie zu uns?
Durch meine langjährige Beschäftigung beim Paritätischen Hessen als Referent für Soziale Arbeit war mir die Paritätische Akademie als Fort- und Weiterbildungsstätte natürlich umfassend bekannt und geschätzt. Die Verbindung und auch Grenzen von wissenschaftlicher Theorie und Lehre sowie deren Entsprechung und Umsetzung in die Praxis Sozialer Arbeit sind spannend und herausfordernd.
Was lehren Sie im Studiengang und warum ist dieses Thema für die Qualifizierung von (zukünftigen) Führungskräften in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe so wichtig?
Meine Lehre befasst sich mit den Rahmenbedingungen und Grundsätzen der Finanzierung in der Kinder- und Jugendhilfe, sowie der Theorie und Praxis der Sozialraumorientierung. Die Befassung mit den individuellen, aber auch sozialräumlichen Bedürfnissen und Bedarfen der betroffenen Menschen, deren sozialrechtliche Interpretation und gesetzliche Einordnung, ist eine bedeutende Grundlage der Sozialen Arbeit und des Sozialstaatsprinzips. Führungskräfte haben u.a. die Aufgabe diesen Anspruch in strategisches, wirtschaftliches und finanzielles Handeln für ihre soziale Institution umzusetzen. Die gelungene Aushandlung von Kooperationen, Verträgen und Vereinbarungen stellt dabei eine wichtige Basis des Erfolges und letztlich der guten Wirkung für die Betroffenen dar.
Was ist aus ihrer Sicht das Besondere an dem Studiengang?
Eindeutig die Teilnehmer:innen! Sie kommen aus den unterschiedlichen Feldern der Sozialen Arbeit, bringen ihre bereits gemachten persönlichen und fachlichen Erfahrungen, Kenntnisse, aber natürlich auch Fragen und kritischen Aspekte direkt ein und tragen dazu bei, eine besondere Atmosphäre des Dialoges, Nachdenkens und Lernens zu gestalten.
Haben Sie von den Studierenden etwas gelernt und wenn ja, was?
Soziale Arbeit – überhaupt die Arbeit mit Menschen – lebt vom Diskurs und vom Betrachtungsstandpunkt. Ich habe mit den Studierenden gelernt, Dinge aus ihren verschiedenen fachlichen Perspektiven zu betrachten und dabei andere Herangehensweisen und Lösungen zu sehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: © Bettina Straub
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Eine Weiterbildung für Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin
Was uns antreibt
Soziale Organisationen wollen etwas in der Gesellschaft zum Positiven verändern. Sie wollen die Situation ihrer Zielgruppe verbessern – ältere, kranke oder abhängige Menschen, Familien, arme Menschen oder Menschen mit Behinderung. Das heißt, soziale Organisationen bemühen sich darum, dass ihre Arbeit eine gesellschaftliche Wirkung zeigt. Aber wie können sie beurteilen, ob ihre Arbeit die gewünschte Veränderung erreicht?
Diese Konzeptvielfalt erschwert Geldgebern wie auch Vertretern der Sozialwirtschaft möglichweise, sich mit den Ansätzen der Wirkungsorientierung vertieft auseinanderzusetzen. Diese Weiterbildung Wirkungsmanagement führt in die Denkweisen der Wirkungsorientierung ein und befähigt die Teilnehmenden dazu, die Arbeitsprozesse in ihrer Organisation wirkungsorientiert zu planen, zu steuern und ihre Wirkung transparent zu machen.
Als Dach- und Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege wollen wir das Thema Wirkungsorientierung im Kontext der sozialen Arbeit konkret mitgestalten, die Debatte um die Wirksamkeit sozialer Arbeit weiter voranbringen, und bieten deshalb ein Programm zur Wirkungsorientierung an. Unsere Erfahrungen damit zeigen: Es gibt Methoden, die uns helfen, die Wirkungsorientierung zum Nutzen sozialer Organisationen und deren Klientel zu implementieren.
Zwei Partner – ein gemeinsames Ziel
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin hat in Kooperation mit der Phineo gAG, einem gemeinnützigen Analyse- und Beratungshaus für wirkungsvolles gesellschaftliches Engagement, von 2014 bis 2017 ein umfangreiches Pilotprojekt zur Wirkungsorientierung durchgeführt. Der Pilot umfasste 17 Mitgliedsorganisationen aus zwei Referaten (Jugendhilfe /Hilfen zur Erziehung und Sucht/HIV/Aids/Gesundheit). Die Erfahrungen der sozialen Organisationen und ihren Mitarbeitenden in der praktischen Umsetzung von Wirkungsorientierung wurden als äußerst gewinnbringend eingeschätzt. Der Fokus lag darauf, Voraussetzungen, Chancen und Grenzen von Wirkungsorientierung auszuloten.
Ziele und Zielgruppen – wen wir erreichen wollen
Wir wollen Mitarbeitende der teilnehmenden Organisationen und allgemein Interessierte zu Wirkungsmanagerinnen und ‑managern ausbilden. Im Zusammenhang mit der Weiterbildung sollen Wirkungsprojekte in den Organisationen umgesetzt werden. Zielgruppen der Weiterbildung sind Paritätische Mitgliedsorganisationen sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Fach‑, Projekt- und Leitungsebene und allgemein Interessierte an dem Bereich Wirkungsorientierung.
Ansatz und Ausrichtung
Die Wirkungsmanagement-Weiterbildung basiert auf dem Ansatz, Projekte und Angebote sozialer Arbeit auf ihre Wirkung hin zu analysieren, zu planen und umzusetzen. Wirkungsorientierte Organisationen betreiben diesen Prozess bewusst und steuern ihn aktiv. Sie klären ihre Wirkungslogik, formulieren konkrete Wirkungsziele, leiten Indikatoren ab und überprüfen systematisch ihre Zielerreichung mit angemessenen Methoden. In der Weiterbildung stehen das Üben der Methoden und ihre Anwendung im Vordergrund, wobei Diskussionen theoretischer Modelle unverzichtbarer Bestandteil sind. Eine Prozessbegleitung der einzelnen Wirkungs-Projekte der Teilnehmenden erfolgt.
Ausblick in die Zukunft – nach der Weiterbildung geht es weiter
Die Weiterbildung „Wirkungsmanagement“ in der Paritätischen Akademie ist ein erster und wichtiger Schritt, der das Thema Wirkungsorientierung für Mitgliedsorganisationen zugänglich machen soll – aber bei Weitem nicht der letzte. Mittelfristig wollen wir im Landesverband Berlin zusammen mit der Paritätischen Akademie und den Paritätischen Mitgliedsorganisationen den Bereich Wirkungsorientierung weiter ausbauen. Wir wollen Raum schaffen für Vernetzung und Austausch und uns kollegial darin unterstützen, die Wirksamkeit unserer Projekte zu stärken und zu kommunizieren.
Ziel ist dabei immer, einen sozialen Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen.
Gabriele Schlimper,
Geschäftsführerin Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V.
Die Ausschreibung zur Weiterbildung Wirkungsmanagement finden Sie hier.
Weitere Informationen und Beispiele aus der Praxis lesen Sie hier im aktuellen Artikel zur Wirkungsorientierung in der sozialen Arbeit in der Fachzeitschrift „Sozialwirtschaft aktuell“.
Nachfragen beantworten:
Hans-Jürgen Wanke, Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V.
Tel: 030 86001 186
Anne Jeglinski, Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V.
Tel: 030 86001 601
Dilek Yüksel, Paritätische Akademie Berlin gGmbH
Tel: 030 2758282 17
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Wirkungsorientierung gewinnt in der Sozialen Arbeit steigende Bedeutung. Ein Kooperationsprojekt des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin mit Phineo soll praktische Möglichkeiten der Planung und Durchführung sozialer Angebote im Hinblick auf Wirkungsziele erkunden. Von Dr. Gabriele Schlimper
Woran erkennen wir, ob wir mit unserer Arbeit erfolgreich sind? Diese Frage beschäftigt Marcus Neuenfeldt-Kock, seit dem er mit sich mit dem Thema Wirkungsorientierung auseinandersetzt. Beim Träger Jugendhilfe in Lichtenberg gGmbH leitet er die Wohngruppe Rückenwind, in der Kinder von sechs bis zwölf Jahren an fünf Tagen in der Woche wohnen. Eine wichtige Erkenntnis war für Neuenfeldt Kock: Die Wirkungsziele der Hilfsangebote müssen klar gesteckt und präzise formuliert sein, damit man ihren Erfolg ermitteln kann.
So zum Beispiel bei einem elfjährigen Jungen, der Probleme in der Schule hatte. In der Hilfeplanung des Jugendamts ist für solche Fälle festgeschrieben, dass sich das Verhalten des Kindes in der Schule verbessern soll. »So formuliert, ist ein Erfolg, das Erreichen des Ziels, nur schwer fest zustellen. Denn was genau soll sich denn verbessern?«, erklärt Marcus Neuenfeldt Kock.
Geholfen hat es dem Team der Wohngruppe, das Ziel durch konkrete Fragen in kleinere Einzelziele aufzuteilen. Es wurde deutlich: Es ging gar nicht generell um das Verhalten des Kindes in der Schule, sondern nur um Probleme mit einem bestimmten Lehrer. »Nachdem wir das ermittelt hatten, konnten wir uns gemeinsam mit den Eltern wöchentlich mit diesem Lehrer zusammensetzen und konkrete Maßnahmen erarbeiten, deren Erfolg wir auch messen konnten«, berichtet Marcus Neuenfeldt-Kock. Die Wirkung der Arbeit war dadurch viel besser erkennbar: »Uns wurde klar: Wir haben Erfolg, wenn es uns gelingt, das Kind zum Mitmachen an dieser Unterrichtsstunde zu motivieren. Und auch für den Jungen gab es dadurch ein Erfolgserlebnis.«
Wie lässt sich Soziale Arbeit mit Blick auf ihre gesellschaftliche Wirkung planen und steuern? Wie kann Soziale Arbeit sinnvoll und nachhaltig wirken – und wie kann ihre Wirkung in die Konzeption und Durchführung von Projekten einfließen? Diese Fragen beschäftigen den Träger Jugendhilfe in Lichtenberg gGmbH, aber auch viele soziale Organisationen und Verbände. Denn sie sehen sich immer wieder mit einer Steuerungspolitik konfrontiert, die vor allem ökonomische Kriterien im Blick hat. Gerade bei der Planung öffentlicher Haushalte werden soziale Organisationen als steigender Kostenfaktor gewertet und ihre gesellschaftliche Wirkung ausgeklammert. Durch mehr betriebswirtschaftliche Kontrolle, so eine gängige Annahme, lasse sich die Effektivität erhöhen und die Steigerung der Entgelte für Soziale Arbeit eindämmen.
Dabei ist der alleinige Fokus auf die Kosten für Einzelleistungen kontraproduktiv. Denn statt Hilfe zur Selbsthilfe zu fördern und Fälle zu beenden, also Menschen aus dem Hilfesystem in die Selbständigkeit zu entlassen, entsteht ein finanzieller Anreiz, die reinen Fallmengen zu steigern. Vernachlässigt wird dabei, welche sozialen Angebote wirklich sinnvoll sind und langfristig den besten Effekt für Nutzerinnen und Klienten haben. So zu arbeiten, ist frustrierend für alle Beteiligten und nicht im Interesse der Klientinnen. Die Soziale Arbeit verliert durch dieses System ihre professionelle Autonomie. Kosten werden dadurch nicht gesenkt, im Gegenteil.
Gesucht: Eine Alternative zum Kostenfokus
Um dieser Entwicklung konstruktiv entgegenzuwirken, entschloss sich der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin e. V. im Jahr 2014, ein Pilotprojekt in Kooperation mit der gemeinnützigen Phineo AG zu starten. Im August 2014 schlossen die Partner eine Kooperationsvereinbarung ab, die beinhaltete, dass Phineo und der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin gemeinsam das Thema Wirkungsorientierung in den Blick nehmen. Dazu sollten gemeinsame Projekte zum Thema Wirkungsorientierung bei Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin umgesetzt werden. Die teilnehmenden Organisationen konnten aus zwei Referaten gewonnen werden: Träger der Hilfen zur Erziehung aus dem Referat Jugendhilfe, ein primär entgeltfinanzierter Bereich, sowie Träger aus den Feldern Suchthilfe, Gesundheit, HIV und Aids, primär zuwendungsfinanzierte Bereiche.
Einzelgespräche zwischen Referentinnen und Referenten des Paritätischen, Beratern von Phineo und Vertretern der Mitgliedsorganisationen schufen den Rahmen, um die Interpretationen von Wirkungsorientierung sowie die Ziele und Interessen der Beteiligten auszuloten. Bei anschließenden Workshops wurden die Kenntnisse im Hinblick auf Wirkungsorientierung ausgebaut und vertieft. 18 Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin entschieden sich schließlich für die Teilnahme am Projekt: Die sieben Organisationen aus dem Bereich Hilfen zur Erziehung haben Trägerverträge mit dem Land Berlin auf Grundlage des Berliner Rahmenvertrag und bieten ambulante und stationäre Hilfen zur Erziehung an. Die elf Mitgliedsorganisationen aus dem Referat Suchthilfe, Gesundheit und HIV/Aids sind Träger von zuwendungsfinanzierten Angeboten und Einrichtungen nach § 75 SGB XII.
Das Kooperationsprojekt war zu Beginn bewusst offen ausgelegt, um das Projektkonzept gegebenenfalls anpassen zu können. In den Beratungsprozessen, die 2015 begannen, wurden unter anderem die Intensität der Beratung vor Ort und die jeweilige Rolle der Partner diskutiert. Zudem galt es, den Ansatz von Phineo für Wirkungsorientierung und den Blick der Träger auf Steuerung sinnvoll zu verknüpfen. Es entstand ein kontextbezogenes Wirkungsmodell. Mitarbeitende der beteiligten Träger nahmen an einem Schulungsprogramm zum Wirkungsmanager oder zur Wirkungsmanagerin mit vier Präsenzzeiten und einer neunmonatigen Praxisphase teil.
Jede teilnehmende Mitgliedsorganisation setzte ein Wirkungsprojekt in der eigenen Organisation um – basierend auf den gemeinsam erarbeiteten Arbeitsmaterialien und Ablaufplänen. Zusätzlich wurden die Träger individuell beraten. Begleitet wurde die Weiterbildung durch sogenannte Wirkungsdialoge, auf denen sich sowohl die Teilnehmenden als auch die Geschäfts führenden der beteiligten Träger über Chancen und Grenzen von Wirkungsorientierung austauschten.
Wirkungsorientierung als Haltungsfrage
Was wir vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin nach Abschluss der ersten Phase des Wirkungsprojekts bereits sagen können: Ein Umdenken hat eingesetzt – von der reinen Leistungsbeschreibung hin zu der Frage: »Wie können wir den gesellschaftlichen Nutzen erreichen, auf den wir hinarbeiten?« Das Konzept von Wirkungsorientierung geht über klassisches Qualitätsmanagement hinaus. Vielmehr steht es für eine Haltung, Projekte und Angebote mit Blick auf ihre Wirkungen – also Veränderungen bei den Zielgruppen – zu planen, umzusetzen, zu analysieren und zu verbessern.
Die Organisationen lernen durch die Reflexion, sich stärker mit dem Kern ihrer Arbeit auseinanderzusetzen: der Hilfe für bedürftige Zielgruppen angesichts eines herausfordernden Arbeitsumfelds und ökonomischer Knappheit. Werden erzielte Wirkungen sichtbar, stärkt das nicht nur das professionelle Selbstverständnis der Projektmitarbeiten den. Wer plausibel machen kann, dass die eingesetzten Ressourcen zu Veränderungen bei den Zielgruppen führen, hat gewichtige Argumente gegenüber Mittelgebenden. Wenn sich der Blick auf Soziale Arbeit dadurch verändert – weg von reiner Kostenorientierung hin zum Fokus auf gesellschaftliche Wirkung – wird das perspektivisch auch Auswirkung auf Verträge mit der öffentlichen Hand haben. Wir wollen dazu beitragen, dass das Ge lernte fest in den Organisationen verankert wird und dort von Nutzen ist. Wir möchten aber auch, dass möglichst viele Träger von dem Pilotprojekt profitieren. Daher haben wir begonnen, die Erfahrungen und Ergebnisse unserer Mitgliederaufzubereiten und der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Beispiel Rheuma-Liga Berlin: Information auf Augenhöhe
Die Rheuma-Liga Berlin konnte das in der Schulung erworbene theoretische Wissen in ihr exemplarisches Praxisprojekt einbringen: Das Programm der Informationsveranstaltung »Arthrosetag« am 27. Oktober 2016 sollte durch mehr Einbeziehung von Patienten und Mitarbeitern besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt werden. Es galt also, er wünschte Wirkungen als konkrete Ziele zu formulieren, an denen sich die gesamte Arbeit ausrichtet und gesteuert werden sollte. Das entscheidende Wirkungsziel war, Menschen mit Rheuma noch zielgerichteter über die Angebote der Rheuma-Liga Berlin zu informieren. Zudem sollte durch die Einbindung die Motivation der Beteiligten gestärkt werden.
Um die Zielgruppe besser einzubeziehen, fanden im Vorfeld der Veranstaltung Treffen, persönliche Gespräche und telefonische Interviews statt, aus denen zahlreiche Hinweise und konkrete Anregungen kamen. Auf dieser Grundlage konnte die Rheuma-Liga Berlin beim Arthrosetag, der mit über 500 Gästen sehr gut besucht war, die Gestaltung des Bühnen und Rahmenprogramms entsprechend anpassen: Ein zusätzliche sinteraktives Bewegungsprogramm durch einen Therapeuten wurde in das Bühnenprogramm aufgenommen. Zwei ehrenamtliche Gebärdensprach-Dolmetscherinnen übersetzen alle wissenschaftlichen Vorträge. Am Informationsstand der Rheuma-Liga Berlin wurde eine Präsentationswand zu neuen Bewegungs- und Aktivangeboten ausgestellt. Fragen hier zu beantworteten haupt- und ehrenamtlichen Ansprechpartner.
Die Herausforderung wird es in der Rheuma-Liga Berlin nun sein, Aspekte der Wirkungsorientierung auf andere Bereiche zu übertragen. Dafür bietet sich die Ausgestaltung anderer Informationsveranstaltungen nach dem erfolgreichen Vorbild des Arthrosetages an. Aber auch bei anderen Vorhaben sollen Elemente der Wirkungsorientierung künftig stärker berücksichtigt werden.
Beispiel Schwulenberatung Berlin: Von der Wirkung aus denken
»Wirkungsorientierung ist eine andere Denkweise: Projekte werden nicht vom Angebot aus gedacht, sondern von der gewünschten Wirkung«, sagt Stephan Jäkel von der Schwulenberatung Berlin. »Es gelingt mir dadurch viel besser, unsere Ziele und Vorhaben prägnanter und nachvollziehbarer darzustellen.« Die Schwulenberatung ist einer von elf Trägern aus dem Bereich Suchthilfe, Gesundheit und HIV/Aids, die am Pilotprojekt Wirkungsorientierung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin mit Phineo teilnahmen.
In einem der ersten Treffen lernten die Teilnehmenden die Wirkungstreppe als Instrument der wirkungsorientierten Steuerung kennen. Sie definiert in sieben Stufen, welche Ziele ein Projekt bei der Ziel gruppe und in der Gesellschaft erreichen soll. Auf dieser Basis entwickelte die Schwulenberatung Berlin ein Angebot zur Inklusion von LSBTI-Geflüchteten (schwul, lesbisch, bi‑, trans- und intersexuell). »Die Ziele unseres Angebots entlang der Wirkungstreppe zu definieren, war für mich ein Schlüsselerlebnis«, sagt Stephan Jäkel.
Diese wirkungsorientierte Herangehens weise blieb bei den übrigen Mitarbeitenden der Schwulenberatung Berlin nicht unbemerkt, über alle Abteilungen hinweg gab es Interesse für den wirkungsorientierten Ansatz. »Auch die Kollegen, die nicht direkt mit LSBTI-Geflüchteten arbeiten, identifizieren sich noch stärker mit unserer Organisation, weil sie sehen, dass wir bei diesem Thema viele Geflüchtete unterstützen können und darüber hinaus einen echten Beitrag zur strukturellen Verbesserung der Lebenssituation der Zielgruppe leisten.« Er habe schon mehrere Fortbildungen zu Qualitätsmanagement gemacht, sagt Stephan Jäkel, aber der Ansatz von Wirkungsorientierung sei bislang am umfassendsten. Dennoch sieht der Abteilungsleiter auch Grenzen. »Jedes Detail von Beginn an wirkungsorientiert zu planen, kostet viel Zeit und Energie. Deshalb finde ich die Frage völlig legitim, ob die Investition für jedes Projekt Sinn macht.«
Für die Schwulenberatung Berlin und die Zielgruppe der LSBTI-Geflüchteten habe sich der Aufwand in jedem Fall gelohnt, sagt Jäkel. Derzeit überarbeiten er und seine Kolleginnen und Kollegen das Leitbild ihrer Organisation mit dem Fokus auf Wirkungsorientierung. Anschließend wollen sie sich auch die anderen Tätigkeitsbereiche der Schwulenberatung Berlin ansehen. »Ich bin mir sicher, dass Wirkungsorientierung auch für weitere Projekte ein hilfreiches Instrument bleibt.«
Bewusstere Haltung entwickelt
Auch in der Wohngruppe Rückenwind JuLi gGmbH will man dranbleiben und das Thema Wirkungsorientierung weiterverfolgen. »Wir haben gemerkt, dass man diese Herangehensweise auf weitere Bereiche der eigenen Arbeit übertragen kann«, berichtet Wohngruppenleiter Neuenfeldt-Kock. Wenn jetzt zum Beispiel die Eltern zu einem gemeinsamen Kochabend in der Wohngruppe eingeladen werden, überlegt das Team vorher: Was wollen wir mit diesem Vorhaben erreichen? Was muss erfüllt sein, damit die Veranstaltung ein Erfolg war? Und hinterher wird geschaut, ob diese Ziele auch erreicht wurden.
Wirkungsorientierung immer und überall mitzudenken, das sei nicht immer umzusetzen, berichtet Marcus Neuenfeldt Kock. Der Blick auf die Wirkung sei im Lauf der Zeit ein Aspekt geworden, der bei der Arbeit immer im Hinterkopf bleibe. Eine Investition, die sich lohnt: »Wir haben eine Haltung entwickelt, mit der wir unsere Arbeit bewusster auf unsere Ziele und die Einbeziehung aller Beteiligten hin überprüfen. Durch die Wirkungsorientierung ist unser Handeln einfach greifbarer geworden.«
Der Beitrag ist erschienen in: Sozialwirtschaft aktuell, Nomos, Oktober 2017
AUCH INTERESSANT
Seit 2001 führt die Paritätische Akademie gemeinsam mit der Alice Salomon Hochschule den berufsbegleitenden Fernstudiengang Sozialmanagement durch. An diesem Studiengang, der das Ziel hat Führungspersonal in der Sozialarbeit zu professionalisieren, haben inzwischen über 1.000 Studentinnen und Studenten teilgenommen.
Dabei ist der Anteil der Studentinnen von 57 Prozent in den Jahren von 2001 – 2009 auf 66 Prozent in der letzten Dekade gestiegen. Das spiegelt wider, dass sich inzwischen mehr Frauen eine Führungsposition in sozialen Organisationen zutrauen. Das Durchschnittsalter beim Studienbeginn beträgt 35 Jahre. Knapp die Hälfte der Studentinnen und Studenten arbeiteten als Fachkräfte, ein Drittel hatte bereits eine Position in der Team- oder Bereichsleitung.
Wir haben im Oktober 2019 die Absolventinnen und Absolventen der letzten fünf Jahrgänge befragt, wie zufrieden Sie mit diesem Studium waren. Mit sehr gut oder gut wurden von 81 Prozent der Befragten die Studieninhalte insgesamt eingeschätzt, wobei die fachliche Qualität der Lehre (94 %) und die Aktualität der Inhalte (91 %) besonders positiv gesehen wurden.
Die Befragten gaben an, am meisten von den Modulen Management in Organisationen (88 %), Führen und Leiten (85 %), Organisationsentwicklung (84 %) und Recht (82 %) profitiert zu haben.
Als größtes Defizit wurde genannt, dass der Themenbereich Digitalisierung/Social Media in der Sozialwirtschaft zu wenig behandelt wurde. An dieser Stelle haben wir bereits gegengesteuert und im aktuellen Curriculum diesen Bereich deutlich aufgewertet.
Von welchen der folgenden Module und Studieninhalte haben Sie am meisten profitiert?

Eine Besonderheit dieses Studienganges ist, dass in allen Präsenzblöcken jeweils die Betreuung durch professionelle Coaches angeboten wird. Von 85 Prozent der Befragten wurde dies als eine Bereicherung sowohl für das Studium als auch die berufliche Praxis gewertet.
Rückblickend beurteilten 90 Prozent der Absolventinnen und Absolventen die Vereinbarkeit des Studiums mit ihrem ausgeübten Beruf, und 80 Prozent die Vereinbarkeit mit ihren damals bestehenden privaten und familiären Verpflichtungen als gut oder eher gut. Dementsprechend konnten 73 Prozent ihr Studium in der Regelstudienzeit abschließen. Weitere 17 Prozent benötigten nur ein Urlaubssemester.
Unterstützung durch Ihren Arbeitgeber erhielten 60 % der Befragten, wobei es schon für 42 Prozent während des Studiums eine berufliche Veränderung gab, für weitere 32% nach dem Studium. Besonders zufrieden waren die Befragten mit der Betreuung durch die Referentinnen der Paritätischen Akademie (95 % zufrieden oder eher zufrieden) und dem Aufbau und der Struktur des Studiengangs (94 %) und, besonders wichtig, mit dem erreichten Wissen und Können (92 %).
Daher würden auch 90 Prozent der Befragten diesen Studiengang weiterempfehlen.