Interview mit Benjamin Schorn
Benjamin Schorn ist Forensic Investigation Spezialist und besitzt mehrjährige Erfahrung in der Durchführung forensischer Sonderuntersuchungen in Kriminalverdachtsfällen, zuletzt bei der KPMG AG in München, wo er unter anderem an der Aufklärung des Wirecard-Skandals mitgewirkt hat. Im Rahmen seiner Tätigkeit beschäftigt er sich intensiv mit psychologischen Befragungstechniken mit Tätern, Opfern und Zeugen sowie den Motivatoren, Stressoren und der Verhaltensantizipation von unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen. Er ist Träger des einzigen weltweit anerkannten Titels im Bereich Forensik und Wirtschaftskriminalität und wurde 2021 als akkreditierter Experte in die Experten-Datenbank der europäischen Strafverfolgungsbehörde EUROPOL aufgenommen. Seine wissenschaftlichen Beiträge über sozial- und persönlichkeitspsychologische Erkenntnisse im Bereich Wirtschafts- kriminalität werden regelmäßig im ACFE Fraud Magazin veröffentlicht.
Im Jahr 2021 hat er das Institut für Governance & Psychologie gegründet und leitet dort ein Team aus Kriminal-psychologen und Psychotherapeuten.
Was verstehen wir unter Forensic Leadership – Persönlichkeitsprofiling als Führungsinstrument bzw. Forensic Negotiation-Persönlichkeitsprofiling als Verhandlungsinstrument?
Im Seminar Forensic Leadership werden die Erkenntnisse aus der kriminalpsychologischen Arbeit in die tägliche
Führungspraxis übertragen. Dazu gehören sowohl Gesprächstechniken, die bei Vernehmungen von Zeugen, Opfern und Beschuldigten herangezogen werden, als auch professionelle Einschätzungen unterschiedlicher Verhaltensweisen. Im Seminar Forensic Negotiation nutzen Sie dieses Wissen, um psychologisch wirkungsvoll
mit verschiedenen Persönlichkeitsstilen Ihrer Geschäftspartner:innen zu verhandeln.
Was ist besonders relevant, welche aktuellen Bezüge gibt es zu den angebotenen Inhalten?
Die Aufgabe eines Forensikers und Wirtschaftskriminologen besteht zu einem wesentlichen Teil daraus, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge für (teilweise schädliches) Verhalten zu begreifen. Für dieses Verstehen ziehen wir wissenschaftliche Modelle aus der (Sozial-)psychologie und Kriminologie heran, deren Kenntnisse sich ebenfalls in die Führungspraxis ableiten lassen. Denn die Herausforderung einer heutigen Führungskraft besteht zunehmend darin, den Anforderungen und Ansprüchen nach einer individuellen Behandlung und Berücksichtigung der einzelnen Mitarbeiter gerecht zu werden.
Welche Vorteile bietet Persönlichkeitsprofiling, aber auch welche Schwierigkeiten/Hemmnisse? Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen?
Persönlichkeitsprofiling bietet zunächst einmal die Chance, anhand von wissenschaftlichen Parametern eine gute Einschätzung unseres Gegenübers zu erzielen. In der forensischen Arbeit hilft uns eine solche Diagnostik auf der einen Seite dabei, ein besseres Verständnis für die Motive von Straftätern zu erlangen. Auf der anderen Seite verlangt auch eine professionelle Befragung eine entsprechende Antizipation unterschiedlicher Gefühlswelten und Verhaltensweisen des Gesprächspartners. Eine professionelle Einschätzung der inneren Dynamiken von Zeugen, Opfern und Beschuldigten, verhilft uns in der Vernehmung also an aufrichtige und ehrliche Informationen
zu gelangen, die für die Fallaufklärung bedeutsam sind. Gleichzeitig besteht in der Einordnung von Verhaltensweisen die Gefahr einer vorschnellen Stigmatisierung im Sinne von „Der ist so und so eine Person.“ Hier gilt es, die eigene Hypothese hinsichtlich der Hineinkategorisierung von Persönlichkeitseigenschaften auch immer wieder reflexiv zu hinterfragen.
Wie läuft Kurs ab? Was ist konkreter Inhalt des Kurses? Wie gelingt eine Verbindung von Theorie und Selbstreflexion?
Der Kurs beschäftigt sich im Wesentlichen mit dem Begreifen von unterschiedlichen (teilweise schwierigen) Verhaltensweisen von Mitarbeiter:innen und Führungskräften sowie der dazugehörigen Verhaltensantizipation, die stets – analog zu forensischen Vernehmungen – auf Beziehungsförderung ausgerichtet ist.
Das Besondere an diesem Kurs ist, dass neben profunden Modellen aus der Wissenschaft und spannenden Praxisbeispielen aus dem forensischen Alltag, ein Schauspieler zur Verfügung steht, mit dem herausfordernde Situationen realgetreu geübt werden können.
Gibt es Voraussetzungen, die die Teilnehmenden des Seminares erfüllen müssen? Für wen ist die Veranstaltung besonders empfehlenswert?
Die Teilnehmer:innen benötigen keine Vorkenntnisse. Die Veranstaltung ist sowohl für Fachkräfte relevant, die regelmäßig in Teams zusammenarbeiten und gruppendynamischen Phänomenen ausgesetzt sind, als auch für Führungskräfte, die eigene Mitarbeiter:innen anleiten sollen.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Das Gespräch führte Solvejg Hesse, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin
Forensic Leadership – Persönlichkeitsprofiling als Führungsinstrument
Seminar
Forensic Negotiation – Persönlichkeitsprofiling für die Verhandlungsführung
Seminar