Blumenstrauß-Abo und Rückfahrschein zur Kündigung?
5 Tipps für wirksames Employer Branding in der Sozialwirtschaft
Wie funktioniert eigentlich aktuelles, wirkungsvolles Employer Branding? Darüber haben wir mit Fachexpertin und Dozentin Anne Engelshowe gesprochen. Herausgekommen sind fünf Tipps, die wir in diesem Magazinbeitrag teilen, um Ihre Arbeitgebermarke in Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Fluktuation in der Sozialwirtschaft zu stärken.
1. Sei konsistent – und wenn du’s nicht bist, sprich offen darüber
Viele Unternehmen werben mit flachen Hierarchien und Nachhaltigkeit. In der Realität treffen Bewerber:innen dann aber schnell auf „Siezen in der Chefetage“ und unnötige Wegwerfprodukte im Arbeitsalltag. Konsistent sein bedeutet jedoch, Botschaften nicht nur in der Auswahl smarter Bilder und Sprüche auf der Website, sondern wirklich bis in die Mitarbeitenden-Toilette hinein zu durchdenken. Dies erfordert keine Perfektion, sondern authentische und ehrliche Kommunikation.
Wenn in Bewerbungsgesprächen beispielsweise lieber gesiezt wird und im Team eine „Du-Kultur“ herrscht, sollte dies offen angesprochen werden. Auch was die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Diversität im Arbeitsalltag betrifft, sollten Arbeitgeber:innen dies weniger perfekt verkaufen und sich stattdessen um eine gemeinsame Entwicklung hin zu einer guten und lebenswerten Organisation bemühen, womit wir auch direkt zum zweiten Tipp kommen:
2. Trau‘ dich, deine (potenziellen) Mitarbeiter:innen zu fragen und damit in die Lösungsfindung mit einzubeziehen
Oft wissen gerade kleine Träger:innen nicht, mit welchen Argumenten sie sich gegenüber „den Großen“ behaupten sollen, sodass in Stellenanzeigen mit üblichen Phrasen und Floskeln geworben wird. Doch was wäre, wenn sie ihre bestehenden Mitarbeiter:innen fragen, warum sie gen bei ihnen arbeiten? Was sie antreibt, sich jeden Tag auf die Arbeit einzulassen? Und, warum nicht Bewerber:innen im nächsten Interview selbst fragen, wie sie sich gerne bewerben möchten? Vielleicht ist der Telegram-Chatbot dann doch nicht so gewollt, wie anfangs angenommen.
Eine Kultur des Fragens und des Zuhörens kann langfristig zu besseren Entscheidungen für alle Beteiligten führen. Es erfordert jedoch Mut zuzugeben, dass man nicht immer die perfekte Lösung parat hat. Genau darum geht es im nächsten Tipp:
3. Ungemütliche Probleme erfordern (vermeintlich) ungemütliche Handlungen
Der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege verschärft sich zunehmend. Um diesem Problem entgegenzuwirken, müssen neben faireren Arbeitsbedingungen auch Maßnahmen wie das „Abwerben“ von Pflegekräften neu betrachtet werden. Könnte es als Gewinn auf Systemebene betrachtet werden, wenn Pflegekräfte von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln, statt der Branche vollständig den Rücken zuzukehren? Eine weitere Herausforderung besteht in der Erstellung von Dienst- und Schichtplänen, betont Anne. Wie können wir den zunehmenden Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und hoher Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeit mit der teilweise noch sehr starren Schichtplanung vereinbaren? Wer in der Pflege in 10 Jahren noch Personal finden möchte, muss sich jetzt mit Lösungen für diese und weitere Fragen befassen. Möglicherweise erfordert dies die stärkere Zusammenarbeit verschiedener Träger:innen, um gemeinsam kreative Lösungen für gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln.
Allerdings haben Synergien auch Grenzen, die in der Auswahl und Gestaltung von Kooperationen gewahrt werden müssen. Um diese Grenzen zu kennen, benötigt man ein solides Verständnis der eigenen Identität, auf das im nächsten Abschnitt eingegangen wird:
4. Immer wieder mit dem Brennglas auf die eigene Identität schauen
Arbeitgeber:innen sollten sich öfter die Frage stellen: „Wer bin ich? Was treibt uns an?“. Oftmals wird bei der Gestaltung von Leitbildern zu stark die Perspektive von Leistungsempfänger:innen und Geldgeber:innen berücksichtigt, während die Mitarbeiter:innen-Perspektive vernachlässigt wird. Die eigene Identität als Organisation zu kennen und zu wahren ist jedoch essenziell, um zu wissen, welche Art von Mitarbeiter:innen man sucht und welche nicht. Wenn eine Organisation beispielsweise Offenheit und Lernbereitschaft fördert, muss sich dies auch in der Gestaltung der Arbeitszeit sowie ausreichend Freiraum für Fort- und Weiterbildung widerspiegeln. Gleichermaßen wäre es passender, anstatt den perfekten Lebenslauf von Bewerber:innen einzufordern stärker auf die Lern- und Weiterentwicklungsbedürfnisse der Kandidat:innen zu schauen.
Ein starkes Arbeitgeberselbstverständnis kann daher sowohl bei der Bewerber:innenwahl Orientierung geben als auch konsistentere Entscheidungen im Arbeitsalltag ermöglichen. Dazu gehört auch die Entscheidung einer Kündigung, über die in Organisationen noch viel zu zaghaft gesprochen wird. Auch hierzu hat die Expertin ein paar letzte Tipps.
5. Lerne, wertschätzend loszulassen und im Guten auseinanderzugehen
In Zeiten von Social Media und Online-Portalen hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ein exponentiell wachsendes Netzwerk, das auch für Arbeitgeber:innen von Bedeutung ist. Daher ist es umso wichtiger, dass Wertschätzung und Offenheit nicht nur gegenüber potenziellen und aktuellen, sondern auch ehemaligen Mitarbeiter:innen gezeigt wird. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter:innen den ersten Job bis zur Rente behielten, sind vorbei. Auf diese Veränderung beleidigt oder mit verschlossenen Türen zu reagieren, führt zu nichts oder schadet sogar dem Image des Unternehmens. Die innovativsten Reaktionen auf Kündigungen, die Anne in ihrer Karriere erlebt hat, waren:
- ein Blumen-Abo, das auch Monate nach dem Austritt noch monatlich für die großartige Arbeit dankt oder
- eine Postkarte als undatierter Rückfahrschein, der herzlich und kreativ die Option einer Rückkehr ins Unternehmen ermöglicht
PS: Hast Du eigentlich gemerkt, dass wir in diesem Beitrag hier vom „Sie“ ins „Du“ übergegangen sind? Wie hat sich das beim Lesen angefühlt?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Seien Sie gut zu Ihren Mitarbeitenden. Aktivieren Sie sie für Ihre Aktivitäten und finden Sie Freude daran, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Dann wird gutes Employer Branding nicht länger ein gefürchtetes Buzzword sein, sondern eine natürliche Konsequenz eines wertschätzenden und kollaborativen Miteinanders.
Wer intensiver in die Themen Mitarbeitendengewinnung und ‑bindung eintauchen möchte, kann sich noch für Annes Veranstaltungen „13. Treffen Netzwerk Personalmarketing“ (16.10.2024) und „Attraktiver Arbeitgeber werden: Grundlagenseminar für die Sozialwirtschaft“ (16. – 17.09.2025) anmelden.
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Text: Der Beitrag wurde von Tanja Tissen, Bildungsreferentin und Dozentin an der Paritätischen Akademie, im Interview mit Anne Engelshowe verfasst.
Foto: Anne Engelshowe
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