in Gastbeitrag von Anne Jeglinski
Gerade in Pandemie-Zeiten hat sich durch ihre Präsenz und ihre innovativen Ideen wieder gezeigt, dass freie
gemeinnützige Organisationen, als Teil der Zivilgesellschaft, systemrelevant sind und unsere Gesellschaft zusammenhalten. Dennoch wird die Wirkung ihrer Arbeit gleichzeitig auch in Frage gestellt, wenn es um auskömmliche Finanzierung und um Augenhöhe bei Verhandlungen mit Politik und Verwaltung geht. Erreichen sie
wirklich das bei den Zielgruppen, was sie sich vorgenommen haben? Sind die Zielgruppen eingebunden? Sind die Organisationen fähig in der Krise zu agieren?
Dabei nehmen die gesellschaftlichen Herausforderungen zu. Die gegenwärtige Corona-Pandemie hat diese wie durch ein Brennglas sichtbar gemacht. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Kitas, Pflegeeinrichtungen, Wohnungslosenhilfe, Nachbarschaftszentren, Jugendclubs oder Hilfsdienste haben seit Beginn der Pandemie ihr Möglichstes getan, um auch weiterhin für Menschen da sein zu können.
Gerade jetzt müsste soziale Arbeit mehr unterstützt und finanziert werden, denn die Folgen der Coronakrise sind
gravierend. Die Gefahr besteht jedoch, dass es im Hinblick auf Haushaltsverhandlungen vermehrt um finanzielle
Kürzungen auch im sozialen Bereich gehen wird.
Augenhöhe durch wirkungsorientiertes Arbeiten erzeugen
Wie können gemeinnützige Organisationen damit umgehen? Wie können wir selbst dazu beitragen, dass
Diskussionen auf Augenhöhe geführt werden? Wie können wir von einem Diskurs über Einsparungen zu einem gemeinsamen Austausch über gesellschaftliche Herausforderungen und erwünschte Wirkungen von Angeboten und Vorhaben kommen?
Der Fokus auf der Wirkung sozialer Arbeit bietet enorme Vorteile für den Dialog mit relevanten Stakeholdern wie Politik, Verwaltung und Geldgebern. Einerseits kann die Wirkungsorientierung als Steuerungshilfe transparenter aufzeigen, ob beabsichtigte Veränderungen eingetreten sind. Andererseits ist sie hilfreich dabei dem Trend zur externen ex-post Evaluation etwas entgegenzusetzen. Denn was bringt es, Leistungen auf ihre Wirkungen hin zu überprüfen, wenn vorher nicht wirkungsorientiert konzipiert, geplant, umgesetzt und analysiert wurde? Dieses Wissen kann eingesetzt werden, um Wirkungsdialoge mit Politik, Verwaltung sowie weiteren Stakeholdern anzuregen, einzufordern und aktiv mitzugestalten.
Fokus auf die Wirkungen sozialer Arbeit setzen
Mitarbeitende in gemeinnützigen Organisationen haben oft ein untrügliches Gespür für die Zielgruppen ihrer
Arbeit und die Wirkungen, die sie erzielen. Es gelingt allerdings nicht immer, das für Externe verständlich und strukturiert zu analysieren und zu kommunizieren.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat sich bereits Ende 2014 auf den Weg gemacht Wirkungsorientierung für die Zivilgesellschaft zugänglich zu machen. Seitdem haben wir von verschiedenen Akteuren im Gebiet der Wirkungsorientierung wie z.B. dem gemeinnützigen Analyse- und Beratungshaus Phineo gAG und vielen anderen gelernt. Ausgehend von diesen Erfahrungen, hat der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin ein eigenes Wirkungsmodell erstellt, erprobt und für soziale Organisationen nutzbar gemacht. Es basiert auf bestehenden Modellen, kombiniert, ergänzt und entwickelt diese weiter.
Wozu wurde das Wirkungsmodell entwickelt?
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind Seismografen der Gesellschaft und müssen als Krisen-Bewältigerinnen sozial-innovativ denken und handeln. Dafür brauchen sie Werkzeuge und Methoden. Dabei kann die Wirkungsorientierung und das Wirkungsmodell des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin unterstützen. Wirkungsorientiert Vorhaben zu konzipieren, zu planen, durchzuführen, zu analysieren und darüber zu berichten sehen wir als Schlüssel zu mehr Augenhöhe mit Politik, Verwaltung, Geldgebern und anderen relevanten Akteuren.
Angemessen darstellen zu können, wozu soziale Organisationen ihre Leistungen bzw. Aktivitäten durchführen, auf welcher Grundlage sie diese konzipiert haben und welche Ergebnisse und Wirkungen sie auf Ebene der Zielgruppen damit erreicht haben, ermöglicht ihnen, konkret und strukturiert zu berichten.
Wirkungsorientierung als Haltung befördert das prozessorientierte iterative Arbeiten. Das Wirkungsmodell des Paritätischen Wohlfahrtverbandes ermöglicht es gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Organisationen Wirkungsorientierung in die Denkweise von Mitarbeitenden einfließen zu lassen.
Wie funktioniert das Wirkungsmodell?
Das Wirkungsmodell ist eine vereinfachte Darstellung davon, wozu und wie Wirkungen bei Zielgruppen bzw. darüber hinaus in Bezug auf die Gesellschaft erzielt werden. Es erleichtert die Planung und Analyse von Ergebnissen und Wirkungen, indem vor Beginn der Umsetzungsphase Annahmen über Zusammenhänge zwischen den
Interventionen und den daraus folgenden Wirkungen getätigt werden.
Wirkungszusammenhänge werden nach Zielen, Inhalten und Methoden hypothetisch entworfen. Es entsteht die spezifische Wirkungslogik für das Vorhaben. Die Wirkungsziele gliedern sich in Wirkungen in Bezug auf die
gesellschaftliche Ebene (Impact) und Wirkungen auf Ebene der Zielgruppe(n) (Outcomes). Die angedachten Leistungen bzw. Aktivitäten (Outputs) dienen dazu, die Zielgruppe(n) zu erreichen, um Wirkungen auf der Ebene der Zielgruppe(n) zu ermöglichen. Die Umsetzung der Leistungen bzw. Aktivitäten ist also essenziell, um überhaupt Wirkung erzeugen zu können.
Wirkungsorientiert zu arbeiten bedeutet, Vorhaben von der Wirkung her zu planen. Es geht darum eine Rückkopplung zu der gesellschaftlichen Herausforderung einzubauen und die Rahmenbedingungen immer wieder zu überprüfen. Es geht auch um die Einbeziehung und Partizipation der Nutzerinnen und Nutzer (Zielgruppen)
der Angebote, nämlich darum, die Ressourcen dieser Menschen zu erkennen, einzubeziehen und sich das Feedback dieser adressierten Zielgruppen einzuholen.
Herausforderungen der Wirkungsorientierung in der sozialen Arbeit
Selbstverständlich findet soziale Arbeit unter Bedingungen statt, die von wachsender Komplexität geprägt sind. Wirkungsmodelle sind eine Reduktion der Wirklichkeit. Wenn wir Wirkungen analysieren machen wir Aussagen über Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Keine Methodik bildet alle Ebenen sozialer Wirkung ab. Wir können aber Annäherungen zwischen Tätigkeit und Wirkung treffen. Nachhaltigere Wirkungen sind sicher schwerer nachzuweisen, als Wirkungen auf Ebene der Zielgruppen, die wir befragen können. Das Wirkungs-Modell des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin ist aus der Praxis heraus entstanden. Es wurde entwickelt, um in der Praxis Menschen und Organisationen der sozialen Arbeit zu dienen.
Wir wollen Mut machen wirkungsorientiert zu arbeiten, denn über die Beschreibung der intendierten Wirkungen, die Formulierung von Wirkungszielen und Wirkungshypothesen können wir Aussagen über den Zusammenhang zwischen Leistungen und vorab vermuteter Wirkung treffen. Selbst wenn wir uns nur annähern, sind das doch wichtige Hinweise für soziale Organisationen und deren Stakeholder.
Wirkungsorientierung anwenden lernen
Wer lernen möchte wirkungsorientiert zu arbeiten, findet dazu Kurse an der Paritätischen Akademie. Innerhalb des Innovationsforums gibt es sowohl Einsteigerkurse, also auch den Zertifikatskurs Wirkungsorientierung.
Gemeinnützige Organisation, Institutionen und Verbände, die sich außerdem als Ganzes auf den Weg machen möchten und mit dem Ansatz der Wirkungsorientierung Veränderungsprozesse anstoßen möchten, beraten wir selbstverständlich auch individuell für maßgeschneiderte Inhouse-Angebote oder begleitende Coachings.
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind die Basis auf der unsere Demokratie steht. Sie stehen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, für Solidarität und für Menschlichkeit. Die Leistungen, die sie erbringen und die
Wirkungen, die sie mit ihrer Arbeit erzielen gilt es noch viel deutlicher sichtbar zu machen. Denn sie wirken.
Zur Autorin:
Anne Jeglinski ist Leiterin der Geschäftsstelle Bezirke, Innovation und Wirkung beim Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin
Wirkungsmanagement
Zertifikatskurs
Einführung in die Wirkungsorientierung
Seminar
Wirkungsorientierung Praxistag: Fallbeispiel und Übungen
Seminar
Weitere Informationen und individuelle Beratung zu Inhouse Angeboten und
begleitendem Coaching
Annette Loy
Bereichsleitung Seminare
Paritätische Akademie Berlin
030 275 8282 15