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Sozia­le Ein­rich­tun­gen in New York City – Ein­drü­cke der Bil­dungs­rei­se 2022

Juni 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Soziale Einrichtungen in New York City

Eindrücke der Bildungsreise 2022


Wel­che Unter­schie­de las­sen sich in der sozia­len Arbeit zwi­schen der USA und dem deut­schen Raum erken­nen? Wel­che neu­en Ansät­ze und Per­spek­ti­ven für die Arbeit im deut­schen Sys­tem mit­neh­men? In der Fort­bil­dungs­rei­se nach New York City haben die Teil­neh­men­den die Chan­ce, die Arbeit vor Ort ken­nen­zu­ler­nen und sich mit Sozialarbeiter:innen in ver­schie­de­nen Pro­jek­ten aus­zu­tau­schen.

Das Pro­gramm wird dabei jedes Mal indi­vi­du­ell nach den Berufs­fel­dern der Teil­neh­men­den zusam­men­ge­stellt. Men­schen aus dem Bereich Jugend- und Fami­li­en­hil­fe, Behin­der­ten­hil­fe, Frei­wil­li­gen­ma­nage­ment sowie Geschäfts­füh­ren­de aus unter­schied­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen aus Deutsch­land waren 2022 dabei. Nach einer pan­de­mie­be­din­gen Pau­se sind für unse­re Bil­dungs­rei­se nach New York City im Okto­ber 14 Teil­neh­men­de zusam­men­ge­kom­men. Die Grup­pe besuch­ten an fünf Tagen ver­schie­de­ne­ne sozia­le Ein­rich­tun­gen vor Ort.

Jeden Tag nach einem kur­zen Brie­fing am Mor­gen fah­ren alle gemein­sam zur ers­ten Ein­rich­tung. Nach der Begrü­ßung und Vor­stel­lung stel­len sich die Gastgeber:innen mit ihren Pro­gram­men vor und ver­su­chen dabei, auf die Inter­es­sen der Besucher:innen aus Deutsch­land ein­zu­ge­hen. Mit Fra­gen und Dis­kus­sio­nen kann ein Besuch bis zu vier Stun­den gehen. Da eine zusam­men­fas­sen­de Über­set­zung der Gesprä­che in den Ein­rich­tun­gen erfolgt, sind gute Eng­lisch­kennt­nis­se kei­ne Vor­aus­set­zung für die Teil­nah­me. Die Zeit zwi­schen den Ein­rich­tun­gen und der Fei­er­abend wird von den meis­ten natür­lich gern für Sight­see­ing-Akti­vi­tä­ten genutzt. Der ver­gan­ge­ne Tag wird in der Regel am nächs­ten Fol­ge­mor­gen reflek­tiert. Mel­den Sie sich für Bil­dungs­rei­se 2023 hier an!


Eindrücke aus den Einrichtungen der Bildungsreise 2022

Einen beson­ders blei­ben­den Ein­druck haben die Ein­rich­tun­gen hin­ter­las­sen, in denen sich die Ansät­ze stark von deut­schen Ein­rich­tun­gen unter­schei­den. Das waren bei­spiels­wei­se die ver­schie­den Sett­le­ment-Pro­jek­te und ein Zen­trum für unab­hän­gi­ges Leben von Men­schen mit Behin­de­rung CID­NY. Auf die­se Erfah­run­gen möch­ten wir an die­ser Stel­le geson­dert ein­ge­hen. 


University Settlement – Alle(s) unter einem Dach

In den 1880er Jah­ren wur­de die Lower East Side von neu­en Ein­wan­dern­den besie­delt, deren Leben von Armut geprägt war. 1886 wur­de hier das Uni­ver­si­ty Sett­le­ment gegrün­det und damit die ame­ri­ka­ni­sche Sied­lungs­haus­be­we­gung gebo­ren. Bald folg­ten wei­te­re Sied­lungs­häu­ser in der Lower East Side, in Chi­ca­go und im gan­zen Land.

Uni­ver­si­ty Sett­le­ment ist heu­te für rund 40.000 Men­schen in der Umge­bung zustän­dig. Genau­er bedeu­tet das, es wird ihnen Raum gege­ben, sich zu orga­ni­sie­ren. Damit wird ein gro­ßer Unter­schied zum deut­schen Sys­tem deut­lich. Denn in Deutsch­land hat das Indi­vi­du­um einen Rechts­an­spruch auf Leis­tun­gen. Der Staat wird somit in die Ver­pflich­tung genom­men, die­sem Rechts­an­spruch zu ent­spre­chen. Der Bezirk, in dem eine Per­son gemel­det ist, hat die Zustän­dig­keit. Da dem im US-ame­ri­ka­ni­schen Sys­tem nicht so ist, kann der Staat bzw. die Stadt New York auch nicht in die Ver­pflich­tung genom­men wer­den. Men­schen kön­nen Leis­tun­gen wie Hil­fen zu Erzie­hung hier nicht ein­kla­gen oder sich bei Bedarf an Schied- oder Ombud­stel­len wen­den.

Wenn Men­schen nicht zu ihren Leis­tun­gen kom­men, fun­gie­ren Com­mu­ni­ties wie die Uni­ver­si­ty Sett­le­ment als Auf­fang­be­cken. Die Rechts­an­sprü­che sind Com­mu­ni­ty-basiert. Dem­zu­fol­ge wird in einem Haus gemein­sam dar­über ent­schie­den, wie man den Ein­zel­nen hel­fen kann.

Bis zu 40 Klient:innen haben hier haupt- und vie­le ehren­amt­li­che Mit­ar­bei­ten­de, die als Ansprechpartner:innen vor Ort sind. Ein gro­ßer Vor­teil trotz unge­re­gel­ter Arbeits­zei­ten: die Nähe und Ver­trau­lich­keit zwi­schen Sozialarbeiter:innen und Bewohner:innen. Hier wird nicht vom Leis­tungs­an­spruch aus gedacht. Fami­li­en, Kin­der und Jugend­li­che mit unter­schied­li­chen Ein­schrän­kun­gen und Sozialarbeiter:innen füh­ren ein gemein­schaft­li­ches Mit­ein­an­der.

Wäre so ein Ansatz in Deutsch­land mög­lich? Die Grund­ver­schie­den­heit der Rechts­sys­te­me macht die Beant­wor­tung der Fra­ge sehr schwie­rig.

Fordham University – Studium mit großem Praxisbezug


Wei­ter ging es nach Ford­ham. Wie erfah­ren, die Stu­die­ren­den die­ser Hoch­schu­le sind stark in einem neu­en Pro­jekt der Uni­ver­si­ty Sett­le­ment ein­ge­bun­den. In der Fakul­tät für Social Ser­vices an der Hoch­schu­le Ford­ham wer­den ein Bache­lor und ein Mas­ter in Sozia­ler Arbeit ange­bo­ten. Dar­über hin­aus ein PhD (Dok­to­rat) in Sozia­ler Arbeit und ein Zer­ti­fi­kats­kurs Manage­ment von Non-Pro­fit-Ein­rich­tun­gen.


CIDNY – Was wir in Sachen Partizipation und Teilhabe noch lernen können

CID­NY Ist eine 1978 gegrün­de­te gemein­nüt­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on. Sie ist Teil der Inde­pen­dent Living Cen­ters-Bewe­gung: ein natio­na­les Netz­werk von Basis- und Gemein­schafts­or­ga­ni­sa­tio­nen, wel­che die Mög­lich­kei­ten

für Men­schen mit Behin­de­run­gen ver­bes­sern, ihr Leben selbst­be­stimmt zu gestal­ten.

„Eine sehr schö­ne Ein­rich­tung. Uns wur­de vor Ort ein durch­ge­tak­te­tes Pro­gramm mit vie­len Sprecher:innen gebo­ten. 60% der Beleg­schaft hat­te selbst eine Behin­de­rung. Der ICF-Begriff ist hier ange­kom­men. Alles wird

an Teil­ha­be gemes­sen.” stellt eine unse­rer Teil­neh­me­rin­nen fest. „Indem wir in Deutsch­land ver­su­chen, vor fal­schen Ent­schei­dun­gen zu schüt­zen, wird die Teil­ha­be etwas ver­hin­dert. Bei uns ist es eher ein par­ti­zi­pa­ti­ver Pro­zess. Jeman­den mit einer Behin­de­rung in eine Spit­zen­po­si­ti­on zu set­zen, fin­det in unse­rer Arbeit noch nicht gezielt statt.”


The Door – Es kommt darauf an, einen Plan zu haben!

Im Namen die­ses Ortes steckt bereits sein Ziel: The Door ist eine offe­ne Tür. Das Haus hat sich vor allem auf Ange­bo­te für jun­ge Men­schen spe­zia­li­siert. Was auf den ers­ten Blick nach offe­ner Jugend­ar­beit aus­sieht, funk­tio­niert jedoch sehr streng nach Plan. Alle, die in die Ein­rich­tung kom­men, wis­sen genau, wohin es gehen soll.

Gut geschul­te und aus­ge­bil­de­te Mitarbeiter:innen neh­men die Rol­le der Super­vi­si­on ein und ste­hen den Jugend­li­chen zur Sei­te, um mit ihnen einen per­sön­li­chen Plan zu erstel­len und durch­zu­zie­hen. Zwei betreu­te Wohn­ge­mein­schaf­ten für jun­ge Erwach­se­ne sowie Bera­tungs­an­ge­bo­te für die The­men Schu­le, Bil­dung, Job, Gesund­heit und Recht, sowie vie­le wei­te­re Frei­zeit­an­ge­bo­te wer­den dort und an zwei wei­te­ren Außen­stel­len von The Door ange­bo­ten.

Kon­flik­te kom­men natür­lich auch mal vor. Wenn es zu uner­wünsch­ten oder delin­quen­tem Ver­hal­ten kommt, wird dies in Gesprä­chen unter Mit­ar­bei­ten­den the­ma­ti­siert. Aber auch die Jugend­li­chen selbst wer­den stark in die Wer­te des Zusam­men­le­bens mit ein­ge­bun­den. Ein Umgang auf Augen­hö­he hat bei The Door einen gro­ßen Stel­len­wert.

Vie­le wei­te­re Ein­drü­cke konn­ten unse­re Teil­neh­men­den auf Ihrer Rei­se und im inten­si­ven Aus­tausch mit Sozialarbeiter:innen sam­meln. Die Struk­tu­ren der US-ame­ri­ka­ni­schen Sozi­al­sys­te­me wur­den im unmit­tel­ba­ren Pra­xis­be­zug ken­nen­ge­lernt. Eben­so wur­de ein Ver­ständ­nis sozia­ler Wert­vor­stel­lun­gen der US-ame­ri­ka­ni­schen Gesell­schaft ver­tieft. Die vie­len neu­en Kon­tak­te und die gewon­ne­nen Per­spek­ti­ven ver­ar­bei­ten wir bereits in der Pla­nung der nächs­ten Fort­bil­dungs­rei­se im Okto­ber 2023. Um sich dafür anzu­mel­den, infor­mie­ren Sie sich auf der Ver­an­stal­tungs­sei­te.  


Ansprech­part­ne­rin für die Bil­dungs­rei­se ist Dilek Yük­sel (Tel: 030/275 82 82 28, Mail: yueksel@akademie.org).


Titel­bild & Fotos: Dilek Yük­sel

Sozi­al­ar­beit in New York City


Bil­dungs­rei­se

30. Sep­tem­ber – 7. Okto­ber 2023

Personenzentrierung in der Eingliederungshilfe

Seminar mit Prof. Dr. Michael Komorek

7. Juli 2023

Betei­li­gung und Teil­ha­be von Kin­dern und Jugend­li­chen in der Ein­glie­de­rungs­hil­fe

Semi­nar mit Ste­fan Wil­lich

7. Dezem­ber + 6. Dezem­ber 2023

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