„Starre Hierarchien sind ungesund – und führen zu keinen Lösungen“
Was passiert in der Arbeitswelt, wenn wir Führung von Grund auf anders gestalten? – und warum das vor allem für soziale Organisationen gut ist.
Radikal kooperativ! Das ist der Gegenentwurf zu einer Führungskultur, die Menschen nur ausbrennt. Die drei Trainerinnen Dr. Ute Schürings, Elena Schmitz und Katja Günther nennen es „Partizipative Führung“.
Wer führen will, muss allein entscheiden, sich auch mal über andere hinwegsetzen und den Kurs halten? Dieses Führungsbild hat Risse bekommen – und es eignet sich für den sozialen Bereich absolut nicht. Besonders dort, wo starre Hierarchien dominieren, hat dies Nachteile für vor allem für Menschen, die diesen vermeintlich männlich assoziierten Eigenschaften nicht entsprechen. In solchen Strukturen werden sie häufig weniger gehört und ernst genommen. Denn Macht und Abgrenzung regieren hier oft stärker als Offenheit und Vertrauen.
Gerade im sozialen Bereich, wo Überengagement und Selbstaufopferung verbreitet sind, führt dieser Druck nicht selten in die Erschöpfung. Wer dauerhaft über die eigenen Grenzen geht, verliert das Gespür für die Balance – und fürs Team. Dabei braucht es genau das: Führung, die sich traut, Schwächen zu zeigen, Verantwortung zu teilen und Räume zu schaffen, in denen alle sich beteiligen können.
Statt Burnout – Kreatives Potenzial entfachen
„Ich war extrem überengagiert“, erzählt Katja Günther. Ihr Burnout wurde zur Zäsur. Heute coacht sie Wissenschaftlerinnen und bringt Psychologie mit Strukturarbeit zusammen. Ihre Mission: „Ein Team so aufstellen, dass man sich auch gegenseitig schützt – vor Überforderung und vor der Vorstellung, alles allein tragen zu müssen.“
Auch Elena Schmitz kennt dieses System von innen – und hat es bewusst verlassen. „Ich war genau ein Jahr angestellt. Danach war klar: Starre Hierarchien sind nicht mein Ding.“ Heute gestaltet sie Formate, die Vertrauen ermöglichen – und die kreativen Potenziale entfalten. Ihre Mission: Alle Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, die eigenen Potenziale selbst zu sehen, zu schätzen und weiterzuentwickeln.
Dr. Ute Schürings hat in ihrer Laufbahn als Lehrbeauftragte an der Universität gelernt, dass Beteiligung auch bedeutet, Unterschiede auszuhalten. „Ob Stadt-Land-Gefälle oder kulturelle Differenzen – es geht immer um Zuhören. Und darum, von der eigenen Idee wieder abrücken zu können.“
Was sie gemeinsam entwickelt haben, ist ein Werkzeugkasten für echte Teamarbeit. Mit ihren Kursen – unter anderem für die Paritätische Akademie (mehr Infos) – begleiten sie Leitungskräfte in sozialen Trägern auf dem Weg zu mehr Beteiligung.
Ihre Devise lautet:
Echte Lösungen entstehen nicht im Alleingang, sondern in Verbindung
Dabei geht es um die Verbindung mit anderen, aber auch mit sich selbst. Das beginnt bei scheinbar simplen Dingen wie Meetingstrukturen. „Schon die Art, wie ein Gespräch eröffnet wird, verändert alles“, sagt Katja Günther. Ein kurzer Check-in – wie geht’s dir heute wirklich? – könne den Unterschied machen.
Vertrauen ist die Grundlage dafür, dass Menschen Risiken eingehen.
Was vielleicht banal klingt, hat eine tiefere Wirkung: Wer seine aktuelle Lage benennen darf, bringt sich danach klarer ein. Es entsteht psychologisches Vertrauen. Und Vertrauen ist die Grundlage dafür, dass Menschen Risiken eingehen – etwa eine neue Idee äußern oder einen Fehler zugeben, ohne Angst vor Sanktionen.
„Was ist, darf sein – und was sein darf, kann sich verändern“, ist eines der Lieblingssätze des Trios. Dahinter steht der Anspruch, zuerst die Realität anzunehmen, bevor man sie verbessern will. Werden Unsicherheiten, Bedürfnisse und Grenzen sichtbar gemacht, entstehen oft kreative Wege, wie man mit begrenzten Ressourcen besser umgeht – ohne dass Einzelne ausbrennen. Es geht nicht um erzwungene Harmonie oder Feelgood-Fassade, sondern um Strukturen, die Beteiligung ermöglichen.
Genau deshalb arbeiten die drei viel mit Rollenklarheit, Werten, Gesprächsregeln und partizipativen Formaten zur Lösungsfindung. Ihr gemeinsames Seminar lebt vom erfahrungsbasierten Lernen. Das bedeutet konkret, Dinge auszuprobieren und gemeinsam zu evaluieren, ob sie fürs Team gut funktionieren.
Die Lösungen der Zukunft werden im Team gefunden.
Denn: Ein Team, das seine Bedürfnisse und Spannungen ehrlich reflektieren kann, findet bessere Lösungen, weil es gezielter denkt und sich auf Probleme einlassen kann. Und weil es nicht auf eine Einzelne angewiesen ist, die alles entscheidet. „Die Lösungen der Zukunft werden im Team gefunden“, sagt Elena. Für sie ist das keine Theorie. Es ist gelebte Praxis – und ein Gegenentwurf zum alten Führungsdenken.
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Redaktion: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Foto im Titelbild: Sabine Streckhardt
Partizipative Führung – Teams stärken und Verantwortung teilen
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