Maga­zin

Der sou­ve­rä­ne und pro­fes­sio­nel­le Umgang mit Ver­än­de­rung ist ent­schei­dend

Mai 2022 | Manage­ment

Inter­view mit Gabrie­le Gir­ke und Micha­el Völ­ker, Dozent:innen und

fach­li­che Lei­tung im Zer­ti­fi­kats­kurs Sys­te­mi­sche Organisations­entwicklung und ‑bera­tung


Micha­el Völ­ker, Sie sind seit 12 Jah­ren als Dozent und Co-Lei­tung im Zer­ti­fi­kats­kurs „Sys­te­mi­sche Organisations­entwicklung und ‑bera­tung“ für die Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie tätig. Es ist inzwi­schen der 15. Kurs, der in den letz­ten Jah­ren ste­tig wei­ter­ent­wi­ckelt wur­de. Was kann man sich dar­un­ter vor­stel­len,

wofür braucht man eine sol­che Qua­li­fi­ka­ti­on?


Völ­ker: Orga­ni­sa­tio­nen, ob Ver­ei­ne, Netz­wer­ke, Unter­neh­men oder Behör­den ver­än­dern sich oft, weil äuße­re oder inne­re Impul­se dafür sor­gen. Man kann es dann wild lau­fen las­sen und nur reagie­ren, wenn es uner­wünsch­te Kon­flik­te zwi­schen den Betei­lig­ten gibt. Man kann auch irgend­was anschie­ben und hof­fen, dass die Neben­wir­kun­gen nicht zu schlimm wer­den. Oder man küm­mert sich über­haupt nicht um das „Gan­ze“, son­dern sorgt für den eige­nen Nut­zen. Beliebt sind auch Hal­tun­gen, wie „das haben wir immer schon so gemacht“ oder „das geht sowie­so nicht“. Oder die Angst vor Feh­lern führt dazu, Schwach­stel­len eher zu ver­ste­cken und man begnügt sich aus Angst dar­über, dass etwas Unab­seh­ba­res bei Ver­än­de­run­gen her­aus­kom­men könn­te, mit dem uner­freu­li­chen Ist-Zustand. Wir sind nicht ganz so ver­än­de­rungs­freu­dig in Orga­ni­sa­tio­nen, wie das nötig und mög­lich wäre ange­sichts der vie­len Impul­se wie z.B. Digi­ta­li­sie­rung, gesetz­li­che und kon­zep­tio­nel­le Ände­run­gen, neue Gene­ra­tio­nen und Wer­te, sozia­le Span­nun­gen und knap­pe Res­sour­cen.

Kurz gesagt spü­ren vie­le ange­hen­de oder bereits täti­ge Füh­rungs­kräf­te, dass der sou­ve­rä­ne und pro­fes­sio­nel­le Umgang mit Ver­än­de­run­gen zum ent­schei­den­den Erfolgs­fak­tor von Orga­ni­sa­tio­nen gewor­den ist. Das Manage­ment muss dabei einen Spa­gat schaf­fen, für ein mög­lichst „rei­bungs­lo­ses All­tags­ge­schäft“ zu sor­gen

und gleich­zei­tig Inno­va­tio­nen ein­zu­füh­ren – Impul­se zu geben, Stär­ken aus­zu­bau­en, Poten­tia­le zu mobi­li­sie­ren. Dafür sind manch­mal klei­ne über­leg­te Schrit­te aus­rei­chend, meist geht es jedoch um kom­ple­xe­re Ver­än­de­run­gen. Dabei müs­sen Füh­rungs­kräf­te gleich­zei­tig Abläu­fe und Struk­tu­ren anpas­sen, Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che und Koor­di­na­ti­on klä­ren, Mit­ar­bei­ten­de füh­ren, Stra­te­gien und Prin­zi­pi­en genau­so im Auge behal­ten, wie die Aus­stat­tung und die Kul­tur der Unter­neh­mung.

Die­se Ver­än­de­rungs­pro­zes­se müs­sen trotz – oder wegen – der Kom­ple­xi­tät mit teils unvor­her­seh­ba­ren Wir­kun­gen pro­fes­sio­nell gestal­tet wer­den und das kann man ler­nen: mit siche­ren Erkennt­nis­sen über die Ent­wick­lungs­mus­ter von Orga­ni­sa­tio­nen, mit geüb­ten Instru­men­ten, die Ver­än­de­run­gen nach­hal­tig steu­ern und mit reflek­tier­ten prak­ti­schen Erfah­run­gen.


Zu die­sem The­ma gibt es zahl­rei­che Stu­di­en­gän­ge und Fort­bil­dun­gen, was ist das Beson­de­re an die­sem Kurs an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin?


Gir­ke: Hier tref­fen sich vor allem (Nachwuchs-)Führungskräfte, die sich auf die Über­nah­me einer anspruchs­vol­len Füh­rungs­auf­ga­be vor­be­rei­ten wol­len oder die­se Tätig­keit schon aus­üben und ein­fach siche­rer und bes­ser wer­den und sich brei­ter auf­stel­len wol­len. Oder die sich auf eine künf­ti­ge Bera­tungs­tä­tig­keit vor­be­rei­ten, also aus dem Manage­ment in eine exter­ne Bera­tungs­rol­le wech­seln. Auf jeden Fall wol­len sie wis­sen­schaft­lich gesi­cher­te Grund­la­gen, prak­tisch erprob­te Metho­den und Instru­men­te hand­ha­ben ler­nen – letz­te­res beson­ders. Das soll schon wäh­rend des Kur­ses in der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on in einem ohne­hin statt­fin­den­den Ver­än­de­rungs­pro­jekt ange­wen­det und reflek­tiert wer­den. In klei­nen selbst gewähl­ten Lern­grup­pen unter­stüt­zen sich die Teil­neh­men­den außer­dem gegen­sei­tig und das ist ins­ge­samt ein Mar­ken­zei­chen die­ses Kur­ses zwi­schen den Lehr-Modu­len.



Micha­el Völ­ker, Sie sind selbst ein lang­jäh­ri­ger und viel gefrag­ter Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­ter, haben den Kurs zu der heu­ti­gen Form mit ent­wi­ckelt: hät­ten Sie einen sol­chen Kurs gern selbst gehabt zu Beginn Ihrer Kar­rie­re?


Völ­ker: Ja, das ist wohl so. Ich habe meh­re­re Stu­di­en­gän­ge und vie­le Aus­bil­dun­gen absol­viert und aus mei­nen und den Erfah­run­gen von Kolleg:innen gelernt. Die Super­vi­si­ons- und Coa­chingaus­bil­dun­gen habe ich Stück für Stück mit Erkennt­nis­sen zur Organisations­entwicklung und Kon­flikt­ma­nage­ment ver­bun­den, weil das die Pra­xis so erfor­der­te. Auch mei­ne eige­ne Füh­rungs­tä­tig­keit in einem Ver­ein und einer Stif­tung haben mir gezeigt, wie wich­tig es ist, dabei die Orga­ni­sa­ti­ons-Bril­le auf­zu­set­zen, orga­ni­sa­tio­na­le Wech­sel­wir­kun­gen im Auge zu behal­ten, „blin­de

Fle­cken“ zu ken­nen, aus dem Schei­tern zu ler­nen, nicht allen Moden nach­zu­ren­nen, aber neu­gie­rig zu blei­ben auf neue Erklä­rungs­mus­ter oder Metho­den, mög­lichst ganz­heit­lich zu arbei­ten und das Mach­ba­re zu unter­stüt­zen. Des­halb ver­folgt die­ser Kurs auch kon­se­quent den sys­te­mi­schen Ansatz.


Gabrie­le Gir­ke, Sie haben klei­ne und gro­ße Unter­neh­men und Ver­ei­ne gelei­tet, waren als Fort­bild­ne­rin und Hoch­schul­leh­re­rin tätig und arbei­ten seit eini­gen Jah­ren in der Co-Lei­tung die­ses Kur­ses – was ist nach Ihrer Erfah­rung das Erfolgs­re­zept?

Gir­ke: Das kann ich ganz genau sagen, auch aus dem Unter­schied zu mei­nen ande­ren beruf­li­chen Erfah­run­gen her­aus und zumal wir es immer wie­der erle­ben und zum Abschluss eines Kur­ses von den Teil­neh­men­den hören:

Zum einen wer­den sie unter­stützt, bereits wäh­rend des Bil­dungs­gangs Stär­ken und Ver­än­de­rungs­be­dar­fe in der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on pro­fes­sio­nell zu ana­ly­sie­ren, Ver­än­de­rungs­vor­ha­ben zu initia­li­sie­ren und zu kon­zi­pie­ren und das eige­ne Füh­rungs­ver­hal­ten zu qua­li­fi­zie­ren. Also: kein Wis­sen rein­stop­fen und hof­fen, dass man es wie­der­fin­det, wenn es gebraucht wird. Nicht nur Theo­rien „über“, son­dern Metho­den im Füh­rungs- oder Bera­tungs­han­deln. Dabei pro­fi­tie­ren Sie von Wis­sen, aus­ge­wie­se­nen Erfah­run­gen und Unter­stüt­zung durch lang­jäh­rig erfolg­rei­che Berater:innen und Dozent:innen. 

Zum ande­ren: Der Wei­ter­bil­dungs­gang ist so ange­legt, dass die Teil­neh­men­den

Ver­än­de­rungs­vor­ha­ben sowohl aus inter­ner Ver­ant­wor­tung nach­hal­tig und ver­ant­wort­lich gestal­ten, als auch Organisations­entwicklung als (exter­ne) Bera­tung ler­nen kön­nen. Die­ser Per­spek­tiv­wech­sel ist kei­ne Ver­un­si­che­rung, son­dern ver­tieft und ver­brei­tert die Qua­li­fi­ka­ti­on.

Und weil aller guten Din­ge drei sind stel­len wir didak­tisch die Pra­xis und Erfah­run­gen der Teil­neh­men­den in den Mit­tel­punkt – das ist nicht nur bele­bend und abwechs­lungs­reich, son­dern hat einen eigen­stän­di­gen Lern­wert, der immer wie­der her­vor­ge­ho­ben wird in den Rück­mel­dun­gen und den wir im Lau­fe des Kur­ses auch beson­ders för­dern.

Sys­te­mi­sche Organisations­entwicklung und ‑bera­tung

Zer­ti­fi­kats­kurs mit Dr. Gabrie­le Gir­ke, Micha­el Völ­ker (u.a.)

Start: 8. Sep­tem­ber 2022

Auch an Sie die Fra­ge: hät­ten Sie einen sol­chen Kurs gern selbst gehabt zu Beginn Ihrer Kar­rie­re als Füh­rungs­kraft?

Gir­ke: Oh, ja! Aber es ist, wie es ist, so sehen es auch vie­le Teil­neh­men­de: „jetzt weiß ich end­lich, war­um das nicht geklappt hat“, hören wir immer wie­der. Ich selbst habe oft genug durch „Aua“ gelernt und es dann spä­ter ver­stan­den durch die Beschäf­ti­gung mit Organisations­entwicklung. Aber da hat sich in den letz­ten Jah­ren ohne­hin viel getan, For­schung und reflek­tier­te Erfah­run­gen haben Erkennt­nis­se gebracht, die ich in den ers­ten Jah­ren mei­ner Tätig­keit als Füh­rungs­kraft nicht zur Ver­fü­gung hat­te. Das war nicht kata­stro­phal, aber man­ches hät­te bes­ser lau­fen kön­nen für mich und ande­re. Und es kommt etwas hin­zu: die digi­ta­le und sozia­le Welt hat sich so ver­än­dert, dass man heu­te mit ein­fa­chen Rezep­ten nicht zurecht­kommt; die Zusam­men­hän­ge sind kom­ple­xer gewor­den, so dass man mit Unvor­her­seh­ba­rem, Gleich­zei­tig­keit und schnel­lem Wan­del gut umge­hen kön­nen muss. Dar­auf ist die Wei­ter­bil­dung aus­ge­rich­tet. Sie ist anwen­dungs­ori­en­tiert und ent­spricht zugleich hoch­schu­li­schen Kri­te­ri­en (mit

aner­kann­ten Cre­dit-Points).


Herr Völ­ker, alle Dozent:innen sind wie Sie selbst erfah­re­ne Organisationsberater:innen, die wis­sen, was man braucht, um Ver­än­de­run­gen kom­pe­tent zu mana­gen. Wor­in besteht genau eine sol­che Ver­än­de­rungs­kom­pe­tenz?

Völ­ker: Man braucht einen ganz­heit­li­chen Blick auf die­ses merk­wür­di­ge viel­ge­stal­ti­ge „Lebe­we­sen Orga­ni­sa­ti­on“ und zugleich die Fähig­keit, die wesent­li­chen Aspek­te von Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen im Blick zu behal­ten. Instru­men­te für ziel­ge­rich­te­te Inter­ven­tio­nen und die Fähig­keit, sie situa­tiv ange­mes­sen ein­zu­set­zen, das ist ein wei­te­res

Merk­mal. Außer­dem muss man Kon­zep­te ken­nen, um Ver­än­de­rungs­pro­zes­se in geeig­ne­ter Wei­se in Gang zu set­zen und die­se auch in Kri­sen- und Kon­flikt­si­tua­tio­nen kom­pe­tent zu beglei­ten. Das braucht vor allem ein Ver­ständ­nis für sozia­le (Gruppen)Prozesse und muss die Mög­lich­kei­ten und Gren­zen der Steue­rung von Orga­ni­sa­tio­nen ein­kal­ku­lie­ren. Letzt­lich braucht man für ein erfolg­rei­ches Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment die Fähig­keit, das eige­ne Han­deln in Ver­än­de­run­gen und die eige­ne Rol­le zu reflek­tie­ren, um so die Qua­li­tät des Manage­ments und der Füh­rung ste­tig zu erhö­hen.


Und das alles kann man im Kurs ler­nen?


Völ­ker: Ja, und dabei haben die Teil­neh­men­den einen jeweils unter­schied­li­chen Erfah­rungs­hin­ter­grund, Lern­for­men und eige­ne Zie­le – davon hängt ab, wel­che Kom­pe­ten­zen sie indi­vi­du­ell im Ver­lauf des Kur­ses ent­wi­ckeln wol­len.

Sicher ist – das wis­sen wir aus den Abschluss­re­fle­xio­nen und aus den z.T. lang­jäh­rig statt­fin­den­den Fol­low up‘s – dass sie in ihrer Füh­rungs- oder Bera­tungs­tä­tig­keit deut­lich ziel­si­che­rer und metho­disch fle­xi­bler wer­den. Weil

das für die davon „Betrof­fe­nen“ auch deut­lich posi­tiv spür­bar ist, bele­gen eini­ge von ihren Kolleg:innen dann auch den nächs­ten Kurs, denn das wol­len sie dann auch kön­nen. Und des­halb tref­fen wir auch oft Absolvent:innen aus Stu­di­en­gän­gen hier wie­der.


Frau Gir­ke, noch eine letz­te Fra­ge zum Inhalt des Kur­ses: wie sieht der inhalt­li­che Auf­bau ganz kon­kret aus?


Gir­ke: Der Inhalt ist modul­haft auf­ge­baut, beginnt mit Kon­zep­ten, Erfolgs­fak­to­ren und Maß­nah­men der Organisations­entwicklung. Es wer­den Model­le und Instru­men­te erar­bei­tet und geübt, um Stär­ken und Ent­wick­lungs­be­dar­fe zu erken­nen. Wei­te­re The­men sind Wer­te­sys­te­me bei Per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen sowie erprob­te Metho­den der Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung. Ent­lang eige­ner Ent­wick­lungs­pro­zes­se wird geübt, wie

Ver­än­de­run­gen initia­li­siert, kom­mu­ni­ziert und Betei­li­gung orga­ni­siert wer­den muss. Füh­ren in Ver­än­de­run­gen sowie der Umgang mit Wider­stän­den und Kon­flikt­ma­nage­ment neh­men einen wich­ti­gen Raum ein. In jedem Kurs wird ein Ver­tie­fungs­se­mi­nar zu einem aus­ge­wähl­ten The­ma ange­bo­ten, z.B. agi­le Metho­den, erfolg­rei­ches Ver­han­deln, Selbst­ma­nage­ment o.ä. Zum Abschluss wer­den alle gelern­ten Metho­den zusam­men­ge­führt, sor­tiert, ergänzt um Maß­nah­men­pla­nung und Sta­bi­li­sie­rung von Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen und in einer kom­ple­xen Fall­stu­die

zusam­men­fas­send ange­wen­det. 


Das ist ein anspruchs­vol­les Pen­sum, wodurch wer­den die Teil­neh­men­den unter­stützt?


Sie haben die Mög­lich­keit, in der Wei­ter­bil­dung Pro­blem­stel­lun­gen, Kon­zep­te und Vor­ge­hens­wei­sen aus der eige­nen Füh­rungs- oder Bera­tungs­pra­xis zu bear­bei­ten und pro­fi­tie­ren durch die pro­fes­sio­nel­le Bear­bei­tung und Refle­xi­on auch von den jeweils ande­ren. Dadurch wird eine beson­ders inten­si­ve Ver­ar­bei­tung der fach­li­chen Inputs der Dozent:innen gewähr­leis­tet. Durch die­se viel­fäl­ti­gen Fall­be­spre­chun­gen kön­nen die Teil­neh­men­den Mus­ter und

Lösungs­mög­lich­kei­ten erken­nen, die ihnen durch den eige­nen Manage­ment-All­tag oft ver­bor­gen blei­ben.


Vie­len Dank für das Gespräch!

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Das Inter­view führ­te Susan­ne Stein­metz, Bil­dungs­re­fe­ren­tin an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

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