Maga­zin

Durch Qua­li­fi­ka­ti­on zu Wert­schät­zung und Selbst­wirk­sam­keit

Juni 2021 | Manage­ment

Im Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Kay­ser

Seit 2019 bie­ten wir den Bache­lor Sozia­le Arbeit an, der zur saat­li­chen Aner­ken­nung als Sozialarbeiter:in führt und auch Quereinsteiger:innen für sozia­le Beru­fe aus­bil­det. Wich­ti­ger Koope­ra­ti­ons­part­ner für den Stu­di­en­gang ist die Hoch­schu­le für ange­wand­te Päd­ago­gik Ber­lin. Prä­si­dent der Hoch­schu­le ist Prof. Dr. Jörg Kay­ser. Im Gespräch mit unse­rer Stu­di­en­gangs­lei­te­rin Chris­tin Friz­sche spricht er über die Qua­li­fi­ka­ti­on von Fach­kräf­ten und die Beson­der­hei­ten von berufs­be­glei­ten­den Stu­di­en­gän­gen für Stu­die­ren­de und Arbeitgeber:innen.

Sie sind seit Sep­tem­ber 2020 Prä­si­dent der Hoch­schu­le für ange­wand­te Päd­ago­gik und haben dort eben­falls die Pro­fes­sur für das Lehr­ge­biet all­ge­mei­ne Päd­ago­gik über­nom­men. Herz­li­chen Glück­wunsch!

Vie­len Dank!

Zu unse­rer gemein­sa­men Koope­ra­ti­on, also der Koope­ra­ti­on zwi­schen der Hoch­schu­le für ange­wand­te Päd­ago­gik und der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin gehört unter ande­rem der berufs­be­glei­ten­de Bache­lor­stu­di­en­gang Sozia­le Arbeit. Wor­in sehen Sie die Beson­der­hei­ten und Vor­tei­le die­ser Koope­ra­ti­on für sich aber auch für unse­ren gemein­sa­men Stu­die­ren­den?

Ich glau­be, dass es immer gut ist, einen Part­ner an der Sei­te zu haben, der noch eine zusätz­li­che Per­spek­ti­ve und auch Exper­ti­se in so einem wich­ti­gen Feld wie der ziel­ge­rich­te­ten Berufs­aus­bil­dung und dem Stu­di­um ein­bringt. Der Part­ner hat eine enge Ver­bin­dung zu den Men­schen in den Ein­satz­stel­len. Das ist, glau­be ich, eine ganz wich­ti­ge Grund­la­ge, um ein Stu­di­um zu gestal­ten, wo es immer dar­auf ankommt, Bezü­ge zwi­schen Theo­rie und Pra­xis her­zu­stel­len und sich gegen­sei­tig zu unter­stüt­zen.

Der Bedarf an gut aus­ge­bil­de­ten Fach­kräf­ten im Bereich der Sozia­len Arbeit in Deutsch­land, aber auch ins­be­son­de­re in Ber­lin, ist ja nach wie vor beson­ders hoch. Inwie­fern kann die­ser Stu­di­en­gang dazu bei­tra­gen, dem ent­ge­gen­zu­wir­ken?

Ich wür­de erst­mal zu noch etwas ganz Wich­ti­ges ergän­zen. Ja, der Bedarf ist hoch in den Fel­dern, die wir nor­ma­ler­wei­se schon im Blick haben: also bei­spiels­wei­se Pro­ble­me in der Schu­le oder in der Fami­lie, Kon­flik­te im Freun­des­kreis, Sucht­pro­ble­ma­tik, Umgang mit Leis­tung, Ein­sam­keit, Umgang mit Sozia­len Medi­en

in der Gesell­schaft, Kli­ma­kri­se und so wei­ter. Das Gan­ze ist schon ein Rie­sen­pa­ket bis dahin! Und jetzt haben wir auch noch die Coro­na-Kri­se. Sie hat für mich zwei, drei wich­ti­ge Aspek­te noch hin­zu­ge­bracht. Die jun­gen Men­schen, mit denen wir arbei­ten und die sich pro­fes­sio­na­li­sie­ren wol­len, set­zen sich ganz anders mit ihrer eige­nen Gesund­heit, aber auch mit der Gesund­heit ihrer Mit­men­schen aus­ein­an­der. Gleich­zei­tig hat die­se Coro­na­kri­se so eine Art Brenn­glas-Funk­ti­on gehabt und Pro­ble­me und ihre Dring­lich­keit noch ein­mal ver­schärft.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist es von gro­ßer Bedeu­tung, dass die Men­schen die Sozia­le Arbeit leis­ten, mit einem hohen Grad an Qua­li­fi­ka­ti­on in die­se Arbeit hin­ein­ge­hen und dass die­se Arbeits­pro­zes­se durch Wei­ter­qua­li­fi­zie­rung und Aus­tausch ver­nünf­tig beglei­tet wer­den. Nur so kön­nen ein hoher Grad an Pro­fes­sio­na­li­tät und letz­ten Endes auch pro­fes­sio­nel­ler Distanz zu den Men­schen, mit denen man arbei­tet erreicht wer­den. Zum ande­ren ist die Qua­li­fi­ka­ti­on auch für die gute Arbeit in einem Team – mög­lichst in einem mul­ti­pro­fes­sio­nel­len Team oder sogar in einem trans­pro­fes­sio­nel­len Team – von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Dabei geht es auch dar­um, Wert­schät­zung und Selbst­wirk­sam­keit zu erfah­ren. In unse­rem berufs­be­glei­ten­den Stu­di­en­gang wer­den die­se Din­ge in beson­de­rer Art und Wei­se unter­stützt, weil das Erle­ben im Han­deln einer­seits und das Reflek­tie­ren die­ser Pro­zes­se ande­rer­seits zu Grund­re­geln wer­den.

Es ist, als ob Sie die nächs­te Fra­ge schon vor­weg­ge­nom­men haben, denn da hät­te ich jetzt nach den inhalt­li­chen Schwer­punk­ten gefragt, die Sie für beson­ders rele­vant hal­ten. Vie­les habe ich gera­de schon raus­ge­hört.

Das stimmt! Wenn ich da jetzt einen zusam­men­fas­sen­den, opti­mis­ti­schen Wunsch for­mu­lie­ren dürf­te: Ich wür­de mir wün­schen, in die­sem Stu­di­um Men­schen für solch ein mul­ti- bezie­hungs­wei­se trans­pro­fes­sio­nel­les Team zu qua­li­fi­zie­ren, in dem gemein­sam mit ande­ren Pro­fes­sio­nen wie Son­der­päd­ago­gin­nen und Son­der­päd­ago­gen, Lehr­kräf­ten, Psy­cho­lo­gin­nen und Psy­cho­lo­gen sowie Schul­hel­fe­rin­nen und Schul­hel­fern, die alle ihre Rol­le und ihre Pro­fes­si­on ein­brin­gen, mit gegen­sei­ti­ger Aner­ken­nung und Wert­schät­zung, gear­bei­tet wür­de. Und das bei ange­mes­se­ner Bezah­lung! In den ein­zel­nen Fel­dern kann eine ange­mes­se­ne Bezah­lung nur über eine sehr qua­li­fi­zier­te Aus­bil­dung, also ein Stu­di­um lau­fen. Wenn in dem gemein­sa­men Wir­ken deut­lich wird, dass die Arbeit von einem Men­schen aus dem Feld der Sozia­len Arbeit, die­sel­be Qua­li­tät, die sel­be Aner­ken­nung hat, wie zum Bei­spiel die einer Lehr­kraft, wird sie eine viel höhe­re Akzep­tanz erfah­ren.

Damit wären wir schon bei der nächs­ten Fra­ge, die in Rich­tung der Ein­rich­tun­gen und Trä­ger geht: Wor­in soll­ten denn die Arbeitgeber:innen die Vor­tei­le sehen, in die Wei­ter­bil­dung ihrer Fach­kräf­te zu inves­tie­ren? Wel­che über­ge­ord­ne­ten Zie­le lie­ßen sich damit ver­bin­den?

Das Ent­schei­den­de sind hier der Theo­rie-Pra­xis-Abgleich und der zuge­hö­ri­ge Refle­xi­ons­an­teil. Die­ser hohe Refle­xi­ons­an­teil muss dazu füh­ren, dass der ein­zel­ne Mit­ar­bei­ter, die ein­zel­ne Mit­ar­bei­te­rin auch an seine:ihre Ein­rich­tung zurück­spie­geln kann, wie die Arbeits­pro­zes­se lau­fen bezie­hungs­wei­se wo Opti­mie­rungs­be­darf besteht. So kann eine kri­ti­sche Hin­ter­fra­gung oder auch ein Moni­to­ring der eige­nen Arbeits­pro­zes­se und der eige­nen Ent­wick­lung in die Ein­rich­tung hin­ein­ge­bracht wer­den.

Das glei­che gilt auch in die ande­re Rich­tung. Natür­lich gehört es dazu, dass sowohl die Ein­rich­tung als auch die Hoch­schu­le unmit­tel­bar in Eva­lua­ti­ons­pro­zes­se mit­ein­be­zo­gen wer­den und auch Gegen­stand der Eva­lua­tio­nen wer­den, um dann auf die­ser Basis auch ihre eige­nen Pro­zes­se kri­tisch zu reflek­tie­ren. Die­ser dau­er­haf­te Aus­tausch spielt eine gro­ße Rol­le.

Wenn man es dann noch schafft, ein mehr­di­men­sio­na­les Super­vi­si­ons­sys­tem zu imple­men­tie­ren, kommt man ganz weit vor­an. Es muss für den Ein­zel­nen die Mög­lich­keit geben im eige­nen Arbeits­feld oder Pra­xis­feld eine Super­vi­si­on zu erfah­ren. Für die Stu­die­ren­den muss es genau­so die Mög­lich­keit geben, in der Hoch­schu­le eine Super­vi­si­on zu erfah­ren. Die­ses Zusam­men­spiel zwi­schen Trä­ger und Hoch­schu­le kann viel bewir­ken. Einer­seits kann eine gemein­sa­me Metho­de ein­ge­setzt wer­den, hier mit dem Stich­wort Super­vi­si­on. Dann kann das gan­ze theo­re­tisch reflek­tiert wer­den. Auf der ande­ren Sei­te kann die­se theo­re­ti­sche Reflek­ti­on aus den Semi­na­ren wie­der in die eige­ne Ein­rich­tung zurück­ge­spie­gelt wer­den. Also bes­ser kann man über das per­sön­li­che Wir­ken in so einem wich­ti­gen Arbeits­feld gar nicht mit­ein­an­der in eine Aus­ein­an­der­set­zung tre­ten. Das ist der gro­ße Wert von berufs­be­glei­ten­den Aus­bil­dun­gen!

Vie­len Dank für die­se Aus­füh­run­gen! Wem wür­den Sie denn zu einem Stu­di­um der Sozia­len Arbeit raten?

Jedem Men­schen, dem es wich­tig ist, mit ande­ren Men­schen gut zu arbei­ten, sie zu unter­stüt­zen und zu för­dern, dies in ers­ter Linie für die ande­ren Men­schen macht. Gleich­zei­tig soll­te er oder sie aber auch in der Lage sein,

eine pro­fes­sio­nel­le Distanz auf­zu­brin­gen.

Und wel­che Erkennt­nis­se wür­den Sie den Stu­die­ren­den wün­schen, was sie im Rah­men des Stu­di­ums errei­chen? Was liegt Ihnen da beson­ders am Her­zen?

Es ist ein unglaub­lich wert­vol­les Arbeits­feld. Ein Arbeits­feld, das iden­ti­täts­schaf­fend und bestär­kend sein kann, in dem ich aus mir selbst her­aus­ge­hen und eine eige­ne Stär­ke ent­wi­ckeln kann, die ich in das Arbeits­feld ein­brin­gen kann. Ande­rer­seits muss ich auch ganz klar Situa­tio­nen schaf­fen kön­nen, in denen ich mich von die­sen gan­zen Pro­zes­sen distan­zie­re und wie­der zu mir selbst zurück­keh­re, Kraft schöp­fe und nicht von mor­gens bis abends gedank­lich und emo­tio­nal in der Sozia­len Arbeit hän­ge.

Eine abschlie­ßen­de Fra­ge habe ich noch: Kön­nen wir als Aka­de­mie oder Sie als Leh­ren­der auch etwas von den Stu­die­ren­den ler­nen?

Ele­men­tar viel! Ich glau­be, dass die Stu­die­ren­den eine wirk­lich wich­ti­ge Auf­ga­be haben: näm­lich uns mit den The­men zu ver­sor­gen! Man kann sich Pro­blem­la­gen vor Augen füh­ren, man kann ganz vie­le Fall­ana­ly­sen machen. Doch das Wich­tigs­te ist doch, dass immer wie­der Leben in die­se Fel­der hin­ein­kommt, sowohl in den Ein­rich­tun­gen als auch in der Hoch­schu­le.

Damit sind wir eigent­lich auch wie­der bei dem The­ma vom Anfang, an dem wir im Moment nicht vor­bei­kom­men. Wer hät­te vor andert­halb Jah­ren gedacht, dass die Coro­na­kri­se die Bezie­hun­gen so ver­än­dert. Wie sol­len wir das in unse­re Arbeits­wirk­lich­keit inte­grie­ren, in unse­re Qua­li­fi­zie­rungs­an­ge­bo­te, in die Hoch­schu­len, wenn nicht die Stu­die­ren­den ganz klar zurück­spie­geln, was es eigent­lich bedeu­tet? Das glei­che gilt auch für die Zukunft bei ganz

ele­men­ta­ren Fra­gen rund um Kli­ma, um euro­päi­sche Sicher­heit, um all die­se gan­zen Din­ge. Was bedeu­ten sie für den ein­zel­nen Men­schen? Wie geht er oder sie damit um? Das krie­gen wir durch die Berich­te aus der Pra­xis, durch das eige­ne Erle­ben und durch die eige­nen Schwie­rig­kei­ten von den­je­ni­gen mit, die bei uns arbei­ten oder die sich bei uns qua­li­fi­zie­ren.

Vie­len Dank für das Gespräch!

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