Im Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Kayser
Seit 2019 bieten wir den Bachelor Soziale Arbeit an, der zur saatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter:in führt und auch Quereinsteiger:innen für soziale Berufe ausbildet. Wichtiger Kooperationspartner für den Studiengang ist die Hochschule für angewandte Pädagogik Berlin. Präsident der Hochschule ist Prof. Dr. Jörg Kayser. Im Gespräch mit unserer Studiengangsleiterin Christin Frizsche spricht er über die Qualifikation von Fachkräften und die Besonderheiten von berufsbegleitenden Studiengängen für Studierende und Arbeitgeber:innen.
Sie sind seit September 2020 Präsident der Hochschule für angewandte Pädagogik und haben dort ebenfalls die Professur für das Lehrgebiet allgemeine Pädagogik übernommen. Herzlichen Glückwunsch!
Vielen Dank!
Zu unserer gemeinsamen Kooperation, also der Kooperation zwischen der Hochschule für angewandte Pädagogik und der Paritätischen Akademie Berlin gehört unter anderem der berufsbegleitende Bachelorstudiengang Soziale Arbeit. Worin sehen Sie die Besonderheiten und Vorteile dieser Kooperation für sich aber auch für unseren gemeinsamen Studierenden?
Ich glaube, dass es immer gut ist, einen Partner an der Seite zu haben, der noch eine zusätzliche Perspektive und auch Expertise in so einem wichtigen Feld wie der zielgerichteten Berufsausbildung und dem Studium einbringt. Der Partner hat eine enge Verbindung zu den Menschen in den Einsatzstellen. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Grundlage, um ein Studium zu gestalten, wo es immer darauf ankommt, Bezüge zwischen Theorie und Praxis herzustellen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften im Bereich der Sozialen Arbeit in Deutschland, aber auch insbesondere in Berlin, ist ja nach wie vor besonders hoch. Inwiefern kann dieser Studiengang dazu beitragen, dem entgegenzuwirken?
Ich würde erstmal zu noch etwas ganz Wichtiges ergänzen. Ja, der Bedarf ist hoch in den Feldern, die wir normalerweise schon im Blick haben: also beispielsweise Probleme in der Schule oder in der Familie, Konflikte im Freundeskreis, Suchtproblematik, Umgang mit Leistung, Einsamkeit, Umgang mit Sozialen Medien
in der Gesellschaft, Klimakrise und so weiter. Das Ganze ist schon ein Riesenpaket bis dahin! Und jetzt haben wir auch noch die Corona-Krise. Sie hat für mich zwei, drei wichtige Aspekte noch hinzugebracht. Die jungen Menschen, mit denen wir arbeiten und die sich professionalisieren wollen, setzen sich ganz anders mit ihrer eigenen Gesundheit, aber auch mit der Gesundheit ihrer Mitmenschen auseinander. Gleichzeitig hat diese Coronakrise so eine Art Brennglas-Funktion gehabt und Probleme und ihre Dringlichkeit noch einmal verschärft.
Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass die Menschen die Soziale Arbeit leisten, mit einem hohen Grad an Qualifikation in diese Arbeit hineingehen und dass diese Arbeitsprozesse durch Weiterqualifizierung und Austausch vernünftig begleitet werden. Nur so können ein hoher Grad an Professionalität und letzten Endes auch professioneller Distanz zu den Menschen, mit denen man arbeitet erreicht werden. Zum anderen ist die Qualifikation auch für die gute Arbeit in einem Team – möglichst in einem multiprofessionellen Team oder sogar in einem transprofessionellen Team – von entscheidender Bedeutung. Dabei geht es auch darum, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit zu erfahren. In unserem berufsbegleitenden Studiengang werden diese Dinge in besonderer Art und Weise unterstützt, weil das Erleben im Handeln einerseits und das Reflektieren dieser Prozesse andererseits zu Grundregeln werden.
Es ist, als ob Sie die nächste Frage schon vorweggenommen haben, denn da hätte ich jetzt nach den inhaltlichen Schwerpunkten gefragt, die Sie für besonders relevant halten. Vieles habe ich gerade schon rausgehört.
Das stimmt! Wenn ich da jetzt einen zusammenfassenden, optimistischen Wunsch formulieren dürfte: Ich würde mir wünschen, in diesem Studium Menschen für solch ein multi- beziehungsweise transprofessionelles Team zu qualifizieren, in dem gemeinsam mit anderen Professionen wie Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Lehrkräften, Psychologinnen und Psychologen sowie Schulhelferinnen und Schulhelfern, die alle ihre Rolle und ihre Profession einbringen, mit gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung, gearbeitet würde. Und das bei angemessener Bezahlung! In den einzelnen Feldern kann eine angemessene Bezahlung nur über eine sehr qualifizierte Ausbildung, also ein Studium laufen. Wenn in dem gemeinsamen Wirken deutlich wird, dass die Arbeit von einem Menschen aus dem Feld der Sozialen Arbeit, dieselbe Qualität, die selbe Anerkennung hat, wie zum Beispiel die einer Lehrkraft, wird sie eine viel höhere Akzeptanz erfahren.
Damit wären wir schon bei der nächsten Frage, die in Richtung der Einrichtungen und Träger geht: Worin sollten denn die Arbeitgeber:innen die Vorteile sehen, in die Weiterbildung ihrer Fachkräfte zu investieren? Welche übergeordneten Ziele ließen sich damit verbinden?
Das Entscheidende sind hier der Theorie-Praxis-Abgleich und der zugehörige Reflexionsanteil. Dieser hohe Reflexionsanteil muss dazu führen, dass der einzelne Mitarbeiter, die einzelne Mitarbeiterin auch an seine:ihre Einrichtung zurückspiegeln kann, wie die Arbeitsprozesse laufen beziehungsweise wo Optimierungsbedarf besteht. So kann eine kritische Hinterfragung oder auch ein Monitoring der eigenen Arbeitsprozesse und der eigenen Entwicklung in die Einrichtung hineingebracht werden.
Das gleiche gilt auch in die andere Richtung. Natürlich gehört es dazu, dass sowohl die Einrichtung als auch die Hochschule unmittelbar in Evaluationsprozesse miteinbezogen werden und auch Gegenstand der Evaluationen werden, um dann auf dieser Basis auch ihre eigenen Prozesse kritisch zu reflektieren. Dieser dauerhafte Austausch spielt eine große Rolle.
Wenn man es dann noch schafft, ein mehrdimensionales Supervisionssystem zu implementieren, kommt man ganz weit voran. Es muss für den Einzelnen die Möglichkeit geben im eigenen Arbeitsfeld oder Praxisfeld eine Supervision zu erfahren. Für die Studierenden muss es genauso die Möglichkeit geben, in der Hochschule eine Supervision zu erfahren. Dieses Zusammenspiel zwischen Träger und Hochschule kann viel bewirken. Einerseits kann eine gemeinsame Methode eingesetzt werden, hier mit dem Stichwort Supervision. Dann kann das ganze theoretisch reflektiert werden. Auf der anderen Seite kann diese theoretische Reflektion aus den Seminaren wieder in die eigene Einrichtung zurückgespiegelt werden. Also besser kann man über das persönliche Wirken in so einem wichtigen Arbeitsfeld gar nicht miteinander in eine Auseinandersetzung treten. Das ist der große Wert von berufsbegleitenden Ausbildungen!
Vielen Dank für diese Ausführungen! Wem würden Sie denn zu einem Studium der Sozialen Arbeit raten?
Jedem Menschen, dem es wichtig ist, mit anderen Menschen gut zu arbeiten, sie zu unterstützen und zu fördern, dies in erster Linie für die anderen Menschen macht. Gleichzeitig sollte er oder sie aber auch in der Lage sein,
eine professionelle Distanz aufzubringen.
Und welche Erkenntnisse würden Sie den Studierenden wünschen, was sie im Rahmen des Studiums erreichen? Was liegt Ihnen da besonders am Herzen?
Es ist ein unglaublich wertvolles Arbeitsfeld. Ein Arbeitsfeld, das identitätsschaffend und bestärkend sein kann, in dem ich aus mir selbst herausgehen und eine eigene Stärke entwickeln kann, die ich in das Arbeitsfeld einbringen kann. Andererseits muss ich auch ganz klar Situationen schaffen können, in denen ich mich von diesen ganzen Prozessen distanziere und wieder zu mir selbst zurückkehre, Kraft schöpfe und nicht von morgens bis abends gedanklich und emotional in der Sozialen Arbeit hänge.
Eine abschließende Frage habe ich noch: Können wir als Akademie oder Sie als Lehrender auch etwas von den Studierenden lernen?
Elementar viel! Ich glaube, dass die Studierenden eine wirklich wichtige Aufgabe haben: nämlich uns mit den Themen zu versorgen! Man kann sich Problemlagen vor Augen führen, man kann ganz viele Fallanalysen machen. Doch das Wichtigste ist doch, dass immer wieder Leben in diese Felder hineinkommt, sowohl in den Einrichtungen als auch in der Hochschule.
Damit sind wir eigentlich auch wieder bei dem Thema vom Anfang, an dem wir im Moment nicht vorbeikommen. Wer hätte vor anderthalb Jahren gedacht, dass die Coronakrise die Beziehungen so verändert. Wie sollen wir das in unsere Arbeitswirklichkeit integrieren, in unsere Qualifizierungsangebote, in die Hochschulen, wenn nicht die Studierenden ganz klar zurückspiegeln, was es eigentlich bedeutet? Das gleiche gilt auch für die Zukunft bei ganz
elementaren Fragen rund um Klima, um europäische Sicherheit, um all diese ganzen Dinge. Was bedeuten sie für den einzelnen Menschen? Wie geht er oder sie damit um? Das kriegen wir durch die Berichte aus der Praxis, durch das eigene Erleben und durch die eigenen Schwierigkeiten von denjenigen mit, die bei uns arbeiten oder die sich bei uns qualifizieren.
Vielen Dank für das Gespräch!