Interview mit Emily Engelhardt
Frau Engelhardt, Sie unterrichten ab April in unserem neuen Zertifikatskurs Psychosoziale Onlineberatung. Was genau können wir uns unter Psychosozialer Onlineberatung vorstellen?
Zunächst einmal geht es um eine sprachliche Abgrenzung: Der Begriff „Onlineberatung“ ist nicht geschützt und taucht inzwischen in ganz vielen Kontexten auf. So bieten z. B. auch Versicherungen oder Banken
Onlineberatung an. Psychosoziale Onlineberatung fokussiert auf Beratung (aber auch Coaching und Supervision) im Zusammenhang mit Themen und Anliegen, die im Kontext von Sozialer Arbeit und angrenzenden Disziplinen entstehen.
Gibt es jenseits von Corona aktuelle Bezüge, die das Thema gerade besonders relevant machen?
Ja, denn wir befinden uns auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft. Große Teile unserer Alltagskommunikation finden inzwischen medial vermittelt statt. Smartphones und Laptops sind aus unserem Leben nicht mehr
wegzudenken. Dies hat auch enorme Auswirkungen auf die Beratung. Sowohl in Hinblick auf Themen, die in der Beratung auftauchen, als auch auf die Art und Weise, wie Beratungskontakte realisiert werden.
Welche Vorteile bietet Psychosoziale Onlineberatung? Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie damit bereits gemacht?
Sie stellt in erster Linie eine Erweiterung des vor allem auf Präsenzberatung konzentrierten Angebots da. Für viele ratsuchende Menschen stellt der Besuch einer Beratungsstelle eine große Hürde dar. Die Möglichkeit, sich z. B. zunächst per E‑Mail an die Stelle zu wenden senkt Schwellen. Zudem können Angebote lebensweltorientierter gestaltet werden. Junge Menschen erreichen wir nicht mehr ausschließlich mit Präsenzangeboten, sehr wohl aber
über das Smartphone und da bevorzugt per Messenger.
Ich selbst berate seit inzwischen mehr als 20 Jahren online. In „Internetjahren“ ist das eine gefühlte Ewigkeit, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Kommunikationsmedien in diesem Zeitraum entwickelt wurden. Dass inzwischen neben der textbasierten Beratung per Chat und Mail auch Video und Sprachnachrichten genutzt werden können, macht dieses Feld sehr dynamisch. Ich habe auch selbst schon Onlineberatung in Anspruch genommen, da ich die schriftliche Reflexion sehr schätze.
Gibt es auch besondere Schwierigkeiten und Hemmnisse, die dabei zu beachten sind?
Es muss uns gelingen, passgenaue Angebote zu schaffen. Nicht für alle Ratsuchende ist jedes Medium geeignet. Hierzu ist es wichtig, die Präferenzen, Ressourcen und Kompetenzen der Bedarfsgruppen zu analysieren und
auch eigene Vorbehalte zu reflektieren. Und natürlich gäbe es auch Wege, um Onlineberatung anzubieten, die eine hohe Akzeptanz bei den Ratsuchenden hätten, aber aus Datenschutzgründen kritisch zu sehen sind.
Ich nehme an, die Einhaltung des Datenschutzes ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Wie kann dies gelingen?
Es gibt bereits seit vielen Jahren Software, die speziell für die sichere und verschlüsselte Onlinekommunikation entwickelt wurde. Diese können wir für die Beratung bedenkenlos nutzen. Gleichzeitig müssen wir beachten, dass es für manche Ratsuchende eine Hürde darstellen kann, sich z. B. den sicheren Messenger runterzuladen oder das verschlüsselte Videotool zu nutzen. Es ist daher wichtig, dass wir gut Bescheid wissen und einschätzen können, wann wir es mit vertraulichen Inhalten zu tun haben, die wir entsprechend schützen müssen. Dazu gehört auch, Ratsuchende gut zu informieren und manchmal auch zu überzeugen.
Nun vielleicht noch ein paar Worte zu unserem Zertifikatskurs. Wie sehen die konkreten Inhalte des Kurses aus?
Der Kurs deckt alle Formen der Onlineberatung ab, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Wir beschäftigen uns in der Weiterbildung mit den besonderen Chancen der textbasierten Beratungskommunikation, die für viele Ratsuchende manchmal der einzige Zugangsweg zu einem Beratungsangebot ist. Aber wir befassen uns natürlich auch mit der Videoberatung sowie der Möglichkeit, mit einem Messenger in ganz vielfältiger Weise Beratungsprozesse zu gestalten. Da kommen dann z. B. auch Sprachnachrichten zum Einsatz, die für bestimmte Zielgruppen einen nahezu barrierefreien Zugang zur Beratung bedeuten.
Wie genau ist der Kurs aufgebaut? Wie funktioniert die Verbindung von Theorie und Selbstreflexion im Onlineformat?
Der große Vorteil am Onlineformat: Wir lernen und üben in und mit dem Medium, um das es auch geht. So wird das theoretisch Erlernte gleich praktisch erfahrbar und umsetzbar. Zudem wird die eigene Online(kommunikations)kompetenz gestärkt. In den Selbstlernphasen können die Teilnehmer:innen Themen in ihrem eigenen Arbeitstempo und mit den Schwerpunkten, die für sie besonders relevant sind, erarbeiten.
Wem würden Sie den Kurs empfehlen? Gibt es spezielle Anforderungen an die Teilnehmenden?
Der Kurs ist geeignet für alle, die sich fit machen wollen für eine Beratung im Zeitalter der digitalen Transformation und der Meinung sind, dass wir die Beratung im Netz keinen Scharlatanen überlassen sollten.
Die Teilnehmer:innen sollten grundlegende Beratungskompetenzen mitbringen, wenngleich sie im Kurs ganz neue Kompetenzen erlernen werden und schnell feststellen werden, dass Onlineberatung etwas ganz anderes ist, als das, was sie z. B. über Gesprächsführung wissen. Und Basiskompetenzen im Umgang mit dem Internet und seinen Medien sind wichtig. Vor allem aber die Offenheit, sich mit neuen und anderen Kommunikationsformen für die Beratung zu beschäftigen.
Welche Chance sehen Sie darin, den Kurs bei uns an der Akademie anzubieten?
Die Zusammenarbeit mit der Paritätischen Akademie habe ich in den letzten Jahren als sehr konstruktiv und stets verbindlich erlebt. Digitale Themen haben im Programm schon länger eine Rolle gespielt und ich freue mich, dass wir mit dem Zertifikatskurs nun eine qualifizierte Weiterbildungsmöglichkeit geschaffen haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Das Gespräch führte Solvejg Hesse, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin.