Inter­view mit Mela­nie Rubach


Mela­nie Rubach stu­dier­te Kri­mi­no­lo­gie und Poli­zei­wis­sen­schaf­ten und arbei­tet der­zeit als Amts­lei­te­rin des Sozi­al­am­tes Mar­zahn-Hel­lers­dorf sowie als Dozen­tin an der HWR Lich­ten­berg. Bei uns an der Aka­de­mie lei­tet sie das Semi­nar Poli­zei­ein­sät­ze in der Jugend­hil­fe ­– wie ver­hal­te ich mich kor­rekt?.


Frau Rubach, in Ihrem Semi­nar geht es um das Auf­ein­an­der­tref­fen von Sozia­ler Arbeit und Poli­zei. Sie konn­ten pro­fes­sio­nel­le Erfah­run­gen auf bei­den Sei­ten sam­meln. Inwie­fern haben die­se Sie geprägt? Gibt es Erleb­nis­se, die Ihre Arbeit nach­hal­tig beein­flusst haben? 


Ich konn­te Erfah­run­gen als Poli­zis­tin, Sozi­al­ar­bei­te­rin und als Lei­tungs­kraft in einer sozia­len Ein­rich­tung sam­meln. Die Sozia­le Arbeit und Poli­zei­li­che Arbeit haben grund­sätz­lich die Gemein­sam­keit Men­schen zu hel­fen, vie­le per­sön­li­che Erleb­nis­se zeig­ten aber, dass dies mit unter­schied­li­chen gesetz­li­chen Auf­trä­gen, Selbst­ver­ständ­nis und unter­schied­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on erfolgt und dadurch Kon­flik­te unter den Pro­fes­sio­nen ent­ste­hen.


Wel­che Kon­flik­te sind das genau? Und ste­hen sich die Pro­fes­sio­nen wirk­lich so kon­trär gegen­über, wie vie­le den­ken?


Die Kon­flik­te ent­ste­hen aus mei­ner Sicht auf­grund der feh­len­den Trans­pa­renz und Kom­mu­ni­ka­ti­on zu den unter­schied­li­chen gesetz­li­chen Grund­la­gen, Metho­den und Anspra­chen der bei­den Pro­fes­sio­nen. Der Kern der

poli­zei­li­chen Arbeit liegt in der Gefah­ren­ab­wehr und Straf­ver­fol­gung, in der Sozia­len Arbeit hin­ge­gen, zielt die Tätig­keit auf den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und ins­be­son­de­re auf die indi­vi­du­el­le Stär­kung des /der Ein­zel­nen ab. Im Hin­blick auf die Tätig­keits­aus­rich­tung und dem gesetz­li­chen Auf­trag ste­hen sich bei­de Pro­fes­sio­nen meist kon­trär gegen­über, auch wenn es gro­ße Über­schnei­dun­gen zu den Hand­lungs­fel­dern gibt und es sich allein des­halb lohnt, die Zusam­men­ar­beit zu ver­bes­sern und ein gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis zu ent­wi­ckeln.


Wel­che Rol­le spie­len in Ihren Augen dabei Vor­ur­tei­le gegen­über der jeweils ande­ren Pro­fes­si­on? Wie kön­nen sich dich die­se aus­räu­men las­sen?


In einer umfas­sen­den Unter­su­chung zum The­ma Selbst- und Fremd­bil­der von Sozialarbeiter:innen und Polizist:innen von Schmitt-Zim­mer­mann von 1997, nach mei­ner Mei­nung aktu­ell immer noch anwend­bar, ist fest­zu­stel­len, dass hier eine gro­ße Dis­kre­panz und Unwis­sen­heit herrscht. Durch Trans­pa­renz, gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis und die Aner­ken­nung der jewei­li­gen Pro­fes­si­on, ver­stärk­te gemein­sa­me Kom­mu­ni­ka­ti­on und abge­stimm­te Hand­lungs­leit­fä­den könn­ten Dif­fe­ren­zen und Vor­ur­tei­le abge­baut wer­den. Eine neu­tra­le Grund­hal­tung ist dabei essen­zi­ell.


Für Sozialarbeiter:innen kann der Schutz des engen Ver­trau­ens­ver­hält­nis­ses zum/zur Klient:in auf der einen Sei­te und gesetz­li­chen Ver­pflich­tun­gen auf der ande­ren zu inne­ren Kon­flik­ten füh­ren? Was wür­den Sie

Betrof­fe­nen in einem sol­chen Fall raten?


In mei­nem Semi­nar bespre­chen wir die­se The­ma­tik sehr inten­siv, um den recht­li­chen Hand­lungs­rah­men genau zu ken­nen und wägen auch die Argu­men­te anhand ver­schie­de­ner Fall­kon­stel­la­tio­nen ab, weil die Situa­tio­nen häu­fig sehr indi­vi­du­ell zu bewer­ten sind. Das bringt im Han­deln mit der Kli­en­tel und mit der Poli­zei mehr Sicher­heit und lässt Kon­flik­te redu­zie­ren, weil gewis­se Hand­lungs­wei­sen von Beginn an trans­pa­rent gemacht wer­den kön­nen bzw. sind.


Was ist in Ihren Augen nötig, um eine gute, ver­trau­ens­vol­le Zusam­men­ar­beit zwi­schen Sozia­ler Arbeit, Sozi­al­be­hör­den und Poli­zei zu ermög­li­chen?

Kom­mu­ni­ka­ti­on, Ver­ständ­nis für die jewei­li­ge Pro­fes­si­on und das Wis­sen und Akzep­tie­ren über die jewei­li­gen Unter­schie­de und Gemein­sam­kei­ten, Trans­pa­ren­tes Han­deln, kla­re Anspra­chen, gemein­sa­me Bera­tun­gen, ohne die eige­ne Auf­ga­be aus den Augen zu ver­lie­ren, neu­tra­le Grund­hal­tung und Hand­lungs­leit­fä­den in den Trä­gern.

Könn­te in der Zusam­men­ar­beit der unter­schied­li­chen Pro­fes­sio­nen auch Chan­cen lie­gen? Kön­nen bei­de Sei­ten viel­leicht etwas von­ein­an­der ler­nen?

Auf jeden Fall, ins­be­son­de­re weil Poli­zei und Sozia­le Arbeit häu­fig eine gemein­sa­me Kli­en­tel haben, die Metho­den und gesetz­li­chen Grundlagen/Aufgaben aller­dings unter­schied­lich sind. Der mensch­li­che Aspekt soll­te dabei aber an kei­ner Stel­le ver­lo­ren gehen.

Wie der Titel ver­rät, geht es in Ihrem Semi­nar um das kor­rek­te Ver­hal­ten päd­ago­gi­scher Fach­kräf­te in der Jugend­hil­fe bei Poli­zei­ein­sät­zen. Mit wel­chen Inhal­ten und Metho­den ver­mit­teln Sie dies?

Ich gehe zunächst auf die unter­schied­li­chen Pro­fes­sio­nen ein und wir arbei­ten zusam­men aus, wel­che Unter­schie­de und Gemein­sam­kei­ten, aber auch wel­che Chan­cen sich dar­aus erge­ben. Wir schau­en uns gemein­sam in Grup­pen­ar­bei­ten aus Berich­ten zu Fäl­len Kon­flikt­her­de an und ana­ly­sie­ren die­se.

Da Sozia­le Arbeit häu­fig poli­zei­li­ches Vor­ge­hen nicht ver­steht und dadurch auch Kon­flik­te und Unsi­cher­hei­ten ent­ste­hen, ler­nen die Seminarteilnehmer:innen die Befug­nis­se der Poli­zei ken­nen und kön­nen dar­aus ablei­ten, wel­che Rech­te und Pflich­ten sie haben. Ins­be­son­de­re die daten­schutz­re­le­van­ten Befug­nis­se Sozia­ler Arbeit und Poli­zei­li­cher Arbeit neh­men hier einen gro­ßen Anteil ein.

Am zwei­ten Tag sam­meln wir alle Erkennt­nis­se, glei­chen die­se mit mit­ge­brach­ten Fall­kon­stel­la­tio­nen ab und ent­wi­ckeln einen mus­ter­haf­ten Leit­fa­den, wel­cher in dem jewei­li­gen sozia­len Trä­ger wei­ter­ge­führt und ange­passt wer­den kann.

Ich freue mich immer am Ende über die vie­len AHA-Effek­te und erle­be häu­fig durch spä­te­re Kon­takt­auf­nah­me, dass die Trä­ger mit den ent­stan­de­nen Kon­zep­ten gut arbei­ten kön­nen.

Vie­len Dank für das Gespräch!

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Das Gespräch führ­te Sol­vejg Hes­se, Bil­dungs­re­fe­ren­tin an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

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