Interview mit Emily Engelhardt
Frau Engelhardt, Sie unterrichten ab April in unserem neuen Zertifikatskurs Psychosoziale Onlineberatung. Was genau können wir uns unter Psychosozialer Onlineberatung vorstellen?
Zunächst einmal geht es um eine sprachliche Abgrenzung: Der Begriff „Onlineberatung“ ist nicht geschützt und taucht inzwischen in ganz vielen Kontexten auf. So bieten z. B. auch Versicherungen oder Banken
Onlineberatung an. Psychosoziale Onlineberatung fokussiert auf Beratung (aber auch Coaching und Supervision) im Zusammenhang mit Themen und Anliegen, die im Kontext von Sozialer Arbeit und angrenzenden Disziplinen entstehen.
Gibt es jenseits von Corona aktuelle Bezüge, die das Thema gerade besonders relevant machen?
Ja, denn wir befinden uns auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft. Große Teile unserer Alltagskommunikation finden inzwischen medial vermittelt statt. Smartphones und Laptops sind aus unserem Leben nicht mehr
wegzudenken. Dies hat auch enorme Auswirkungen auf die Beratung. Sowohl in Hinblick auf Themen, die in der Beratung auftauchen, als auch auf die Art und Weise, wie Beratungskontakte realisiert werden.
Welche Vorteile bietet Psychosoziale Onlineberatung? Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie damit bereits gemacht?
Sie stellt in erster Linie eine Erweiterung des vor allem auf Präsenzberatung konzentrierten Angebots da. Für viele ratsuchende Menschen stellt der Besuch einer Beratungsstelle eine große Hürde dar. Die Möglichkeit, sich z. B. zunächst per E‑Mail an die Stelle zu wenden senkt Schwellen. Zudem können Angebote lebensweltorientierter gestaltet werden. Junge Menschen erreichen wir nicht mehr ausschließlich mit Präsenzangeboten, sehr wohl aber
über das Smartphone und da bevorzugt per Messenger.
Ich selbst berate seit inzwischen mehr als 20 Jahren online. In „Internetjahren“ ist das eine gefühlte Ewigkeit, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Kommunikationsmedien in diesem Zeitraum entwickelt wurden. Dass inzwischen neben der textbasierten Beratung per Chat und Mail auch Video und Sprachnachrichten genutzt werden können, macht dieses Feld sehr dynamisch. Ich habe auch selbst schon Onlineberatung in Anspruch genommen, da ich die schriftliche Reflexion sehr schätze.
Gibt es auch besondere Schwierigkeiten und Hemmnisse, die dabei zu beachten sind?
Es muss uns gelingen, passgenaue Angebote zu schaffen. Nicht für alle Ratsuchende ist jedes Medium geeignet. Hierzu ist es wichtig, die Präferenzen, Ressourcen und Kompetenzen der Bedarfsgruppen zu analysieren und
auch eigene Vorbehalte zu reflektieren. Und natürlich gäbe es auch Wege, um Onlineberatung anzubieten, die eine hohe Akzeptanz bei den Ratsuchenden hätten, aber aus Datenschutzgründen kritisch zu sehen sind.
Ich nehme an, die Einhaltung des Datenschutzes ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Wie kann dies gelingen?
Es gibt bereits seit vielen Jahren Software, die speziell für die sichere und verschlüsselte Onlinekommunikation entwickelt wurde. Diese können wir für die Beratung bedenkenlos nutzen. Gleichzeitig müssen wir beachten, dass es für manche Ratsuchende eine Hürde darstellen kann, sich z. B. den sicheren Messenger runterzuladen oder das verschlüsselte Videotool zu nutzen. Es ist daher wichtig, dass wir gut Bescheid wissen und einschätzen können, wann wir es mit vertraulichen Inhalten zu tun haben, die wir entsprechend schützen müssen. Dazu gehört auch, Ratsuchende gut zu informieren und manchmal auch zu überzeugen.
Nun vielleicht noch ein paar Worte zu unserem Zertifikatskurs. Wie sehen die konkreten Inhalte des Kurses aus?
Der Kurs deckt alle Formen der Onlineberatung ab, die sich in den letzten Jahren etabliert haben. Wir beschäftigen uns in der Weiterbildung mit den besonderen Chancen der textbasierten Beratungskommunikation, die für viele Ratsuchende manchmal der einzige Zugangsweg zu einem Beratungsangebot ist. Aber wir befassen uns natürlich auch mit der Videoberatung sowie der Möglichkeit, mit einem Messenger in ganz vielfältiger Weise Beratungsprozesse zu gestalten. Da kommen dann z. B. auch Sprachnachrichten zum Einsatz, die für bestimmte Zielgruppen einen nahezu barrierefreien Zugang zur Beratung bedeuten.
Wie genau ist der Kurs aufgebaut? Wie funktioniert die Verbindung von Theorie und Selbstreflexion im Onlineformat?
Der große Vorteil am Onlineformat: Wir lernen und üben in und mit dem Medium, um das es auch geht. So wird das theoretisch Erlernte gleich praktisch erfahrbar und umsetzbar. Zudem wird die eigene Online(kommunikations)kompetenz gestärkt. In den Selbstlernphasen können die Teilnehmer:innen Themen in ihrem eigenen Arbeitstempo und mit den Schwerpunkten, die für sie besonders relevant sind, erarbeiten.
Wem würden Sie den Kurs empfehlen? Gibt es spezielle Anforderungen an die Teilnehmenden?
Der Kurs ist geeignet für alle, die sich fit machen wollen für eine Beratung im Zeitalter der digitalen Transformation und der Meinung sind, dass wir die Beratung im Netz keinen Scharlatanen überlassen sollten.
Die Teilnehmer:innen sollten grundlegende Beratungskompetenzen mitbringen, wenngleich sie im Kurs ganz neue Kompetenzen erlernen werden und schnell feststellen werden, dass Onlineberatung etwas ganz anderes ist, als das, was sie z. B. über Gesprächsführung wissen. Und Basiskompetenzen im Umgang mit dem Internet und seinen Medien sind wichtig. Vor allem aber die Offenheit, sich mit neuen und anderen Kommunikationsformen für die Beratung zu beschäftigen.
Welche Chance sehen Sie darin, den Kurs bei uns an der Akademie anzubieten?
Die Zusammenarbeit mit der Paritätischen Akademie habe ich in den letzten Jahren als sehr konstruktiv und stets verbindlich erlebt. Digitale Themen haben im Programm schon länger eine Rolle gespielt und ich freue mich, dass wir mit dem Zertifikatskurs nun eine qualifizierte Weiterbildungsmöglichkeit geschaffen haben.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Das Gespräch führte Solvejg Hesse, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin.
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Interview mit Tal Pery
Dr. Tal Pery ist selbstständiger Unternehmensberater mit Fokus auf sozialwirtschaftliche Organisationen. Er unterrichtet unter anderem Digital Leadership: Führen im digitalen Wandel und gemeinsam mit Joël Dunand den Zertifikatskurs Digitale Führung und Transformation an der Paritätischen Akademie Berlin. Mit ihm haben wir über die digitale Entwicklung der Sozialwirtschaft mit Blick auf die Pandemie und auch mit Blick auf die Zukunft gesprochen.
Hallo Tal. Vielen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview mit uns nimmst. Meine erste Frage bezieht sich direkt auf deine Erfahrungen während der Pandemie. Was hat sich deines Erachtens durch die Pandemie in der Sozialwirtschaft geändert? Hast du den Eindruck, dass digitale Werkzeuge heute mehr und selbstverständlicher im Alltag genutzt werden, oder sehnen sich die
meisten zurück zum Analogen?
Hallo Tobias, gerne doch. Ich glaube, beides ist richtig. Die Pandemie hat vielen die Berührungsängste gegenüber digitalen Werkzeugen genommen. Alle mussten sich von heute auf morgen mit Videokonferenzen und anderen Werkzeugen auseinandersetzen. Gleichzeitig fehlt uns natürlicherweise das menschliche Miteinander. Die Kunst wird sein, gemeinsam zu überlegen, welche Elemente des Digitalen wir nach wie vor nutzen wollen und sollten, wenn wir es nicht mehr müssen, sondern können.
Was sind für dich die größten Vorteile einer agilen und digital unterstützten Arbeitsweise im Alltag?
Die Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten, schafft für viele Menschen eine Autonomie, die sich in der Motivation, Effizienz und Qualität der Arbeit niederschlägt. Der Alltag lässt sich dadurch oft flexibler und mit anderen nicht-beruflichen Notwendigkeiten vereinbaren. Zudem können wir über die Auswertung verschiedener Daten oder der Nutzung von Plattformen Bedarfe und Angebote passgenauer zusammenbringen. Auch eine Annäherung an die Lebenswirklichkeit der „Kund:innen“ wird in manchen Bereichen erleichtert – Jugendliche arbeiten zum Beispiel eher mit Messangerdiensten als mit einem Klemmbrett, Kitaeltern nutzen lieber eine App als das Telefon zur Kommunikation Und schließlich ein konkretes Beispiel aus der Paritätischen Akademie: über das Angebot von Online-Seminare konnten wir plötzlich auch neue Zielgruppen teilhaben lassen: Typischerweise eine alleinerziehende Geschäftsführer:in, die in einer kleinen Organisation ohne schnelle Anbindung nach Berlin nicht die Möglichkeit hatte, an einem Seminar vor Ort teilzunehmen. Hier waren lange An- und Abreise sowie komplexe Organisation der beruflichen und privaten Abwesenheit große Hemmfaktoren.
Und gibt es auch neue Herausforderungen, die mit dem neuen digitalen Arbeiten einhergehen?
Die gibt es auf jeden Fall. Die meisten von uns haben sie gesehen, diskutiert und häufig auch persönlich gespürt. Das Menschliche Miteinander leidet, wenn die Tür- und Angel-Gespräche und soziale Interaktion in der Teeküche ausbleiben. Es ist sehr schwierig, Beziehungen digital aufzubauen, gerade für diejenigen, die sonst eher nicht in der digitalen Welt unterwegs sind. Bestehende Beziehungen auch digital zu erhalten, fällt uns jedoch deutlich leichter.
Wir müssen also das digitale Miteinander gut organisieren. Klare Absprachen müssen weder kompliziert noch einengend sein. Und das Zwischenmenschliche nicht vergessen, das auch digital möglich ist.
Wo siehst du die größten Veränderungen in den kommenden Jahren für die Sozialwirtschaft und auch für unsere Gesellschaft?
Wir müssen uns als Gesellschaft der Frage stellen, wie wir eine durchgängige digitale Teilhabe ermöglichen. Infrastruktur, Wissensvermittlung, Zugang für alle. In der Sozialwirtschaft wird es notwendig sein, digitale Kompetenzen aufzubauen und digitale Werkzeuge, wo sinnvoll, nach und nach einzusetzen. Die Herausforderung stellt sich dabei eher für die kleineren als für die größeren sozialwirtschaftlichen Träger und Organisationen. Hier geht es nicht nur um Finanzierung, sondern auch um Strukturen und Wissen in der Organisation, die das
digitale Arbeiten einfach und sicher machen und ihnen auch ermöglichen am Puls der Zeit zu bleiben.
Die soziale Teilhabe wird mehr und mehr auch eine Frage der digitalen Teilhabe. Was würdest du Führungskräften und Geschäftsführungen in der Sozialwirtschaft mit Blick auf die Zukunft raten?
Offenheit für dieses wichtige Thema ist die Grundlage. Auch sollte Wissen darüber aufgebaut und geschaut werden, wo man intern oder extern Hilfestellung und Förderung erhält. Und es ist sinnvoll, die Schnellschüsse aus der pandemischen Zeit zu bewerten und ggf. nachzujustieren, sowie eine nachhaltige digitale Strategie aufzubauen – mit der Leitfrage „Wo können uns digitale Werkzeuge helfen?“
Hier ist ein schrittweises Vorgehen in der Regel am besten – eine fundierte digitale Infrastruktur (von Leitungen, sicheren Speicherorten, bis hin zu Wlan-Anbindung und Hardware) ist die Basis für jegliches digitales Handeln. Auf dieser Infrastruktur aufbauend können dann neue digitale Arbeitsprozesse und alltägliche Abläufe etabliert werden. Das ist auch Inhalt unseres Zertifikatskurses Digitale Führung und Transformation und im kleineren Rahmen auch im Seminar Digital Leadership. Und nicht zuletzt, gilt es, mit den Kritikern im Gespräch zu bleiben, aufzuklären, Risiken und Grenzen zu diskutieren, zu schulen und so Widerstände und abstrakte Ängste zu verstehen und abzubauen.
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Das Gespräch führte Tobias Fitting, Bildungsreferent für Digitalisierung an der Paritätischen Akademie Berlin.
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Im Gespräch mit Joël Dunand
Joël Dunand unterstützt als Dozent im Digitalforum der Paritätischen Akademie Berlin Mitglieder des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bei der Umsetzung der digitalen Transformation. Tobias Fitting ist als Bildungsreferent für Digitalisierung an der Paritätischen Akademie Berlin tätig. Die beiden trafen sich online, um sich über die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft auszutauschen.
Lieber Joël, vielen Dank, dass du Dir die Zeit für ein Interview nimmst. Wie siehst du denn die aktuelle digitale Situation der Sozialwirtschaft?
Hallo Tobias, Danke für Eure Einladung zum Gespräch. Eine erste Sache, die sich verändert hat, ist dass wir jetzt auch unser Interview ganz selbstverständlich online machen. Diese Selbstverständlichkeit gab es bis 2020 noch nicht.
Wenn ich die Fragen unserer Workshop-Teilnehmer von vor und nach der Pandemie vergleiche, werden zwei große Themen deutlich: Das erste ist das mobile Arbeiten und die digitale Akte. Wenn man zum Beispiel ambulant tätig
ist, möchte man ortsunabhängig auf digitale Akten zugreifen können. Auch im Bereich der Verwaltung, oder der Abrechnung ist das ein ganz großes Thema geworden. Das zweite große Thema ist die Kommunikation. Sowohl im Team untereinander als auch mit Klient:innen. Bei uns im Kinderschutzverein ist die Onlineberatung sehr wichtig geworden. Während der Pandemie war der Bedarf nach zwischenmenschlichem Austausch sehr groß. Daher wollten wir einfache Zugänge für eine gute und datenschutzkonforme Kommunikation schaffen. Wir wollten, dass Meetings weiter stattfinden können und alle wissen: „Was ist gerade los? Welche Fragestellungen kommen gerade rein und wie können wir helfen?“ Daher brauchen wir digitale Zugänge und digitale Vorgehens- und Arbeitsweisen. Und hier sind auch die Förderer der Sozialwirtschaft gefragt. Man muss immer mehr dokumentieren, eben statistisch nachweisen und aufbereiten. Das sind faktisch Daten, die erfasst werden müssen, für die wir moderne Systeme brauchen, die es in der Sozialwirtschaft noch nicht ausreichend gibt.
Oft mangelt es auch an der Infrastruktur, deren Bedarf erst einmal klar benannt und erkannt werden muss.
Digitalisierung bedeutet eben nicht nur, dass neue Computer angeschafft werden, sondern vor allem braucht es eine Infrastruktur, WLAN im ganzen Gebäude und natürlich gute, sichere und verlässliche Software. Die Organisationen müssen sich mittel- und langfristig fragen: Wie arbeiten wir zusammen? Wie planen wir gemeinsam unsere Termine und wie verteilen wir die verschiedenen Aufgaben untereinander?
Der Bedarf an Digitalisierung existiert in allen Bereichen der Sozialwirtschaft. Sei es die Kindertagesbetreuung, die ambulante oder stationäre Kinder- und Jugendhilfe, die Suchtprävention oder Suchthilfe. Alle benötigen einfachere und schnellere digitale Zugänge und Datenerfassung. Ein Großteil der Menschen verbringt heute schon privat viel Zeit mit dem Smartphone. Daher sollten Angebote der Sozialwirtschaft auch unbedingt mobil erreichbar sein.
In der Privatwirtschaft gibt es ja schon Kundenkonten, Chatbots und verschiedenste Möglichkeiten der Kontaktaufnahme.
Wenn sich die Sozialwirtschaft davon inspiriert als Serviceanbieter aufstellt, wird es ihr leichter fallen, mehr Leute zu erreichen. Wir müssen in dieser großen digitalen Welt gefunden werden und auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen eingehen. Dass wir jetzt so schnell und als ganze Gesellschaft gelernt haben, vernetzter zu arbeiten, der Zugang zu Hilfsangeboten digitalisiert wurde, hat uns, trotz aller Anfangsprobleme 2020, schon ein ganzes Stück weitergebracht.
Und wo siehst du da konkrete Hürden?
Tatsächlich, dass auf Seiten der Kostenträger oft noch nicht immer die Bereitschaft besteht, moderne Wege zu gehen und zu finanzieren. Es wird häufig noch eine Originalunterschrift des Klienten gefordert, den wir nur
online gesehen haben. Vieles muss weiterhin per Post geschickt werden, obwohl die zuständige Mitarbeiterin selbst im Home Office ist. Da wünschen wir uns, dass dort schrittweise benötigte Schnittstellen kommen für Fachsoftware und die digitale Übertragung. Dann können per Knopfdruck alle Meldungen gemacht werden und es bleibt mehr Zeit für das menschliche Miteinander.
Da steht also die analoge Bürokratie oft vielen digitalen Prozessen im Wege? Gut ist ja, dass es jetzt ein nochmal verstärktes Bewusstsein für die Wichtigkeit des digitalen Wandels gibt. Ich glaube, viele Organisationen möchten gerne etwas machen, wissen aber gar nicht, wo sie anfangen sollen und wollen keine falschen Entscheidungen treffen. Was können wir jetzt direkt angehen, um den digitalen Wandel weiter voranzutreiben?
Da sehe ich klar die schon erwähnte digitale Akte. Viele Träger haben inzwischen unterschiedlichste Projekte, die meist alle auch unterschiedlich abgerechnet werden müssen. Das lässt sich nicht mehr alles in Excel-Tabellen abbilden und kostet enorm viel Arbeitszeit. Wenn wir künftig ein vernetztes Profil von Klient:innen haben, mit Terminen und relevanten Dokumenten und Stammdaten, wird die Arbeit enorm erleichtert. Ein Beispiel wären digital dokumentierte Allergien eines Kita-Kindes oder auch die Telefonnummer der Eltern.
Da ist dann allerdings das Thema Datenschutz sehr wichtig. Was muss denn da konkret bedacht werden?
Das ist ein sehr wichtiger Aspekt. Es braucht einen klaren Datenverarbeitungsvertrag mit dem Anbieter der Software, der die DSGVO berücksichtigt. Das ist ein umfangreiches Dokument in dem klar geregelt ist, wer auf welche Daten wann zugreifen darf und wo die Daten konkret gespeichert werden. Verschlüsselt natürlich. Deswegen empfehle ich immer einen europäischen oder besser deutschen Anbieter, dessen Serverstruktur in Deutschland oder Europa steht. Die Daten müssen auch klar löschbar sein, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Ein modernes System sollte auch nur die Daten speichern, die es benötigt und keine darüber hinaus.
Metadaten zum Beispiel.
Genau. Nur die wichtigen Daten. Nicht alle. Das ist natürlich auch für die einzelnen Nutzer:innen, egal ob in der Sozialwirtschaft oder der Privatwirtschaft wichtig. Es sollte eine Art Kundenkonto geben, in dem ich ganz transparent sehe, was über mich gespeichert wurde. Hier braucht es einen fachlichen Austausch und eine Handlungsrichtlinie in der Sozialwirtschaft.
Beim Datenschutz ist der Faktor Mensch oft die größte Schwachstelle. Die Technik ist inzwischen sehr fortgeschritten, was mir aber nichts bringt, wenn durch einen nicht erkannten Phishing-Angriff, ein Passwort auf einer gefälschten Seite eingegeben wird. Da können die Zugriffsrechte noch so sehr geregelt sein. Daher finde ich es wichtig, dass alle in einer Organisation sichere Passwörter verwenden und auch möglichst eine Zwei-Faktor-Authentifizierung genutzt wird, sodass man mit dem Passwort allein nicht an Daten kommt.
Das ist eine technische Umsetzung, die viel Sicherheit bietet. Eine Zwei-Faktor-Authentifizierung bedeutet, dass man auch ein zweites Gerät als zusätzliche Anmeldung braucht. Das kennt man vom Online-Banking. Ganz wichtig ist aber, dass man nochmal überlegt, wo eigentlich unsere Daten heute gespeichert werden. Also immer wieder der Hinweis, dass wichtige Daten nur im Einzelfall auf einen einzelnen Server, der nicht in einem Rechenzentrum steht, gehören. Da geht es dann mehr um die Datensicherheit, dass also nichts verloren geht.
Da gab es einige Medienberichte zu Erpressungsversuchen, bei denen gehackte Server verschlüsselt haben.
Darum ist man grundsätzlich bei einem professionellen Anbieter sicherer, da man selbst nie eine so sichere IT-Infrastruktur aufbauen kann. Da wird dann auch genau festgehalten, was alles getan wird, um eine gute Abwehr bereitzustellen und in einem Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung festgehalten. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der eigene Server in irgendeiner Form kompromittiert wird, als dass es tatsächlich meine Daten bei einem Anbieter trifft.
Ich möchte nochmal zum Thema Cloud kommen. Du bietest bei uns ein Format zu Microsoft Teams und Office 365 an. Welche Vor- und Nachteile siehst du denn bei diesem Service, der gerade auch in der Sozialwirtschaft immer beliebter wird?
Microsoft Teams und 365 ist in aller Munde, da es der Sozialwirtschaft kostengünstig oder sogar kostenfrei bereitgestellt wird. Das war und ist daher für viele das passende Mittel zur Wahl. Das, was man bisher auch in E‑Mails verschickt hat, kann man wunderbar auch bei Microsoft Teams nutzen und speichern. Inwieweit sensible Daten und Notizen hier festgehalten werden, muss eine Organisation sehr gut prüfen. Microsoft hat einen sehr guten Datenschutz. Aber man kann leider immer noch nicht wirklich sagen, was mit all den Daten, gerade den Metadaten, passiert. Also mein Fazit: Für das Kollaborative Arbeiten, To-Do-Listen, Terminplanung und die interne Kommunikation ist es sehr empfehlenswert. Parallel dazu sollte es noch eine andere Software für die sensiblen, schützenswerten Daten geben. Und das kann ja dann noch mit anderen Tools wie Miro ergänzt werden.
Dazu wird es bei uns auch Workshops geben, in denen einige Tools, die sich bewährt haben, vorgestellt werden. Außerdem wird es nächstes Jahr neben deinem Einführungsformat zu Teams und Office 365 auch vertiefende Schulungen dazu geben.
Wenn wir noch etwas mehr in die Glaskugel schauen, wird es auch Fachsoftware und auch Projektmanagement-Software geben, die eine ausgeklügelte Termin- und Aufgabenverwaltung hat, wo auch vieles automatisiert wird und das zum Beispiel mit der Leistungserfassung verknüpft wird. Da arbeiten wir derzeit an einer Software, die das auf ein höheres Level hebt und dann Aufgaben kleinteiliger nach Zuständigkeiten verteilt werden können.
Das ist dann nochmal ein ganz neues digitales Arbeiten. Bis dahin ist Teams sicherlich eine sehr gute Zwischenlösung, um überhaupt in dieses vernetzte Arbeiten zu kommen, statt sich immer Dateien hin und her zu mailen. Wir haben uns auch noch ein neues Format mit dir ausgedacht: „Die digitale Zukunft der Sozialen Arbeit – Impulse für Ihre Organisation“.
Das neue Format soll Impulse geben. Wie findet man eigentlich heraus, wo man gerade in der Digitalisierung steht? Was ist schon technisch möglich? Seien es Anmeldeverfahren für Klient:innen, Bewerbungsmanagement oder
ein übersichtliches Abrechnungsverfahren. Das Format soll dabei helfen, die ersten Schritte zu gehen und Bedarfe zu erkennen. Es beantwortet Fragen und gibt Orientierung zu den konkreten Bildungsangeboten der Paritätischen Akademie Berlin.
Idealerweise hilft das dann den Teilnehmenden, gezielt passende Bildungsangebote bei uns zu finden. Seien es Formate wie „Digital Leadership“ und „Digitale Führung und Transformation“, in denen es um Digitalisierungsstrategien für Organisationen geht, oder Schulungen für konkrete Tools. Oder auch Workshops, die helfen, Digitalisierung, digitale Prozesse oder auch das Prinzip Cloud nachzuvollziehen. Social Media und Open Source werden wir ebenfalls behandeln.
Digitalisierung ist nicht das Ziel, sondern der Weg hin zu einer effizienteren und modernen Sozialen Arbeit, die auch gerade die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entlastet. Wenn wir digitale Instrumente klug und weitsichtig einsetzen, können sie uns wirklich assistieren. Unterm Strich bleibt dann mehr Zeit für die Dinge, für die wir in der Wohlfahrt ja eigentlich brennen: Das menschliche Miteinander und die Fürsorge. Und dafür ist Digitalisierung ein wunderbarer Weg und bietet tolle Instrumente. Mit dem Digitalforum können wir auch noch mehr in den Austausch untereinander kommen. Denn am besten wird es, wenn wir das gemeinsam machen und einander unterstützen.
Da kann ich dir nur beipflichten. Wenn wir Digitalisierung nicht mehr als die große zu bewältigende Herausforderung verstehen, sondern bewusst die Chancen und Möglichkeiten erkennen und darauf hinarbeiten, kann dies sehr gewinnbringend für uns alle sein.
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Joël Dunand studierte Informations- und Kommunikationsmanagement an der SRH in Berlin und arbeitete von 2006 bis 2014 in Chennai, Kalkutta und London in der Softwareentwicklung, im Projektmanagement und im Business Development. Als Geschäftsführer des Sozial-Therapeutischen Instituts Berlin-Brandenburg e.V. (STIBB) führte er die Modernisierung und digitale Transformation der Organisation durch. Sein Studium an der Paritätischen Akademie Berlin schloss er mit seiner Masterarbeit zur Bedeutung der Digitalisierung für Organisationen ab.
Die Jugend von Tobias Fitting war von digitalen Themen geprägt, als das Internet für die meisten noch Neuland war und Boris Becker sich mit den bekannten Worten „Ich bin drin!“ auch erstmals im Internet bewegte. Er hantierte mit Computern, lernte die Online-Videospielwelten kennen und beschäftigte sich mit Linux. Tobias Fitting studierte Politikwissenschaft und Filmregie und war mehrere Jahre in der Film- und Medienbranche tätig.
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Im Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Kayser
Seit 2019 bieten wir den Bachelor Soziale Arbeit an, der zur saatlichen Anerkennung als Sozialarbeiter:in führt und auch Quereinsteiger:innen für soziale Berufe ausbildet. Wichtiger Kooperationspartner für den Studiengang ist die Hochschule für angewandte Pädagogik Berlin. Präsident der Hochschule ist Prof. Dr. Jörg Kayser. Im Gespräch mit unserer Studiengangsleiterin Christin Frizsche spricht er über die Qualifikation von Fachkräften und die Besonderheiten von berufsbegleitenden Studiengängen für Studierende und Arbeitgeber:innen.
Sie sind seit September 2020 Präsident der Hochschule für angewandte Pädagogik und haben dort ebenfalls die Professur für das Lehrgebiet allgemeine Pädagogik übernommen. Herzlichen Glückwunsch!
Vielen Dank!
Zu unserer gemeinsamen Kooperation, also der Kooperation zwischen der Hochschule für angewandte Pädagogik und der Paritätischen Akademie Berlin gehört unter anderem der berufsbegleitende Bachelorstudiengang Soziale Arbeit. Worin sehen Sie die Besonderheiten und Vorteile dieser Kooperation für sich aber auch für unseren gemeinsamen Studierenden?
Ich glaube, dass es immer gut ist, einen Partner an der Seite zu haben, der noch eine zusätzliche Perspektive und auch Expertise in so einem wichtigen Feld wie der zielgerichteten Berufsausbildung und dem Studium einbringt. Der Partner hat eine enge Verbindung zu den Menschen in den Einsatzstellen. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Grundlage, um ein Studium zu gestalten, wo es immer darauf ankommt, Bezüge zwischen Theorie und Praxis herzustellen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften im Bereich der Sozialen Arbeit in Deutschland, aber auch insbesondere in Berlin, ist ja nach wie vor besonders hoch. Inwiefern kann dieser Studiengang dazu beitragen, dem entgegenzuwirken?
Ich würde erstmal zu noch etwas ganz Wichtiges ergänzen. Ja, der Bedarf ist hoch in den Feldern, die wir normalerweise schon im Blick haben: also beispielsweise Probleme in der Schule oder in der Familie, Konflikte im Freundeskreis, Suchtproblematik, Umgang mit Leistung, Einsamkeit, Umgang mit Sozialen Medien
in der Gesellschaft, Klimakrise und so weiter. Das Ganze ist schon ein Riesenpaket bis dahin! Und jetzt haben wir auch noch die Corona-Krise. Sie hat für mich zwei, drei wichtige Aspekte noch hinzugebracht. Die jungen Menschen, mit denen wir arbeiten und die sich professionalisieren wollen, setzen sich ganz anders mit ihrer eigenen Gesundheit, aber auch mit der Gesundheit ihrer Mitmenschen auseinander. Gleichzeitig hat diese Coronakrise so eine Art Brennglas-Funktion gehabt und Probleme und ihre Dringlichkeit noch einmal verschärft.
Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass die Menschen die Soziale Arbeit leisten, mit einem hohen Grad an Qualifikation in diese Arbeit hineingehen und dass diese Arbeitsprozesse durch Weiterqualifizierung und Austausch vernünftig begleitet werden. Nur so können ein hoher Grad an Professionalität und letzten Endes auch professioneller Distanz zu den Menschen, mit denen man arbeitet erreicht werden. Zum anderen ist die Qualifikation auch für die gute Arbeit in einem Team – möglichst in einem multiprofessionellen Team oder sogar in einem transprofessionellen Team – von entscheidender Bedeutung. Dabei geht es auch darum, Wertschätzung und Selbstwirksamkeit zu erfahren. In unserem berufsbegleitenden Studiengang werden diese Dinge in besonderer Art und Weise unterstützt, weil das Erleben im Handeln einerseits und das Reflektieren dieser Prozesse andererseits zu Grundregeln werden.
Es ist, als ob Sie die nächste Frage schon vorweggenommen haben, denn da hätte ich jetzt nach den inhaltlichen Schwerpunkten gefragt, die Sie für besonders relevant halten. Vieles habe ich gerade schon rausgehört.
Das stimmt! Wenn ich da jetzt einen zusammenfassenden, optimistischen Wunsch formulieren dürfte: Ich würde mir wünschen, in diesem Studium Menschen für solch ein multi- beziehungsweise transprofessionelles Team zu qualifizieren, in dem gemeinsam mit anderen Professionen wie Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Lehrkräften, Psychologinnen und Psychologen sowie Schulhelferinnen und Schulhelfern, die alle ihre Rolle und ihre Profession einbringen, mit gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung, gearbeitet würde. Und das bei angemessener Bezahlung! In den einzelnen Feldern kann eine angemessene Bezahlung nur über eine sehr qualifizierte Ausbildung, also ein Studium laufen. Wenn in dem gemeinsamen Wirken deutlich wird, dass die Arbeit von einem Menschen aus dem Feld der Sozialen Arbeit, dieselbe Qualität, die selbe Anerkennung hat, wie zum Beispiel die einer Lehrkraft, wird sie eine viel höhere Akzeptanz erfahren.
Damit wären wir schon bei der nächsten Frage, die in Richtung der Einrichtungen und Träger geht: Worin sollten denn die Arbeitgeber:innen die Vorteile sehen, in die Weiterbildung ihrer Fachkräfte zu investieren? Welche übergeordneten Ziele ließen sich damit verbinden?
Das Entscheidende sind hier der Theorie-Praxis-Abgleich und der zugehörige Reflexionsanteil. Dieser hohe Reflexionsanteil muss dazu führen, dass der einzelne Mitarbeiter, die einzelne Mitarbeiterin auch an seine:ihre Einrichtung zurückspiegeln kann, wie die Arbeitsprozesse laufen beziehungsweise wo Optimierungsbedarf besteht. So kann eine kritische Hinterfragung oder auch ein Monitoring der eigenen Arbeitsprozesse und der eigenen Entwicklung in die Einrichtung hineingebracht werden.
Das gleiche gilt auch in die andere Richtung. Natürlich gehört es dazu, dass sowohl die Einrichtung als auch die Hochschule unmittelbar in Evaluationsprozesse miteinbezogen werden und auch Gegenstand der Evaluationen werden, um dann auf dieser Basis auch ihre eigenen Prozesse kritisch zu reflektieren. Dieser dauerhafte Austausch spielt eine große Rolle.
Wenn man es dann noch schafft, ein mehrdimensionales Supervisionssystem zu implementieren, kommt man ganz weit voran. Es muss für den Einzelnen die Möglichkeit geben im eigenen Arbeitsfeld oder Praxisfeld eine Supervision zu erfahren. Für die Studierenden muss es genauso die Möglichkeit geben, in der Hochschule eine Supervision zu erfahren. Dieses Zusammenspiel zwischen Träger und Hochschule kann viel bewirken. Einerseits kann eine gemeinsame Methode eingesetzt werden, hier mit dem Stichwort Supervision. Dann kann das ganze theoretisch reflektiert werden. Auf der anderen Seite kann diese theoretische Reflektion aus den Seminaren wieder in die eigene Einrichtung zurückgespiegelt werden. Also besser kann man über das persönliche Wirken in so einem wichtigen Arbeitsfeld gar nicht miteinander in eine Auseinandersetzung treten. Das ist der große Wert von berufsbegleitenden Ausbildungen!
Vielen Dank für diese Ausführungen! Wem würden Sie denn zu einem Studium der Sozialen Arbeit raten?
Jedem Menschen, dem es wichtig ist, mit anderen Menschen gut zu arbeiten, sie zu unterstützen und zu fördern, dies in erster Linie für die anderen Menschen macht. Gleichzeitig sollte er oder sie aber auch in der Lage sein,
eine professionelle Distanz aufzubringen.
Und welche Erkenntnisse würden Sie den Studierenden wünschen, was sie im Rahmen des Studiums erreichen? Was liegt Ihnen da besonders am Herzen?
Es ist ein unglaublich wertvolles Arbeitsfeld. Ein Arbeitsfeld, das identitätsschaffend und bestärkend sein kann, in dem ich aus mir selbst herausgehen und eine eigene Stärke entwickeln kann, die ich in das Arbeitsfeld einbringen kann. Andererseits muss ich auch ganz klar Situationen schaffen können, in denen ich mich von diesen ganzen Prozessen distanziere und wieder zu mir selbst zurückkehre, Kraft schöpfe und nicht von morgens bis abends gedanklich und emotional in der Sozialen Arbeit hänge.
Eine abschließende Frage habe ich noch: Können wir als Akademie oder Sie als Lehrender auch etwas von den Studierenden lernen?
Elementar viel! Ich glaube, dass die Studierenden eine wirklich wichtige Aufgabe haben: nämlich uns mit den Themen zu versorgen! Man kann sich Problemlagen vor Augen führen, man kann ganz viele Fallanalysen machen. Doch das Wichtigste ist doch, dass immer wieder Leben in diese Felder hineinkommt, sowohl in den Einrichtungen als auch in der Hochschule.
Damit sind wir eigentlich auch wieder bei dem Thema vom Anfang, an dem wir im Moment nicht vorbeikommen. Wer hätte vor anderthalb Jahren gedacht, dass die Coronakrise die Beziehungen so verändert. Wie sollen wir das in unsere Arbeitswirklichkeit integrieren, in unsere Qualifizierungsangebote, in die Hochschulen, wenn nicht die Studierenden ganz klar zurückspiegeln, was es eigentlich bedeutet? Das gleiche gilt auch für die Zukunft bei ganz
elementaren Fragen rund um Klima, um europäische Sicherheit, um all diese ganzen Dinge. Was bedeuten sie für den einzelnen Menschen? Wie geht er oder sie damit um? Das kriegen wir durch die Berichte aus der Praxis, durch das eigene Erleben und durch die eigenen Schwierigkeiten von denjenigen mit, die bei uns arbeiten oder die sich bei uns qualifizieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Ehrenamtsmanagement intensiv – Zertifikatskurs
Ein Erfahrungsbericht von Gül Yavuz
Als ich im November 2019 den Zertifikatskurs „Ehrenamtsmanagement intensiv“ an der Paritätischen Akademie Berlin begann, war ich mir nicht sicher, ob mir diese Fortbildung wirklich nützen würde. Ich hatte schließlich schon selbst jahrelang als Freiwillige gearbeitet und auch viel Erfahrung im Umgang mit Engagierten in der eigenen Organisation gesammelt. Dennoch war ich neugierig auf das, was mich erwarten würde, irgendetwas Neues wäre sicherlich dabei. Nicht absehbar war zu diesem Zeitpunkt die lange Dauer dieser Workshopreihe, die sich wegen der Corona-Pandemie über ein Jahr hingezogen hat. Rückwirkend kann ich sagen, dass ich sehr froh bin, diesen Kurs gemacht zu haben, auch trotz der Verlagerung von Präsenz- zu Online- und Mischformaten und dem großen Zeitfenster.
Der Zertifikatskurs
Der Kurs begann im November 2019 in den Räumen der Paritätischen Akademie in Berlin Mitte als Präsenz-Veranstaltung. Es ging zunächst um das gegenseitige Kennenlernen und erste Zugänge zu dem Thema. Es wurde gleich deutlich: passiv konnte hier niemand sein. Unsere Dozentinnen Beate Häring und Christiane Biedermann führten uns in abwechslungsreichen Sessions, in Groß- und Kleingruppen mit denkwürdig chic designten Flipcharts von Thema zu Thema: Warum eigentlich der Begriff „Management“? Wie finden Freiwillige zu uns und wie bleiben sie? Welche Personas können wir unseren Freiwilligen zuordnen?
Es gab eine schier endlose Palette an Bereichen, die wir behandelten, auch die Absteckung des rechtlichen Rahmens durch einen Rechtsanwalt gehörte dazu. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir persönlich die Session mit den sogenannten „Motivlagen“. Motivlagen sind die individuellen Antriebsmotive von Menschen, die es zu verstehen gilt, wenn sie von einer Sache überzeugt werden sollen. Oft werden Motivlagen falsch interpretiert: warum beispielsweise jemandem Verantwortung anbieten, wenn diese Person in ihrem Engagement eigentlich einfach nur Kaffee kochen will? In dieser Session gab es viel Gelächter, alle hatten hier ihre individuellen Geschichten von Missverständnissen.
Die individuellen Arbeiten zwischen den Kursen
Im Zuge des Seminars hatten wir Teilnehmenden auch Hausaufgaben auf: wir sollten selbst ein Freiwilliges Engagement aufnehmen und so eine Einrichtung aus der Perspektive von Freiwilligen kennenlernen. Als zweites sollten wir ein selbstgewähltes Thema in unserer Arbeit weiter vorantreiben. Zwischendurch trafen wir uns in
Kleingruppen in Zoom-Meetings um uns gegenseitig zu unterstützen.
Fazit
Durch den Zertifikatkurs Ehrenamtsmanagement intensiv habe ich nun das Gefühl, besser für meine Arbeit gewappnet zu sein. Ich verstehe das Feld Ehrenamtsmanagement als komplexes System, das ich aus jeder möglichen Perspektive reflektiert habe. Das ist für mich persönlich etwas Neues und ein großer Gewinn. Wie Arbeit mit Freiwilligen „gemanagt“ werden muss, wenn sie es erfolgreich sein soll, habe ich verstanden. Die Ähnlichkeiten zum Management-Prozess im For-Profit-Bereich sind deutlich. Außerdem kann ich nun auf konkrete Handlungsstrategien zurückgreifen, die wir im Workshopprozess individuell erarbeitet haben.
Eine echte Bereicherung ist außerdem das große Netzwerk an Kolleg:innen aus ganz Deutschland, das sich durch die gemeinsame Workshoparbeit automatisch gebildet hat. Wir waren wirklich eine schöne Gemeinschaft in dieser Zeit.
Nicht zuletzt liegt der Erfolg der Fortbildung aber auch an den zwei tollen Dozentinnen Beate Häring und Christiane Biedermann, die uns immer gut gelaunt und kompetent durch das kreative Programm geführt haben. Einen herzlichen Dank an die beiden.
Zur Autorin: Gül Yavuz arbeitet als Koordinatorin für digitales Engagement bei der oskar | freiwilligenagentur lichtenberg
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Digitalisierung der Sozialen Arbeit im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin und der Paritätischen Akademie Berlin
Ein Gastbeitrag von Christian Sievert
Nach der gefühlt 1000sten Videokonferenz und endlos vollgeschriebenen Pads fragen sich wohl mittlerweile viele:
Ist das jetzt die Digitalisierung der Sozialen Arbeit von der immer gesprochen wird? Und wahrscheinlich noch viel öfter: Bleibt das jetzt so? Dies und noch einiges mehr wollten wir auch von unseren mehr als 800 Mitgliedsorganisationen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin wissen. Aber der Reihe nach.
Mit der Einführung eines neuen Arbeitsbereiches, der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit, trägt der Paritätische
Berlin den sich immer weiterentwickelnden Rahmenbedingungen Rechnung. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie lag der Fokus noch darauf, gemeinsam mit der Paritätischen Akademie Berlin schnelle Unterstützung für unsere
Mitgliedsorganisationen anzubieten. Wir haben unsere Mitgliedsorganisationen zum Beispiel bei der technischen Ausstattung, beim Thema Datenschutz, oder auch bei der Durchführung von Onlineveranstaltungen unterstützt und geschult. Somit konnten wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass unsere Mitgliedsorganisationen trotz der Pandemie arbeitsfähig blieben. Allerdings sind dabei auch Themen liegen geblieben.
Wo der Schuh drückt.
Eines unserer Anliegen war es, zunächst ein Verständnis dafür zu entwickeln, wo das Thema Digitalisierung in der
Sozialen Arbeit bei unseren Mitgliedsorganisationen im Verband aktuell verortet ist. Dazu griffen wir, ganz analog, zum Telefon. Neben Fragen zu Bedarfen und Herausforderungen interessierte uns insbesondere, wie wir als Verband unsere Mitgliedsorganisationen am besten unterstützen können. Während die Umfrage und deren Auswertung noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, lassen sich schon jetzt einige interessante Schlüsse daraus ziehen. Als erstes sticht hervor, dass die Corona-Pandemie in vielen Organisationen Prozesse beschleunigt hat, die schon länger anstanden. Wo im Januar 2020 vielleicht doch diskutiert worden ist, ob man einmal Videokonferenzsysteme ausprobieren sollte, war spätestens im März klar, dass ohne eine digitale Infrastruktur,
vulnerable Zielgruppen eventuell gar nicht mehr erreicht werden können. Dementsprechend waren Eile und Pragmatismus geboten. Dies hat im selben Atemzug aber auch verdeutlicht, mit welchen Herausforderungen soziale Organisationen im Bereich Digitalisierung konfrontiert sind. Hier stehen vor allem mangelnde Ressourcen im Vordergrund. Insbesondere kleinere Organisationen haben immer wieder damit zu kämpfen, dass
in ihren Zuwendungen die wachsende digitale Infrastruktur, die für moderne Soziale Arbeit notwendig ist, nicht vorgesehen ist. Dementsprechend hoch ist auch der Weiterbildungsbedarf in diesem Bereich. Sei es Datenschutz, Prozessoptimierung, agile Führung, oder auch die Frage, wie teuer eine eigentlich eine gute IT-Beratung sein sollte. Ein Fakt sticht aber besonders hervor: alle Organisationen messen der Digitalisierung im Fachbereich der Sozialen Arbeit eine große Bedeutung zu und noch viel wichtiger: fast alle haben auch Lust, sich mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen.
Und jetzt?
Genau diese Dynamik aufzugreifen und daraus zusammen mit der Paritätischen Akademie passgenaue Angebote für unsere Mitgliedsorganisationen zu entwickeln, ist das Anliegen des Verbandes. Eine zentrale Rolle spielt dabei
schon jetzt das Paritätische Digitalforum (https://paritaetisches-digitalforum.de). Hier gibt es schon jetzt zahlreiche Angebote zu Herausforderungen der Digitalisierung und die Inhalte und Formate werden kontinuierlich weiter ausgebaut. Angefangen mit kurzen und bündigen Vortragsreihen über regelmäßige Beratungsangebote bis hin zu neuen Netzwerkveranstaltungen wollen wir noch mehr Platz bieten für Austausch und neue Ideen. Gleichzeitig geben wir unseren Mitgliedsorganisationen mit Weiterbildungen die Instrumente an die Hand, die sie brauchen, um den digitalen Wandel nicht nur zu erleben, sondern auch mitzugestalten.
Zum Autor:
Christian Sievert arbeitet für den Paritätischer Wohlfahrtsverband LV Berlin e.V. im Bereich Digitalisierung
Foto © Steffen Herbrechtsmeier-Kauffmann
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