New York, New York!
Eine Studienreise nach New York zeigt, welche wichtige Bedeutung Peers in der Sozialarbeit haben
Personen mit ähnlichen Erfahrungen oder Hintergründen wie die Zielgruppe, werden unter dem Begriff Peers gefasst. In der sozialen Arbeit fungieren Sie als Unterstützende, Begleitende oder Vorbilder.
Sunita Maria Kumar leitet in Deutschland die Geschäfte beim Zentrum für psychosoziale Gesundheit in Schaumburg (ZePGiS e.V.). In diesem Beitrag berichtet sie über die bedeutsame Arbeit mit Peers in der Sozialarbeit, die sie auf ihrer Reise nach New York City beobachtet hat.
Im Oktober 2024 organisierte die Paritätische Akademie Berlin erneut eine Bildungsreise nach New York. Es haben sich in diesem Jahr 11 Sozialarbeiter:innen in soziale Organisationen vor Ort begeben. Der us-amerikanische Ansatz der Sozialen Arbeit beruht vor allem auf einem Grundsatz: der Stärkung von Communities.
In den USA bewährt – in Deutschland unterschätzt: Das Potenzial der Peers
Nicht jede Person hat Zugang zu den Angeboten der sozialen Arbeit. Dem hinzu kommt der Mangel an Fachkräften sowie die unzureichende Repräsentation von Minderheiten in der Sozialen Arbeit. Peers spielen daher eine entscheidende Rolle, da sie durch ihre eigene Erfahrung näher an den betroffenen Communities sind und diese besser erreichen können.
Das Potenzial der Peers wird in Deutschland nicht ausgeschöpft. Im US-amerikanischen System hat es sich bereits gut als Ausgleich gegen den Fachkräftemangel erwiesen. Doch es ist nicht nur eine Methode, um den Personalmangel abzumildern, sondern auch eine Möglichkeit, die soziale Arbeit vielfältiger, inklusiver und näher an den Bedürfnissen der Communities zu gestalten.
Peers schaffen einen Ausgleich gegen Fachkräftemangel und sorgen für ein inklusiveres Angebot
Peers bringen durch ihre eigene Erfahrung eine besondere Empathie und Authentizität in die Arbeit ein, die herkömmliche Fachkräfte oft nicht in gleichem Maße bieten können. Sie stehen als Gleichgesinnte auf Augenhöhe mit den Betroffenen und schaffen dadurch eine besondere Vertrauensbasis. Diese Art der Unterstützung passt hervorragend in den aktuellen Zeitgeist multiprofessioneller Teams, die verschiedene Perspektiven und Expertisen zusammenbringen, um den bestmöglichen Support zu leisten. In Bereichen wie der psychischen Gesundheit, Suchthilfe oder Obdachlosenhilfe können Peers als wichtige Bindeglieder zwischen den betroffenen Menschen und den professionellen Fachkräften agieren.
Durch die Etablierung von Peers als professionelle Unterstützung können vorhandene Sozialarbeiter:innen entlastet werden. Die Peer-Spezialisten arbeiten eng mit Fachkräften zusammen, bieten aber eine zusätzliche Dimension der Betreuung, die auf Gleichwertigkeit und Augenhöhe beruht.
Unterstützung mit Perspektive und auf Augenhöhe: Beispiele aus New York City
Den Zugang zu psychischer Gesundheitsversorgung in der gesamten Stadt New York fördert die Organisation NYC Mayor’s Office of Community Mental Health. Peer-Arbeit ist ein integraler Bestandteil der Arbeit. Dort werden Peers ausgebildet, die durch ihre Nähe zu den Betroffenen eine wichtige Brückenfunktion zwischen der Community und dem formellen Hilfesystem einnehmen. Das Ziel ist, Menschen so früh wie möglich zu erreichen, bevor Krisen eskalieren. Bei einem Treffen mit einer leitenden Mitarbeiterin des Büros wurde deutlich, wie stark die Arbeit der Organisation auf den Aufbau von Community Resilience abzielt, also der eigenen Widerstandskraft von Gemeinschaften.
Das Programm von Howie the Harp, das die Teilnehmenden ebenfalls auf ihrer Reise kennengelernt haben, vermittelt den Betroffenen nicht nur fachliche Fähigkeiten für einen Einstieg ins Arbeitsleben, sondern legt großen Wert auf Soft Skills wie Kommunikation und Selbstorganisation. Wichtiger Bestandteil des Programms ist die ‚Housing First Culture‘ – ein Konzept, das ein sicheres Zuhause als Basis für Heilung und langfristige Stabilität betrachtet.
Auch viele Peers befinden sich in prekären Lebenslagen, beziehen geringe staatliche Unterstützung oder haben ein sehr niedriges Einkommen. Das Training selbst erfordert ein hohes Zeitaufwand. Trotzdem ist die Erfolgsgeschichte des Programms beeindruckend: Viele der angehenden Peer-Spezialist:innen schaffen das Ausbildungsprogramm. Die Absolvent:innen haben dann die Möglichkeit, nach einem Praktikum als Peer-Spezialist:innen in verschiedenen sozialen Feldern zu arbeiten.
Die Lage in Deutschland
Zwar gibt es erste Fortschritte, doch das Potenzial bleibt weitgehend ungenutzt – die Peer-Arbeit findet in Deutschland noch immer nur in Nischen statt.
Zum Beispiel bieten die Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungen (EUTBs) Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen „niederschwellige“ Beratungen an, die oft von Peers durchgeführt werden. Diese Beratungsstellen sind ein Beispiel dafür, wie Menschen mit eigener Erfahrung anderen als Berater:innen zur Seite stehen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fördern.
Auch in der Suchthilfe hat sich der Einsatz von Peer-Arbeit bewährt. Ebenso gibt es in der (Sozial-)Psychiatrie bereits Ansätze, bei denen Peers durch Weiterbildungen wie ExIn (Experienced Involvement) professionell qualifiziert werden, um Menschen mit psychischen Erkrankungen zu unterstützen.
Ein weiterer innovativer Ansatz ist die Integration von Ergotherapeut:innen und Physiotherapeut:innen, um auch Menschen mit Obdachlosigkeit besser zu erreichen und zu unterstützen.
Fazit
Die Einführung und Vertiefung von Peer-Programmen in Deutschland könnte einen Durchbruch für eine inklusivere und effektivere Sozialarbeit darstellen. Es bleibt zu hoffen, dass der Peer-Support hierzulande nicht nur als Randphänomen behandelt wird, sondern sich zu einem integralen Bestandteil des sozialen Hilfesystems entwickelt.
Ein Bericht von Sunita Maria Kumar (Sozial- und Organisationspädagogin M.A., Geschäftsleitung ZePGiS e.V. – www.zepgis.de )
Impressionen der New York Reise:




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Redaktion: Julia Mann & Lucas Frye (Paritätische Akademie Berlin )
Foto im Titelbild: Pexels
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