Ehrenamtsmanagement will gelernt sein –
Christiane Biedermann über ihre Erfahrungen in der Qualifizierung von Freiwilligenkoordinator:innen
Seit über 20 Jahren unterstützt Christiane Biedermann Menschen und Organisationen im Freiwilligenmanagement und leitet seit mehreren Jahren den Zertifikatskurs „Ehrenamtsmanagement intensiv“ an der Paritätischen Akademie Berlin. Im Interview spricht sie darüber, warum professionelles Ehrenamtsmanagement so wichtig ist, wie sich freiwilliges Engagement gewandelt hat, vor welchen Herausforderungen Organisationen heute stehen – und welche Fähigkeiten künftig in der Freiwilligenkoordination gefragt sind.
Frau Biedermann, seit über 20 Jahren unterstützen Sie Menschen und gemeinnützige Organisationen in ihrem ehrenamtlichen Engagement. Was begeistert Sie an dieser Arbeit – und warum ist es Ihnen wichtig, Ihre Erfahrung weiterzugeben?
Mich begeistern Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Sie schenken der Gesellschaft und Organisationen etwas sehr Wertvolles: Ihre Zeit, Talente, Erfahrungen, Kontakte aus ihren Netzwerken – und von ihnen geht meist eine positive Lebenseinstellung und Ausstrahlung aus. Ehrenamtlich Engagierte dürfen von Organisationen entsprechendes Know-how in der Freiwilligenkoordination und im Ehrenamtsmanagement erwarten. Dennoch haben 65 Prozent derjenigen, die sich um ehrenamtlich Engagierte in ihrer Organisation kümmern, keine Aus- oder Weiterbildung dafür. Das zeigt die „Pilotstudie Freiwilligenmanagement“ der Technischen Hochschule Nürnberg. Da gibt es in der Qualifizierung also noch einiges zu tun. Schließlich sind Organisationen, die Engagement fördern, vielfach Orte für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gelebte Demokratie. Auch darum ist es mir wichtig, Erfahrungen immer wieder zu teilen.
Ihr Wissen geben Sie im Kurs „Ehrenamtsmanagement intensiv“ weiter, der ebenfalls seit mehr als 20 Jahren besteht. Wie hat sich das freiwillige Engagement in dieser Zeit verändert – und welche Themen sind bis heute aktuell geblieben?
Keineswegs lässt sich sagen, das Ehrenamt früher „in“ war und heute „out“ ist. Das zeigen auch repräsentative Studien. Doch freiwilliges Engagement wandelt sich. Kurzfristige, anlassbezogene und überschaubare Aktivitäten sind beliebter als zeitintensive, dauerhafte und verantwortungsvolle Aufgaben. Wir haben an neuen Engagementmöglichkeiten dazugewonnen. Dazu zählen die Freiwilligentage, wie sie der Paritätische Berlin mit Partner:innen im Spätsommer durchführt. Hier können Menschen bei Mitmach-Aktionen freiwilliges Engagement ausprobieren und einfach mit anpacken. Auch digitales Engagement gehört dazu. Es kommt jenen entgegen, die sich ortsungebunden engagieren möchten oder aus Gründen der Gesundheit oder eingeschränkter Mobilität bisher oft ausgeschlossen waren. Nach wie vor haben wir ungleiche Zugangschancen zum freiwilligen Engagement. Das müssen wir ändern.
Freiwilliges Engagement wandelt sich, wir haben neue Engagementmöglichkeiten dazugewonnen. Doch nach wie vor haben wir ungleiche Zugangschancen zum Engagement. Das müssen wir ändern.
Gab es eine Situation in einem Ihrer Kurse, die Sie selbst überrascht oder besonders berührt hat?
Immer wieder. Wenn Teilnehmer:innen im Laufe des Kurses berichten, dass sie an Kompetenzen und Sicherheit in ihrer Freiwilligenkoordination gewonnen oder an Rückhalt für das Ehrenamtsmanagement bei ihrer Leitung und im Kolleg:innenkreis gewonnen haben. Wir haben Stellenwechsel im Ehrenamtsmanagement. Die Nachfolger:innen von Teilnehmer:innen aus vorherigen Kursen kommen. Da gibt es schonmal den Aha-Effekt: „Jetzt verstehe ich noch besser, was meine Kollegin / mein Kollege bereits aufgebaut hat.“
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Organisationen, wenn es um die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen geht – und worauf sollten sie heute besonders achten?
Die Kursteilnehmer:innen bringen zum Start die aktuellen Herausforderungen aus ihren Organisationen mit. Nach einem halben Jahr, also zum Kursende, entwickeln wir – auch mit Gastdozierenden – machbare Ansätze oder Lösungen. Mindestens drei Herausforderungen lassen sich ausmachen, die auch repräsentative Studien zeigen:
- Sicherstellen von Kontinuität bei gleichzeitiger Flexibilität und Zeitsouveränität im Engagement,
- Übernahme von verantwortungsvollen Aufgaben und Nachfolgeplanung
- Abbau von Schwellen im Zugang zum Engagement.
Unterm Strich geht es nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um Fragen der Organisations- und Teamentwicklung.
Welche Fähigkeiten werden in den kommenden Jahren besonders gefragt sein, wenn es um die Begleitung von ehrenamtlichem Engagement geht?
Den Stellenangeboten für Freiwilligenkoordinator:innen lassen sich die erforderlichen Fähigkeiten ganz gut entnehmen. Dazu zählen soziale und kommunikative Kompetenzen, aber auch Veranstaltungen organisieren, Schulungen durchführen, zwischen verschiedenen Erwartungen zu moderieren und mit Konflikten umgehen zu können. Noch mehr wird es darauf ankommen, Freiwilligen-Communities etablieren zu können, ehrenamtlich Engagierte in ihrer Selbstorganisation zu unterstützen sowie Teamarbeit und ‑entwicklung zu begleiten.
Vielen Dank für das Interview, Frau Biedermann!
Möchten auch Sie Menschen in ihrem Engagement begleiten und ein bürgerschaftliches, freiwilliges Engagement in Ihrer Organisation fördern? Dann melden Sie sich zum nächsten Zertifikatskurs Ehrenamtsmanagement intensiv an.
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Redaktion: Lucas Frye (Paritätische Akademie Berlin)
Foto im Titelbild: Christiane Biedermann (Foto: Lisa Merk)
Führen, Begleiten und Koordinieren von haupt- und ehrenamtlichen Teams
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