Jutta Overmann und Christa Janßen unterrichten mit Schwerpunkt Entrepreneurship im Master Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie Berlin. Im Interview sprechen sie über die steigende
Relevanz des Themas und den Weg von der ersten Gründungsidee bis zur Umsetzung.
Wo und in welcher Position arbeiten Sie derzeit, wenn Sie nicht gerade bei uns an der Akademie unterrichten?
Janßen: Ich bin als Gastdozentin im Bereich Gründerlehre an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) tätig.
Overmann: So wie meine Kollegin bin auch ich derzeit an einer Hochschule aktiv. Aktuell bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt ASHEXIST an der Alice-Salomon-Hochschule, bei dem wir den Gründer:innengeist wecken und stärken wollen. Zudem arbeite ich als Beraterin im Gründungsbereich.
Was ist Ihre Motivation zusätzlich als Dozentinnen im Studiengang Sozialmanagement tätig zu sein?
Janßen: Social Entrepreneurship war mir schon immer ein besonderes Anliegen. Der Austausch und die kritischen Fragen und Anmerkung der Studierenden sind mir sehr wichtig.
Overmann: Ich glaube auch hier haben wir beide etwas gemeinsam: soziale Verantwortung mit unternehmerischem Denken zu verbinden, hat mich schon lange sehr interessiert. Solche Themen lassen sich in diesem Studiengang wunderbar aufgreifen und mit den Studierenden diskutieren.
Unser Master Sozialmanagement richtet sich an Menschen mit Berufserfahrung, die sich noch weiterentwickeln und perspektivisch auch Führungsverantwortung übernehmen möchten. Welchen Einfluss hat das Studium auf die berufliche Entwicklung der Studierenden?
Overmann: Aus den Gesprächen mit den Studierenden habe ich mitgenommen, dass es bei vielen eine Motivation war, neue berufliche Herausforderungen zu suchen und auch Führungsverantwortung zu übernehmen. Da bieten die Managementthemen in diesem Studiengang viele wichtige Aspekte und Inhalte, die sie dann für den nächsten beruflichen Entwicklungsschritt direkt nutzen können. Zudem berichten die Studierenden aus ihrer Berufspraxis, dass die Anforderungen und Aufgaben immer komplexer werden und BWL-Wissen, Kostenrechnung, Finanzen aber auch Führungsthemen immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Janßen: Nach meinen Beobachtungen kann ich das nur bestätigen. Nicht selten wird der nächste Karriereschritt schon während des Studiums gemacht. Die einzelnen Module des Studiengangs sind eine sehr gute und
umfassende Vorbereitung auf anspruchsvolle Fach- und Führungsaufgaben.
Der Studiengang ist bei uns als Fernstudium mit Präsenzwochen in Berlin aufgebaut. Welche Vorteile sehen Sie in diesem Modell und vielleicht im berufsbegleitenden Studieren allgemein?
Overmann: Ich bin immer wieder beeindruckt, wie Studierende berufliche Anforderungen, familiäre Aufgaben und das Studium miteinander vereinbaren. Allerdings schaffen sie das oft nur, da sie durch dieses Modell eine zeitliche Flexibilität haben und die Präsenzwochen als Block stattfinden. Von Teilnehmenden, die nicht aus Berlin kommen, hören wir oft, wie toll die Zeit in Berlin ist. Hier lernen sich die Gruppen noch besser kennen und nutzen natürlich auch gern die Angebote der Stadt.
Janßen: Lernen soll neue Perspektiven eröffnen. In einer inspirierenden Stadt wie Berlin lässt sich das berufliche Netzwerk in den Präsenzzeiten gut erweitern. Auch der Erfahrungsaustausch ist leichter möglich als bei einem reinen Fernstudium.
Sozialmanagement, Master of Arts
Berufsbegleitender Studiengang in Kooperation mit der Alice Salomon Hochschule Berlin
Sie sind beide Teil eines größeren Teams von Dozierenden. Welchen Themenschwerpunkt lehren Sie bei uns?
Janßen: Mein Herzensthema ist Entrepreneurship – und das auch schon, als diese Thematik in der Sozialwirtschaft eher verpönt war. In den letzten Semestern ist dann das wissenschaftliche Arbeiten dazugekommen.
Overmann: Mein Fokus liegt auf dem Thema „Gründen im sozialen Bereich“ und das verstehe ich tatsächlich sehr umfassend. Da können Social Start-Ups dabei sein, aber auch klassische Gründungen wie die Arbeit als Berufsbetreuer:in oder eine Selbständigkeit im pädagogischen Bereich. Dabei schaue ich mir den Markt für solche
Angebote gern genauer an und wie sich aus einer ersten Idee, dann tatsächlich eine Geschäftsidee entwickelt.
Ist das Thema Entrepreneurship aktuell für die Sozialwirtschaft besonders relevant? Wenn ja, warum?
Janßen: Auf Tagungen und Konferenzen bemerke ich ein großes Interesse von Seiten der großen Player im Markt und zugleich beobachte ich viele Gründungsabsichten von neuen Marktteilnehmern.
Overmann: Das Thema gewinnt auf jeden Fall an Bedeutung. Das erlebe ich auch in meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Wir haben an einem Barcamp zum Thema „Social Entrepreneurship macht Hochschule“ aktiv teilgenommen, bei dem viele Hochschulen und Organisationen beteiligt waren. In Berlin gibt es aktuell das Projekt Social Economy Berlin, bei dem Initiativen und soziale Unternehmen kostenfreie Beratungen in Anspruch nehmen können.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit Unternehmensgründungen durch Absolvent:innen gemacht?
Overmann: Tatsächlich hatte ich schon einige Masterarbeiten zu betreuen, in denen Businesspläne erstellt wurden. Dabei waren oftmals die Gründungen für einen späteren Zeitpunkt geplant. Als Beraterin war ich dann in die Umsetzungsphase nicht mehr involviert. Das kann jetzt anders sein, da wir weiterführende Unterstützungsangebote im Rahmen des ASHEXIST-Projektes anbieten. Insbesondere für gründungsinteressierte Studierende aus Berlin kann das interessant sein, da wir im Juni 2022 unser Gründer*innenzentrum eröffnen. Ergänzend bieten wir aber auch viele interessante Veranstaltungen online an. (Mehr dazu findet man hier.)
Gibt es dabei besondere Kompetenzen, die besonders wichtig sind?
Janßen: Jede Gründung ist anders, aber Entschlossenheit Entscheidungsstärke und Freude am Netzwerken sind ein guter Ausgangspunkt. Bei größeren, komplexen Vorhaben sollte auf eine gute Teamzusammenstellung geachtet werden, bei der unterschiedliche Kenntnisse und Stärken kombiniert werden.
Overmann: Gerade der Teamgedanke spielt eine wichtige Rolle. Die Herausforderungen bei Gründungsvorhaben sind oftmals so komplex, dass eine Person allein das gar nicht bewältigen kann. Daher ist es sehr hilfreich, wenn man seine eigenen Stärken kennt und bereit ist, sich Unterstützung zu holen, wenn diese benötigt wird.
Eine besondere Herausforderung ist sicherlich der Weg von der ersten Gründungsidee zur tatsächlichen Umsetzung. Wie kann dieser wichtige erste Schritt gelingen?
Janßen: Es empfiehlt sich nach Gründungsunterstützung Ausschau zu halten. Es gibt tatsächlich vielfältigen Rat und Coaching für Gründung allgemein aber auch speziell für Gründungen im sozialen Bereich.
Overmann: Bevor man sich nach der Förderung umschaut, macht es sicher Sinn, sich den Markt und die Akteur:innen anzuschauen. Wer bietet schon etwas Vergleichbares an?
Sie beide betreuen oftmals Masterarbeiten – Wie beurteilen Sie die Möglichkeit, die Masterarbeit als Vorarbeit für eine Gründung zum Beispiel als Businessplan zu nutzen?
Janßen: Das ist in der Tat eine gute Möglichkeit, sich auf eine Gründung vorzubereiten, indem man ausgewählte Aspekte im Rahmen einer Masterthesis vertiefend bearbeitet.
Overmann: Aus meiner Sicht lässt sich in einer Masterarbeit ein Thema intensiv bearbeiten, dabei werden theoretische Hintergründe ausgeführt und die Relevanz für die Praxis wird erläutert. Ein Gründungsvorhaben
kann als praktisches Umsetzungsbeispiel in Form eines Businessplans beschrieben werden. So konnte ich als Teil einer Masterarbeit beispielsweise die Gründung einer Pflegeeinrichtung oder die eines Trägers begutachten.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei einer Neugründung in der Sozialwirtschaft heutzutage?
Overmann: Aus der Perspektive von Studierenden höre ich verstärkt, dass ihnen Nachhaltigkeit und sinnstiftendes Arbeiten wichtig sind. Bei Gründungs- und Projektideen sollen dann auch entsprechende Kriterien berücksichtigt werden und ressourcenschonende Angebote, wiederverwendbare Arbeitsmaterialien oder der Einsatz von Recyclingmaterial realisiert werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Das Gespräch führte Johanna Brömer, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin