Maga­zin

Das digi­ta­le Mit­ein­an­der gut orga­ni­sie­ren

Novem­ber 2021 | Manage­ment

Inter­view mit Tal Pery

Dr. Tal Pery ist selbst­stän­di­ger Unter­neh­mens­be­ra­ter mit Fokus auf sozi­al­wirt­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen. Er unter­rich­tet unter ande­rem Digi­tal Lea­der­ship: Füh­ren im digi­ta­len Wan­del und gemein­sam mit Joël Dunand den Zer­ti­fi­kats­kurs Digi­ta­le Füh­rung und Trans­for­ma­ti­on an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Mit ihm haben wir über die digi­ta­le Ent­wick­lung der Sozi­al­wirt­schaft mit Blick auf die Pan­de­mie und auch mit Blick auf die Zukunft gespro­chen. 


Hal­lo Tal. Vie­len Dank, dass du dir Zeit für ein Inter­view mit uns nimmst. Mei­ne ers­te Fra­ge bezieht sich direkt auf dei­ne Erfah­run­gen wäh­rend der Pan­de­mie. Was hat sich dei­nes Erach­tens durch die Pan­de­mie in der Sozi­al­wirt­schaft geän­dert? Hast du den Ein­druck, dass digi­ta­le Werk­zeu­ge heu­te mehr und selbst­ver­ständ­li­cher im All­tag genutzt wer­den, oder seh­nen sich die

meis­ten zurück zum Ana­lo­gen? 


Hal­lo Tobi­as, ger­ne doch. Ich glau­be, bei­des ist rich­tig. Die Pan­de­mie hat vie­len die Berüh­rungs­ängs­te gegen­über digi­ta­len Werk­zeu­gen genom­men. Alle muss­ten sich von heu­te auf mor­gen mit Video­kon­fe­ren­zen und ande­ren Werk­zeu­gen aus­ein­an­der­set­zen. Gleich­zei­tig fehlt uns natür­li­cher­wei­se das mensch­li­che Mit­ein­an­der. Die Kunst wird sein, gemein­sam zu über­le­gen, wel­che Ele­men­te des Digi­ta­len wir nach wie vor nut­zen wol­len und soll­ten, wenn wir es nicht mehr müs­sen, son­dern kön­nen. 

Was sind für dich die größ­ten Vor­tei­le einer agi­len und digi­tal unter­stütz­ten Arbeits­wei­se im All­tag? 


Die Mög­lich­keit, zeit- und orts­un­ab­hän­gig zu arbei­ten, schafft für vie­le Men­schen eine Auto­no­mie, die sich in der Moti­va­ti­on, Effi­zi­enz und Qua­li­tät der Arbeit nie­der­schlägt. Der All­tag lässt sich dadurch oft fle­xi­bler und mit ande­ren nicht-beruf­li­chen Not­wen­dig­kei­ten ver­ein­ba­ren. Zudem kön­nen wir über die Aus­wer­tung ver­schie­de­ner Daten oder der Nut­zung von Platt­for­men Bedar­fe und Ange­bo­te pass­ge­nau­er zusam­men­brin­gen. Auch eine Annä­he­rung an die Lebens­wirk­lich­keit der „Kund:innen“ wird in man­chen Berei­chen erleich­tert – Jugend­li­che arbei­ten zum Bei­spiel eher mit Mess­an­ger­diens­ten als mit einem Klemm­brett, Kit­ael­tern nut­zen lie­ber eine App als das Tele­fon zur Kom­mu­ni­ka­ti­on Und schließ­lich ein kon­kre­tes Bei­spiel aus der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie: über das Ange­bot von Online-Semi­na­re konn­ten wir plötz­lich auch neue Ziel­grup­pen teil­ha­ben las­sen: Typi­scher­wei­se eine allein­er­zie­hen­de Geschäftsführer:in, die in einer klei­nen Orga­ni­sa­ti­on ohne schnel­le Anbin­dung nach Ber­lin nicht die Mög­lich­keit hat­te, an einem Semi­nar vor Ort teil­zu­neh­men. Hier waren lan­ge An- und Abrei­se sowie kom­ple­xe Orga­ni­sa­ti­on der beruf­li­chen und pri­va­ten Abwe­sen­heit gro­ße Hemm­fak­to­ren.  


Und gibt es auch neue Her­aus­for­de­run­gen, die mit dem neu­en digi­ta­len Arbei­ten ein­her­ge­hen? 


Die gibt es auf jeden Fall. Die meis­ten von uns haben sie gese­hen, dis­ku­tiert und häu­fig auch per­sön­lich gespürt. Das Mensch­li­che Mit­ein­an­der lei­det, wenn die Tür- und Angel-Gesprä­che und sozia­le Inter­ak­ti­on in der Tee­kü­che aus­blei­ben. Es ist sehr schwie­rig, Bezie­hun­gen digi­tal auf­zu­bau­en, gera­de für die­je­ni­gen, die sonst eher nicht in der digi­ta­len Welt unter­wegs sind. Bestehen­de Bezie­hun­gen auch digi­tal zu erhal­ten, fällt uns jedoch deut­lich leich­ter.  

Wir müs­sen also das digi­ta­le Mit­ein­an­der gut orga­ni­sie­ren. Kla­re Abspra­chen müs­sen weder kom­pli­ziert noch ein­engend sein. Und das Zwi­schen­mensch­li­che nicht ver­ges­sen, das auch digi­tal mög­lich ist.  


Wo siehst du die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren für die Sozi­al­wirt­schaft und auch für unse­re Gesell­schaft? 


Wir müs­sen uns als Gesell­schaft der Fra­ge stel­len, wie wir eine durch­gän­gi­ge digi­ta­le Teil­ha­be ermög­li­chen. Infra­struk­tur, Wis­sens­ver­mitt­lung, Zugang für alle. In der Sozi­al­wirt­schaft wird es not­wen­dig sein, digi­ta­le Kom­pe­ten­zen auf­zu­bau­en und digi­ta­le Werk­zeu­ge, wo sinn­voll, nach und nach ein­zu­set­zen. Die Her­aus­for­de­rung stellt sich dabei eher für die klei­ne­ren als für die grö­ße­ren sozi­al­wirt­schaft­li­chen Trä­ger und Orga­ni­sa­tio­nen. Hier geht es nicht nur um Finan­zie­rung, son­dern auch um Struk­tu­ren und Wis­sen in der Orga­ni­sa­ti­on, die das

digi­ta­le Arbei­ten ein­fach und sicher machen und ihnen auch ermög­li­chen am Puls der Zeit zu blei­ben.  

Die sozia­le Teil­ha­be wird mehr und mehr auch eine Fra­ge der digi­ta­len Teil­ha­be. Was wür­dest du Füh­rungs­kräf­ten und Geschäfts­füh­run­gen in der Sozi­al­wirt­schaft mit Blick auf die Zukunft raten? 


Offen­heit für die­ses wich­ti­ge The­ma ist die Grund­la­ge. Auch soll­te Wis­sen dar­über auf­ge­baut und geschaut wer­den, wo man intern oder extern Hil­fe­stel­lung und För­de­rung erhält. Und es ist sinn­voll, die Schnell­schüs­se aus der pan­de­mi­schen Zeit zu bewer­ten und ggf. nach­zu­jus­tie­ren, sowie eine nach­hal­ti­ge digi­ta­le Stra­te­gie auf­zu­bau­en – mit der Leit­fra­ge „Wo kön­nen uns digi­ta­le Werk­zeu­ge hel­fen?“ 

Hier ist ein schritt­wei­ses Vor­ge­hen in der Regel am bes­ten – eine fun­dier­te digi­ta­le Infra­struk­tur (von Lei­tun­gen, siche­ren Spei­cher­or­ten, bis hin zu Wlan-Anbin­dung und Hard­ware) ist die Basis für jeg­li­ches digi­ta­les Han­deln. Auf die­ser Infra­struk­tur auf­bau­end kön­nen dann neue digi­ta­le Arbeits­pro­zes­se und all­täg­li­che Abläu­fe eta­bliert wer­den. Das ist auch Inhalt unse­res Zer­ti­fi­kats­kur­ses Digi­ta­le Füh­rung und Trans­for­ma­ti­on und im klei­ne­ren Rah­men auch im Semi­nar Digi­tal Lea­der­ship. Und nicht zuletzt, gilt es, mit den Kri­ti­kern im Gespräch zu blei­ben, auf­zu­klä­ren, Risi­ken und Gren­zen zu dis­ku­tie­ren, zu schu­len und so Wider­stän­de und abs­trak­te Ängs­te zu ver­ste­hen und abzu­bau­en. 


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Das Gespräch führ­te Tobi­as Fit­ting, Bil­dungs­re­fe­rent für Digi­ta­li­sie­rung an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin.

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