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Pfle­ge­el­tern gesucht: Was sich in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe ändern muss – Inter­view zum The­ma Diver­si­tät

Mai 2025 | Stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment

Pflegeeltern gesucht: Was sich in der Pflegekinderhilfe ändern muss

Interview zur Praxisforschung zum Thema Diversität im Rahmen des Masterstudiums Sozialmanagement 


Pfle­ge­fa­mi­li­en spie­geln kaum die Viel­falt unse­rer Gesell­schaft wider – das hat Han­nah von der Mark als Sozi­al­ar­bei­te­rin in Ber­lin selbst erlebt. Die Absol­ven­tin der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin stellt daher in ihrer Mas­ter­ar­beit die Fra­ge: Wie las­sen sich mehr Pfle­ge­el­tern of Colour gewin­nen? Wie kann Diver­si­ty Manage­ment in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe kon­kret umge­setzt wer­den?

Dazu befrag­te Sie Pfle­ge­kin­der, Pfle­ge­el­tern und Fach­kräf­ten der Pfle­ge­kin­der­hil­fe nach ihren Erfah­run­gen der mit den Insti­tu­tio­nen. Wir haben mit ihr über die Ergeb­nis­se ihrer Unter­su­chung und ihre Arbeit in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe gespro­chen. 

 

Frau von der Mark, wie ist Ihrer Ein­schät­zung nach die Pfle­ge­kin­der­hil­fe auf­ge­stellt, ins­be­son­de­re in Bezug auf das The­ma Diver­si­tät? 

Han­nah von der Mark: Die Pfle­ge­kin­der­hil­fe ist gesell­schaft­lich wie auch in der Sozia­len Arbeit ein Nischen­be­reich, mit dem sich nur sehr wenig befasst wird und der im öffent­li­chen Dis­kurs eher nega­tiv behaf­tet ist.  Zu weni­ge Men­schen sind über die Mög­lich­keit, ein Pfle­ge­kind auf­zu­neh­men und was dies in der Rea­li­tät bedeu­tet, infor­miert. Die Kin­der, für die eine Pfle­ge­fa­mi­lie gesucht wird, kom­men aus vie­len ver­schie­de­nen Fami­li­en und brin­gen ver­schie­de­ne eth­ni­sche Iden­ti­tä­ten mit. Auf der ande­ren Sei­te gibt es jedoch nur sehr weni­ge Pfle­ge­el­tern, die nicht weiß sind.  

Um auch BIPoC-Kin­dern ein Umfeld zu geben, in dem sie sich abglei­chen und wie­der­fin­den kön­nen, und ins­ge­samt dafür zu sor­gen, dass eine Viel­falt an Pfle­ge­el­tern zur Ver­fü­gung steht, ist es wich­tig, auch Com­mu­ni­ties of Color in Über­le­gun­gen zur Aus­wei­tung von Pfle­ge­el­tern­ak­qui­se mit ein­zu­be­zie­hen. Bis­her pas­siert dies kaum.  

 Zu weni­ge Men­schen sind über die Mög­lich­keit, ein Pfle­ge­kind auf­zu­neh­men und was dies in der Rea­li­tät bedeu­tet, infor­miert. 

Migran­ti­sche und geflüch­te­te Müt­ter, ins­be­son­de­re auch schwar­ze Frau­en, sind oft selbst von insti­tu­tio­nel­lem Ras­sis­mus – etwa sei­tens der Jugend­äm­ter – betrof­fen. (Anmer­kung der Redak­ti­on)*


Gut gelun­gen ist in der Ver­gan­gen­heit die Auf­klä­rung dar­über, dass auch gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re sowie ande­re Men­schen aus der LGBTQIA+-Community Pfle­ge­el­tern wer­den kön­nen. Es gibt vie­le gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re, die Pfle­ge­kin­der auf­ge­nom­men haben. Ich wür­de mir wün­schen, dass künf­tig zusätz­lich auch Com­mu­ni­ties of Color erreicht wer­den kön­nen.  

Ein häu­fi­ges Miss­ver­ständ­nis: Pfle­ge­kin­der müss­ten ihre Pfle­ge­fa­mi­lie bald wie­der ver­las­sen. Das stimmt nur sel­ten – die meis­ten blei­ben bis zur Voll­jäh­rig­keit. Die­ses Vor­ur­teil schreckt vie­le Inter­es­sier­te ab. In Ber­lin feh­len aktu­ell rund 700 Pfle­ge­fa­mi­li­en – eine alar­mie­ren­de Zahl.  


Was sind laut Ihrer Unter­su­chung die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen? Wel­che Maß­nah­men gibt es, um die Situa­ti­on zu ver­bes­sern?  

Han­nah von der Mark: Es ist eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Ver­än­de­rung not­wen­dig statt allein in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe. Der aktu­el­le poli­ti­sche Dis­kurs zum The­ma Migra­ti­on ist von so viel Ras­sis­mus und Hass geprägt – da ist es abso­lut ver­ständ­lich, dass Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te allen deut­schen Ämtern mit Vor­sicht begeg­nen. Die Pfle­ge­kin­der­hil­fe als Insti­tu­ti­on, die eng mit dem Jugend­amt zusam­men­ar­bei­tet, ist hier­von selbst­ver­ständ­lich mit betrof­fen. Auch All­tags­ras­sis­mus und Mikro­ag­gres­sio­nen sind so weit ver­brei­tet, dass es eine nach­voll­zieh­ba­re Sor­ge ist, die­sen auch in Pro­zes­sen der Pfle­ge­kin­der­hil­fe zu begeg­nen. Sich dem nicht aus­set­zen zu wol­len, ist sehr ver­ständ­lich. Ich kann, basie­rend auf mei­nen Inter­views, auch nicht aus­schlie­ßen, dass es zu sol­chen Erfah­run­gen kommt.  

Eine Stär­kung der Fach­kräf­te sowohl der Pfle­ge­kin­der­hil­fe als auch des Jugend­am­tes hin­sicht­lich einer dis­kri­mi­nie­rungs­sen­si­blen Hal­tung stellt eine gro­ße Her­aus­for­de­rung dar, die bei­spiels­wei­se mit­hil­fe von Fort­bil­dun­gen ange­gan­gen wer­den kann.  


Was muss sich ändern, um mehr BIPoC-Pfle­ge­el­tern zu gewin­nen? 

Han­nah von der Mark: Die Akqui­se fin­det zu wenig im öffent­li­chen Raum statt. In mei­nen Inter­views erhielt ich vor allem die Rück­mel­dung, dass es an Infor­ma­tio­nen fehlt.  

Mehr Infor­ma­tio­nen soll­ten bei­spiels­wei­se über Pla­ka­te oder Social Media ver­brei­tet wer­den. Letz­te­res beginnt lang­sam, jedoch fin­det auch hier Diver­si­ty bis­her nur bedingt Ein­zug. Für eine Pla­kat­kam­pa­gne feh­len aktu­ell – wie über­all in der Sozia­len Arbeit – die finan­zi­el­len Res­sour­cen. 

Wur­de das The­ma Diver­si­tät im Mas­ter­stu­di­en­gang Sozi­al­ma­nage­ment, den sie berufs­be­glei­tend stu­diert haben, auf­ge­grif­fen? Wie hat Ihnen das für Ihr The­ma wei­ter­ge­hol­fen? 

Han­nah von der Mark: Ja, es gab ein Modul zum The­ma Diver­si­ty-Manage­ment. Hier erhielt ich einen ers­ten Ein­blick in Diver­si­ty als Manage­ment­auf­ga­be und konn­te mei­nen Blick für die Her­aus­for­de­run­gen dies­be­züg­lich in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe schär­fen. Zudem konn­te ich die Exper­tin, die den Kurs doziert hat, als Erst­gut­ach­te­rin für mei­ne Mas­ter­ar­beit gewin­nen.  

Wie geht es jetzt für Sie und Ihren Bereich wei­ter? 

Han­nah von der Mark:  Die Anre­gun­gen und Ideen, die ich in der Mas­ter­ar­beit gesam­melt habe, möch­te ich nun umset­zen. Damit möch­te ich nach­hal­ti­ge Ver­än­de­run­gen in mei­nem Arbeits­be­reich errei­chen.  

Das heißt kon­kret: 

  • Com­mu­ni­ties of Color sowie der LGBTQIA+-Community sol­len in die aktu­ell statt­fin­den­de Social-Media-Kam­pa­gne auf­ge­nom­men wer­den.  
  • Fort­bil­dungs­pro­gram­men für Pfle­ge­fa­mi­li­en, die ein BIPoC-Kind auf­ge­nom­men haben, sol­len das The­ma ein­be­zie­hen 
  • Netz­wer­ke für die­se Pfle­ge­fa­mi­li­en sol­len auf­ge­baut wer­den, um die Kin­der in der Ent­wick­lung ihrer eth­ni­schen Iden­ti­tät zu stär­ken.  
  • Fort­bil­dungs­maß­nah­men für die Fach­kräf­te der Pfle­ge­kin­der­hil­fe wer­den geplant, um die Pfle­ge­kin­der­hil­fe so dis­kri­mi­nie­rungs­sen­si­bel wie mög­lich zu gestal­ten. 

 

Ziel ist es, dass alle Men­schen erreicht wer­den kön­nen und wir mög­lichst vie­le neue Pfle­ge­el­tern akqui­rie­ren kön­nen. Das wird zwar noch dau­ern, ich bin jedoch guter Din­ge, dass die not­wen­di­gen Ver­än­de­run­gen auch durch­ge­führt wer­den.  

Vie­len Dank für das Inter­view und viel Erfolg!

 

Zur Per­son: Han­nah von der Mark (Foto unter dem Text) war als Sozi­al­ar­bei­te­rin in der Jugend­hil­fe tätig. Doch durch ihren Wunsch neben dem Beruf Sozi­al­ma­nage­ment zu stu­die­ren, such­te sie nach einer neu­en Stel­le, die mit fle­xi­ble­ren Arbeits­zei­ten ein berufs­be­glei­ten­des Stu­di­um ermög­li­chen könn­te. Auf die­sem Weg kam sie zu einer Stel­le in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe. In die­sem Inter­view gibt sie Ein­bli­cke in die Ergeb­nis­se ihrer umfang­rei­chen Unter­su­chung des The­mas Diver­si­tät in die­sem Bereich, die sie im Rah­men ihrer Abschluss­ar­beit an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin durch­führ­te. 

Absolventin Master Sozialmanagement Pflegekinderhilfe

*Hin­weis der Redak­ti­on: Das Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­netz­werk Ber­lin (ADNB) bie­tet Bera­tung und Unter­stüt­zung für Men­schen, die ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung erfah­ren haben. Es setzt sich für die sozia­le, recht­li­che und poli­ti­sche Gleich­be­hand­lung ein und för­dert eine Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­kul­tur auf loka­ler Ebe­ne. Mehr Infos auf der Web­site von SEKIS Ber­lin.

Sie möch­ten mehr über Pfle­ge­el­tern­schaft in Ber­lin erfah­ren? Dann besu­chen Sie Pfle­ge­kin­der Ber­lin – das Infor­ma­ti­ons­por­tal für Pfle­ge­fa­mi­li­en auf www.pflegekinder-berlin.de.

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Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Pexels

Foto im Text: Han­nah von der Mark

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Ein­füh­rung ins Diver­si­ty Manage­ment


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