Maga­zin

Pfle­ge­el­tern gesucht: Was sich in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe ändern muss – Inter­view zum The­ma Diver­si­tät

Mai 2025 | Stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment

Pflegeeltern gesucht: Was sich in der Pflegekinderhilfe ändern muss

Interview zur Praxisforschung zum Thema Diversität im Rahmen des Masterstudiums Sozialmanagement 

Pfle­ge­fa­mi­li­en spie­geln kaum die Viel­falt unse­rer Gesell­schaft wider – das hat Han­nah von der Mark als Sozi­al­ar­bei­te­rin in Ber­lin selbst erlebt. Die Absol­ven­tin der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin stellt daher in ihrer Mas­ter­ar­beit die Fra­ge: Wie las­sen sich mehr Pfle­ge­el­tern of Colour gewin­nen? Wie kann Diver­si­ty Manage­ment in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe kon­kret umge­setzt wer­den?

Dazu befrag­te Sie Pfle­ge­kin­der, Pfle­ge­el­tern und Fach­kräf­ten der Pfle­ge­kin­der­hil­fe nach ihren Erfah­run­gen der mit den Insti­tu­tio­nen. Wir haben mit ihr über die Ergeb­nis­se ihrer Unter­su­chung und ihre Arbeit in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe gespro­chen. 

 

Frau von der Mark, wie ist Ihrer Ein­schät­zung nach die Pfle­ge­kin­der­hil­fe auf­ge­stellt, ins­be­son­de­re in Bezug auf das The­ma Diver­si­tät? 

Han­nah von der Mark: Die Pfle­ge­kin­der­hil­fe ist gesell­schaft­lich wie auch in der Sozia­len Arbeit ein Nischen­be­reich, mit dem sich nur sehr wenig befasst wird und der im öffent­li­chen Dis­kurs eher nega­tiv behaf­tet ist.  Zu weni­ge Men­schen sind über die Mög­lich­keit, ein Pfle­ge­kind auf­zu­neh­men und was dies in der Rea­li­tät bedeu­tet, infor­miert. Die Kin­der, für die eine Pfle­ge­fa­mi­lie gesucht wird, kom­men aus vie­len ver­schie­de­nen Fami­li­en und brin­gen ver­schie­de­ne eth­ni­sche Iden­ti­tä­ten mit. Auf der ande­ren Sei­te gibt es jedoch nur sehr weni­ge Pfle­ge­el­tern, die nicht weiß sind.  

Um auch BIPoC-Kin­dern ein Umfeld zu geben, in dem sie sich abglei­chen und wie­der­fin­den kön­nen, und ins­ge­samt dafür zu sor­gen, dass eine Viel­falt an Pfle­ge­el­tern zur Ver­fü­gung steht, ist es wich­tig, auch Com­mu­ni­ties of Color in Über­le­gun­gen zur Aus­wei­tung von Pfle­ge­el­tern­ak­qui­se mit ein­zu­be­zie­hen. Bis­her pas­siert dies kaum.  

 Zu weni­ge Men­schen sind über die Mög­lich­keit, ein Pfle­ge­kind auf­zu­neh­men und was dies in der Rea­li­tät bedeu­tet, infor­miert. 

Migran­ti­sche und geflüch­te­te Müt­ter, ins­be­son­de­re auch schwar­ze Frau­en, sind oft selbst von insti­tu­tio­nel­lem Ras­sis­mus – etwa sei­tens der Jugend­äm­ter – betrof­fen. (Anmer­kung der Redak­ti­on)*

Gut gelun­gen ist in der Ver­gan­gen­heit die Auf­klä­rung dar­über, dass auch gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re sowie ande­re Men­schen aus der LGBTQIA+-Community Pfle­ge­el­tern wer­den kön­nen. Es gibt vie­le gleich­ge­schlecht­li­che Paa­re, die Pfle­ge­kin­der auf­ge­nom­men haben. Ich wür­de mir wün­schen, dass künf­tig zusätz­lich auch Com­mu­ni­ties of Color erreicht wer­den kön­nen.  

Ein häu­fi­ges Miss­ver­ständ­nis: Pfle­ge­kin­der müss­ten ihre Pfle­ge­fa­mi­lie bald wie­der ver­las­sen. Das stimmt nur sel­ten – die meis­ten blei­ben bis zur Voll­jäh­rig­keit. Die­ses Vor­ur­teil schreckt vie­le Inter­es­sier­te ab. In Ber­lin feh­len aktu­ell rund 700 Pfle­ge­fa­mi­li­en – eine alar­mie­ren­de Zahl.  

Was sind laut Ihrer Unter­su­chung die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen? Wel­che Maß­nah­men gibt es, um die Situa­ti­on zu ver­bes­sern?  

Han­nah von der Mark: Es ist eine gesamt­ge­sell­schaft­li­che Ver­än­de­rung not­wen­dig statt allein in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe. Der aktu­el­le poli­ti­sche Dis­kurs zum The­ma Migra­ti­on ist von so viel Ras­sis­mus und Hass geprägt – da ist es abso­lut ver­ständ­lich, dass Men­schen mit Migra­ti­ons­ge­schich­te allen deut­schen Ämtern mit Vor­sicht begeg­nen. Die Pfle­ge­kin­der­hil­fe als Insti­tu­ti­on, die eng mit dem Jugend­amt zusam­men­ar­bei­tet, ist hier­von selbst­ver­ständ­lich mit betrof­fen. Auch All­tags­ras­sis­mus und Mikro­ag­gres­sio­nen sind so weit ver­brei­tet, dass es eine nach­voll­zieh­ba­re Sor­ge ist, die­sen auch in Pro­zes­sen der Pfle­ge­kin­der­hil­fe zu begeg­nen. Sich dem nicht aus­set­zen zu wol­len, ist sehr ver­ständ­lich. Ich kann, basie­rend auf mei­nen Inter­views, auch nicht aus­schlie­ßen, dass es zu sol­chen Erfah­run­gen kommt.  

Eine Stär­kung der Fach­kräf­te sowohl der Pfle­ge­kin­der­hil­fe als auch des Jugend­am­tes hin­sicht­lich einer dis­kri­mi­nie­rungs­sen­si­blen Hal­tung stellt eine gro­ße Her­aus­for­de­rung dar, die bei­spiels­wei­se mit­hil­fe von Fort­bil­dun­gen ange­gan­gen wer­den kann.  

Was muss sich ändern, um mehr BIPoC-Pfle­ge­el­tern zu gewin­nen? 

Han­nah von der Mark: Die Akqui­se fin­det zu wenig im öffent­li­chen Raum statt. In mei­nen Inter­views erhielt ich vor allem die Rück­mel­dung, dass es an Infor­ma­tio­nen fehlt.  

Mehr Infor­ma­tio­nen soll­ten bei­spiels­wei­se über Pla­ka­te oder Social Media ver­brei­tet wer­den. Letz­te­res beginnt lang­sam, jedoch fin­det auch hier Diver­si­ty bis­her nur bedingt Ein­zug. Für eine Pla­kat­kam­pa­gne feh­len aktu­ell – wie über­all in der Sozia­len Arbeit – die finan­zi­el­len Res­sour­cen. 

Wur­de das The­ma Diver­si­tät im Mas­ter­stu­di­en­gang Sozi­al­ma­nage­ment, den sie berufs­be­glei­tend stu­diert haben, auf­ge­grif­fen? Wie hat Ihnen das für Ihr The­ma wei­ter­ge­hol­fen? 

Han­nah von der Mark: Ja, es gab ein Modul zum The­ma Diver­si­ty-Manage­ment. Hier erhielt ich einen ers­ten Ein­blick in Diver­si­ty als Manage­ment­auf­ga­be und konn­te mei­nen Blick für die Her­aus­for­de­run­gen dies­be­züg­lich in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe schär­fen. Zudem konn­te ich die Exper­tin, die den Kurs doziert hat, als Erst­gut­ach­te­rin für mei­ne Mas­ter­ar­beit gewin­nen.  

Wie geht es jetzt für Sie und Ihren Bereich wei­ter? 

Han­nah von der Mark:  Die Anre­gun­gen und Ideen, die ich in der Mas­ter­ar­beit gesam­melt habe, möch­te ich nun umset­zen. Damit möch­te ich nach­hal­ti­ge Ver­än­de­run­gen in mei­nem Arbeits­be­reich errei­chen.  

Das heißt kon­kret: 

  • Com­mu­ni­ties of Color sowie der LGBTQIA+-Community sol­len in die aktu­ell statt­fin­den­de Social-Media-Kam­pa­gne auf­ge­nom­men wer­den.  
  • Fort­bil­dungs­pro­gram­men für Pfle­ge­fa­mi­li­en, die ein BIPoC-Kind auf­ge­nom­men haben, sol­len das The­ma ein­be­zie­hen 
  • Netz­wer­ke für die­se Pfle­ge­fa­mi­li­en sol­len auf­ge­baut wer­den, um die Kin­der in der Ent­wick­lung ihrer eth­ni­schen Iden­ti­tät zu stär­ken.  
  • Fort­bil­dungs­maß­nah­men für die Fach­kräf­te der Pfle­ge­kin­der­hil­fe wer­den geplant, um die Pfle­ge­kin­der­hil­fe so dis­kri­mi­nie­rungs­sen­si­bel wie mög­lich zu gestal­ten. 

 

Ziel ist es, dass alle Men­schen erreicht wer­den kön­nen und wir mög­lichst vie­le neue Pfle­ge­el­tern akqui­rie­ren kön­nen. Das wird zwar noch dau­ern, ich bin jedoch guter Din­ge, dass die not­wen­di­gen Ver­än­de­run­gen auch durch­ge­führt wer­den.  

Vie­len Dank für das Inter­view und viel Erfolg!

 

Zur Per­son: Han­nah von der Mark war als Sozi­al­ar­bei­te­rin in der Jugend­hil­fe tätig. Doch durch ihren Wunsch neben dem Beruf Sozi­al­ma­nage­ment zu stu­die­ren, such­te sie nach einer neu­en Stel­le, die mit fle­xi­ble­ren Arbeits­zei­ten ein berufs­be­glei­ten­des Stu­di­um ermög­li­chen könn­te. Auf die­sem Weg kam sie zu einer Stel­le in der Pfle­ge­kin­der­hil­fe. In die­sem Inter­view gibt sie Ein­bli­cke in die Ergeb­nis­se ihrer umfang­rei­chen Unter­su­chung des The­mas Diver­si­tät in die­sem Bereich, die sie im Rah­men ihrer Abschluss­ar­beit an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin durch­führ­te. 

 

*Hin­weis der Redak­ti­on: Das Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­netz­werk Ber­lin (ADNB) bie­tet Bera­tung und Unter­stüt­zung für Men­schen, die ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung erfah­ren haben. Es setzt sich für die sozia­le, recht­li­che und poli­ti­sche Gleich­be­hand­lung ein und för­dert eine Anti­dis­kri­mi­nie­rungs­kul­tur auf loka­ler Ebe­ne. Mehr Infos auf der Web­site von SEKIS Ber­lin.

Sie möch­ten mehr über Pfle­ge­el­tern­schaft in Ber­lin erfah­ren? Dann besu­chen Sie Pfle­ge­kin­der Ber­lin – das Infor­ma­ti­ons­por­tal für Pfle­ge­fa­mi­li­en auf www.pflegekinder-berlin.de.

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Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Han­nah von der Mark

Sozi­al­ma­nage­ment (Mas­ter of Arts)

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2025

Soziale Arbeit (Bachelor of Arts)

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Ein­füh­rung ins Diver­si­ty Manage­ment

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Was macht ein:e Heilpädagog:in?

Beruf, Aufgaben und Chancen

Heilpädagog:innen wer­den drin­gend gebraucht! Du willst wis­sen, was die Heil­päd­ago­gik eigent­lich tut? In die­sem Bei­trag stel­len wir den Beruf, Auf­ga­ben und die Chan­cen eines heil­päd­ago­gi­schen Stu­di­ums vor!

Die Heil­päd­ago­gik ist ein unglaub­lich viel­sei­ti­ges Berufs­feld mit span­nen­den Ein­satz­mög­lich­kei­ten. Heilpädagog:innen sind außer­dem stark nach­ge­fragt. Hier sind drei beson­ders inter­es­san­te Berei­che, die die Band­brei­te die­ses Berufs ver­deut­li­chen:

Drei span­nen­de Berufs­fel­der in der Heil­päd­ago­gik

 

Früh­för­de­rung und inklu­si­ve Päd­ago­gik

In der Früh­för­de­rung arbei­ten Heilpädagog:innen mit Klein­kin­dern, die Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­run­gen oder Behin­de­run­gen haben. Sie beglei­ten Kin­der in Kitas oder im häus­li­chen Umfeld, um ihre moto­ri­schen, sprach­li­chen oder sozia­len Fähig­kei­ten gezielt zu för­dern. Beson­ders span­nend ist die inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit mit Logopäd:innen, Ergotherapeut:innen und Psycholog:innen.

Heil­päd­ago­gi­sche Unter­stüt­zung in der Jugend- und Ein­glie­de­rungs­hil­fe

In der Jugend- und Ein­glie­de­rungs­hil­fe betreu­en Heilpädagog:innen Kin­der, Jugend­li­che und Erwach­se­ne mit sozia­len oder emo­tio­na­len Schwie­rig­kei­ten. Sie arbei­ten z. B. in Wohn­grup­pen, Schu­len oder Bera­tungs­stel­len und unter­stüt­zen Men­schen dabei, Kon­flik­te zu bewäl­ti­gen, sozia­le Kom­pe­ten­zen zu stär­ken und einen sta­bi­len Lebens­weg zu fin­den. Beson­ders span­nend ist hier die indi­vi­du­el­le För­de­rung und die krea­ti­ve Arbeit mit Thea­ter, Musik oder Erleb­nis­päd­ago­gik.

Heil­päd­ago­gi­sche Beglei­tung in der Arbeit mit älte­ren Men­schen

Auch im Bereich der Geron­to­psych­ia­trie oder in Pfle­ge­ein­rich­tun­gen sind Heilpädagog:innen gefragt. Sie beglei­ten älte­re Men­schen mit Demenz oder geis­ti­gen Beein­träch­ti­gun­gen, um deren Lebens­qua­li­tät zu erhal­ten. Durch krea­ti­ve und all­tags­na­he Metho­den wie Bio­gra­fie­ar­beit, Musik- oder Kunst­the­ra­pie hel­fen sie, Erin­ne­run­gen zu akti­vie­ren, sozia­le Kon­tak­te zu för­dern und das Wohl­be­fin­den zu stei­gern.

 

War­um lohnt sich ein Stu­di­um in der Heil­päd­ago­gik? Vier gute Grün­de

Zunah­me von Ent­wick­lungs- und Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten

Immer mehr Men­schen – von der frü­hen Kind­heit bis ins Erwach­se­nen­al­ter – haben Dia­gno­sen wie Autis­mus-Spek­trum-Stö­run­gen (ASS), ADHS, Lern­be­hin­de­run­gen oder psy­chi­sche Erkran­kun­gen. Sie benö­ti­gen heil­päd­ago­gi­sche Unter­stüt­zung in Schu­le, Beruf und All­tag.

Inklu­si­on und gesell­schaft­li­cher Wan­del

Durch die UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on wächst der Anspruch, Men­schen mit Behin­de­run­gen in Schu­le, Beruf und Gesell­schaft gleich­be­rech­tigt zu inte­grie­ren. Heilpädagog:innen spie­len eine Schlüs­sel­rol­le bei der indi­vi­du­el­len Beglei­tung und Assis­tenz.

Stei­gen­der Unter­stüt­zungs­be­darf in Kri­sen­zei­ten

Pan­de­mie, sozia­le Unsi­cher­hei­ten und psy­chi­sche Belas­tun­gen haben zu einem Anstieg von Ängs­ten, Depres­sio­nen und Ver­hal­tens­pro­ble­men geführt – sowohl bei Jugend­li­chen als auch bei Erwach­se­nen. Heil­päd­ago­gi­sche Ange­bo­te hel­fen bei der Bewäl­ti­gung von Kri­sen.

Fach­kräf­te­man­gel in der Sozi­al- und Heil­päd­ago­gik

Ob in Kitas, Schu­len, Ein­rich­tun­gen für Men­schen mit Behin­de­run­gen oder in der Erwach­se­nen­bil­dung – über­all feh­len Fach­kräf­te, die eine indi­vi­du­el­le und pro­fes­sio­nel­le Unter­stüt­zung leis­ten kön­nen.

Berufs­be­glei­tend stu­die­ren – Beson­ders vor­teil­haft!

Was wäre, wenn du oder dei­ne Mit­ar­bei­ten­den die Chan­ce hät­ten zu stu­die­ren und dabei trotz­dem wei­ter arbei­ten könn­ten? An der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie bie­ten wir den Stu­di­en­gang Heil­päd­ago­gik berufs­be­glei­tend an. Er ist unmit­tel­bar mit einer Berufs­tä­tig­keit ver­knüpft und gut mit damit ver­ein­bar: mit nur weni­gen Prä­senz­ta­gen im Jahr! Vie­le Inhal­te – auch eini­ge Prü­fun­gen – kön­nen online absol­viert wer­den.

Wer Mit­ar­bei­ten­de in ihrer Wei­ter­bil­dung för­dert, holt sich Kom­pe­tenz ins Team und för­dert die Bin­dung von Fach­kräf­ten!

Mehr Infos erhal­ten Sie auf unse­rer Web­site zum Stu­di­en­gang Heil­päd­ago­gik (Bache­lor of Arts).

Wei­ter­füh­ren­de Quel­len:

  • Sei­te der Bun­des­re­gie­rung für die Belan­ge von Men­schen mit Behin­de­run­gen (hier)
  • UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on (hier)
  • Sei­te des Deut­schen Insti­tuts für Men­schen­rech­te (hier)
  • Die Ange­bo­te des Pari­tä­ti­schen Ber­lin zum The­ma Men­schen mit Behin­de­rung (hier)

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Ver­fas­se­rin des Bei­trags: Regi­na Schödl (Pari­tä­ti­scher Lan­des­ver­band Ber­lin e. V.)

Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Pexels

Heil­päd­ago­gik (Bache­lor of Arts)

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Facherzieher:in für Teilhabe und Inklusion

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New York, New York! Eine Stu­di­en­rei­se zeig­te auf, wel­che wich­ti­ge Bedeu­tung Peers in der Sozi­al­ar­beit haben

Febru­ar 2025 | Rei­se­be­richt

New York, New York!

Eine Studienreise nach New York zeigt, welche wichtige Bedeutung Peers in der Sozialarbeit haben

Per­so­nen mit ähn­li­chen Erfah­run­gen oder Hin­ter­grün­den wie die Ziel­grup­pe, wer­den unter dem Begriff Peers gefasst. In der sozia­len Arbeit fun­gie­ren Sie als Unter­stüt­zen­de, Beglei­ten­de oder Vor­bil­der.

Suni­ta Maria Kumar lei­tet in Deutsch­land die Geschäf­te beim Zen­trum für psy­cho­so­zia­le Gesund­heit in Schaum­burg (ZeP­GiS e.V.). In die­sem Bei­trag berich­tet sie über die bedeut­sa­me Arbeit mit Peers in der Sozi­al­ar­beit, die sie auf ihrer Rei­se nach New York City beob­ach­tet hat. 

Im Okto­ber 2024 orga­ni­sier­te die Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin erneut eine Bil­dungs­rei­se nach New York. Es haben sich in die­sem Jahr 11 Sozialarbeiter:innen in sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen vor Ort bege­ben. Der us-ame­ri­ka­ni­sche Ansatz der Sozia­len Arbeit beruht vor allem auf einem Grund­satz: der Stär­kung von Com­mu­ni­ties.

In den USA bewährt – in Deutschland unterschätzt: Das Potenzial der Peers

Nicht jede Per­son hat Zugang zu den Ange­bo­ten der sozia­len Arbeit. Dem hin­zu kommt der Man­gel an Fach­kräf­ten sowie die unzu­rei­chen­de Reprä­sen­ta­ti­on von Min­der­hei­ten in der Sozia­len Arbeit. Peers spie­len daher eine ent­schei­den­de Rol­le, da sie durch ihre eige­ne Erfah­rung näher an den betrof­fe­nen Com­mu­ni­ties sind und die­se bes­ser errei­chen kön­nen.  

Das Poten­zi­al der Peers wird in Deutsch­land nicht aus­ge­schöpft. Im US-ame­ri­ka­ni­schen Sys­tem hat es sich bereits gut als Aus­gleich gegen den Fach­kräf­te­man­gel erwie­sen. Doch es ist nicht nur eine Metho­de, um den Per­so­nal­man­gel abzu­mil­dern, son­dern auch eine Mög­lich­keit, die sozia­le Arbeit viel­fäl­ti­ger, inklu­si­ver und näher an den Bedürf­nis­sen der Com­mu­ni­ties zu gestal­ten. 

Peers schaf­fen einen Aus­gleich gegen Fach­kräf­te­man­gel und sor­gen für ein inklu­si­ve­res Ange­bot

Peers brin­gen durch ihre eige­ne Erfah­rung eine beson­de­re Empa­thie und Authen­ti­zi­tät in die Arbeit ein, die her­kömm­li­che Fach­kräf­te oft nicht in glei­chem Maße bie­ten kön­nen. Sie ste­hen als Gleich­ge­sinn­te auf Augen­hö­he mit den Betrof­fe­nen und schaf­fen dadurch eine beson­de­re Ver­trau­ens­ba­sis. Die­se Art der Unter­stüt­zung passt her­vor­ra­gend in den aktu­el­len Zeit­geist mul­ti­pro­fes­sio­nel­ler Teams, die ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven und Exper­ti­sen zusam­men­brin­gen, um den best­mög­li­chen Sup­port zu leis­ten. In Berei­chen wie der psy­chi­schen Gesund­heit, Sucht­hil­fe oder Obdach­lo­sen­hil­fe kön­nen Peers als wich­ti­ge Bin­de­glie­der zwi­schen den betrof­fe­nen Men­schen und den pro­fes­sio­nel­len Fach­kräf­ten agie­ren. 

Durch die Eta­blie­rung von Peers als pro­fes­sio­nel­le Unter­stüt­zung kön­nen vor­han­de­ne Sozialarbeiter:innen ent­las­tet wer­den. Die Peer-Spe­zia­lis­ten arbei­ten eng mit Fach­kräf­ten zusam­men, bie­ten aber eine zusätz­li­che Dimen­si­on der Betreu­ung, die auf Gleich­wer­tig­keit und Augen­hö­he beruht.  

Unterstützung mit Perspektive und auf Augenhöhe: Beispiele aus New York City 

Den Zugang zu psy­chi­scher Gesund­heits­ver­sor­gung in der gesam­ten Stadt New York för­dert die Orga­ni­sa­ti­on NYC Mayor’s Office of Com­mu­ni­ty Men­tal Health. Peer-Arbeit ist ein inte­gra­ler Bestand­teil der Arbeit. Dort wer­den Peers aus­ge­bil­det, die durch ihre Nähe zu den Betrof­fe­nen eine wich­ti­ge Brü­cken­funk­ti­on zwi­schen der Com­mu­ni­ty und dem for­mel­len Hil­fe­sys­tem ein­neh­men. Das Ziel ist, Men­schen so früh wie mög­lich zu errei­chen, bevor Kri­sen eska­lie­ren. Bei einem Tref­fen mit einer lei­ten­den Mit­ar­bei­te­rin des Büros wur­de deut­lich, wie stark die Arbeit der Orga­ni­sa­ti­on auf den Auf­bau von Com­mu­ni­ty Resi­li­ence abzielt, also der eige­nen Wider­stands­kraft von Gemein­schaf­ten.

Das Pro­gramm von Howie the Harp, das die Teil­neh­men­den eben­falls auf ihrer Rei­se ken­nen­ge­lernt haben, ver­mit­telt den Betrof­fe­nen nicht nur fach­li­che Fähig­kei­ten für einen Ein­stieg ins Arbeits­le­ben, son­dern legt gro­ßen Wert auf Soft Skills wie Kom­mu­ni­ka­ti­on und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on.  Wich­ti­ger Bestand­teil des Pro­gramms ist die ‚Housing First Cul­tu­re‘ – ein Kon­zept, das ein siche­res Zuhau­se als Basis für Hei­lung und lang­fris­ti­ge Sta­bi­li­tät betrach­tet.

Auch vie­le Peers befin­den sich in pre­kä­ren Lebens­la­gen, bezie­hen gerin­ge staat­li­che Unter­stüt­zung oder haben ein sehr nied­ri­ges Ein­kom­men. Das Trai­ning selbst erfor­dert ein hohes Zeit­auf­wand. Trotz­dem ist die Erfolgs­ge­schich­te des Pro­gramms beein­dru­ckend: Vie­le der ange­hen­den Peer-Spezialist:innen schaf­fen das Aus­bil­dungs­pro­gramm. Die Absolvent:innen haben dann die Mög­lich­keit, nach einem Prak­ti­kum als Peer-Spezialist:innen in ver­schie­de­nen sozia­len Fel­dern zu arbei­ten.

Die Lage in Deutsch­land

Zwar gibt es ers­te Fort­schrit­te, doch das Poten­zi­al bleibt weit­ge­hend unge­nutzt – die Peer-Arbeit fin­det in Deutsch­land noch immer nur in Nischen statt.

Zum Bei­spiel bie­ten die Ergän­zen­den Unab­hän­gi­gen Teil­ha­be­be­ra­tun­gen (EUT­Bs) Men­schen mit Behin­de­run­gen und ihren Ange­hö­ri­gen „nie­der­schwel­li­ge“ Bera­tun­gen an, die oft von Peers durch­ge­führt wer­den. Die­se Bera­tungs­stel­len sind ein Bei­spiel dafür, wie Men­schen mit eige­ner Erfah­rung ande­ren als Berater:innen zur Sei­te ste­hen und die Teil­ha­be am gesell­schaft­li­chen Leben för­dern. 

Auch in der Sucht­hil­fe hat sich der Ein­satz von Peer-Arbeit bewährt. Eben­so gibt es in der (Sozial-)Psychiatrie bereits Ansät­ze, bei denen Peers durch Wei­ter­bil­dun­gen wie ExIn (Expe­ri­en­ced Invol­vement) pro­fes­sio­nell qua­li­fi­ziert wer­den, um Men­schen mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen zu unter­stüt­zen.

Ein wei­te­rer inno­va­ti­ver Ansatz ist die Inte­gra­ti­on von Ergotherapeut:innen und Physiotherapeut:innen, um auch Men­schen mit Obdach­lo­sig­keit bes­ser zu errei­chen und zu unter­stüt­zen. 

Fazit 

Die Ein­füh­rung und Ver­tie­fung von Peer-Pro­gram­men in Deutsch­land könn­te einen Durch­bruch für eine inklu­si­ve­re und effek­ti­ve­re Sozi­al­ar­beit dar­stel­len. Es bleibt zu hof­fen, dass der Peer-Sup­port hier­zu­lan­de nicht nur als Rand­phä­no­men behan­delt wird, son­dern sich zu einem inte­gra­len Bestand­teil des sozia­len Hil­fe­sys­tems ent­wi­ckelt. 

 

Ein Bericht von Suni­ta Maria Kumar (Sozi­al- und Orga­ni­sa­ti­ons­päd­ago­gin M.A., Geschäfts­lei­tung ZeP­GiS e.V. – www.zepgis.de )

Impres­sio­nen der New York Rei­se:

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Redak­ti­on: Julia Mann & Lucas Frye (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin )

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Vielfalt adé? Wohnraum für soziale Organisationen in Not

Studie zur Wohnraumsituation von Trägerwohnungen in Berlin

Ber­lin ist geleb­te Viel­falt, aber wie lan­ge noch? Seit vie­len Jah­ren beruft sich die Stadt Ber­lin gern auf ihr Image als sozia­le und inklu­si­ve Stadt. Doch wie sozia­le und inklu­siv ist Ber­lin ange­sichts des knap­pen Wohn­raums und stei­gen­den Mie­ten wirk­lich? Wie kön­nen Men­schen mit beson­de­ren Wohn­be­dar­fen und ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te am Leben in zen­tra­len Stadt­tei­len über­haupt noch teil­ha­ben? Einen erheb­li­chen Nach­teil auf dem ohne­hin schon ange­spann­ten Woh­nungs­markt haben Men­schen mit kör­per­li­chen und psy­chi­schen Beein­träch­ti­gun­gen, schutz­be­dürf­ti­ge Min­der­jäh­ri­ge oder Geflüch­te­te oder von Armut Betrof­fe­ne. Gibt es für sie über­haupt eine reel­le Chan­ce?

Für die hun­der­tau­sen­den betrof­fe­nen Men­schen bleibt alter­na­tiv zur Woh­nungs­lo­sig­keit meist nur noch der Wohn­raum sozia­ler Trä­ger. Doch auch die­ser Wohn­raum, bei­spiels­wei­se Räu­me für betreu­tes Woh­nen für Men­schen mit Behin­de­rung, Jugend­li­che oder Men­schen in Woh­nungs­lo­sig­keit, befin­det sich eben­falls in Not. Das haben Gabrie­le Schl­im­per, Geschäfts­lei­te­rin des Pari­tä­ti­schen Lan­des­ver­bands Ber­lin, und Co-Autorin Danie­la Radl­beck in der 2024 ver­öf­fent­lich­ten Stu­die zur Wohn­raum­si­tua­ti­on sozia­ler Trä­ger des Pari­tä­ti­schen Lan­des­ver­bands Ber­lin (Logos Ver­lag) genau­er belegt.

Wir, die Redak­ti­on der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin, hat ihnen acht Fra­gen zur Stu­die und ihren Ergeb­nis­sen gestellt.

Lage & Dring­lich­keit

1) In der Stu­die spre­chen Sie von einer erheb­li­chen Ver­schär­fung seit 2017. Kön­nen Sie kon­kret beschrei­ben, wie sich die Situa­ti­on laut den Ergeb­nis­sen Ihrer Stu­die für sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen in Ber­lin ver­än­dert hat? Was sind für die Trä­ger und Klient:innen die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen? 

Gabrie­le Schl­im­per und Danie­la Radl­beck: Seit 2017 hat sich der Man­gel an Trä­ger­wohn­raum in Ber­lin ver­schärft. Unse­re Stu­die zeigt, dass über 90 % der befrag­ten Orga­ni­sa­tio­nen einen zuneh­men­den Bedarf an Trä­ger­wohn­raum ver­zeich­nen. Sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen ste­hen vor gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen, ins­be­son­de­re durch die stei­gen­den Miet­prei­se, durch den begrenz­ten Bestand an geeig­ne­tem und bezahl­ba­rem Wohn­raum für Betreu­tes Woh­nen sowie durch die oft kom­ple­xen recht­li­chen Rah­men­beding­ungen.

Gleich­zei­tig kon­kur­rie­ren die sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen mit allen ande­ren Per­so­nen, die die weni­gen bezahl­ba­ren Woh­nun­gen in Ber­lin anmie­ten möch­ten. Zudem kommt, dass Bewoh­nen­de in Trä­ger­woh­nun­gen kei­ne bezahl­ba­ren Wohnal­ter­na­ti­ven fin­den und des­halb unter Umstän­den län­ger als eigent­lich not­wen­dig in den Trä­ger­woh­nun­gen ver­blei­ben müs­sen. Die Alter­na­ti­ve wäre hier die Woh­nungs­lo­sig­keit, was nun wirk­lich nicht gewollt sein kann. 

Hier sind die soge­nann­ten lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten noch deut­lich in die Pflicht zu neh­men.

2) Wer ver­mie­tet eigent­lich Woh­nun­gen an Trä­ger und deren Klient:innen? Sind dies größ­ten­teils pri­vat­wirt­schaft­li­che Woh­nungs­un­ter­neh­men oder die Woh­nun­gen des Lan­des Ber­lin?  

Die Befra­gungs­er­geb­nis­se zei­gen, dass 68 % der Woh­nun­gen, die an sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen ver­mie­tet wer­den, von pri­va­ten Woh­nungs­un­ter­neh­men und Ver­mie­tern stam­men. Ledig­lich 19 % kom­men von lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­un­ter­neh­men. Wir schät­zen es sehr, dass es in Ber­lin sozi­al enga­gier­te pri­va­te Ver­mie­te­rin­nen und Ver­mie­ter gibt, die unse­re Trä­ger bei der Bereit­stel­lung von drin­gend benö­tig­tem Trä­ger­wohn­raum tat­kräf­tig unter­stüt­zen. Hier sind die soge­nann­ten lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten noch deut­lich in die Pflicht zu neh­men. 

In der Pra­xis lie­gen die Markt­prei­se oft deut­lich über (den Vor­schrif­ten), was ins­be­son­de­re bei Neu­an­mie­tun­gen zu finan­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen führt. 

3) Wirft man einen Blick in Stu­die, ist dort von AV-Woh­nen Vor­schrif­ten die Rede. Die­se sind aber oft umstrit­ten, weil die Ange­mes­sen­heits­gren­zen in vie­len Regio­nen unter den tat­säch­lich gefor­der­ten Miet­prei­sen lie­gen. Inwie­fern stellt das die Trä­ger laut der Befra­gung vor Schwie­rig­kei­ten? 

Die Aus­füh­rungs­vor­schrift Woh­nen (AV-Woh­nen) defi­niert, wel­che Unter­kunfts­kos­ten im Rah­men von Sozi­al­leis­tun­gen als ange­mes­sen gel­ten. Sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen in Ber­lin dür­fen die Brut­to­kalt­mie­te inner­halb die­ser Gren­zen plus 20 Euro Umla­ge an Leis­tungs­be­rech­tig­te im Betreu­ten Woh­nen wei­ter­ge­ben. In der Pra­xis lie­gen die Markt­prei­se jedoch oft deut­lich dar­über, was ins­be­son­de­re bei Neu­an­mie­tun­gen zu finan­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen führt. 

Laut unse­rer Befra­gung lie­gen 47 % der Trä­ger­woh­nun­gen unter­halb der AV-Woh­nen-Gren­zen, 21 % ent­spre­chen den Vor­ga­ben, doch 31 % über­schrei­ten die­se Wer­te. Die Mehr­kos­ten wer­den in der Regel nicht refi­nan­ziert und müs­sen von den sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen selbst auf­ge­bracht wer­den. 

Beson­ders auf­fäl­lig sind hier Unter­schie­de zwi­schen den Arbeits­be­rei­chen: So gibt es im Leis­tungs­feld des betreu­ten Woh­nens für Men­schen mit Behin­de­run­gen über­durch­schnitt­lich vie­le Woh­nun­gen, die unter­halb der Brut­to­miet­gren­zen lie­gen. Das ist viel­fach auf lang bestehen­de Miet­ver­trä­ge zurück­zu­füh­ren. Deren Miet­prei­se sind in den letz­ten Jah­ren, im Rah­men der gesetz­li­chen Vor­ga­ben, mode­rat gestie­gen.  

Im Gegen­satz dazu wir­ken sich hohe Markt­prei­se nega­tiv auf Berei­che wie die Woh­nungs­lo­sen- und Jugend­hil­fe aus. Hier ist der Bedarf nach Trä­ger­wohn­raum dyna­mi­scher z.B. durch gestie­ge­nen Zuzug von unbe­glei­te­ten, min­der­jäh­ri­gen Geflüch­te­ten und der gesetz­li­chen Ver­pflich­tung zur Auf­nah­me in das Betreu­te Jugend­woh­nen. Auch in der Woh­nungs­lo­sen­hil­fe ist das Trä­ger­w­ohn­mo­dell in den letz­ten Jah­ren aus der Woh­nungs­not deut­lich ange­stie­gen. Bei Neu­an­mie­tun­gen von Wohn­raum sehen sich Orga­ni­sa­tio­nen hier mit stei­gen­den Ange­bots­mie­ten kon­fron­tiert, die kaum inner­halb der AV-Woh­nen-Vor­ga­ben lie­gen. 

4) Wie bewer­ten die Trä­ger die Woh­nun­gen, die Ihnen zur Ver­fü­gung ste­hen? (hin­sicht­lich Bar­rie­re­frei­heit, Grö­ße, Zustand, Erreich­bar­keit mit ÖPNV, Lage & Nach­bar­schaft) 

Knapp 80 % der befrag­ten Orga­ni­sa­tio­nen bewer­ten den bar­rie­re­frei­en Zugang und die Aus­stat­tung der bestehen­den Woh­nun­gen als unzu­rei­chend. Von den ins­ge­samt 4.200 erfass­ten Trä­ger­woh­nun­gen sind nur etwa 1.200 bar­rie­re­frei zugäng­lich. 

Beson­ders wich­tig wird zudem die Erreich­bar­keit mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln, die Lage der Woh­nun­gen, ein unter­stüt­zen­des Wohn­um­feld und eine gute Nach­bar­schaft ein­ge­schätzt. Die­se Aspek­te ver­deut­li­chen, wie ent­schei­dend es ist, Betreu­tes Woh­nen in allen Ber­li­ner Bezir­ken zu ermög­li­chen. Ber­lin soll eine sozia­le und inklu­si­ve Stadt blei­ben, in der Men­schen mit beson­de­ren Wohn­be­dar­fen und ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te auch in zen­tra­len Stadt­tei­len teil­ha­ben kön­nen. 

Finan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen

5) Wel­che kon­kre­ten finan­zi­el­len Belas­tun­gen tra­gen sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen der­zeit? Wie wir­ken sich die­se Kos­ten auf ihre Fähig­keit aus, Klient:innen zu unter­stüt­zen?

Zusätz­lich zu den finan­zi­el­len Belas­tun­gen durch Mie­ten, die die Grenz­wer­te der AV-Woh­nen über­schrei­ten, fal­len wei­te­re Kos­ten an. Dazu zäh­len stei­gen­de Ener­gie- und Betriebs­kos­ten, Miet­aus­fäl­le, Auf­wen­dun­gen für Ent­rüm­pe­lun­gen nach Betreu­ungs­ab­brü­chen oder Todes­fäl­len sowie Instand­hal­tungs- und Reno­vie­rungs­kos­ten. 

In den Ent­gel­ten für Betreu­ungs­leis­tun­gen sind die Auf­wen­dun­gen für Trä­ger­wohn­raum nicht pro­spek­tiv ein­ge­plant. Gleich­zei­tig bin­det die fort­lau­fen­de Suche nach bezahl­ba­rem und geeig­ne­tem Wohn­raum sowie die Ver­wal­tung und Instand­hal­tung der Woh­nun­gen erheb­li­che per­so­nel­le Res­sour­cen, die von den Trä­gern zusätz­lich auf­ge­bracht wer­den müs­sen. 

Aus­wir­kung auf Betrof­fe­ne

6) Kön­nen Sie uns schil­dern, wie sich das Wohn­raum­pro­blem auf den All­tag und die Zukunfts­per­spek­ti­ven der Betrof­fe­nen aus­wirkt?

Die Suche nach bezahl­ba­rem Wohn­raum ist für vie­le Ber­li­ne­rin­nen und Ber­li­ner längst zu einer Fra­ge des nor­ma­ti­ven Man­gels und natür­lich des Gel­des gewor­den. Für Men­schen in sozia­len Not­la­gen, mit see­li­schen Erkran­kun­gen, mit geis­ti­gen, kogni­ti­ven oder kör­per­li­chen Behin­de­run­gen ist die­se Her­aus­for­de­rung jedoch noch grö­ßer. Sie sind auf dem Woh­nungs­markt stark benach­tei­ligt und oft nicht in der Lage, eigen­stän­dig eine Woh­nung zu fin­den. Trä­ger­woh­nun­gen bie­ten die­sen Men­schen einen geschütz­ten Ort, der ihnen Pri­vat­sphä­re, Sicher­heit und Sta­bi­li­tät gibt. Hier kön­nen sie sich auf ihre Gene­sung, per­sön­li­che Zie­le und ein mög­lichst selbst­be­stimm­tes Leben kon­zen­trie­ren – mit der not­wen­di­gen Unter­stüt­zung im Hin­ter­grund. 

Im Rah­men der Stu­die haben wir den Film: „Ber­lin braucht Trä­ger­wohn­raum!“ vor­ge­stellt. Die­ser ver­deut­licht die Dring­lich­keit des The­mas und gewährt Ein­bli­cke in die Lebens­rea­li­tät der Betrof­fe­nen. Beson­ders ein­drück­lich ist die Aus­sa­ge einer Prot­ago­nis­tin:

„Wenn ich nicht jetzt hier woh­nen wür­de, dann wür­de ich wahr­schein­lich auf der Stra­ße leben.“

Die­ses Zitat zeigt, wie unver­zicht­bar es ist, dass Men­schen mit Unter­stüt­zungs- und Teil­ha­be­be­darf siche­re und geschütz­te Wohn­or­te mit­ten in der Stadt fin­den kön­nen, um ein weit­ge­hend selbst­be­stimm­tes Leben zu füh­ren. 

Lösun­gen und Zusam­men­ar­beit

7) Wel­che Maß­nah­men von­sei­ten der Poli­tik und Ver­wal­tung wären Ihrer Ansicht nach jetzt unver­zicht­bar? Und wel­che Schrit­te wur­den bereits ver­passt, die heu­te noch Kon­se­quen­zen haben? 

Um die aktu­el­le Kri­se zu bewäl­ti­gen, sind ent­schlos­se­ne Maß­nah­men von Poli­tik und Ver­wal­tung unver­zicht­bar. Drin­gend erfor­der­lich ist eine Anpas­sung der Ange­mes­sen­heits­gren­zen der AV-Woh­nen an die rea­len Miet­prei­se, damit bezahl­ba­rer Wohn­raum auch für Men­schen mit beson­de­ren Bedar­fen zugäng­lich bleibt. Gleich­zei­tig muss der Bau von sozia­lem und bar­rie­re­frei­em Wohn­raum deut­lich vor­an­ge­trie­ben wer­den, wäh­rend bestehen­de Trä­ger­woh­nun­gen lang­fris­tig gesi­chert wer­den müs­sen. Ein Kon­tin­gent an Trä­ger­wohn­raum wäre hilf­reich, um kon­ti­nu­ier­lich den Bedarf zu decken. Anrei­ze für pri­va­te Ver­mie­ter, bezahl­ba­ren Wohn­raum bereit­zu­stel­len, könn­ten zusätz­lich hel­fen, den aku­ten Man­gel zu lin­dern. Eben­so wich­tig ist eine bes­se­re Refi­nan­zie­rung von Zusatz­kos­ten wie Miet­aus­fäl­len, Instand­hal­tun­gen oder Ent­rüm­pe­lun­gen, um die Trä­ger finan­zi­ell zu ent­las­ten. 

Vie­le die­ser Her­aus­for­de­run­gen resul­tie­ren aus ver­pass­ten Gele­gen­hei­ten der Ver­gan­gen­heit. Der jah­re­lang unzu­rei­chen­de Bau von sozia­lem Wohn­raum und bar­rie­re­frei­en Woh­nun­gen, unzu­rei­chen­de Miet­preis­re­gu­lie­run­gen und der Ver­kauf kom­mu­na­ler Woh­nungs­be­stän­de und öffent­li­cher Lie­gen­schaf­ten haben dazu geführt, dass die Lücke zwi­schen Ange­bot und Bedarf heu­te grö­ßer denn je ist. Auch die beson­de­ren Wohn­be­dar­fe von Men­schen mit Behin­de­run­gen oder see­li­schen Erkran­kun­gen wur­den lan­ge Zeit und wer­den nach wie vor in der Stadt­pla­nung zu wenig berück­sich­tigt. Die Kon­se­quen­zen sind ein mas­si­ver Druck auf Betrof­fe­ne und Trä­ger. Jetzt braucht es einen kla­ren Kurs­wech­sel, um Ber­lin als sozia­le und inklu­si­ve Stadt zu bewah­ren. 

8) Die Stu­die endet mit Emp­feh­lun­gen und einem drin­gen­den Appell. Was sehen Sie als das dring­lichs­te Ziel für die kom­men­den Jah­re? Wie kön­nen sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen und Poli­tik bes­ser zusam­men­ar­bei­ten, um die­se Wohn­raum­kri­se zu bewäl­ti­gen?

Die dring­lichs­te Auf­ga­be in den kom­men­den Jah­ren ist die Siche­rung und der Aus­bau des Trä­ger­wohn­raum­an­ge­bots – sowohl im Bestand als auch im Neu­bau. Dies erfor­dert eine qua­li­fi­zier­te Bedarfs­er­he­bung und lang­fris­ti­ge Pla­nung auf Lan­des- und Bezirks­ebe­ne. Eine inklu­si­ve Stadt­ent­wick­lung kann nur gelin­gen, wenn ein ein­heit­li­ches Ver­ständ­nis für die­se Auf­ga­be ent­steht und alle Akteu­re – von der Poli­tik über die Woh­nungs­wirt­schaft bis hin zu sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen – ver­bind­lich zusam­men­ar­bei­ten. 

Die Zusam­men­ar­beit lässt sich durch inno­va­ti­ve und ver­bind­li­che Koope­ra­tio­nen zwi­schen Ver­wal­tun­gen, Woh­nungs­wirt­schaft und sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen stär­ken. Gleich­zei­tig müs­sen geziel­te Maß­nah­men, wie die För­de­rung des sozia­len Woh­nungs­baus, die Bereit­stel­lung von lan­des­ei­ge­nen Grund­stü­cken für den gemein­nüt­zi­ge sowie und vor allem ein gemein­wohl­ori­en­tier­ten Neu­bau. Hin­zu kom­men eine Anpas­sung der Umla­ge für Trä­ger­wohn­raum und die För­de­rung und Ent­wick­lung von soge­nann­ten Gene­ral­miet­mo­del­len. Auf Bun­des­ebe­ne wäre die Ein­füh­rung einer „Drit­ten Säu­le“ im Miet­recht, die sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen bei der Wohn­raum­ver­sor­gung stärkt, ein wich­ti­ger Schritt. Nur durch gemein­sa­mes Han­deln kann Ber­lin als sozia­le und inklu­si­ve Stadt bewahrt wer­den. 

Das Inter­view zur Stu­die Wohn­raum in Not(Logos Ver­lag Ber­lin) führ­te die Redak­ti­on der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin mit Prof. Dr. Gabrie­le Schl­im­per, Her­aus­ge­be­rin, und Danie­la Radl­beck, Co-Autorin der Stu­die.

Sie möch­ten mehr dar­über erfah­ren, wie Sie sich als Trä­ger in Ber­lin Zuwen­dun­gen sichern? Das Pari­tä­ti­sche Forum für Zuwen­dun­gen und För­de­run­gen unter­stützt ins­be­son­de­re Ber­li­ner Mit­glie­der des Pari­tä­ti­schen bei der Mit­tel­ak­qui­se.

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Redak­ti­on: Julia Mann(Paritätische Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Pexels

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Juli 2024 | Stu­di­um

Studieren mit Kind – im Masterstudium Sozialmanagement

Stu­die­ren und Eltern­schaft. Wie klappt das? Nika stu­diert aktu­ell den berufs­be­glei­ten­den Mas­ter­stu­di­en­gang Sozi­al­ma­nage­ment. Mit dabei in den Vor­le­sun­gen ist auch ihr gera­de acht Mona­te altes Kind. Die Sozi­al­ar­bei­te­rin erzählt uns im Inter­view, wie ihr das Stu­di­um mit Kind gelingt. 

 

Paritätische Akademie: In welchem Semester befindest du dich gerade und was ist deine berufliche Tätigkeit?  

Nika: Ich arbei­te seit vier Jah­ren in einem Trä­ger der sta­tio­nä­ren Jugend­hil­fe in Ber­lin als Sozi­al­ar­bei­te­rin. Aktu­ell befin­de ich mich in Eltern­zeit und stu­die­re im drit­ten Semes­ter den Mas­ter in Sozi­al­ma­nage­ment. 

Wie kam es zu der Entscheidung, das Masterstudium aufzunehmen? 

 

Nika: Es war schon lan­ge mein Wunsch, ein Mas­ter­stu­di­um zu machen. Ich war mir nur lan­ge nicht sicher, in wel­chem Bereich. Als ich mich für die­sen Mas­ter ent­schie­den hat­te, habe ich ziem­lich zeit­gleich fest­ge­stellt, dass ich schwan­ger bin. Nach kur­zem Über­le­gen habe ich die Zusa­ge zum Stu­di­um trotz­dem abge­schickt. 

 

Da du jetzt in Elternzeit bist, hast du neben dem Studium noch die Verpflichtung, dein Kind zu betreuen. Wie organisierst und finanzierst du das alles? 

 

Nika: Ich bekom­me noch Eltern­geld. So kann ich für mein Kind da sein und stu­die­ren. Zusätz­li­che Ein­künf­te wür­den wie­der vom Eltern­geld abge­zo­gen wer­den. Ich habe ein gut funk­tio­nie­ren­des pri­va­tes Netz­werk, wofür ich sehr dank­bar bin. Mei­ne Freun­din­nen unter­stüt­zen mich und haben seit Beginn an eine Bezie­hung zu mei­nem Kind. In die­ser Situa­ti­on habe ich gemerkt, wie wich­tig Freund­schaf­ten sind.  

 

Was motiviert dich besonders daran, Sozialmanagement zu studieren?

 

Nika: Eine wich­ti­ge Rol­le spielt mei­ne intrin­si­sche Moti­va­ti­on. Mich inter­es­siert die betriebs­wirt­schaft­li­che Per­spek­ti­ve auf ein gemein­nüt­zi­ges und sozi­al­wirt­schaft­li­ches Unter­neh­men. Ich bin über­zeugt, dass mir die­ses Stu­di­um neue Türen öff­net und bin froh, die Eltern­zeit dafür nut­zen zu kön­nen, mich wei­ter zu qua­li­fi­zie­ren. 

Was möchtest du mit dem Studium machen? 

 

Nika: Das wird sich viel­leicht erst im Nach­hin­ein her­aus­stel­len. Ich fin­de es zum Bei­spiel inter­es­sant, dadurch die Mög­lich­keit und das Wis­sen zu haben, ein­mal zu grün­den.  Außer­dem schlie­ße ich es auch nicht aus, mich damit auf eine Lei­tungs­po­si­ti­on zu bewer­ben.  

 

Welche Inhalte des Studiums waren für dich bisher besonders wertvoll?  

 

Nika: In Arbeits­recht zum Bei­spiel kann­te ich mich vor dem Stu­di­um wenig aus. Auch die Finan­zie­rungs­fra­gen, die im Stu­di­um behan­delt wer­den, emp­fin­de ich als sehr wich­tig. Wenn ich weiß, was sich hin­ter bestimm­ten Begrif­fen ver­steckt, kann ich pro­fes­sio­nel­ler in die­sem Gebiet han­deln. Wo muss ich nach­schau­en, um zu prü­fen, ob etwas geset­zes­kon­form ist? Die­ses Wis­sen fin­de ich sehr nütz­lich, da es mir Sicher­heit im Berufs­all­tag ver­schafft.

 

Wie erlebst du das Studieren mit Kind an der Paritätischen Akademie Berlin? 

Nika: Die Tole­ranz gegen­über stu­die­ren­den Eltern ist recht hoch. Das liegt sicher auch am sozia­len Bereich. Ich kann zum Bei­spiel mein Kind mit in die Aka­de­mie brin­gen, wenn ich das vor­her mit den Dozie­ren­den und der Grup­pe abspre­che. Das ist eine gro­ße Unter­stüt­zung.  

Ein Kind ent­wi­ckelt sich per­ma­nent und somit ver­än­dert sich die Situa­ti­on stän­dig. Mein Kind ist jetzt acht Mona­te alt. Bald wird es anfan­gen zu Lau­fen und weni­ger schla­fen. Dem muss ich mich anpas­sen. Dadurch habe ich aber auch das Gefühl, immer wie­der über mich hin­aus­zu­wach­sen.  

 

Was wünscht du dir von der von der Politik und von Arbeitgeber:innen? 

 

Nika: Ich fin­de, dass Eltern­schaft gene­rell zu wenig wert­ge­schätzt wird. Und das fängt schon bei der Bezah­lung der Kita­kräf­te an, die in Deutsch­land ver­gleichs­wei­se sehr gering ist. 

 

Das Stu­di­um ist auch noch­mal etwas ande­res als die Arbeits­welt. Ich wür­de mir grund­sätz­lich mehr eine Inte­gra­ti­on von Kin­dern in der Arbeits­welt wün­schen. 

Vie­len Dank für das Gespräch und dei­ne Offen­heit. Wir wün­schen dir viel Erfolg im Stu­di­um!

Mehr Infos zum Stu­di­en­gang Sozi­al­ma­nage­ment (M.A.) hier.

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Redak­ti­on: Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin

Foto im Titel­bild: Stu­den­tin Nika (Foto: Ele­na Gav­risch)

Sozi­al­ma­nage­ment,

Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

Sozia­le Arbeit,

Bache­lor of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

Heilpädagogik,

Bachelor of Arts

Berufsbegleitender Studiengang

Start: 1. Okto­ber 2024

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Juni 2024 | Stu­di­um

Ein Benefit für Organisation und Mitarbeiter:in –  

im Gespräch über das Studium Sozialmanagement (M.A.) mit Daniela Radlbeck 

In die­sem kur­zen Inter­view spre­chen wir mit Danie­la Radl­beck, Alum­ni des Mas­ter­stu­di­en­gangs Sozi­al­ma­nage­ment an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie, und heu­te Fach­re­fe­ren­tin beim Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­ver­band Ber­lin, über ihren beruf­li­chen Wer­de­gang. 

Paritätische Akademie: Liebe Frau Radlbeck, Sie sind Fachreferentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin für die Themenbereiche Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungspolitik. Wie genau sieht Ihr Tätigkeitsbereich aus? 

Danie­la Radl­beck:  Mein Tätig­keits­be­reich umfasst The­men, die mit Woh­nungs­lo­sig­keit in Zusam­men­hang ste­hen. Dies beinhal­tet die Sozia­le Arbeit, die spe­zi­ell für woh­nungs­lo­se Men­schen in der Stadt not­wen­dig ist. Ich ver­tre­te die Inter­es­sen unse­rer Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen und set­ze mich für woh­nungs­lo­se Men­schen ein. Ich enga­gie­re mich im Bereich der Woh­nungs­po­li­tik im Sin­ne unse­rer Trä­ger. Ziel ist es, dass jeder Mensch in Ber­lin eine Woh­nung oder eine Unter­kunft fin­det, unab­hän­gig von Alter, Ein­kom­men oder Armut. 

 

In Ber­lin ist der Wohn­raum knapp, wes­halb wir uns als Sozi­al- und Wohl­fahrts­ver­band dazu ent­schie­den haben, uns nicht nur sozi­al­po­li­tisch, son­dern auch woh­nungs­po­li­tisch zu enga­gie­ren. In mei­ner Funk­ti­on ste­he ich im Aus­tausch mit den zustän­di­gen Senats­ver­wal­tun­gen. Dabei wird deut­lich: auch sozia­le Ange­bo­te benö­ti­gen Räu­me, nicht nur Wohn­räu­me sind teu­er, son­dern auch Gewer­be­räu­me für eine sozia­le Nut­zung. Die­ses The­ma bear­bei­te ich eben­falls als Refe­ren­tin. 

 

Als Refe­ren­tin bera­te ich kei­ne woh­nungs­lo­sen Men­schen direkt, son­dern unter­stüt­ze die Struk­tu­ren und Orga­ni­sa­tio­nen, die die­se Bera­tung durch­füh­ren. Häu­fig neh­me ich eine Ver­mitt­le­rin­nen­rol­le ein und ver­net­ze ver­schie­de­ne Akteu­re inner­halb der Stadt. Unser Lan­des­ver­band ver­fügt über Exper­ti­se in vie­len Berei­chen, die es gilt, mit­ein­an­der zu ver­bin­den. 

Wann haben Sie Sozialmanagement berufsbegleitend studiert und in welchem Bereich haben Sie in dieser Zeit tätig?

 

Danie­la Radl­beck: 2014 habe ich das Stu­di­um in Sozi­al­ma­nage­ment (M.A.) an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin begon­nen und 2018 abge­schlos­sen. Vor dem Stu­di­um war ich als Bereichs­lei­te­rin in einem Wohn­pro­jekt für Frau­en mit Sucht­er­kran­kun­gen tätig. Die­se Arbeit war sehr inten­siv und viel­fäl­tig. Wäh­rend des Stu­di­ums habe ich Voll­zeit gear­bei­tet, daher habe ich mir wäh­rend der Mas­ter­ar­beit etwas mehr Zeit genom­men, um alles par­al­lel zu bewäl­ti­gen. 

„Nach vie­len Jah­ren in Lei­tungs­po­si­tio­nen woll­te ich mein betriebs­wirt­schaft­li­ches Wis­sen erwei­tern und über den Tel­ler­rand hin­aus­bli­cken. Mir war es wich­tig, auch die theo­re­ti­schen Grund­la­gen ken­nen­zu­ler­nen und die Sozia­le Arbeit inno­va­tiv, wir­kungs­voll und effi­zi­en­ter zu gestal­ten.“

 

Sie hatten also bereits Leitungsverantwortung, bevor Sie den Master in Sozialmanagement studiert haben. Wie kam es dazu?

 

Danie­la Radl­beck: Nach mei­nem Stu­di­um der Sozia­len Arbeit über­nahm ich schnell Lei­tungs­ver­ant­wor­tung. Zunächst befris­tet als Eltern­zeit­ver­tre­tung. Wenn man ein­mal Lei­tungs­ver­ant­wor­tung über­nom­men hat, ist es schwie­rig, wie­der zurück­zu­tre­ten. So zog sich Lei­tungs- und Per­so­nal­ver­ant­wor­tung durch mei­ne gesam­te beruf­li­che Lauf­bahn. Zusätz­lich absol­vier­te ich eine drei­ein­halb­jäh­ri­ge Aus­bil­dung zur sys­te­mi­schen The­ra­peu­tin, um die Per­spek­ti­ven von Kin­dern, Jugend­li­chen und Eltern bes­ser ver­ste­hen und bestehen­de Kon­flik­te inner­halb der Fami­lie bes­ser lösen zu kön­nen. 

 

Warum haben Sie sich dann noch für ein Masterstudium in Sozialmanagement entschieden? 

 

Danie­la Radl­beck: Nach vie­len Jah­ren in Lei­tungs­po­si­tio­nen woll­te ich mein betriebs­wirt­schaft­li­ches Wis­sen erwei­tern und über den Tel­ler­rand hin­aus­bli­cken. Mir war es wich­tig, auch die theo­re­ti­schen Grund­la­gen ken­nen­zu­ler­nen und die Sozia­le Arbeit inno­va­tiv, wir­kungs­voll und effi­zi­en­ter zu gestal­ten. 

Was waren die wertvollsten Dinge, die Sie im Masterstudiengang erlernt haben? Was hat Ihnen in Ihrem Berufsleben weitergeholfen? 

 

Danie­la Radl­beck: Beson­ders span­nend fand ich den The­men­be­reich Organisations­entwicklung und Chan­ge Manage­ment. Ich habe stets bei frei­en, gemein­nüt­zi­gen Trä­gern gear­bei­tet. Auf­grund von sich ver­än­dern­den Rah­men­beding­ungen müs­sen Men­schen in Lei­tungs­ver­ant­wor­tung Ver­än­de­run­gen und Inno­va­tio­nen in der Orga­ni­sa­ti­on umset­zen. Man nutzt dabei meist bekann­te Metho­den inner­halb der eige­nen Kom­fort­zo­ne. In der Organisations­entwicklung geht es dar­um, Ver­än­de­rungs­im­pul­se zu star­ten und mit Wider­stand kon­struk­tiv umzu­ge­hen. Hier konn­te ich viel ler­nen. 

 

Im Stu­di­um wur­den wir durch ein Coa­ching beglei­tet, was sich als sehr hilf­reich erwies. Der Aus­tausch mit ande­ren Stu­die­ren­den und Coa­ches hat mei­nen „Hand­werks­kof­fer“ deut­lich erwei­tert und mich „muti­ger“ gemacht, neue Instru­men­te aus­zu­pro­bie­ren und mei­nen Stil zu fin­den. 

 

Zu Beginn mei­ner beruf­li­chen Tätig­keit als Sozi­al­ar­bei­te­rin hät­te ich nicht gedacht, dass ich ein­mal als Refe­ren­tin bei einem Wohl­fahrts­ver­band arbei­ten wür­de. Ich dach­te, ich wür­de wei­ter in der direk­ten Bera­tung oder in einer the­ra­peu­ti­schen Bezie­hung mit Men­schen arbei­ten. Durch das Stu­di­um hat sich mein beruf­li­cher Hori­zont erheb­lich erwei­tert.  

 

Konnten Sie sich das Studium selbst finanzieren? Und wie haben Sie es geschafft, Arbeit und Studium zu vereinbaren?

 

Danie­la Radl­beck: Ja, ich habe das Stu­di­um kom­plett selbst finan­ziert. Neben dem Stu­di­um hat­te ich eine Voll­zeit­stel­le und muss­te mei­ne Zeit gut orga­ni­sie­ren. Für die Prä­senz­zei­ten konn­te ich Bil­dungs­ur­laub neh­men, aber alle zusätz­li­chen Stu­di­en­leis­tun­gen wur­den neben­bei erbracht. Aus dem Grund gestal­te­te ich Prä­sen­ta­tio­nen oder Stu­di­en­lei­tun­gen so, dass mein Arbeit­ge­ber davon pro­fi­tie­ren konn­te. 

 

Wäh­rend des Stu­di­ums hat­te ich einen Unfall, der mich zu einer Pau­se zwang. Die­se Zeit nutz­te ich, um mich zu sor­tie­ren und mei­ne Prio­ri­tä­ten zu über­den­ken. Nach dem Unfall wech­sel­te ich zum Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­ver­band und arbei­te­te dort zunächst in Teil­zeit, um mei­ne Mas­ter­ar­beit abzu­schlie­ßen, der Lan­des­ver­band kam mir dabei sehr ent­ge­gen. 

 

Wenn mir etwas Spaß und Freu­de macht, kann ich sehr viel leis­ten. Das Stu­di­um hat mir größ­ten­teils Spaß gemacht und ich hat­te wun­der­ba­re Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen. 

 

Haben Sie durch das Studium ein gutes Netzwerk aufgebaut? 

 

Danie­la Radl­beck: Ja. Mit eini­gen ehe­ma­li­gen Mit­stu­die­ren­den bin ich wei­ter­hin in losem Kon­takt. Beim letz­ten Alum­ni-Tref­fen war sogar eine klei­ne Grup­pe von ehe­ma­li­gen Kom­mi­li­to­nen anwe­send. Mit mei­nen engs­ten Stu­di­en­freun­den bin ich über eine Mes­sen­ger-Grup­pe ver­bun­den und wir ver­su­chen, uns min­des­tens ein­mal im Jahr zu tref­fen. 

„Zu Beginn mei­ner beruf­li­chen Tätig­keit als Sozi­al­ar­bei­te­rin hät­te ich nicht gedacht, dass ich ein­mal als Refe­ren­tin bei einem Wohl­fahrts­ver­band arbei­ten wür­de. Ich dach­te, ich wür­de wei­ter in der direk­ten Bera­tung oder in einer the­ra­peu­ti­schen Bezie­hung mit Men­schen arbei­ten. Durch das Stu­di­um hat sich mein beruf­li­cher Hori­zont erheb­lich erwei­tert.“  

 

Wenn Mitarbeitende den Wunsch haben, sich beispielsweise durch ein Studium weiterzubilden, welche Inhalte und Fähigkeiten würden dem Arbeitgeber Ihrer Meinung nach zugutekommen? 

 

Danie­la Radl­beck: Sowohl die Orga­ni­sa­ti­on als auch die Per­son pro­fi­tie­ren. Die Stu­di­en­in­hal­te sind immer pro­jekt- oder pro­zess­be­zo­gen bzw. pra­xis­be­zo­gen. Es wird immer einen Aus­tausch zwi­schen den The­men des Stu­di­ums und der Orga­ni­sa­ti­on geben. Ich glau­be, dass es einen Bene­fit für bei­de hat. Wich­tig ist, dass die Orga­ni­sa­ti­on die­sen Aus­tausch ermög­licht, för­dert und die dann gute aus­ge­bil­de­te Per­son hält. 

 

Die Ver­bin­dung von Theo­rie und Pra­xis ist sehr wich­tig. Stu­die­ren­de erwer­ben nicht nur theo­re­ti­sches Wis­sen, son­dern soll­ten die­ses Wis­sen auch in Pro­jek­ten oder in Ihrem Tätig­keits­feld umset­zen. Es ist wich­tig, dass Stu­die­ren­de zum Bei­spiel nicht nur etwas über das Zuwen­dungs­recht ler­nen, son­dern auch die Mög­lich­keit haben beim Pro­jekt oder beim Trä­ger die Umset­zung ken­nen­zu­ler­nen und das gelern­te Wis­sen in der Pra­xis anwen­den. 

 

Seit mei­nem Abschluss 2018 hat sich die Arbeits­welt stark ver­än­dert, vor allem durch Coro­na. Digi­ta­le Medi­en und künst­li­che Intel­li­genz spie­len eine immer grö­ße­re Rol­le. Auch in der sozia­len Arbeit ist es wich­tig, auf dem neu­es­ten Stand zu blei­ben, inno­va­tiv zu sein aber auch wei­ter­hin per­sön­li­che Begeg­nun­gen zu ermög­li­chen. 

Vie­len Dank für das Inter­view! Wir freu­en uns dar­auf, in einem wei­te­ren Gespräch mehr über Ihren Arbeits­be­reich zu erfah­ren. 

Das Inter­view führ­ten Ele­na Gav­risch und Julia Mann von der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin.  

 

Wei­ter­füh­ren­de Links: 

Pari­tä­ti­scher Wohl­fahrts­ver­band Ber­lin:  https://www.paritaet-berlin.de

Mehr Infos zum Stu­di­en­gang Sozi­al­ma­nage­ment (M.A.) hier.

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Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Danie­la Radl­beck (Foto: Ele­na Gav­risch)

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

Heilpädagogik

Berufsbegleitender Studiengang

Start: 1. Okto­ber 2024

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Maga­zin

Mai 2024 | Stu­di­um

Quereinstieg durch das Studium in Sozialmanagement –  

im Gespräch mit Master-Absolventin Cora Döhn  

Cora Döhn war nach ihrem ers­ten Stu­di­um zunächst Deutsch als Fremd­spra­che Leh­re­rin und Online-Redak­teu­rin. Doch sie ent­schied sie sich für den Quer­ein­stieg in die Sozia­le Arbeit durch ein Stu­di­um in Sozi­al­ma­nage­ment und dem Antre­ten einer Stel­le bei der Ber­li­ner Aids-Hil­fe e.V.. In die­sem Inter­view spre­chen wir mit der Mas­ter-Absol­ven­tin, die heu­te die Koor­di­na­ti­on der Jugend­prä­ven­ti­on bei der Ber­li­ner Aids-Hil­fe aus­führt, über ihren heu­ti­gen Beruf und ihren Weg dort­hin. 

Was genau machst du als Youthwork-Koordinatorin bei der Berliner Aids-Hilfe und wie sieht dein Arbeitsalltag aus? 

Cora Döhn: Ich bin aktu­ell die Koor­di­na­ti­on des You­thwork-Teams der Ber­li­ner Aids-Hil­fe. Das bedeu­tet, ich gestal­te gemein­sam mit mei­nem Team die Jugend­prä­ven­ti­on bei uns im Haus. Mei­ne Haupt­auf­ga­ben sind ver­gleich­bar mit der einer Pro­jekt­ma­na­ge­rin. Bei mir liegt unse­re Ehren­amts­ko­or­di­na­ti­on für unser Team sowie die Koor­di­na­ti­on mit den Lehr­kräf­ten und den Schu­len, die zu uns kom­men. Ich orga­ni­sie­re unse­re Events und Pro­jek­te – wie z.B. eine Schüler:innenkonferenz, Pro­jekt­ta­ge und Events zu Anläs­sen wie dem Welt Aids Tag. Ich schrei­be den News­let­ter an die Schu­len, ich betreue unse­re Social Media-Accounts und tra­ge die päd­ago­gi­sche Ver­ant­wor­tung für unser Kon­zept und für die Work­shop-Inhal­te wie auch die Aus­bil­dung der Ehren­amt­li­chen, die bei uns ankom­men. Außer­dem küm­me­re ich mich um die Team­ent­wick­lung bei uns intern. 

 

Ein Teil mei­ner Stel­le in der Ber­li­ner Aids-Hil­fe wid­met sich dem Team des Ehren­amts­ma­nage­ments. Wir eta­blie­ren eine wert­schät­zen­de Aus­bil­dungs­kul­tur für Ehren­amt­li­che der gesam­ten Ber­li­ner Aids-Hil­fe und hal­ten die­se auf­recht. Wer bei uns neu ehren­amt­lich anfängt, absol­viert ver­schie­de­ne Kur­se. Das sind zum Bei­spiel Kom­mu­ni­ka­ti­ons­trai­nings unter ande­rem mit Zuhör­tech­ni­ken – das bie­ten wir für unse­re Ehren­amt­li­che kos­ten­los an. Um unse­re Qua­li­täts­stan­dards ein­zu­hal­ten, sind die­se Kur­se bei uns auch ver­pflich­tend. Sie ler­nen auch die Ber­li­ner Aids-Hil­fe als Orga­ni­sa­ti­on samt ihrer Hal­tung ken­nen. So haben neue Ehren­amt­li­che hier auch noch­mal die Mög­lich­keit einen Abgleich zu machen, ob sie sich mit der poli­ti­schen Hal­tung der Ber­li­ner Aids-Hil­fe iden­ti­fi­zie­ren kön­nen und sich damit wohl­füh­len, die­se Hal­tung auch nach außen zu ver­tre­ten. 

 

Seit Neus­tem gehe ich auch mit in Test­be­ra­tun­gen. Das sind Bera­tun­gen bei uns im Haus, die vor einem Test auf HIV und ande­re sexu­ell über­trag­ba­re Infek­tio­nen ange­bo­ten wer­den. Da kön­nen Per­so­nen, die sich zum Bei­spiel auf HIV tes­ten las­sen möch­ten, erfah­ren, wie ein Test abläuft und wo sie sich hin­wen­den kön­nen, falls ein Test posi­tiv aus­fällt. 

Was motiviert dich, diesen Job auszuüben? 

 

Für mich ist die Ber­li­ner Aids-Hil­fe ein ganz ideell auf­ge­la­de­ner Arbeits­be­reich. Das fin­de ich wun­der­schön. Es ist eine Mischung aus Job und Lebens­ge­fühl. Die Arbeit ist sinn­voll und das ist sehr moti­vie­rend für mich. 

 

Das Team hält auch sehr zusam­men, was mich unge­mein moti­viert. Im Team gibt es fla­che Hier­ar­chien. Wir arbei­ten sehr gleich­be­rech­tigt und selbst­be­stimmt. 

 

Was hast du vor deinem Masterstudium gemacht? Und wie bist du dann dazu gekommen, dich neu zu orientieren? 

 

Ich war in einer Redak­ti­on in einem Online-Medi­um erst als Volon­tä­rin und dann als Redak­teu­rin tätig. Das hat mir zunächst viel Spaß gemacht. Mein Ste­cken­pferd-The­ma war die finan­zi­el­le Selbst­be­stim­mung von Frau­en in der Grün­dung und ihr Weg in die Selb­stän­dig­keit. Ich habe Infor­ma­tio­nen zusam­men­ge­tra­gen, von denen ande­re pro­fi­tie­ren kön­nen, die sich auch selbst­stän­dig machen wol­len. Mich hat also schon immer inter­es­siert, wel­che Infor­ma­tio­nen die Welt noch braucht. Auch hier woll­te ich unbe­dingt eine Art Bera­tungs­an­ge­bot schaf­fen. 

 

Nach mei­nem Quer­ein­stieg hat­te ich das Gefühl, kei­ne for­ma­le Qua­li­fi­ka­ti­on zu haben, um im Bereich sozia­le Arbeit anknüp­fen zu kön­nen. Für mich per­sön­lich war es also wich­tig, eine Zusatz­qua­li­fi­ka­ti­on zu erwer­ben, um mich hier wohl­zu­füh­len. Denn ich habe ein Selbst­ver­ständ­nis, dass ich mit hoher Pro­fes­sio­na­li­tät an neue Her­aus­for­de­run­gen her­an­ge­he. Den Mut und das Selbst­be­wusst­sein sowie das Know-How hät­te ich ohne das Stu­di­um lei­der nicht gehabt, mit dem ich jetzt mei­ne Arbeit aus­füh­ren kann. 

 

Das Errech­nen von Bilan­zen aus dem Stu­di­um bei­spiels­wei­se brau­che ich in mei­nem aktu­el­len Job zwar nicht mehr so im Detail, denn dafür haben wir hier im Haus die Buch­hal­tung und die Geschäfts­füh­rung. Aber trotz­dem gehe ich durch die­ses erwor­be­ne Wis­sen kom­pe­tent mit Bud­gets für mei­nen Arbeits­be­reich um. Das gibt natür­lich auch mei­nen Chef:innen Sicher­heit und Ver­trau­en.  

Den Mut und das Selbst­be­wusst­sein sowie das Know-How hät­te ich ohne das Stu­di­um lei­der nicht gehabt, mit dem ich jetzt mei­ne Arbeit aus­füh­ren kann. 

 

Konntest du Arbeit und Studium gut unter einen Hut bringen? Und hat das ausgereicht, um dein Leben und die Studienkosten zu finanzieren? 

 

Ich habe das Stu­di­um 2018 begon­nen und 2020 habe ich den Abschluss gemacht. Finan­ziert habe ich das Gan­ze dadurch, dass ich par­al­lel gear­bei­tet habe. Ich habe in der Zeit des Stu­di­ums ca. 10 Stun­den bei der Ber­li­ner Aids Hil­fe im Ehren­amts­ma­nage­ment gear­bei­tet und neben­bei selbst­stän­dig als Deutsch als Fremd­spra­che Leh­re­rin. 

 

Zuge­ge­be­ner­ma­ßen war damals der Mie­ten­wahn­sinn auch noch nicht so extrem wie jetzt. Es war also für mich stemm­bar. In der Steu­er­erklä­rung kam mir das Stu­di­um spä­ter auch zugu­te. Ich war zu dem Zeit­punkt bereits ver­hei­ra­tet. Das Stu­di­um habe ich abset­zen kön­nen, was finan­zi­ell eine gro­ße Erleich­te­rung war.  

 

Nach einem vol­len Prä­senz­tag an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie hat­te man auch das Gefühl, ganz viel mit­ge­nom­men zu haben. Und natür­lich habe ich mich dann auch am Wochen­en­de noch ein­mal hin­ge­setzt und bin alles durch­ge­gan­gen und habe ich eben Mathe gepaukt oder nach­ge­holt, wie ich Social Media Inhal­te gut gestal­ten kann. Ich habe mich dann auch mit mei­nen Kommiliton:innen in Lern­grup­pen getrof­fen. Wir haben das Stu­di­um schon sehr ernst genom­men. 

Es wird sehr gut dar­auf ein­ge­gan­gen, dass Men­schen in dem Stu­di­um meist Vollzeit-Arbeitnehmer:innen sind.

 

Es kommt wirk­lich auch dar­auf an, wie man Prio­ri­tä­ten gut setzt. Das Stu­di­um an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie in Sozi­al­ma­nage­ment ist her­aus­for­dernd, aber nicht über­for­dernd. Denn es wird sehr gut dar­auf ein­ge­gan­gen, dass Men­schen in dem Stu­di­um meist Vollzeit-Arbeitnehmer:innen sind. Außer­dem wuss­ten wir auch alle Ter­mi­ne vor­her. So konn­te ich im Vor­hin­ein immer sehr gut mit mei­nem Arbeit­ge­ber abspre­chen, wann ich arbei­ten kann und wann nicht. 

Das Stu­di­um habe ich abset­zen kön­nen, was finan­zi­ell eine gro­ße Erleich­te­rung war. 

 

Wie waren der Austausch und Kontakt unter den Studierenden? 

 

Sehr gut. Aller­dings kam dann die Coro­na-Pan­de­mie 2020. Das hat lei­der dazu geführt, dass unser letz­tes Semes­ter und auch unse­re Abschluss­fei­er nur über Zoom statt­fin­den konn­te. Vie­le Leu­te, mit denen ich im Stu­di­um sehr eng war, habe ich dann andert­halb Jah­re nicht mehr zu Gesicht bekom­men.  

Eine Freund­schaft hat sich pri­vat gehal­ten. Aber auch, wenn ich mit allen ande­ren nicht jeden Tag im Kon­takt ste­he, weiß ich mit Sicher­heit, dass ich auf sie heu­te immer noch zuge­hen und wir uns beruf­lich aus­tau­schen könn­ten. 

 

Welche Inhalte des Studiums konntest du im Berufsleben unmittelbar anwenden? 

 

Die Social Media-Inhal­te haben mir sehr viel Sicher­heit gege­ben. Da ging es dar­um, wie ich zum Bei­spiel reagie­ren kann, wenn ein Shit­s­torm kommt oder wie schnell man auf sol­che Inhal­te reagie­ren soll­te. Aber auch das recht­li­che Wis­sen in die­sem Zusam­men­hang war sehr wich­tig für mei­ne Arbeit heu­te. Social Media ist schließ­lich nicht nur ein Fun-Fak­tor mei­nes Arbeits­be­reichs, son­dern ein inte­gra­ler Bestand­teil.  

 

Ganz wich­tig war auch das The­ma Diver­si­tät und Diver­si­täts­ori­en­tie­rung. Wie schafft man es, den Arbeits­be­reich divers zu gestal­ten? Es ist sehr span­nend, wie kom­plex und schwie­rig das eigent­lich ist. Das spielt auch in unse­rem Arbeits­all­tag heu­te eine gro­ße Rol­le.  

Ich habe ein Ver­ständ­nis dafür bekom­men, wie wirt­schaft­lich eine sozia­le Orga­ni­sa­ti­on eigent­lich arbei­ten muss und was alles dahin­ter­steckt. 

Außer­dem konn­te ich im Stu­di­um ein grund­sätz­li­ches Ver­ständ­nis davon erwer­ben, wie die Sozi­al­wirt­schaft funk­tio­niert. Finan­zie­rungs­fra­gen spie­len im sozia­len Bereich immer eine ganz gro­ße Rol­le. Denn Res­sour­cen sind chro­nisch knapp und müs­sen des­halb immer ziel­ge­rich­tet und effi­zi­ent ein­ge­setzt wer­den. Dar­um ist man ange­hal­ten, sehr exakt zu sein und sehr gut zu pla­nen. Dahin­ge­hend hat das Stu­di­um mei­nen Hori­zont sehr erwei­tert. Ich habe ein Ver­ständ­nis dafür bekom­men, wie wirt­schaft­lich eine sozia­le Orga­ni­sa­ti­on eigent­lich arbei­ten muss und was alles dahin­ter­steckt. So habe ich das Selbst­be­wusst­sein erlangt, mich im sozia­len Bereich fle­xi­bel zu bewe­gen und mit­re­den zu kön­nen. Das hat mir per­sön­lich am aller­meis­ten gebracht. 

 

Haben sich deine Erwartungen an das Studium erfüllt? 

 

Am Anfang hat­te ich die Vor­stel­lung, dass ich schon viel wis­sen wer­de und die Stu­di­en­in­hal­te mich eher dar­in bestär­ken wer­den, dass ich im rich­ti­gen Arbeits­feld ange­kom­men bin. Ich habe mich also ehr­li­cher­wei­se zunächst gefragt, ob mir das Stu­di­um was bringt oder ob ich es als per­sön­li­chen Selbst­be­wusst­seins-Boost benö­ti­ge. Ich war jedoch spä­tes­tens nach dem ers­ten Semes­ter davon über­zeugt, wie qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig und wie divers die Inhal­te des Stu­di­ums sind. Es hat mir rück­bli­ckend sehr viel gehol­fen, mich im Arbeits­feld der Sozi­al­wirt­schaft gut bewe­gen zu kön­nen.   

Ich war (…) nach dem ers­ten Semes­ter davon über­zeugt, wie qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig und wie divers die Inhal­te des Stu­di­ums sind.

 

Was hat dir im Studium gefehlt? 

 

Wäh­rend mei­nes Stu­di­ums war ich noch eine rela­tiv neue Mit­ar­bei­te­rin mit wenig Stun­den. So hat­te ich noch nicht so kom­ple­xe Arbeits­be­rei­che und auch nicht so viel Ver­ant­wor­tung wie heu­te. Die Manage­ment-Inhal­te im Stu­di­um waren des­halb zwar sehr prak­tisch und für mich total span­nend, aber die Inhal­te pas­sier­ten für mich noch im luft­lee­ren Raum. In mei­ner Arbeits­pra­xis wur­den die Inhal­te erst spä­ter rele­vant. Glück­li­cher­wei­se konn­te ich vie­les Wis­sen wie­der abru­fen als ich es brauch­te.  

 

Den­noch wür­de ich manch­mal ger­ne noch mal die Zeit zurück­dre­hen und einen Kurs dar­in bele­gen, um mein Wis­sen auf­zu­fri­schen. Dann könn­te ich par­al­lel zu dem, was ich theo­re­tisch gelernt habe, jetzt die Mög­lich­keit nut­zen, das prak­tisch anzu­wen­den. Auch das Coa­ching, das im Stu­di­um ange­bo­ten wur­de, konn­te ich dahin­ge­hend noch nicht gut in Anspruch neh­men.  

Vie­len Dank für das Inter­view.

 

An der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie bie­ten wir im Berufs­feld Ehren­amts­ma­nage­ment einen Zer­ti­fi­kats­kurs an. Dazu haben wir mit Cora Döhn, die auf die­sem Gebiet heu­te Exper­tin ist, gespro­chen. Der Bei­trag dazu wird bald im Online-Maga­zin erschei­nen.

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Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Cora Döhn in ihrem Büro der Ber­li­ner Aids-Hil­fe e.V. (Foto: Ele­na Gav­risch)

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

Ehrenamtsmanagement

Zertifikatskurs

Start: 13. Novem­ber 2024

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: Okto­ber 2024

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Maga­zin

April 2024 | Neue Arbeits­wel­ten

Die Seeschule Rangsdorf auf dem Weg zur agilen und selbstorganisierten Bildungseinrichtung

Mela­nie Roy und Sophie Eck­art arbei­ten im Bereich Wohn­grup­pe und Inter­nat an der See­schu­le Rangsdorf. Sie ver­fol­gen das Ziel, die Effek­ti­vi­tät, Attrak­ti­vi­tät und Qua­li­tät ihres Arbeits­felds stei­gern. Dabei pro­bier­ten sie ver­schie­de­ne Metho­den des agi­len Arbei­tens aus. In der Pio­nier­werk­statt Agi­li­tät an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin wur­den sie dabei über ein Jahr lang beglei­tet. Im Inter­view erzäh­len sie uns anhand von 9 Fra­gen, was sie nun anders machen.

Die See­schu­le Rangsdorf ist mehr als eine gewöhn­li­che Schu­le. Auf dem Gelän­de am Rangsdor­fer See des seit1989 bestehen­den Ver­eins gibt es Ober­schu­le, Gym­na­si­um und Kita und auch ein Inter­nat mit inte­grier­ter Wohn­grup­pe.

Was ist die Seeschule Rangsdorf für eine Einrichtung und wie viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind dort täglich unterwegs?

Mela­nie Roy: Wir betrei­ben als Ver­ein einen Cam­pus bestehend aus Ober­schu­le und Gym­na­si­um ab 7. Klas­se, eine Kita, eine Wohn­grup­pe, als auch ein Inter­nat. Wir arbei­ten inklu­siv. Wir erwei­tern mit­tel­fris­tig unse­re Kita und ergän­zen um den Bereich BEW sowie ambu­lan­te Hil­fen.

Die Schu­len haben Platz für 250 Kin­der, wovon etwa ein Vier­tel auf dem Gelän­de woh­nen kann. Lei­der nicht in der schul­frei­en Zeit, dafür aber mitt­ler­wei­le auch an jedem 2. Wochen­en­de. Etwa 73 Mit­ar­bei­ten­de dürf­ten auf dem Gelän­de unter­wegs sein.

Für welche Bereiche seid ihr beide speziell tätig?

Mela­nie Roy: Ich bin für den Bereich Wohn­grup­pe und Inter­nat zustän­dig und füh­re dort die Geschäf­te. Es macht mir Freu­de, The­men, Struk­tu­ren als auch Pro­ble­me zu betrach­ten und nach Ideen zu schau­en, die wir nut­zen kön­nen, um uns wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Ich lie­be es, Ver­bes­se­run­gen zu rea­li­sie­ren.

 

Sophie Eck­art: Ich bin päd­ago­gi­sche Mit­ar­bei­te­rin. Mein Tätig­keits­be­reich unter­glie­dert sich in zwei ver­schie­de­ne

Berei­che. Im Früh­dienst beglei­te ich die Jugend­li­chen der Wohn­grup­pe im schu­li­schen Kon­text. Das bedeu­tet, dass wir Unter­richts­hos­pi­ta­tio­nen durch­füh­ren, den Jugend­li­chen und Leh­rern zur Sei­te ste­hen, wenn Pro­ble­ma­ti­ken auf­tre­ten und jeder­zeit Ansprech­part­ner für unse­re Schütz­lin­ge sind. Im Nach­mit­tags­be­reich beglei­te ich die

Jugend­li­chen im All­tag. Das inklu­diert unter ande­rem ver­schie­de­ne Grup­pen­an­ge­bo­te, Beglei­tung von Lern­zei­ten, Gesprä­che zu jeg­li­chen Anlie­gen, um die best­mög­li­che Unter­stüt­zung für die Jugend­li­chen zu errei­chen. Uns ist es wich­tig jeden Jugend­li­chen als Indi­vi­du­um zu sehen und ihm einen best­mög­li­chen Rah­men zu bie­ten, um sich wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und zu einer eigen­stän­di­gen Per­sön­lich­keit her­an­zu­wach­sen.

 

Mit welchem Ziel habt ihr euch dazu entschieden, an der Pionierwerkstatt der Paritätischen Akademie teilzunehmen? Wie kam es dazu?

Mela­nie Roy: Ich habe vor fast 3 Jahr­zehn­ten mei­ne Diplom­ar­beit über das The­ma „sozia­le Arbeit als orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­le­ri­sche Tätig­keit“ geschrie­ben. Wirt­schafts­be­grif­fe in die sozia­le Arbeit zu über­tra­gen war für die Dozie­ren­den an der Fach­hoch­schu­le Frank­furt am Main mit ihrem alt 68er Charme ein gewis­ser Affront zur dama­li­gen Zeit. Da war „Sozi­al­ma­nage­ment“ noch kein Begriff. Das habe ich dann spä­ter noch berufs­be­glei­tend stu­diert.

Mir sind im Lau­fe der Zeit mit zuneh­men­dem Trend die The­men New Work, agil, inte­gral und so wei­ter vor die Füße gefal­len. Natür­lich auch das Buch von Fré­dé­ric Laloux „Reinven­ting Orga­niza­ti­ons“*. Mit den Inhal­ten saß ich dann ver­zwei­felt da und habe mich gefragt, wie das in den sozia­len Arbeits­be­reich zu über­tra­gen ist. Ich habe zwar gefühlt, dass die Para­dig­men eine gute Sache sind, aber kei­ne Ahnung gehabt, wie und ob das zu imple­men­tie­ren geht.

Dann hat­te ich die ers­ten Fort­bil­dun­gen bei Björn Schmitz an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie zu die­sem The­ma. So sind die Puz­zle­tei­le dann an ihren Platz gefal­len. Anstel­le von Lei­tungs­su­per­vi­si­on, habe ich die „Füh­rungs­nug­gets“ mit mög­lichst vie­len Mit­ar­bei­tern aus dem Lei­tungs­team genutzt. Die Pio­nier­werk­statt war in Fol­ge ein groß­ar­ti­ges For­mat, um mit die­sen The­men am Ball zu blei­ben. Und die Ein­la­dung, das zu zweit zu machen, also Füh­rungs­kraft und Mitarbeiter:in, fin­de ich geni­al. Anfangs hat mir das etwas Sor­gen berei­tet, aber rück­bli­ckend war das nicht nötig. Da wir das Glück hat­ten, För­der­mit­tel bei der ILB** bean­tra­gen zu kön­nen haben wir die Kos­ten auch auf 2 für 1 redu­zie­ren kön­nen.

Sophie Eck­art: Mela­nie sprach mich im ver­gan­ge­nen Jahr an und erzähl­te mir von die­ser Wei­ter­bil­dung und frag­te mich im Zuge des­sen, ob ich Lust hät­te dies gemein­sam mit ihr im Tan­dem zu machen. Zunächst konn­te ich mir wenig dar­un­ter vor­stel­len. Wie kann ich, als päd­ago­gi­sche Mit­ar­bei­te­rin, auch davon pro­fi­tie­ren? Da es lang­fris­tig jedoch mein Ziel ist, eine Lei­tungs­po­si­ti­on zu über­neh­men, erschloss sich mir schnell, wie auch ich dies für mei­ne beruf­li­che Zukunft nut­zen kann. Hin­zu kam, dass Mela­nie sehr begeis­tert von der Arbeit des Dozen­ten Björn Schmitz aus ihren bis­he­ri­gen Fort­bil­dun­gen berich­te­te. Das The­men­ge­biet weck­te schon nach den ers­ten Ter­mi­nen gro­ßes Inter­es­se bei mir und wir konn­ten gemein­sam schau­en, wie wir als Insti­tu­ti­on und vor allem wir als Team uns wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen.

Das waren ja erst­mal vie­le Lei­tungs- und Füh­rungs­the­men, die für mich vor­her nicht ganz greif­bar waren. Im Nach­hin­ein muss ich sagen, fand ich das unfass­bar gewinn­brin­gend für uns bei­de und auch fürs Team. Es steht nicht eine Per­son allein da und muss das Gan­ze eta­blie­ren und umset­zen, son­dern wir kön­nen gemein­sam schau­en, was wich­tig ist und was wir davon nut­zen kön­nen.

Das zu Zweit zu machen, also Füh­rungs­kraft und Mitarbeiter:in, fin­de ich geni­al. Anfangs hat mir das etwas Sor­gen berei­tet, aber rück­bli­ckend war das nicht nötig. Da wir das Glück hat­ten, För­der­mit­tel bei der ILB bean­tra­gen zu kön­nen, haben wir die Kos­ten auch auf 2 für 1 redu­zie­ren kön­nen.

Mela­nie Roy

Habt ihr eigene Themen mit in die Werkstatt gebracht, für die ihr nun Lösungsansätze entwickeln konntet?  

Mela­nie Roy: Zu Beginn der Werk­statt haben wir her­aus­ge­fun­den, dass uns das The­ma Mee­ting­kul­tur sehr beschäf­tigt und wir uns das vor­neh­men möch­ten. Das, was wir als „schlecht“ emp­fun­den haben, hat dann erst­mal Namen bekom­men: Pop­corn-Info- und Trich­ter­ver­an­stal­tung, zu wenig Dyna­mik, man­geln­de Vor­be­rei­tung, wem gehört die Sit­zung, sit­zen die rich­ti­gen Leu­te am Tisch und so wei­ter.

Wir konn­ten das ein­brin­gen, haben Feed­back bekom­men und haben uns danach einen neu­en Plan gemacht. Zu die­sem Pro­zess gehör­te auf jeden Fall sowas wie: Sor­ten­rein­heit des Mee­tings, Check-In und Aus­wer­tung, More Dra­ma, Fokus auf das Beein­fluss­ba­re, kein Mee­ting ohne Mode­ra­ti­on, Ein­be­zie­hung aller, Metho­den anwen­den, Vor­be­rei­tung, Ein­füh­rung bestimm­ter For­ma­te, Kan­ban Bords, und vie­les mehr. 

  

Aber auch für ande­re Vor­ha­ben im Betrieb haben wir kon­kre­te Unter­stüt­zung bekom­men, damit wir uns erst­mal im Wald der Mög­lich­kei­ten ori­en­tie­ren kön­nen.

Hat sich eure Meetingkultur seitdem verbessert?   

Sophie Eck­art: Wir sind auf dem Weg und haben einen guten Anfang gemacht. Auch, wenn es viel­leicht manch­mal hart war, haben wir gutes Feed­back bekom­me. Nach­dem wir unse­re Ideen bei der Fort­bil­dung vor­ge­stellt hat­ten, haben wir sowohl von den Teil­neh­men­den als auch von Björn Schmitz gute Anre­gun­gen erhal­ten. Dar­auf­hin konn­ten wir schau­en, wie wir nach­jus­tie­ren kön­nen und was wir ver­än­dern kön­nen. Beson­ders gut war, dass es auch immer einen Rück­blick gab. Da haben wir uns ange­se­hen, was wir im letz­ten Ter­min mit­ge­nom­men haben, was wir umge­setzt und aus­pro­biert haben und wo wir wei­ter anset­zen wol­len. Wir sind noch lan­ge nicht am Ende ange­kom­men und freu­en uns gemein­sam mit dem Team neue Metho­den aus­zu­pro­bie­ren und zu eta­blie­ren. 

Wie soll sich euer Bereich der Jugendhilfe an der Seeschule Rangsdorf entwickeln? 

Mela­nie Roy: Für unse­ren Bereich habe ich die Hoff­nung, dass alle Spaß an der Arbeit haben, jeder die ein oder ande­re Metho­de fin­det, die auch auf ande­rer Ebe­ne hilf­reich sein kann, das Mit­ein­an­der dadurch viel­fäl­ti­ger wird, Lösun­gen schnel­ler gefun­den wer­den, sich jeder auf sei­nem Pos­ten kom­pe­tent und hand­lungs­fä­hig fühlt, Ein­fluss­be­rei­che geklärt sind, unnö­ti­ge Regeln über Bord gehen und durch Rele­van­tes ersetzt wer­den, dass Ver­än­de­rung zum All­tag gehö­ren kann. Und muss, denn von unse­ren Jugend­li­chen erwar­ten wir genau das. 

Welche Tools oder Methoden nehmt ihr mit? Was hat euch besonders geholfen?

Mela­nie Roy: Für mich war der größ­te Aha-Moment die Erkennt­nis, dass wir, wie Björn Schmitz es sagt, „irrend vor­an rob­ben“ kön­nen. Bis­her habe ich mich nach Fort­bil­dun­gen noch nicht fort­ge­bil­det genug gefühlt, um Din­ge umzu­set­zen und habe lie­ber noch eine Aus­bil­dung gemacht. Oder das The­ma begra­ben. Das ist hier ein ganz gra­vie­ren­der Unter­schied für mich gewe­sen. Ich bin ein­ge­deckt mit Metho­den und Infor­ma­tio­nen und füh­le mich frei, dar­aus ein­fach Din­ge aus­zu­pro­bie­ren. Nach und nach eta­bliert sich das ein oder ande­re im All­tag.  

 

Sophie Eck­art: Wir haben bei der Wei­ter­bil­dung so vie­le Metho­den an die Hand bekom­men, wel­che wir nach und nach für uns aus­pro­bie­ren wer­den. Mela­nie und ich schau­en gemein­sam, wel­che Metho­den wir zu bestimm­ten The­men anwen­den kön­nen und haben uns hier schon eine klei­ne Struk­tur ange­legt. Ers­te Metho­den sind bereits eta­bliert und ande­re wer­den wir in der Zukunft auf jeden Fall noch aus­pro­bie­ren. Lear­ning by doing ist hier die maß­geb­li­che Rich­tung. Wir sind durch die Wei­ter­bil­dung auf jeden Fall pro­bier­freu­di­ger gewor­den. Gehol­fen hat mir vor allem auch immer wie­der der gemein­sa­me Rück­blick in der Grup­pe, was wur­de bereits aus­pro­biert und was wol­len wir in Zukunft noch aus­pro­bie­ren. Hier­durch konn­ten wir durch die ande­ren Teil­neh­men­den und Björn Schmitz eine Rück­mel­dung erhal­ten und wei­te­re Ideen ent­wi­ckeln. 

 

Die Feh­ler­freund­lich­keit ist auch ein wich­ti­ger Aspekt für mich. Am Anfang woll­ten alles am bes­ten ganz genau durch­pla­nen. Doch es muss eigent­lich gar nicht per­fekt sein. Wir haben es gera­de sel­ber erst gelernt. So kom­mu­ni­zie­ren wir das auch dem Team. Wir pro­bie­ren jetzt ein­fach mal aus und dann gucken wir, ob es passt oder nicht, oder ob wir etwas nach­jus­tie­ren. Ansons­ten haben wir wirk­lich vie­les an die Hand bekom­men und sepa­rie­ren jetzt gera­de ein­fach für uns. Was kön­nen wir mit­neh­men? Was kön­nen wir für die Team­sit­zung und für die Fall­be­spre­chun­gen anwen­den und was bringt uns wei­ter? 

Bisher habe ich mich nach Fort­bil­dun­gen noch nicht fort­ge­bil­det genug gefühlt, um Din­ge umzu­set­zen und habe lie­ber noch eine Aus­bil­dung gemacht. Oder das The­ma begra­ben. Das ist hier ein ganz gra­vie­ren­der Unter­schied für mich gewe­sen.

Mela­nie Roy

Konntet ihr von den anderen Teilnehmenden aus sozialen Einrichtungen etwas für euch mitnehmen? 

Mela­nie Roy: Ja, auf jeden Fall. Das kommt zum Wert der Fort­bil­dung noch oben­drauf, dass ich von den ande­ren ler­nen kann und etwas über die ande­ren Arbeits­be­rei­che erfah­re. Es war dar­über hin­aus eine super net­te Grup­pe, in der sich jeder gut öff­nen konn­te.  

 

Sophie Eck­art: Der Aus­tausch mit den ande­ren Teil­neh­mern war wirk­lich sehr pro­duk­tiv. Auch wenn es unter­schied­li­che Ein­rich­tun­gen waren, konn­ten gemein­sa­me Pro­ble­ma­ti­ken abge­gli­chen wer­den und gegen­sei­ti­ge Rat­schlä­ge aus­ge­tauscht wer­den. Außer­dem war es gut durch die ande­ren Teil­neh­mer ganz ande­re Per­spek­ti­ven zu erlan­gen. För­der­lich war hier natür­lich sehr die Offen­heit und Unvor­ein­ge­nom­men­heit der Grup­pe. 

Es muss eigent­lich gar nicht per­fekt sein. Wir haben es gera­de sel­ber erst gelernt. So kom­mu­ni­zie­ren wir das auch dem Team. Wir pro­bie­ren jetzt ein­fach mal aus und dann gucken wir, ob es passt oder nicht, oder ob wir etwas nach­jus­tie­ren.

Sophie Eck­art

Wie konntet ihr die intensive Fortbildung mit eurem Arbeitsalltag organisieren? Habt ihr Tipps für zukünftige Teilnehmende? 

Mela­nie Roy: Für mich ist das weni­ger ein Pro­blem, weil ich nicht aus einem Dienst­plan her­aus­fal­le. Ich fand das For­mat als Kom­bi­na­ti­on aus ana­log und digi­tal ganz her­vor­ra­gend gewählt. Es war auch aus­rei­chend Zeit dazwi­schen, um sich mit dem Gelern­ten zu beschäf­ti­gen.  

 

Sophie Eck­art: Da die Ter­mi­ne lan­ge im Vor­aus bekannt waren, konn­ten die Diens­te dem­entspre­chend früh­zei­tig geplant und ver­tre­ten wer­den. Das war dann rela­tiv gut mach­bar. Wich­tig ist jedoch, dass man sich eben­falls Zeit ein­räumt, um die Wei­ter­bil­dung für sich zu reflek­tie­ren und zu schau­en, was man an Metho­den inte­grie­ren kann. 

 

Vie­len herz­li­chen Dank für das Inter­view! Wir wün­schen euch noch viel Erfolg bei der Wei­ter­ver­fol­gung eurer Zie­le in der See­schu­le Rangsdorf (hier ler­nen Schüler*innen indi­vi­du­ell und moti­viert fern­ab vom Stress – mehr über die See­schu­le).

 

Die Pio­nier­werk­statt 2024 star­tet im Juli! Mel­den Sie sich jetzt an!

 

*Im Bei­trag erwähn­tes Buch: Laloux, F. (2015). Reinven­ting Orga­niza­ti­ons: Ein Leit­fa­den zur Gestal­tung sinn­stif­ten­der For­men der Zusam­men­ar­beit (M. Kausch­ke, Übers.; 1. Aufl.). Vah­len, Franz. 

**ILB = Inves­ti­ti­ons­bank des Lan­des Bran­den­burg des Minis­te­ri­ums für Wirt­schaft, Arbeit und Ener­gie des Lan­des Bran­den­burg 

_________________________________________________

Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: See­schu­le Rangsdorf e.V.

Pio­nier­werk­statt Agi­li­tät

Zer­ti­fi­kats­kurs mit Björn Schmitz

Start: 4. Juli 2024

Agile Führung – Teams und Organisationen in die Selbstorganisation führen

Seminar (4 Tage) mit Björn Schmitz

27. August – 21. Okto­ber 2024

Wir­kungs­ma­nage­ment

Zer­ti­fi­kats­kurs (Online)

Start:10. Sep­tem­ber 2024

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Maga­zin

Ver­hin­der­te Fach­kräf­te – Wie qua­li­fi­zier­te Frau­en mit Flucht­er­fah­rung auf ihrem Weg in den deut­schen Arbeits­markt aus­ge­schlos­sen wer­den

Sep­tem­ber 2023 | Manage­ment

Verhinderte Fachkräfte – Wie qualifizierte Frauen mit Fluchterfahrung auf ihrem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden

Gut qua­li­fi­zier­te mus­li­mi­sche Frau­en arbei­ten unter ihrem Qua­li­fi­ka­ti­ons­ni­veau bzw. im Hel­fer­be­reich. Das stellt Forough Hos­sein Pour in ihrer Bera­tungs­tä­tig­keit von Frau­en mit Flucht­er­fah­run­gen immer wie­der fest. Um sich mit den Grün­den näher zu befas­sen, unter­sucht sie die Situa­ti­on im Rah­men ihres Bache­lor­stu­di­ums Sozia­le Arbeit an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Eine her­aus­ra­gen­de Arbeit, auf die auch die Fried­rich-Ebert-Stif­tung auf­merk­sam gewor­den ist.

Heu­te arbei­tet Frau Hos­sein Pour mit ihrer Exper­ti­se im Rah­men ihrer Tätig­keit als Bil­dungs­be­ra­te­rin an Publi­ka­tio­nen mit und setzt sich damit gegen ras­sis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung auf dem Arbeits­markt ein. Im Inter­view spre­chen wir mit ihr über die Aspek­te der Mehr­fach­dis­kri­mi­nie­rung von mus­li­mi­schen Frau­en aus ihrer Bera­tungs­pra­xis und wie sie im berufs­be­glei­ten­den Bache­lor­stu­di­um tie­fer in die Mate­rie ein­stei­gen konn­te.

Frau Hossein Pour, wo waren Sie vor dem Studium tätig und was hat Sie dazu motiviert, Soziale Arbeit an der Paritätischen Akademie Berlin zu studieren?

Hos­sein Pour: Ich arbei­te seit August 2016 als Bil­dungs- und Berufs­be­ra­te­rin für Frau­en mit Flucht­er­fah­rung und Migra­ti­ons­ge­schich­te bei KOBRA, einem Pro­jekt, das im Rah­men der Gleich­stel­lung vom Land Ber­lin öffent­lich geför­dert wird. Seit­dem beschäf­ti­ge ich mich täg­lich mit der Fra­ge des Über­gangs­ma­nage­ments für Rat­su­chen­de mit aus­län­di­schen Abschlüs­sen bzw. mit deren ein­ge­schränk­ten Zugang zu Rech­ten und Teil­ha­be­mög­lich­kei­ten.

Die Ursa­chen die­ser struk­tu­rel­len Benach­tei­li­gung zu erfor­schen war mei­ne größ­te Moti­va­ti­on. Da unser Trä­ger, der Ber­li­ner Frau­en­bund 1945 e.V., Mit­glied des Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­ver­bands Ber­lin ist, kam uns der Start des berufs­be­glei­ten­den Stu­di­ums im Herbst 2019 sehr ent­ge­gen. So habe ich mich in Abspra­che mit mei­ner Vor­ge­setz­ten Frau Dr. Hil­de­gard Schi­cke für das berufs­be­glei­ten­de Stu­di­um der Sozia­len Arbeit an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ent­schie­den. 

Welche Themen hat das Bachelorstudium aufgegriffen, die Sie direkt in Ihrer Tätigkeit

anwenden konnten?

Hos­sein Pour: Die Rechts-Modu­le (Grund­si­che­rung, Fami­li­en­recht, das All­ge­mei­ne Gleich­stel­lungs­ge­setz, Auf­ent­halts- und Asyl­recht) waren für mich sehr pra­xis­nah. Denn Asyl­su­chen­de fin­den sich nach ihrer Ankunft in Deutsch­land in einem hoch­kom­ple­xen, selek­ti­ven und beson­ders dyna­mi­schen Ver­wal­tungs­pro­zess wie­der.

Die Logik des Auf­ent­halts­rechts und Ver­wal­tungs­rechts zu ver­ste­hen, kom­ple­xe Frag­stel­lun­gen ana­ly­sie­ren zu kön­nen und unse­re Pro­fes­si­on als „Sozia­le Anwalt­schaft“ gegen­über den Rat­su­chen­den zu begrei­fen, gab mir die Kom­pe­tenz die Inter­es­sen der Frau­en bes­ser durch­zu­set­zen.

In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit Mehrfachdiskriminierung von qualifizierten muslimischen Frauen mit Fluchterfahrung beschäftigt. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen? Haben Ihnen dabei Inhalte aus dem Studium geholfen?

Hos­sein Pour: Die Fra­ge nach beruf­li­chen Per­spek­ti­ven von geflüch­te­ten Frau­en in Deutsch­land gehört zu mei­ner täg­li­chen Arbeit als Bil­dungs­be­ra­te­rin bei KOBRA.

Wir bera­ten qua­li­fi­zier­te mus­li­mi­sche Frau­en, die aus­ge­spro­chen erwerbs­ori­en­tiert sind und eine qua­li­fi­ka­ti­ons­ad­äqua­te Beschäf­ti­gung suchen. Sie kom­men, aber auf dem Arbeits­markt nicht an. Gleich­zei­tig haben wir eine Arbeits­markt­for­schung, die die man­gel­haf­te Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on dar­auf zurück­führt, dass die geflüch­te­ten Frau­en kein Human­ka­pi­tal mit­brin­gen, in tra­di­tio­nel­len Fami­li­en leben und für Kin­der sor­gen, oder durch gesund­heit­li­che Ein­schrän­kun­gen belas­tet sind.

Im Juni 2022 wur­de die quan­ti­ta­ti­ve Stu­die zu „Ras­sis­ti­schen Rea­li­tä­ten in Deutsch­land“ des Natio­na­len Dis­kri­mi­nie­rungs- und Ras­sis­mus­mo­ni­tors (NaDi­Ra) ver­öf­fent­licht, die den Ras­sis­mus in Struk­tu­ren und im All­tag von ras­si­fi­zier­ten Men­schen nach­weist. Ich erkann­te, dank der Theo­rien sozia­ler Ungleich­heit des Moduls Sozio­lo­gie und der im Modul Gen­der und Diver­si­ty ver­mit­tel­ten Post­ko­lo­nia­len Per­spek­ti­ven, dass wir es hier mit einer For­schungs­lü­cke zu tun haben. Die NaDi­Ra-Stu­die bestä­tig­te mei­ne Annah­me, dass die­ser Ansatz der Berufs­for­schung die Bar­rie­ren beim Zugang zum Arbeits­markt, die mus­li­mi­schen Frau­en behin­dern, nicht erklä­ren kann. Denn er beruht aus­schließ­lich auf Geschlech­ter­dif­fe­ren­zie­rung, was nicht aus­reicht. Wir brau­chen auch eine qua­li­ta­ti­ve For­schung, die die Mecha­nis­men des Ras­sis­mus als Trei­ber der sozia­len Ungleich­heit im deut­schen Kon­text unter­sucht.

Was macht es weiblichen muslimischen Fachkräften mit Fluchterfahrung in Deutschland so schwer ihrem Abschluss entsprechend arbeiten zu können? Und wie genau haben Sie das untersucht?

Hos­sein Pour: In der Ana­ly­se konn­te ich drei struk­tu­rel­le Bar­rie­ren für qua­li­fi­zier­te mus­li­mi­sche Frau­en mit Flucht­er­fah­rung iden­ti­fi­zie­ren, die sie auf dem Weg in eine aus­bil­dungs­ad­äqua­te Erwerbs­ar­beit aus­schlie­ßen.:

(1) Der Kampf um einen gesi­cher­ten Auf­ent­halts­sta­tus. Hier geht es um Frau­en, die im Asyl­ver­fah­ren sind und die gemäß der Gesetz­ge­bung auf­grund ihres Her­kunfts­lan­des der Kate­go­rie „Geflüch­te­te mit einer schlech­ten Blei­be­per­spek­ti­ve‘“ zuge­teilt wer­den. Hier wur­de deut­lich, dass ihre mit­ge­brach­te Qua­li­fi­ka­ti­on kei­ne Rol­le spielt. Es wird ihnen statt­des­sen der Weg über eine Aus­bil­dung als Garan­tie für eine Blei­be­recht gebo­ten. 

(2) Der Kampf um die Aner­ken­nung der im Her­kunfts­land erwor­be­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen. Hier wur­de deut­lich, dass Per­so­nen aus bestimm­ten Län­dern durch selek­ti­ve Ver­fah­rens­be­stim­mung von einer Gleich­wer­tig­keits­prü­fung aus­ge­schlos­sen wer­den.

(3) Der Kampf gegen die Dis­kri­mi­nie­rung von mus­li­mi­schen Frau­en mit Kopf­tuch auf dem Arbeits­markt. Hier konn­te gezeigt wer­den, dass Frau­en, deren im Aus­land erwor­be­ne aus­län­di­sche Qua­li­fi­ka­ti­on in Deutsch­land aner­kannt wur­de und die ein Kopf­tuch tra­gen, trotz allem kei­ne bil­dungs­ad­äqua­ten Jobs bekom­men.

Ich habe die Lebens­be­din­gun­gen von drei Frau­en mit Flucht­er­fah­rung unter­sucht, die ihre Hoch­schul­qua­li­fi­ka­ti­on im Aus­land erwor­ben hat­ten und moti­viert waren, in Ber­lin in ihrem Berufs­feld zu arbei­ten. Dafür habe ich mit Hil­fe des Inter­sek­tio­na­len Meh­re­be­nen­an­sat­zes (Degele/Winker 2009) eine theo­re­ti­sche Per­spek­ti­ve und zugleich einen

pra­xeo­lo­gi­schen Zugang gewählt. Zuerst habe ich eine empi­ri­sche Ana­ly­se sozia­ler Ungleich­heit im All­tag von geflüch­te­ten Frau­en durch­ge­führt. Dar­an habe ich die Ergeb­nis­se sys­te­ma­tisch auf theo­re­ti­sches Wis­sen über

inter­sek­tio­nal ver­wo­be­ne Herr­schafts­ver­hält­nis­se bezo­gen. Hier­bei habe ich Bour­dieus Theo­rie der Kapi­tal­ar­ten und des sozia­len Fel­des sowie die post­ko­lo­nia­len Per­spek­ti­ven nach Said und Hall ein­be­zo­gen, die den empi­risch nach­ge­wie­se­nen Ras­sis­mus als Sys­te­me erklä­ren.

Teile Ihrer Bachelorarbeit sind von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) publiziert worden. Wie kam es dazu?

Hos­sein Pour: Das Team der „Beruf­li­chen Ori­en­tie­rung für Frau­en“ von KOBRA wur­de von der FES für einen Vor­trag ange­fragt. Sie woll­ten im wis­sen­schaft­li­chen Fach­work­shop „Aus Hilfs­kräf­te Fach­kräf­te machen“ unse­re Sicht aus der Bera­tungs­pra­xis auf die Fra­ge­stel­lung.

Da wir jedoch in der Pra­xis die Pro­ble­me bereits gut qua­li­fi­zier­ter Frau­en sehen, die ent­we­der unter ihrem Qua­li­fi­ka­ti­ons­ni­veau bzw. im Hel­fer­be­reich arbei­ten, habe ich mich in mei­nem Input in der Fach­ver­an­stal­tung auf die Ursa­chen struk­tu­rel­ler Dis­kri­mi­nie­rung und Ras­sis­mus kon­zen­triert. Dabei habe ich mich auf die Ergeb­nis­se aus mei­ner Bache­lor-The­sis zur Aus­blen­dung der Mehr­fach­dis­kri­mi­nie­rung von qua­li­fi­zier­ten Geflüch­te­ten bei der Fach­kräf­t­e­dis­kus­si­on bezo­gen. Eini­ge Mona­te spä­ter erhielt ich von der FES-Refe­ren­tin eine E‑Mail mit der Anfra­ge, ob ich bereit wäre, an einer Rei­he von Kurz­pu­bli­ka­tio­nen mit­zu­ar­bei­ten, in denen die im Work­shop ange­spro­che­nen Aspek­te ver­tieft wer­den sol­len. Ich habe mich sehr über ihr Inter­es­se gefreut und sofort zuge­sagt. Mein Impuls­bei­trag „Ver­hin­der­te Fach­kräf­te“ wur­de dann im Janu­ar die­ses Jah­res ver­öf­fent­licht.

Erzählen Sie etwas mehr über das Projekt KOBRA, in dem Sie arbeiten!

Hos­sein Pour: Hin­ter KOBRA steht als Trä­ger der Ber­li­ner Frau­en­bund 1945 e.V., der in der Tra­di­ti­on der eman­zi­pa­to­ri­schen Frau­en­rech­te ent­stan­den ist und sich seit Jahr­zehn­ten für die Rech­te der Frau und die Gleich­stel­lung der Geschlech­ter ein­setzt. In den acht­zi­ger Jah­ren ist KOBRA als eine über­be­zirk­li­che Bera­tungs­ein­rich­tung ent­stan­den. Wir sind ein mul­ti­dis­zi­pli­nä­res Team, das Frau­en in ihrer Viel­falt in allen Fra­gen von Beruf, Bil­dung und Beschäf­ti­gung berät. Bei beson­de­ren beruf­li­chen Über­gän­gen im Kon­text der Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie bzw. Beruf und Pfle­ge – z. B. Eltern­zeit, Fami­li­en­pfle­ge­zeit oder dem Wie­der­ein­stieg – wer­den Men­schen mit Für­sor­ge­ver­ant­wor­tung bera­ten, egal wel­chem Geschlecht sie sich zuge­hö­rig füh­len.

KOBRA unter­stützt Unter­neh­men bei einer lebens­pha­sen­ge­rech­ten Per­so­nal­ent­wick­lung. Am Sitz der Bera­tungs­stel­le KOBRA wur­de ab 2021 auch eine Anlauf- und Koor­di­nie­rungs­stel­le für Allein­er­zie­hen­de in Ber­lin Kreuz­berg-Fried­richs­hain auf­ge­baut.

Mehr zu der Bil­dungs­be­ra­tung für geflüch­te­te Frau­en und Ver­öf­fent­li­chun­gen von Forough Hous­sein Pour:

www.kobra-berlin.de/projekte/

Mehr zu KOBRA: https://www.kobra-berlin.de

Was haben Sie jetzt nach dem Studienabschluss vor?

Hos­sein Pour: Ich wer­de mich geziel­ter in Gre­mi­en ein­brin­gen, die sich mit den Hin­der­nis­sen beschäf­ti­gen, die die Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on von Men­schen mit aus­län­di­schen Berufs­ab­schlüs­sen ver­hin­dern. Mit Sor­ge sehe ich die Ver­schie­bung des öffent­li­chen Dis­kur­ses weg von einer Will­kom­mens­kul­tur für Geflüch­te­te hin zu einer die huma­ni­tä­ren Stan­dards des Grund­ge­setz­tes gefähr­den­den Per­spek­ti­ve der Abschot­tung oder Rück­füh­rung. Des­we­gen fin­de ich es wich­tig, vor allem in die­sen Zei­ten, wo der poli­ti­sche Rechts­ruck die Demo­kra­tie gefähr­det, über Stra­te­gien nach­zu­den­ken, die zur Bekämp­fung und Besei­ti­gung von ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung auf dem Arbeits­markt bei­tra­gen. 

 

Vie­len Dank für das Inter­view, Frau Hos­sein Pour. Wir wün­schen Ihnen für Ihre wich­ti­ge Arbeit und Ihren Ein­satz für eine demo­kra­ti­sche, offe­ne Gesell­schaft wei­ter­hin sehr viel Erfolg!

*Sozia­le Arbeit ist ein berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang in Koope­ra­ti­on mit der Hoch­schu­le für sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik (HSAP). Mehr Infor­ma­tio­nen hier.

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Redak­ti­on: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Foto im Titel­bild: Forough Hos­sein Pour

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: 1. Okto­ber 2025

Sozialmanagement, Master of Arts

berufsbegleitender Studiengang

Start: 1. Okto­ber 2025

Heil­päd­ago­gik, Bache­lor of Arts

berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: 1. Okto­ber 2025

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Haltung als Leitung im Studium entwickeln

Oli­ver Heymann hat an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin den Mas­ter Sozi­al­ma­nage­ment stu­diert. Wir spre­chen mit ihm über sei­ne Rol­le als Lei­tungs­kraft einer Kin­der- und Jugend­hil­fe­ein­rich­tung und dar­über, wie das M.A. Stu­di­um sei­ne beruf­li­che Lauf­bahn beein­flusst hat.

Herr Heymann, wann haben Sie an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie stu­diert? Mit wel­chem Abschluss und Arbeits­er­fah­rung haben Sie sich an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie damals bewor­ben?

Oli­ver Heymann: Ich habe 2017 bis 2020 an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin stu­diert. Davor habe ich einen Bache­lor in All­ge­mein­päd­ago­gik Bil­dungs­wis­sen­schaf­ten mit Neben­fach Psy­cho­lo­gie an der LMU in Mün­chen absol­viert. Im Zusam­men­hang mit Arbeits­er­fah­rung und dem Wunsch nach beruf­li­cher Wei­ter­ent­wick­lung, habe ich mich für den M.A. Sozi­al­ma­nage­ment an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie bewor­ben und wur­de ange­nom­men. 

Wo haben Sie neben dem Stu­di­um gear­bei­tet?

 

Oli­ver Heymann: Ich habe in der Ein­glie­de­rungs­hil­fe bei einem nicht all­zu gro­ßen Trä­ger im Nor­den von Ber­lin gear­bei­tet. Das war ver­gleich­bar und rela­tiv nahe an der päd­ago­gi­schen Arbeit, die hier bei uns in den Wohn­grup­pen erfolgt. Es war haupt­säch­lich die Tages­be­treu­ung in einer Wohn­grup­pe für Men­schen mit Behin­de­rung.

Und wie ließ sich das Stu­di­um mit dem Arbeits­all­tag ver­bin­den? Wie haben Sie das damals erlebt?

Oli­ver Heymann: Ich konn­te unter Her­an­zie­hung des eige­nen Urlaubs, des Bil­dungs­ur­laubs sowie über den Abbau von Über­stun­den die

Prä­senz­wo­chen gut abde­cken. Ich habe damals in einem Schicht­dienst­sys­tem gear­bei­tet. Hier wur­de der Dienst­plan monat­lich und nicht wöchent­lich struk­tu­riert. So war es mög­lich sich die Prä­senz­zei­ten frei­zu­hal­ten und ein­fach in den ande­ren Wochen mehr Diens­te zu über­neh­men. Die Mit­ar­bei­ten­den in unse­ren Wohn­grup­pen arbei­ten hier ähn­lich. Zudem ließ die Gestal­tung der Arbeits­in­hal­te außer­halb der Prä­senz­zei­ten* in Form von Foren­bei­trä­gen im Mas­ter­stu­di­um eine gro­ße zeit­li­che Fle­xi­bi­li­tät zu.

*Anmer­kung Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin: Die Struk­tur der Lern­ein­hei­ten wer­den lau­fend den Bedürf­nis­sen der berufs­be­glei­tend Stu­die­ren­den ange­passt. Die Ter­min­über­sicht für den Stu­di­en­durch­gang ab WiSe 2024/25 wer­den wir zeit­nah auf unse­rer Web­sei­te ver­öf­fent­li­chen.

Haben Sie das Stu­di­um selbst finan­ziert? Die Stu­di­en­ge­büh­ren kön­nen mitt­ler­wei­le in 30 Monats­ra­ten ent­rich­tet wer­den. Eine antei­li­ge oder voll­stän­di­ge Über­nah­me der Stu­di­en­ge­büh­ren durch den Arbeit­ge­ber ist mög­lich.

Oli­ver Heymann: Ich habe kei­ne finan­zi­el­le Unter­stüt­zung bekom­men. Aber dank Raten­aus­hand­lung* ging das ganz gut.

 

In wel­cher Ein­rich­tung arbei­ten Sie heu­te und was ist Ihre Rol­le in der Orga­ni­sa­ti­on?

Oli­ver Heymann: Ich bin Bereichs­lei­ter im Kin­der- und Jugend­hil­fe Zen­trum Neu­kölln des Evan­ge­li­schen Jugend und Für­sor­ge­werks. Wir sind der größ­te Anbie­ter von sta­tio­nä­rer Kin­der- und Jugend­hil­fe in Ber­lin Neu­kölln. Ins­ge­samt umfasst die Abtei­lung Jugend­hil­fe im EJF (Evan­ge­li­sches Jugend- und Für­sor­ge­werk) unge­fähr 1800 Mit­ar­bei­ten­de. Hier an unse­rem Stand­ort im Ver­bund sind wir etwa 150 Men­schen, davon 120 Kolleg:innen mit päd­ago­gi­schen Beru­fen in ver­schie­de­nen Wohn­grup­pen. Wir haben bei uns Kin­der und Jugend­li­che in allen Alters­grup­pen in ver­schie­de­nen Schwer­punk­ten in den eige­nen Bedar­fen woh­nen, die hier ihren Lebens­mit­tel­punkt haben.

 

Und wie sieht Ihr Tages­ab­lauf aus?

Oli­ver Heymann: Ins­ge­samt bin ich als Bereichs­lei­tung für sechs Wohn­grup­pen zustän­dig. Das bedeu­tet, dass ich für etwa 35 Mit­ar­bei­ten­de in der Per­so­nal­ver­ant­wor­tung bin und etwas über 40 Kin­der und Jugend­li­che in mei­nem Bereich leben. Gleich zu Tages­be­ginn tre­te ich mit den päd­ago­gi­schen Fach­kräf­ten der jewei­li­gen Grup­pen in Kon­takt, um zu gucken, ob bei ihnen alles in Ord­nung ist. Ich bin wöchent­lich in rela­tiv vie­len Team­sit­zun­gen, höre intern und extern viel zu, steue­re an den not­wen­di­gen Punk­ten und mache Con­trol­ling. Ent­wi­ckelt sich die jewei­li­ge Grup­pe in die rich­ti­ge Rich­tung? Gibt es da Unter­stüt­zungs­be­darf mei­ner­seits? Bestehen aktu­ell irgend­wel­che Kri­sen oder Ent­wick­lun­gen, die mei­ner Per­son bedür­fen? Es kann ab und zu Vor­fäl­le geben. Das kön­nen per­sön­li­che Kri­sen eines jun­gen Men­schen sein. Oder wir hat­ten letz­te Woche die Situa­ti­on, dass es einen klei­nen Brand in einer Grup­pe gab. Der hat mich die­se Woche sehr inten­siv beschäf­tigt. Es muss­te nach­ge­forscht wer­den, wie es dazu kam und wie das ver­mie­den wer­den kann. Sol­che Situa­tio­nen müs­sen gründ­lich geklärt wer­den und das gehört auch zu mei­ner lei­ten­den Tätig­keit.

Was haben Sie vor der Arbeit in der sta­tio­nä­ren Kin­der- und Jugend­hil­fe in Ber­lin Neu­kölln gemacht?

Oli­ver Heymann: Als ich mein Mas­ter­stu­di­um in Sozi­al­ma­nage­ment ange­fan­gen habe, war ich in der Ein­glie­de­rungs­hil­fe tätig und muss­te spä­ter aus fami­liä­ren Grün­den in eine ande­re Stadt zie­hen. Durch den Mas­ter und die fle­xi­ble Struk­tur des berufs­be­glei­ten­den Stu­di­en­gangs gelang mir am neu­en Ort der Wech­sel in die Alten­hil­fe. Ich hat­te einen span­nen­den Job als Ein­rich­tungs­lei­tung für offe­ne Alten­hil­fe gefun­den, die für einen gan­zen Stadt­teil und meh­re­re Tau­send älte­re Men­schen zustän­dig war. Aber nach einer Wei­le stand der Beschluss, dass wir zurück nach Ber­lin möch­ten, und ich muss­te mich erneut auf die Suche nach einer pas­sen­den Stel­le umschau­en. Hier in der sta­tio­nä­ren Kin­der- und Jugend­hil­fe in Ber­lin Neu­kölln fand ich das anspre­chends­te Ange­bot. Schon im Rah­men der Bewer­bungs­ge­sprä­che merk­te ich, dass es hier von den Arbeits­struk­tu­ren und Kli­ma ange­nehm war. Ich bin jetzt seit ein­ein­halb Jah­ren hier und bereue die­se Ent­schei­dung nicht. Ich gehe jeden Tag ger­ne in die Arbeit.

„Durch den Mas­ter und die fle­xi­ble Struk­tur des berufs­be­glei­ten­den Stu­di­en­gangs gelang mir am neu­en Ort der Wech­sel in die Alten­hil­fe. Ich hat­te einen span­nen­den Job als Ein­rich­tungs­lei­tung für offe­ne Alten­hil­fe gefun­den, die für einen gan­zen Stadt­teil und meh­re­re Tau­send älte­re Men­schen zustän­dig war.“

Wel­chen Unter­schied macht Ihre Arbeit im Leben der Kin­der und jun­gen Erwach­se­nen?

Oli­ver Heymann: Es gibt vie­le jun­ge Men­schen, die aus unter­schied­lichs­ten Grün­den nicht mehr bei den Eltern woh­nen kön­nen. Oft sind

hier Schick­sals­schlä­ge und das Zusam­men­kom­men von vie­len hin­der­li­chen Fak­to­ren aus­schlag­ge­bend. Zum Bei­spiel weil die Eltern in die Obdach­lo­sig­keit gerutscht sind, oder unter schwe­ren kör­per­li­chen oder psy­chi­schen Erkran­kun­gen lei­den. In man­chen Situa­tio­nen gibt es kei­ne Eltern mehr oder zu Hau­se ent­steht eine so gro­ße Kri­se, dass es zumin­dest für eine gewis­se Zeit nicht mög­lich oder nicht mehr sicher ist, die Kin­der bei den Eltern leben zu las­sen. Und dann greift die Kin­der- und Jugend­hil­fe. In star­ker Zusam­men­ar­beit mit den Jugend­äm­tern und in den meis­ten Fäl­len der Zustim­mung der Sor­ge­be­rech­tig­ten, fin­den die­se Kin­der bei uns Platz und wer­den in ihren indi­vi­du­el­len Situa­tio­nen betreut und beglei­tet. Die Wie­der­zu­sam­men­füh­rung mit den Eltern wird natür­lich, mit aller gebo­te­ner Vor­sicht, in den Vor­der­grund gestellt. Denn kei­ne Betreu­ungs­per­son kann die Eltern erset­zen. In Zusam­men­ar­beit mit dem Jugend­amt arbei­ten wir dar­an, die Eltern zu befä­hi­gen ein gutes elter­li­ches Ver­hält­nis mit dem Kind auf­zu­bau­en und ihnen ein sta­bi­les Umfeld zu bie­ten. Auf der ande­ren Sei­te arbei­ten wir mit vie­len Koope­ra­ti­ons­part­nern aus dem unmit­tel­ba­ren Umfeld der Kin­der, mit den jewei­li­gen Vor­mund­schaf­ten, mit den Schu­len, Groß­fa­mi­li­en und Freun­des­krei­sen, die eine Rol­le im Leben des Kin­des haben und neben dem Erzie­hungs­be­rech­tig­ten für eine gelun­ge­ne Rück­füh­rung in die elter­li­che Fami­lie wich­tig sind. Das ist eine sehr kom­ple­xe Arbeit, die hier von unse­ren Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen durch­ge­führt wird.

Mei­ne Rol­le dabei ist unter ande­rem, die Meta­ebe­ne ein­zu­neh­men und ihre päd­ago­gi­sche Arbeit zu unter­stüt­zen in dem ich schaue: Wie müs­sen wir unse­re Grup­pen so aus­rich­ten, dass sie dem Bedarf und den mul­ti­plen Pro­blem­la­gen der Kin­der und Jugend­li­chen gerecht wer­den und auch die sich immer wie­der ver­än­dern­den gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Bedar­fe und Ziel­grup­pen berück­sich­ti­gen. Wel­che fach­li­chen Stan­dards set­zen wir uns, wie hal­ten wir die­se ein? Wie fin­det Wis­sens- und Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be statt? Nach wel­chen päd­ago­gi­schen Richt­li­ni­en han­deln wir? Wie gehen wir vor im Kri­sen­fall? Ich bin die Per­son, die prak­tisch etwas abseits der Grup­pe steht, aber jeder­zeit rein­kommt und da unter­stützt, wo Not an der Per­son ist.

Was pas­siert, wenn jun­ge Erwach­se­ne die Wohn­grup­pen ver­las­sen müs­sen, gelingt ihnen ein guter Über­gang in das erwach­se­ne Leben?

Oli­ver Heymann: Je nach Aus­rich­tung der Wohn­grup­pe und nach dem indi­vi­du­el­len Ver­lauf der ein­zel­nen Kin­des­si­tua­ti­on, ob es wie­der zu den Eltern geht oder prak­tisch in eine eige­ne Woh­nung, beglei­ten wir unter­schied­lich. Nach dem Aus­zug aus unse­rer Ein­rich­tung endet unse­re Arbeit meist nicht. In vie­len Fäl­len beglei­ten wir unse­re Care­leaver meh­re­re Mona­te ambu­lant nach, je nach Bedarfs­la­ge. Mit vie­len hal­ten wir auch noch einen losen Kon­takt, wenn die Kin­der bei den Eltern wie­der ein­ge­zo­gen sind. Außer­dem haben wir vie­le Eltern, die sich noch Jah­re spä­ter immer wie­der Rat suchend an uns wen­den.

Wir hat­ten letz­tes Jahr eine grö­ße­re Fei­er, weil ein lang­jäh­ri­ger Mit­ar­bei­ter in Ren­te gegan­gen ist. Er hat ein Leben lang in der Kin­der- und Jugend­hil­fe gear­bei­tet. Und bei die­ser Ver­ab­schie­dungs­fei­er waren tat­säch­lich dama­li­ge Jugend­li­chen aus sei­ner ers­ten Wohn­grup­pe, die der Kol­le­ge beglei­tet hat, anwe­send. Sie waren alle Anfang Fünf­zig, inzwi­schen mit­ten im Leben ste­hend mit ihren eige­nen Fami­li­en und Kin­dern da und haben ganz rüh­rend über den Kol­le­gen gespro­chen. Das war sehr schön auf der Fei­er mit­zu­be­kom­men, wie die­ser Mensch ihr Leben beein­flusst hat und dass es ihnen jetzt gut geht, und dass die Unter­stüt­zung, die sie damals erhal­ten haben, nach eige­nen Aus­sa­gen, eine gro­ße Hil­fe war. Und in das Erbe tre­ten wir natür­lich wei­ter­hin.

Wel­che Aspek­te oder Inhal­te des Mas­ter­stu­di­ums in Sozi­al­ma­nage­ment sind in Ihrem Berufs­all­tag noch heu­te rele­vant?

Oli­ver Heymann: Es gibt Vie­les. Ich den­ke mit­un­ter das Wich­tigs­te war einen Habi­tus und Hal­tung als Lei­tung zu ent­wi­ckeln. Dabei wur­den wir auf allen Ebe­nen unter­stützt, mit der Wis­sens- und der Kom­pe­tenz­ver­mitt­lung, um die­se Rol­le aus­fül­len zu kön­nen. Wir haben sehr vie­le Berei­che abge­deckt und Metho­den ken­nen­ge­lernt, die ich jetzt noch in mei­ner Arbeit anwen­de. Im Stu­di­um habe ich die Mög­lich­kei­ten ken­nen­ge­lernt und kann sie mir nach Bedarf her­an­zie­hen, Kennt­nis­se auf­fri­schen und anwen­den. Und was im sozia­len Bereich oft in der Aus­bil­dung zu kurz kommt und im Stu­di­um gut abge­deckt war, sind die BWL-Ler­n­an­tei­le, die für mich in der Lei­tungs­funk­ti­on sehr wert­voll sind. Mir hilft es tat­säch­lich sehr, dass ich sagen kann – hier ist eine Bilanz und ich kann sie ana­ly­sie­ren und Pro­ble­me anhand der Zah­len erken­nen.

Arbeits­recht ist auch ein wert­vol­ler Teil des Stu­di­ums gewe­sen. Vie­le stu­die­ren Sozia­le Arbeit oder Ähn­li­ches, sie sind gute Fach­kräf­te, sehr gute Teamleiter:innen und haben sehr gute sozia­le Kom­pe­ten­zen in der Zusam­men­wir­kung mit den Kolleg:innen. Oft rut­schen sie jedoch, prak­tisch unvor­be­rei­tet, in die Lei­tungs­rol­len in ihren Orga­ni­sa­tio­nen. In die­sen Rol­len feh­len ihnen die fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on als Lei­tung, die wirt­schaft­li­chen und tech­ni­schen Kennt­nis­se, so gehen die­se Aspek­te auch in ihrem Berufs­all­tag en biss­chen unter. Mit dem wirt­schaft­li­chen Ver­ständ­nis und mit der Stär­ke in die­sen Berei­chen der Geschäfts­füh­rung macht man sich im sozia­len Bereich durch­aus manch­mal Freun­de.

„Ich den­ke mit­un­ter das Wich­tigs­te war, einen Habi­tus und Hal­tung als Lei­tung zu ent­wi­ckeln. Dabei wur­den wir auf allen Ebe­nen unter­stützt, mit der Wis­sens- und der Kom­pe­tenz­ver­mitt­lung, um die­se Rol­le aus­fül­len zu kön­nen. Wir haben sehr vie­le Berei­che abge­deckt und Metho­den ken­nen­ge­lernt, die ich jetzt noch in mei­ner Arbeit anwen­de.“

Wel­che Kennt­nis­se oder wel­ches Know-How fehlt Ihnen jetzt, das im Job gewach­sen ist und im Stu­di­um nicht behan­delt wur­de?

 

Oli­ver Heymann: Ich weiß nicht, ob der Stu­di­en­gang tat­säch­lich die gro­ßen Pro­blem­fel­der, die mei­ne Arbeit jetzt betref­fen, abde­cken könn­te. Das sind haupt­säch­lich gesamt­ge­sell­schaft­li­che Phä­no­me­ne wie der Fach­kräf­te­man­gel, der ein­fach sehr gra­vie­rend zu Tage tritt. Und jetzt gera­de in Ber­lin ist es der Woh­nungs­man­gel, der unse­re Arbeit erschwert. Viel­leicht könn­te man im Stu­di­en­gang dar­auf vor­be­rei­tet wer­den, stär­ker in die­se poli­ti­sche Arbeit rein­zu­ge­hen und sozi­al­po­li­tisch den Fach­kräf­te­man­gel anzu­ge­hen, der uns die nächs­ten Jahr­zehn­te beglei­ten wird. Oder eben inno­va­tiv an die­sen Pro­blem­lö­sun­gen zu arbei­ten und schau­en wel­che Rol­le neue Tech­no­lo­gien wie KI bei der Arbeits­ent­las­tung spie­len könn­ten. Viel­leich könn­te KI nicht gera­de die Wohn­grup­pen unter­stüt­zen, aber viel­leicht bei ande­ren Arbeits­pro­zes­sen ent­las­ten­de Funk­ti­on ein­neh­men?

Digi­ta­li­sie­rung ist mitt­ler­wei­le Teil des Stu­di­en­gang­pro­gramms. Als Aka­de­mie wol­len wir auf dem letz­ten Stand der tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten sein und auf deren Poten­zi­al für Sozia­le Orga­ni­sa­tio­nen durch unse­re Stu­die­ren­de ver­wei­sen.

 

Oli­ver Heymann: Ins­ge­samt kann ich sagen, dass der Mas­ter­stu­di­en­gang mei­ne wei­te­re beruf­li­che Ent­wick­lung, aber auch mich als Mensch, maß­geb­lich beein­flusst hat. Wenn ich mit Men­schen spre­che die sich als Füh­rungs­kraft ent­wi­ckeln wol­len, emp­feh­le ich die­sen Mas­ter.

Das Inter­view mit Oli­ver Heymann führ­te Ele­na Gav­risch (Mar­ke­ting und Öffent­lich­keits­ar­beit, Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Titel­bild: Oli­ver Heymann

Fotos: Ele­na Gav­risch

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