Quereinstieg durch das Studium in Sozialmanagement –
im Gespräch mit Master-Absolventin Cora Döhn
Cora Döhn war nach ihrem ersten Studium zunächst Deutsch als Fremdsprache Lehrerin und Online-Redakteurin. Doch sie entschied sie sich für den Quereinstieg in die Soziale Arbeit durch ein Studium in Sozialmanagement und dem Antreten einer Stelle bei der Berliner Aids-Hilfe e.V.. In diesem Interview sprechen wir mit der Master-Absolventin, die heute die Koordination der Jugendprävention bei der Berliner Aids-Hilfe ausführt, über ihren heutigen Beruf und ihren Weg dorthin.
Was genau machst du als Youthwork-Koordinatorin bei der Berliner Aids-Hilfe und wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Cora Döhn: Ich bin aktuell die Koordination des Youthwork-Teams der Berliner Aids-Hilfe. Das bedeutet, ich gestalte gemeinsam mit meinem Team die Jugendprävention bei uns im Haus. Meine Hauptaufgaben sind vergleichbar mit der einer Projektmanagerin. Bei mir liegt unsere Ehrenamtskoordination für unser Team sowie die Koordination mit den Lehrkräften und den Schulen, die zu uns kommen. Ich organisiere unsere Events und Projekte – wie z.B. eine Schüler:innenkonferenz, Projekttage und Events zu Anlässen wie dem Welt Aids Tag. Ich schreibe den Newsletter an die Schulen, ich betreue unsere Social Media-Accounts und trage die pädagogische Verantwortung für unser Konzept und für die Workshop-Inhalte wie auch die Ausbildung der Ehrenamtlichen, die bei uns ankommen. Außerdem kümmere ich mich um die Teamentwicklung bei uns intern.
Ein Teil meiner Stelle in der Berliner Aids-Hilfe widmet sich dem Team des Ehrenamtsmanagements. Wir etablieren eine wertschätzende Ausbildungskultur für Ehrenamtliche der gesamten Berliner Aids-Hilfe und halten diese aufrecht. Wer bei uns neu ehrenamtlich anfängt, absolviert verschiedene Kurse. Das sind zum Beispiel Kommunikationstrainings unter anderem mit Zuhörtechniken – das bieten wir für unsere Ehrenamtliche kostenlos an. Um unsere Qualitätsstandards einzuhalten, sind diese Kurse bei uns auch verpflichtend. Sie lernen auch die Berliner Aids-Hilfe als Organisation samt ihrer Haltung kennen. So haben neue Ehrenamtliche hier auch nochmal die Möglichkeit einen Abgleich zu machen, ob sie sich mit der politischen Haltung der Berliner Aids-Hilfe identifizieren können und sich damit wohlfühlen, diese Haltung auch nach außen zu vertreten.
Seit Neustem gehe ich auch mit in Testberatungen. Das sind Beratungen bei uns im Haus, die vor einem Test auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen angeboten werden. Da können Personen, die sich zum Beispiel auf HIV testen lassen möchten, erfahren, wie ein Test abläuft und wo sie sich hinwenden können, falls ein Test positiv ausfällt.
Was motiviert dich, diesen Job auszuüben?
Für mich ist die Berliner Aids-Hilfe ein ganz ideell aufgeladener Arbeitsbereich. Das finde ich wunderschön. Es ist eine Mischung aus Job und Lebensgefühl. Die Arbeit ist sinnvoll und das ist sehr motivierend für mich.
Das Team hält auch sehr zusammen, was mich ungemein motiviert. Im Team gibt es flache Hierarchien. Wir arbeiten sehr gleichberechtigt und selbstbestimmt.
Was hast du vor deinem Masterstudium gemacht? Und wie bist du dann dazu gekommen, dich neu zu orientieren?
Ich war in einer Redaktion in einem Online-Medium erst als Volontärin und dann als Redakteurin tätig. Das hat mir zunächst viel Spaß gemacht. Mein Steckenpferd-Thema war die finanzielle Selbstbestimmung von Frauen in der Gründung und ihr Weg in die Selbständigkeit. Ich habe Informationen zusammengetragen, von denen andere profitieren können, die sich auch selbstständig machen wollen. Mich hat also schon immer interessiert, welche Informationen die Welt noch braucht. Auch hier wollte ich unbedingt eine Art Beratungsangebot schaffen.
Nach meinem Quereinstieg hatte ich das Gefühl, keine formale Qualifikation zu haben, um im Bereich soziale Arbeit anknüpfen zu können. Für mich persönlich war es also wichtig, eine Zusatzqualifikation zu erwerben, um mich hier wohlzufühlen. Denn ich habe ein Selbstverständnis, dass ich mit hoher Professionalität an neue Herausforderungen herangehe. Den Mut und das Selbstbewusstsein sowie das Know-How hätte ich ohne das Studium leider nicht gehabt, mit dem ich jetzt meine Arbeit ausführen kann.
Das Errechnen von Bilanzen aus dem Studium beispielsweise brauche ich in meinem aktuellen Job zwar nicht mehr so im Detail, denn dafür haben wir hier im Haus die Buchhaltung und die Geschäftsführung. Aber trotzdem gehe ich durch dieses erworbene Wissen kompetent mit Budgets für meinen Arbeitsbereich um. Das gibt natürlich auch meinen Chef:innen Sicherheit und Vertrauen.
Den Mut und das Selbstbewusstsein sowie das Know-How hätte ich ohne das Studium leider nicht gehabt, mit dem ich jetzt meine Arbeit ausführen kann.
Konntest du Arbeit und Studium gut unter einen Hut bringen? Und hat das ausgereicht, um dein Leben und die Studienkosten zu finanzieren?
Ich habe das Studium 2018 begonnen und 2020 habe ich den Abschluss gemacht. Finanziert habe ich das Ganze dadurch, dass ich parallel gearbeitet habe. Ich habe in der Zeit des Studiums ca. 10 Stunden bei der Berliner Aids Hilfe im Ehrenamtsmanagement gearbeitet und nebenbei selbstständig als Deutsch als Fremdsprache Lehrerin.
Zugegebenermaßen war damals der Mietenwahnsinn auch noch nicht so extrem wie jetzt. Es war also für mich stemmbar. In der Steuererklärung kam mir das Studium später auch zugute. Ich war zu dem Zeitpunkt bereits verheiratet. Das Studium habe ich absetzen können, was finanziell eine große Erleichterung war.
Nach einem vollen Präsenztag an der Paritätischen Akademie hatte man auch das Gefühl, ganz viel mitgenommen zu haben. Und natürlich habe ich mich dann auch am Wochenende noch einmal hingesetzt und bin alles durchgegangen und habe ich eben Mathe gepaukt oder nachgeholt, wie ich Social Media Inhalte gut gestalten kann. Ich habe mich dann auch mit meinen Kommiliton:innen in Lerngruppen getroffen. Wir haben das Studium schon sehr ernst genommen.
Es wird sehr gut darauf eingegangen, dass Menschen in dem Studium meist Vollzeit-Arbeitnehmer:innen sind.
Es kommt wirklich auch darauf an, wie man Prioritäten gut setzt. Das Studium an der Paritätischen Akademie in Sozialmanagement ist herausfordernd, aber nicht überfordernd. Denn es wird sehr gut darauf eingegangen, dass Menschen in dem Studium meist Vollzeit-Arbeitnehmer:innen sind. Außerdem wussten wir auch alle Termine vorher. So konnte ich im Vorhinein immer sehr gut mit meinem Arbeitgeber absprechen, wann ich arbeiten kann und wann nicht.
Das Studium habe ich absetzen können, was finanziell eine große Erleichterung war.
Wie waren der Austausch und Kontakt unter den Studierenden?
Sehr gut. Allerdings kam dann die Corona-Pandemie 2020. Das hat leider dazu geführt, dass unser letztes Semester und auch unsere Abschlussfeier nur über Zoom stattfinden konnte. Viele Leute, mit denen ich im Studium sehr eng war, habe ich dann anderthalb Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Eine Freundschaft hat sich privat gehalten. Aber auch, wenn ich mit allen anderen nicht jeden Tag im Kontakt stehe, weiß ich mit Sicherheit, dass ich auf sie heute immer noch zugehen und wir uns beruflich austauschen könnten.
Welche Inhalte des Studiums konntest du im Berufsleben unmittelbar anwenden?
Die Social Media-Inhalte haben mir sehr viel Sicherheit gegeben. Da ging es darum, wie ich zum Beispiel reagieren kann, wenn ein Shitstorm kommt oder wie schnell man auf solche Inhalte reagieren sollte. Aber auch das rechtliche Wissen in diesem Zusammenhang war sehr wichtig für meine Arbeit heute. Social Media ist schließlich nicht nur ein Fun-Faktor meines Arbeitsbereichs, sondern ein integraler Bestandteil.
Ganz wichtig war auch das Thema Diversität und Diversitätsorientierung. Wie schafft man es, den Arbeitsbereich divers zu gestalten? Es ist sehr spannend, wie komplex und schwierig das eigentlich ist. Das spielt auch in unserem Arbeitsalltag heute eine große Rolle.
Ich habe ein Verständnis dafür bekommen, wie wirtschaftlich eine soziale Organisation eigentlich arbeiten muss und was alles dahintersteckt.
Außerdem konnte ich im Studium ein grundsätzliches Verständnis davon erwerben, wie die Sozialwirtschaft funktioniert. Finanzierungsfragen spielen im sozialen Bereich immer eine ganz große Rolle. Denn Ressourcen sind chronisch knapp und müssen deshalb immer zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Darum ist man angehalten, sehr exakt zu sein und sehr gut zu planen. Dahingehend hat das Studium meinen Horizont sehr erweitert. Ich habe ein Verständnis dafür bekommen, wie wirtschaftlich eine soziale Organisation eigentlich arbeiten muss und was alles dahintersteckt. So habe ich das Selbstbewusstsein erlangt, mich im sozialen Bereich flexibel zu bewegen und mitreden zu können. Das hat mir persönlich am allermeisten gebracht.
Haben sich deine Erwartungen an das Studium erfüllt?
Am Anfang hatte ich die Vorstellung, dass ich schon viel wissen werde und die Studieninhalte mich eher darin bestärken werden, dass ich im richtigen Arbeitsfeld angekommen bin. Ich habe mich also ehrlicherweise zunächst gefragt, ob mir das Studium was bringt oder ob ich es als persönlichen Selbstbewusstseins-Boost benötige. Ich war jedoch spätestens nach dem ersten Semester davon überzeugt, wie qualitativ hochwertig und wie divers die Inhalte des Studiums sind. Es hat mir rückblickend sehr viel geholfen, mich im Arbeitsfeld der Sozialwirtschaft gut bewegen zu können.
Ich war (…) nach dem ersten Semester davon überzeugt, wie qualitativ hochwertig und wie divers die Inhalte des Studiums sind.
Was hat dir im Studium gefehlt?
Während meines Studiums war ich noch eine relativ neue Mitarbeiterin mit wenig Stunden. So hatte ich noch nicht so komplexe Arbeitsbereiche und auch nicht so viel Verantwortung wie heute. Die Management-Inhalte im Studium waren deshalb zwar sehr praktisch und für mich total spannend, aber die Inhalte passierten für mich noch im luftleeren Raum. In meiner Arbeitspraxis wurden die Inhalte erst später relevant. Glücklicherweise konnte ich vieles Wissen wieder abrufen als ich es brauchte.
Dennoch würde ich manchmal gerne noch mal die Zeit zurückdrehen und einen Kurs darin belegen, um mein Wissen aufzufrischen. Dann könnte ich parallel zu dem, was ich theoretisch gelernt habe, jetzt die Möglichkeit nutzen, das praktisch anzuwenden. Auch das Coaching, das im Studium angeboten wurde, konnte ich dahingehend noch nicht gut in Anspruch nehmen.
Vielen Dank für das Interview.
An der Paritätischen Akademie bieten wir im Berufsfeld Ehrenamtsmanagement einen Zertifikatskurs an. Dazu haben wir mit Cora Döhn, die auf diesem Gebiet heute Expertin ist, gesprochen. Der Beitrag dazu wird bald im Online-Magazin erscheinen.
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Redaktion: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Foto im Titelbild: Cora Döhn in ihrem Büro der Berliner Aids-Hilfe e.V. (Foto: Elena Gavrisch)