Maga­zin

April 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Wie geht Networking für Introvertierte und Hochsensible, Martin Nevoigt?

Echte Verbindungen schaffen starke Organisationen

Im sozia­len Bereich machen wir unse­ren Job aus Über­zeu­gung und mit gro­ßem Enga­ge­ment. Doch nicht allen fällt es leicht, auf ande­re zuzu­ge­hen und ihre Ideen zu prä­sen­tie­ren. Die­se Men­schen berät Mar­tin Nevoigt (Out HSP). Er ist Unter­neh­mens­coach mit Fokus auf hoch­sen­si­ble und intro­ver­tier­te Men­schen. Im Net­wor­king sieht er groß­ar­ti­ge Mög­lich­kei­ten. Das kann auch für Per­so­nen zutref­fen, die gro­ße Run­den oder Netz­werk-Ver­an­stal­tun­gen eher als anstren­gend emp­fin­den. Wir haben dem HSP-Coach eini­ge Fra­gen dar­über gestellt, wie auch lei­se­re Men­schen sich auf ihre Art zei­gen und sich mit ande­ren ver­bin­den kön­nen.

Ca. 15–20 % aller Men­schen sind hoch­sen­si­bel. Hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren hem­men und blo­ckie­ren oft ihre Fähig­kei­ten im Arbeits­all­tag. Wor­an das liegt und wie es bes­ser geht, dar­über haben wir mit Mar­tin Nevoigt im März in unse­rem ers­ten Fach­bei­trag zum The­ma Hoch­sen­si­bi­li­tät im Berufs­all­tag gespro­chen.

Worum geht es beim Networking? Gibt es hier eine Brücke zu den Themen aus Ihrem

Hochsensibilitäts-Coaching?

Nevoigt: Die Netz­werk-Struk­tur ermög­licht einen Aus­tausch auf Augen­hö­he und schafft einen Raum für jeden, sich mit sei­nen Fähig­kei­ten und Inter­es­sen ein­zu­brin­gen. Die­se offe­ne Struk­tur erfor­dert unter ande­rem selbst­ver­ant­wort­li­ches Arbei­ten, weil eben nie­mand mehr als ver­meint­lich all­wis­sen­der Vor­ge­setz­ter fun­giert, der allein sagt, wo es lang geht.

Das über­for­dert man­che Men­schen noch, die mit den klas­sisch hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren auf­ge­wach­sen sind. Auch da kom­men Ängs­te und Blo­cka­den zum Vor­schein. Nach mei­ner Erfah­rung erle­ben aber gera­de Hoch­sen­si­ble die­se

selbst­be­stimm­te­re Art zu arbei­ten als ech­te Befrei­ung und kön­nen damit ihre eige­nen Poten­zia­le voll ent­fal­ten.

Warum ist es sinnvoll, sich gute Networking Skills anzueignen? Was sind überhaupt gute Networking Skills?

Nevoigt: Um die­se Form des Netz­wer­kens zu eta­blie­ren, braucht es vor allem ein ech­tes Inter­es­se am ande­ren und die Offen­heit, ande­re Per­spek­ti­ven ein­zu­neh­men. Wie betrach­tet mein Gegen­über die­ses Pro­blem oder jene Ent­wick­lung? Wel­che Ideen hat er dazu? Das schafft einen Raum für tie­fe­ren Aus­tausch.

Es geht auch dar­um, erst­mal zu geben, anstatt nur zu schau­en, was ich mit­neh­men kann. Wo kann ich dem ande­ren mit mei­nen Ideen und Erfah­run­gen wei­ter­hel­fen? Wie kann ich mich ein­brin­gen? Wenn nur nach schnel­len Lösun­gen für die eige­ne Sache gesucht wird, dann hat das weni­ger mit gegen­sei­ti­gem Netz­wer­ken zu tun, son­dern ist im Grun­de nur eine ver­deck­te Suche nach unbe­zahl­ter Dienst­leis­tung.

Außer­dem ist Ver­bind­lich­keit und Loya­li­tät äußerst wich­tig, zum Bei­spiel sich an Zusa­gen und Abma­chun­gen zu hal­ten und ver­trau­li­che Infor­ma­tio­nen dis­kret zu behan­deln. Damit kön­nen wir Ver­trau­en auf­bau­en, was gefes­tig­te und lang­fris­ti­ge Bezie­hun­gen schafft. Die­ses Netz an Ver­bin­dun­gen trägt eine Orga­ni­sa­ti­on oder ein Ein­zel­un­ter­neh­men dann auch durch schwie­ri­ge Zei­ten.

All die­se Aspek­te haben eines gemein: Man kann sie sich nicht erkau­fen oder kurz­fris­tig her­stel­len, son­dern jeder im Netz­werk darf sie all­mäh­lich auf­bau­en. Solch ein natür­li­ches Wachs­tum braucht Zeit und zuver­sicht­li­che Beharr­lich­keit, wie alle guten Pro­zes­se.

Welchen Rat geben Sie eher introvertierten Personen, denen das Zugehen auf Menschen nicht so leichtfällt?

Nevoigt: Die­ses The­ma taucht in mei­nen Work­shops und Coa­chings häu­fi­ger auf. Hier gebe ich gern die Fra­ge rein: In wel­chem Rah­men und unter wel­chen Bedin­gun­gen möch­test du dich mit ande­ren ver­bin­den? Denn selbst­be­stimm­tes Arbei­ten ermög­licht genau das: Die Din­ge in einen neu­en Bezugs­rah­men zu set­zen, der zu mir selbst und mei­nen Wer­ten und Wesens­zü­gen passt. Im Coa­ching nennt man das Ref­raming.

Mit die­sem Ref­raming kann ich mir als intro­ver­tier­ter oder hoch­sen­si­bler Mensch zum Bei­spiel bewusst machen, dass ich viel­leicht bis­her das The­ma Netz­wer­ken mit gro­ßen Events in rie­si­gen Hal­len und Small Talk mit vie­len ver­schie­de­nen Men­schen asso­zi­iert habe. Das ist aber nur ein mög­li­cher Rah­men. Es gibt noch vie­le wei­te­re, wovon eini­ge eher zu einer intro­ver­tier­ten Per­sön­lich­keit pas­sen. Zum Bei­spiel könn­te ich eine ganz klei­ne Aus­tausch­run­de in einem geschütz­te­ren Raum initi­ie­ren oder mich auf ein Zwei­er­ge­spräch mit einer ein­zi­gen Per­son fokus­sie­ren. Das schafft auch eine viel per­sön­li­che­re Ver­bin­dung als das ober­fläch­li­che Abklap­pern vie­ler poten­zi­el­ler Netzwerkpartner:innen. Für man­che Intro­ver­tier­te sind auch digi­ta­le Räu­me ange­neh­mer, für ande­re wie­der­um der ganz per­sön­li­che Kon­takt. Hier darf ich mich gern aus­pro­bie­ren, um den für mich pas­sen­den Rah­men zu gestal­ten.

 

Vie­le Intro­ver­tier­te und Hoch­sen­si­ble emp­fin­den auch häu­fig Small Talk und die­ses »so tun als ob « enorm anstren­gend, etwa wenn die Hoch­glanz­fas­sa­de der Fir­ma auf­recht erhal­ten wer­den soll. Doch die­se Flos­keln und Mas­ken braucht es mit der oben beschrie­be­nen Art des Netz­wer­kens nicht mehr, sie sind sogar sehr hin­der­lich. Es ist dafür viel sinn­vol­ler, authen­ti­sche Gesprä­che anzu­re­gen und das akti­ve Zuhö­ren zu kul­ti­vie­ren, anstatt sich selbst und sei­ne Orga­ni­sa­ti­on stän­dig reprä­sen­tie­ren zu müs­sen. Wir neh­men viel mehr Inspi­ra­ti­on mit, wenn wir offen für ande­re Per­spek­ti­ven und Erfah­rungs­be­rich­te sind.

Intro­ver­tier­te und empa­thi­sche Men­schen haben hier oft unge­ahn­te Stär­ken, wenn sie ihren eige­nen Rah­men geschaf­fen haben. Dabei geht es vor allem auch um Selbst­ak­zep­tanz, denn intro­ver­tiert oder hoch­sen­si­bel sein sind Wesens­zü­ge, die genau­so wert­voll und manch­mal her­aus­for­dernd sind, wie ande­re Eigen­schaf­ten.

Wel­che Rah­men­beding­ungen braucht es dafür?

Nevoigt: Der Rah­men hier­für ist ein men­schen­zen­trier­ter: Com­mu­ni­ty over Com­pe­ti­ti­on. Denn ein Unter­neh­men kann nie­mals im luft­lee­ren Raum gedei­hen, es braucht viel­schich­ti­ge und vor allem ech­te Ver­bin­dun­gen. Für mich bedeu­tet das, sich von der Hoch­glanz­fas­sa­de zu ver­ab­schie­den und sich lie­ber offen über Pro­zes­se, Ent­wick­lun­gen und auch eige­ne Schwie­rig­kei­ten und Hür­den aus­zu­tau­schen.

Also auch hier die »pro­fes­sio­nel­le Mas­ke« abneh­men und authen­tisch agie­ren, um gemein­sam hilf­rei­che­re Mög­lich­kei­ten und Lösun­gen ent­wi­ckeln zu kön­nen. Dabei kann es um spe­zi­fi­sche inter­ne Pro­zes­se gehen, aber auch um all­ge­mei­ne Ent­wick­lun­gen, wie etwa die Digi­ta­li­sie­rung. Dar­aus kön­nen dann auch tra­gen­de Koope­ra­tio­nen und ver­trau­ens­vol­le Bezie­hun­gen ent­ste­hen. Wie das in der Pra­xis funk­tio­nie­ren kann, das spie­len wir in den Work­shops anhand kon­kre­ter Anlie­gen und Fra­gen der Teilnehmer:innen durch.

Was sollten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in Bezug auf das Thema Netzwerken eher vermeiden?

Nevoigt: Man nimmt sich und sei­ner Orga­ni­sa­ti­on vie­le wun­der­ba­re Mög­lich­kei­ten, wenn man nur ergeb­nis­ori­en­tiert und nicht men­schen- und bezie­hungs­ori­en­tiert netz­wer­ken möch­te. Zum Bei­spiel indem man ledig­lich nach eige­nen Vor­tei­len und Pro­blem­lö­sun­gen sucht, wäh­rend man sich selbst und sei­ner Orga­ni­sa­ti­on nicht in die Kar­ten schau­en lässt. Mit Arg­wohn oder Miss­trau­en kann kein offe­ner Aus­tausch ent­ste­hen und somit auch kei­ne ech­te Ver­bin­dung.

Natür­lich ist es sinn­voll, vor­ab im Team und der Orga­ni­sa­ti­on zu klä­ren, ob es gewis­se sen­si­ble Infor­ma­tio­nen oder inter­ne Pro­zes­se gibt, die zum Bei­spiel aus daten­schutz­recht­li­chen Grün­den nicht geteilt wer­den dür­fen. Aber meis­tens braucht es die­se ganz spe­zi­fi­schen Infor­ma­tio­nen gar nicht, um gemein­sam Mög­lich­kei­ten und Lösungs­ideen aus­zu­lo­ten, weil vie­les auf einer Meta­ebe­ne beleuch­tet wer­den kann.

Gibt es bestimmte Fragen oder Themen, die in Ihrem Coaching von den Teilnehmenden, egal ob Führungskräfte oder Berufseinsteiger:innen, häufig angesprochen werden?

 

Nevoigt: Vie­le Anlie­gen lau­fen letz­ten Endes, wenn die Blo­cka­den lang­sam auf­ge­löst sind, auf gro­ße phi­lo­so­phi­sche Lebens­the­men hin­aus: Was ist der tie­fe­re Sinn mei­nes Schaf­fens? Was moti­viert und begeis­tert mich im tiefs­ten Innern? Was möch­te ich mir und der Welt geben? Wel­che Bezie­hun­gen möch­te ich ein­ge­hen? Was wür­de ich tun, wenn ich alle Mög­lich­kei­ten hät­te und frei von inne­ren und äuße­ren Hin­der­nis­sen wäre?

Auch wenn die­se Fra­gen auf den ers­ten Blick wenig mit dem prak­ti­schen Arbeits­all­tag zu tun haben, so tun Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen doch sehr gut dar­an, sich klar­zu­ma­chen, dass es sol­che Fra­gen sind, die Men­schen und ihr Han­deln auf der tie­fe­ren Ebe­ne bewe­gen. Es geht dabei auch um die ele­men­ta­re Fra­ge, was für uns Men­schen ein ech­ter Mehr­wert ist und wie wir auf Grund­la­ge des­sen gemein­sam wirt­schaf­ten, zusam­men­ar­bei­ten und leben wol­len.

Die bespro­che­nen The­men und Ansät­ze bezie­hen sich im Grun­de auf alle Men­schen, wie etwa die Sinn­haf­tig­keit der eige­nen Arbeit oder hilf­rei­che Bedin­gun­gen, um die eige­nen Poten­zia­le zu ent­fal­ten. Nach mei­nen Erfah­run­gen sind aller­dings hoch­sen­si­ble Men­schen in beson­de­rem Maße von die­sen tie­fe­ren The­men betrof­fen, weil sie durch ihre Fein­sin­nig­keit eher sozia­le Schwie­rig­kei­ten oder struk­tu­rel­le Dys­ba­lan­cen wahr­neh­men sowie schnel­ler an eige­ne Belas­tungs­gren­zen sto­ßen. Und des­halb viel häu­fi­ger an den Punkt kom­men, sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen: Was brau­che ich wirk­lich und wie kann ich mein Leben und Arbei­ten danach gestal­ten?

Können wir alle etwas tun, um Arbeit menschenzentrierter und sensibler zu gestalten?

Nevoigt: Der ers­te wich­ti­ge Schritt ist immer das Bewusst­ma­chen der Bedin­gun­gen und Mecha­nis­men, die um mich und auch in mir wir­ken. Nur was ich ins Bewusst­sein hole, kann ich auch beleuch­ten und gege­be­nen­falls ver­än­dern.

Auf der zwi­schen­mensch­li­chen und kol­le­gia­len Ebe­ne ist auch hier das ech­te Inter­es­se am ande­ren und sei­nem

Blick­win­kel hilf­reich. Offen für ande­re Arbeits­wei­sen, Ansät­ze und Ansprü­che zu sein, kann auch sehr inspi­rie­rend für die eige­ne Art zu arbei­ten und zu leben wir­ken.

Auf der inhalt­li­chen und struk­tu­rel­len Ebe­ne kann ich dann gemein­sam mit mei­nem Team oder mit der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on einen offe­nen Raum für Fra­gen und Ansät­ze eta­blie­ren: Wozu tun wir, was wir tun? Für wen oder was ist das hilf­reich? Erschafft es einen ech­ten Mehr­wert für die Men­schen, die Gesell­schaft oder die Umwelt? Und ist das für alle Mit­wir­ken­den klar oder braucht es hier wei­te­ren Aus­tausch? Erst wenn das »Was« für alle klar defi­niert ist, geht es um die Fra­ge: Wie wol­len wir das kon­kret umset­zen?

Häu­fig wer­den die­se Berei­che unzu­rei­chend bis gar nicht erkun­det oder nur auf der Füh­rungs­ebe­ne, wenn die alte Hier­ar­chie­struk­tur noch fest­sitzt. Oft herrscht auch noch die Über­zeu­gung, dass die Zeit oder Res­sour­cen bes­ser für das All­tags­ge­schäft ver­wen­det wer­den soll­ten, um schnel­le Ergeb­nis­se zu erzie­len, anstatt auf sol­che Sinn-Fra­gen oder ver­bin­den­de Netz­werk­räu­me. Doch genau auf die­sen Ebe­nen lie­gen lang­fris­tig unschätz­ba­re Mög­lich­kei­ten für jede Orga­ni­sa­ti­on und jeden Ein­zel­nen. Und das bringt dann, qua­si als Neben­ef­fekt, auch stär­ke­re Ergeb­nis­se auf der Ebe­ne der Daten und Zah­len.

Für die ange­hen­den Füh­rungs­kräf­te im Mas­ter­stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie gibt Mar­tin Nevoigt Work­shops zum The­ma Net­wor­king. Bereits im März 2023 haben wir mit ihm über sei­ne Kri­tik an ver­al­te­ten Men­schen­bil­dern gespro­chen, auf denen vie­le Unter­neh­mens­struk­tu­ren immer noch fußen. Hier geht es zum Fach­bei­trag.

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Das Inter­view mit Mar­tin Nevoigt (Web­sei­te) führ­te Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Titel­bild: Mar­tin Nevoigt (Foto: Syl­via John)

Hoch­sen­si­bi­li­tät im beruf­li­chen Kon­text sozia­ler Arbeit

Semi­nar mit Mar­tin Nevoigt

15. Juni 2023

Pionierwerkstatt Agilität – nachhaltige Verankerung von agilen Methoden und agilem Mindset

Zer­ti­fi­kats­kurs mit Björn Schmitz

6. Juli 2023 – 12. April 2024

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Stu­di­en­gang

Start: 16. Okto­ber 2023

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April 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Blumenstrauß-Abo und Rückfahrschein zur Kündigung?

5 Tipps für wirksames Employer Branding in der Sozialwirtschaft

Wie funk­tio­niert eigent­lich aktu­el­les, wir­kungs­vol­les Employ­er Bran­ding? Dar­über haben wir mit Fach­ex­per­tin und Dozen­tin Anne Engel­showe gespro­chen. Her­aus­ge­kom­men sind fünf Tipps, die wir in die­sem Maga­zin­bei­trag tei­len, um Ihre Arbeit­ge­ber­mar­ke in Zei­ten von Fach­kräf­te­man­gel und hoher Fluk­tua­ti­on in der Sozi­al­wirt­schaft zu stär­ken.

1. Sei konsistent – und wenn du’s nicht bist, sprich offen darüber

Vie­le Unter­neh­men wer­ben mit fla­chen Hier­ar­chien und Nach­hal­tig­keit. In der Rea­li­tät tref­fen Bewerber:innen dann aber schnell auf „Sie­zen in der Chef­eta­ge“ und unnö­ti­ge Weg­werf­pro­duk­te im Arbeits­all­tag. Kon­sis­tent sein bedeu­tet jedoch, Bot­schaf­ten nicht nur in der Aus­wahl smar­ter Bil­der und Sprü­che auf der Web­site, son­dern wirk­lich bis in die Mit­ar­bei­ten­den-Toi­let­te hin­ein zu durch­den­ken. Dies erfor­dert kei­ne Per­fek­ti­on, son­dern authen­ti­sche und ehr­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on.

Wenn in Bewer­bungs­ge­sprä­chen bei­spiels­wei­se lie­ber gesiezt wird und im Team eine „Du-Kul­tur“ herrscht, soll­te dies offen ange­spro­chen wer­den. Auch was die Bemü­hun­gen um mehr Nach­hal­tig­keit und Diver­si­tät im Arbeits­all­tag betrifft, soll­ten Arbeitgeber:innen dies weni­ger per­fekt ver­kau­fen und sich statt­des­sen um eine gemein­sa­me Ent­wick­lung hin zu einer guten und lebens­wer­ten Orga­ni­sa­ti­on bemü­hen, womit wir auch direkt zum zwei­ten Tipp kom­men:

2. Trau‘ dich, deine (potenziellen) Mitarbeiter:innen zu fragen und damit in die Lösungsfindung mit einzubeziehen

Oft wis­sen gera­de klei­ne Träger:innen nicht, mit wel­chen Argu­men­ten sie sich gegen­über „den Gro­ßen“ behaup­ten sol­len, sodass in Stel­len­an­zei­gen mit übli­chen Phra­sen und Flos­keln gewor­ben wird. Doch was wäre, wenn sie ihre bestehen­den Mitarbeiter:innen fra­gen, war­um sie gen bei ihnen arbei­ten? Was sie antreibt, sich jeden Tag auf die Arbeit ein­zu­las­sen? Und, war­um nicht Bewerber:innen im nächs­ten Inter­view selbst fra­gen, wie sie sich ger­ne bewer­ben möch­ten? Viel­leicht ist der Tele­gram-Chat­bot dann doch nicht so gewollt, wie anfangs ange­nom­men.

 

Eine Kul­tur des Fra­gens und des Zuhö­rens kann lang­fris­tig zu bes­se­ren Ent­schei­dun­gen für alle Betei­lig­ten füh­ren. Es erfor­dert jedoch Mut zuzu­ge­ben, dass man nicht immer die per­fek­te Lösung parat hat. Genau dar­um geht es im nächs­ten Tipp:

3. Ungemütliche Probleme erfordern (vermeintlich) ungemütliche Handlungen

Der Fach­kräf­te­man­gel im Bereich der Pfle­ge ver­schärft sich zuneh­mend. Um die­sem Pro­blem ent­ge­gen­zu­wir­ken, müs­sen neben fai­re­ren Arbeits­be­din­gun­gen auch Maß­nah­men wie das „Abwer­ben“ von Pfle­ge­kräf­ten neu betrach­tet wer­den. Könn­te es als Gewinn auf Sys­tem­ebe­ne betrach­tet wer­den, wenn Pfle­ge­kräf­te von einem Arbeit­ge­ber zum ande­ren wech­seln, statt der Bran­che voll­stän­dig den Rücken zuzu­keh­ren? Eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung besteht in der Erstel­lung von Dienst- und Schicht­plä­nen, betont Anne. Wie kön­nen wir den zuneh­men­den Wunsch nach gere­gel­ten Arbeits­zei­ten und hoher Ver­ein­bar­keit von Frei­zeit und Arbeit mit der teil­wei­se noch sehr star­ren Schicht­pla­nung ver­ein­ba­ren? Wer in der Pfle­ge in 10 Jah­ren noch Per­so­nal fin­den möch­te, muss sich jetzt mit Lösun­gen für die­se und wei­te­re Fra­gen befas­sen. Mög­li­cher­wei­se erfor­dert dies die stär­ke­re Zusam­men­ar­beit ver­schie­de­ner Träger:innen, um gemein­sam krea­ti­ve Lösun­gen für gute Arbeits­be­din­gun­gen zu ent­wi­ckeln.

 

Aller­dings haben Syn­er­gien auch Gren­zen, die in der Aus­wahl und Gestal­tung von Koope­ra­tio­nen gewahrt wer­den müs­sen. Um die­se Gren­zen zu ken­nen, benö­tigt man ein soli­des Ver­ständ­nis der eige­nen Iden­ti­tät, auf das im nächs­ten Abschnitt ein­ge­gan­gen wird:

4. Immer wie­der mit dem Brenn­glas auf die eige­ne Iden­ti­tät schau­en

Arbeitgeber:innen soll­ten sich öfter die Fra­ge stel­len: „Wer bin ich? Was treibt uns an?“. Oft­mals wird bei der Gestal­tung von Leit­bil­dern zu stark die Per­spek­ti­ve von Leistungsempfänger:innen und Geldgeber:innen berück­sich­tigt, wäh­rend die Mitarbeiter:innen-Perspektive ver­nach­läs­sigt wird. Die eige­ne Iden­ti­tät als Orga­ni­sa­ti­on zu ken­nen und zu wah­ren ist jedoch essen­zi­ell, um zu wis­sen, wel­che Art von Mitarbeiter:innen man sucht und wel­che nicht. Wenn eine Orga­ni­sa­ti­on bei­spiels­wei­se Offen­heit und Lern­be­reit­schaft för­dert, muss sich dies auch in der Gestal­tung der Arbeits­zeit sowie aus­rei­chend Frei­raum für Fort- und Wei­ter­bil­dung wider­spie­geln. Glei­cher­ma­ßen wäre es pas­sen­der, anstatt den per­fek­ten Lebens­lauf von Bewerber:innen ein­zu­for­dern stär­ker auf die Lern- und Wei­ter­ent­wick­lungs­be­dürf­nis­se der Kandidat:innen zu schau­en.

Ein star­kes Arbeit­ge­ber­selbst­ver­ständ­nis kann daher sowohl bei der Bewerber:innenwahl Ori­en­tie­rung geben als auch kon­sis­ten­te­re Ent­schei­dun­gen im Arbeits­all­tag ermög­li­chen. Dazu gehört auch die Ent­schei­dung einer Kün­di­gung, über die in Orga­ni­sa­tio­nen noch viel zu zag­haft gespro­chen wird. Auch hier­zu hat die Exper­tin ein paar letz­te Tipps.

5. Lerne, wertschätzend loszulassen und im Guten auseinanderzugehen

In Zei­ten von Social Media und Online-Por­ta­len hat jeder Mit­ar­bei­ter und jede Mit­ar­bei­te­rin ein expo­nen­ti­ell wach­sen­des Netz­werk, das auch für Arbeitgeber:innen von Bedeu­tung ist. Daher ist es umso wich­ti­ger, dass Wert­schät­zung und Offen­heit nicht nur gegen­über poten­zi­el­len und aktu­el­len, son­dern auch ehe­ma­li­gen Mitarbeiter:innen gezeigt wird. Die Zei­ten, in denen Mitarbeiter:innen den ers­ten Job bis zur Ren­te behiel­ten, sind vor­bei. Auf die­se Ver­än­de­rung belei­digt oder mit ver­schlos­se­nen Türen zu reagie­ren, führt zu nichts oder scha­det sogar dem Image des Unter­neh­mens. Die inno­va­tivs­ten Reak­tio­nen auf Kün­di­gun­gen, die Anne in ihrer Kar­rie­re erlebt hat, waren:

  • ein Blu­men-Abo, das auch Mona­te nach dem Aus­tritt noch monat­lich für die groß­ar­ti­ge Arbeit dankt oder
  • eine Post­kar­te als unda­tier­ter Rück­fahr­schein, der herz­lich und krea­tiv die Opti­on einer Rück­kehr ins Unter­neh­men ermög­licht

PS: Hast Du eigent­lich gemerkt, dass wir in die­sem Bei­trag hier vom „Sie“ ins „Du“ über­ge­gan­gen sind? Wie hat sich das beim Lesen ange­fühlt?

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen: Sei­en Sie gut zu Ihren Mit­ar­bei­ten­den. Akti­vie­ren Sie sie für Ihre Akti­vi­tä­ten und fin­den Sie Freu­de dar­an, Her­aus­for­de­run­gen gemein­sam anzu­ge­hen. Dann wird gutes Employ­er Bran­ding nicht län­ger ein gefürch­te­tes Buz­zword sein, son­dern eine natür­li­che Kon­se­quenz eines wert­schät­zen­den und kol­la­bo­ra­ti­ven Mit­ein­an­ders.

 

Wer inten­si­ver in die The­men Mit­ar­bei­ten­den­ge­win­nung und ‑bin­dung ein­tau­chen möch­te, kann sich bis zum 2. Mai noch für Annes Semi­na­re Gesucht. Gefun­den! Trends und Pra­xis in Per­so­nal­mar­ke­ting und Recrui­ting und „Gefun­den. Gebun­den! Trends und Pra­xis in der Mitarbeiter:innen-Bindung am 11. Und 12. Mai 2023 in Ber­lin anmel­den.

 

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Text: Der Bei­trag wur­de von Tan­ja Tis­sen, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Dozen­tin an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie, im Inter­view mit Anne Engel­showe ver­fasst.

Foto: Anne Engel­showe

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April 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Was macht ein:e Sozialarbeiter:in in einer psychiatrischen Klinik?

Exkursion in das St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin Mitte

Wofür gibt es Sozia­le Arbeit im psych­ia­tri­schen Bereich? Das sol­len unse­re Stu­die­ren­den des Bache­lor­stu­di­en­gangs Sozia­le Arbeit genau­er erfah­ren. Im Febru­ar fand eine Exkur­si­on in die psych­ia­tri­sche Sta­ti­on der Uni­ver­si­täts­kli­nik Cha­ri­té im St. Hed­wig-Kran­ken­haus Ber­lin statt. Weit muss­ten die Stu­die­ren­den dafür nicht rei­sen. Denn die Kli­nik im denk­mal­ge­schütz­ten Bau befin­det sich im his­to­ri­schen Zen­trum von Ber­lin-Mit­te. Nur weni­ge Minu­ten zu Fuß von der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ent­fernt.

Heu­te, über 170 Jah­re nach­dem die ers­ten Patient:innen hier auf­ge­nom­men wur­den, arbei­ten im St. Hed­wig-Kran­ken­haus über 1400 Mitarbeiter:innen für sta­tio­nä­re oder ambu­lan­te Ver­sor­gung in unter­schied­li­chen Fach­dis­zi­pli­nen von Anäs­the­sie und Inten­siv­me­di­zin bis zur Vis­ze­ral­chir­ur­gie.

Die Stu­die­ren­den lern­ten an die­sem Tag die Abtei­lung für Psych­ia­trie ken­nen. Hier erhal­ten Men­schen, die eine psy­chi­sche Erkran­kung sowie eine zusätz­li­che Abhän­gig­keits­er­kran­kung haben, in einer auf „Psy­cho­se und Sucht“ spe­zia­li­sier­ten Tages­kli­nik unter­schied­li­che The­ra­pie­an­ge­bo­te. Mit Ein­zel­ge­sprä­chen und Grup­pen­the­ra­pien, Acht­sam­keits- und Bewe­gungs­trai­ning wer­den sie in der Tages­kli­nik und Ambu­lanz für Dop­pel­dia­gno­sen betreut. Die Student:innen der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie nah­men an einer exklu­si­ven Füh­rung und einem Fach­ge­spräch mit einer Sozi­al­ar­bei­te­rin vor Ort teil.

Wer arbeitet in der psychiatrischen Klinik?

Ein Team aus ca. acht Mitarbeiter:innen sind in der Tages­kli­nik ange­stellt. Es besteht aus Psycholog:innen, Ärzt:innen, einer Ergo- und einer Sport­the­ra­peu­tin, einer Sozi­al­ar­bei­te­rin sowie Praktikant:innen und Pflegeschüler:innen. Auch ein Sta­ti­ons­hund für die tier­ge­stütz­te The­ra­pie ist regel­mä­ßig für die Patient:innen da.

Wie läuft ein Tag in der Klinik für die Patient:innen ab?

Die Tages­kli­nik hat von 8 bis 16 Uhr geöff­net. Gestar­tet wird jeden Tag mit einem Tages­ein­klang. Das bedeu­tet eine Tas­se Kaf­fee, Tem­pe­ra­tur­mes­sung und der­zeit auch die Covid-Test-Kon­trol­le. Dann geht es laut Plan wei­ter mit einer Mor­gen­run­de und anschlie­ßen­den The­ra­pie­ein­hei­ten. Die Patient:innen kön­nen je nach Tages­pro­gramm zum Bei­spiel zwi­schen Ergo­the­ra­pie oder einer Grup­pen­the­ra­pie­sit­zung wäh­len. Es kann sich gemein­sam oder indi­vi­du­ell in Ent­span­nung, Sozi­al­kom­pe­tenz oder auch Kon­zen­tra­ti­on geübt wer­den.

Der Nach­mit­tag ist durch viel­fäl­ti­ges Pro­gramm gestal­tet. Außen­ak­ti­vi­tä­ten im Park, Licht­the­ra­pie, Zeich­nen oder all­tags­prak­ti­sches Trai­ning wer­den ange­bo­ten. Ein wich­ti­ger Bestand­teil sind die Tages- sowie Wochen­bi­lan­zen, die

in Gesprächs­grup­pen und Ein­zel­ge­sprä­chen gezo­gen wer­den.

Was sind die Aufgaben von Sozialarbeiter:innen im Bereich Psychiatrie?

Gespro­chen haben die Stu­die­ren­den mit einer Sozi­al­ar­bei­te­rin der Sta­ti­on. Sie erklärt, wie der Weg von der Dia­gno­se bis zum The­ra­pie­platz abläuft. Die Auf­nah­me von Patient:innen erfolgt ent­we­der direkt nach einem sta­tio­nä­rem Auf­ent­halt oder durch ärzt­li­che Über­wei­sung. Sozialarbeiter:innen unter­stüt­zen Per­so­nen mit Hil­fe­be­darf dabei, einen The­ra­pie­platz zu fin­den und zu bean­tra­gen. Sie hel­fen bei Leis­tungs­an­sprü­chen und bei der Orga­ni­sa­ti­on von wei­ter­füh­ren­den Hil­fen, wie medi­zi­ni­sche oder beruf­li­che Reha­bi­li­ta­ti­on.

„Sie sind Berater:innen für die ver­schie­de­nen Lebens­be­rei­che von finan­zi­el­len und beruf­li­chen The­men bis hin zur Gestal­tung der eige­nen Tages­struk­tur und sozia­len Bezie­hun­gen.“

so fasst Berit Kem­pe die Auf­ga­ben zusam­men. Die Dozen­tin für Sozi­al­me­di­zin und Public Health im Bache­lor Sozia­le Arbeit ist als Sozi­al­ar­bei­te­rin an der Psych­ia­tri­schen Sta­ti­on des Kran­ken­hau­ses tätig.

Der Rund­gang über die Sta­ti­on schloss mit einem Besuch des Offe­nen Ate­liers ab. Farb­tu­ben, Pin­sel und eine Viel­falt an kunst­the­ra­peu­ti­schen Mate­ria­len ste­hen hier an den ver­schie­de­nen Arbeits­plat­ten zur Ver­fü­gung. Kunst- und Hand­werks­the­ra­pie beglei­tet Men­schen in aku­ten Kri­sen und hilft ihnen bei der Inte­gra­ti­on des Erleb­ten.

Unse­re Stu­die­ren­den haben viel dar­über gelernt, was in einer psych­ia­tri­schen Tages­kli­nik alles pas­siert und wie ins­be­son­de­re die Arbeit im Sozi­al­dienst aus­sieht. Ob jemand von ihnen dazu inspi­riert wur­de, in die­ses Berufs­feld tie­fer ein­zu­stei­gen? Wir wer­den sie wei­ter auf ihrem Weg beglei­ten.

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Text & Fotos: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin: Kon­takt)

Foto: Can­va

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

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März 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Hochsensibilität im Berufsalltag

Und ihre Potenziale im Arbeitskontext

Vom Gefühl, sich nicht zurecht­zu­fin­den und ein­fach nicht rein­zu­pas­sen, war das Ver­hält­nis zur Arbeits­welt von Mar­tin Nevoigt lan­ge Zeit geprägt. Sozia­le Inter­ak­tio­nen wie Small Talk am Mit­tags­tisch oder unaus­ge­spro­che­ne Kon­flik­te im Team laug­ten ihn oft aus. Außer­dem hat­te er nie Inter­es­se an der vor­herr­schen­den Ellen­bo­gen­men­ta­li­tät: Kon­kur­renz­den­ken, Sta­tus­sym­bo­le oder das ewi­ge Schnel­ler-Höher-Wei­ter. „Mich beweg­te vor allem der tie­fe­re Sinn hin­ter allem und wie ech­te Begeis­te­rung und inne­re Moti­va­ti­on dafür ent­fal­tet wer­den kann.“ erin­nert er sich. Wir haben ihm eini­ge Fra­gen zu sei­nem Wer­de­gang gestellt.

Mar­tin Nevoigt ist heu­te Geschäfts­füh­rer einer gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­ti­on und sys­te­mi­scher Coach im Bereich Hoch­sen­si­bi­li­tät, men­schen­zen­trier­tes Arbei­ten (New Work) und sen­si­bles bezie­hungs­wei­se empa­thi­sches Unter­neh­mer­tum. Er ist außer­dem als Dozent und Autor tätig. In sei­ner Arbeit geht es häu­fig um selbst­be­stimm­te Arbeits­struk­tu­ren und einen guten Umgang mit den eige­nen Res­sour­cen und Poten­zia­len.

Vor 10 Jah­ren begann er, sich ein­ge­hend mit sei­ner eige­nen Hoch­sen­si­bi­li­tät und neu­en Arbeits­an­sät­zen zu beschäf­tig­ten. Dann ergab vie­les plötz­lich Sinn. Er gewann Akzep­tanz für sich selbst. Dar­aus ent­stand die Kraft, sein Leben und Arbei­ten nach sei­nen Wer­ten und Bedürf­nis­sen zu gestal­ten.

Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?

Nevoigts Klient:innen sind haupt­säch­lich Unternehmer:innen, Selb­stän­di­ge und Per­so­nen mit einer sehr aus­ge­präg­ten Empa­thie und Sen­si­bi­li­tät.

„Laut psy­cho­lo­gi­schen For­schun­gen sind etwa 15–20 Pro­zent der Bevöl­ke­rung hoch­sen­si­bel. Das bedeu­tet, dass ihr Ner­ven­sys­tem über die Sin­nes­or­ga­ne deut­lich mehr und fei­ner Rei­ze und Infor­ma­tio­nen auf­nimmt und die­se auch län­ger und inten­si­ver im Gehirn ver­ar­bei­tet als nor­mal­sen­si­ble Men­schen.“

In all­täg­li­chen Situa­tio­nen kann das ziem­lich her­aus­for­dernd sein. Die Reiz­über­flu­tung kann zu einer gro­ßen Erschöp­fung und schließ­lich einem sozia­len Rück­zug füh­ren. Auch die zwi­schen­mensch­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on kann mit­un­ter schwie­rig sein, weil die hoch­sen­si­ble Reiz­ver­ar­bei­tung häu­fig auf Details oder Nuan­cen fokus­siert. Das kann schnell zu Miss­ver­ständ-nis­sen füh­ren. Vie­le Hoch­sen­si­ble zwei­feln dann an sich und ihrer fei­nen Wahr­neh­mung. Sie den­ken oft, nicht „hart“ oder stark genug für eine Selb­stän­dig­keit oder Füh­rungs­po­si­ti­on zu sein. Doch die­sem Glau­bens­satz wider­spricht der erfah­re­ne Coach für hoch­sen­si­ble Per­so­nen (kurz: HSP).

Hochsensibilität – Laster oder Potenzial?

In der Hoch­sen­si­bi­li­tät ste­cken gro­ße Poten­zia­le, so der Exper­te. Zum Bei­spiel eine aus­ge­präg­te Gewis­sen­haft-igkeit, Detail­ver­liebt­heit und star­ke zwi­schen­mensch­li­che Kom­pe­ten­zen, wie Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und eine gute Intui­ti­on.

„Hier fehlt es oft an einem tra­gen­den (Selbst-)Bewusstsein für die­se wert­vol­len Poten­zia­le und Mög­lich­kei­ten, die hoch­sen­si­ble und »lei­se« Wesens­zü­ge auf­wei­sen – für sich selbst und die Gesell­schaft. Es geht auch dar­um, zu erken­nen, dass inne­re Stär­ke nicht ent­steht, wenn wir hart zu uns sind, son­dern indem wir auch in schwie­ri­gen Pha­sen gut für uns sor­gen.“

Wenn Arbeitgeber:innen und Füh­rungs­kräf­te die wert­vol­len Bega­bun­gen und spe­zi­el­len Bedürf­nis­se von Hoch­sen­si­blen erken­nen und för­dern, kommt dies der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on zugu­te. Denn im rich­ti­gen Umfeld sind Hoch­sen­si­ble abso­lu­te Team­play­er, han­deln sehr loy­al und selbst­ver­ant­wort­lich, haben hohe mora­li­sche Wer­te und aus­ge­präg­te sozia­le Kom­pe­ten­zen. Außer­dem kön­nen sie häu­fig kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge intui­tiv erken­nen und gehen mit gro­ßer Sorg­falt und Tief­grün­dig­keit vor.

Wie können Arbeitsstrukturen so gestaltet werden, dass sie für hochsensible Menschen funktionieren?

„Die Arbeits­wei­se ist oft eine ande­re, als der typi­sche Büro­all­tag als Ange­stell­ter es zulässt. Zum Bei­spiel kön­nen vie­le Hoch­sen­si­ble in kür­zes­ter Zeit sehr inten­siv und effek­tiv arbei­ten, weil das ihrer kom­ple­xen Reiz­ver­ar­bei­tung ent­spricht, brau­chen dazwi­schen aber häu­fi­ger Pau­sen und Ruhe zum Ent­span­nen und Rege­ne­rie­ren. Mit zeit­lich

eng getak­te­ten Arbeits­ta­gen oder lau­ten und vol­len Büro­räu­men funk­tio­niert das nicht. Hier wären zum Bei­spiel Ruhe­räu­me, selbst­ver­ant­wort­li­che Arbeits­zei­ten oder bestimm­te Tage im Home Office gute Mög­lich­kei­ten.“ So Nevoigt. Wenn hoch­sen­si­ble Mitarbeiter:innen einen tie­fe­ren Sinn in ihren Auf­ga­ben und Tätig­keits­fel­dern sehen und die Unter­neh­mens­zie­le ihren Wer­ten ent­spre­chen, brin­gen sie sich enorm ein, weiß er.

Sind Unternehmen offen für ein Umdenken und ein daraus folgendes Umstrukturieren? Wie kann Vorbehalten entgegnet werden?

Ja, der HSP-Coach kann ein all­mäh­li­ches Umden­ken beob­ach­ten. Tech­ni­sche und digi­ta­le Ent­wick­lun­gen tra­gen zu die­sem Wan­del bei. Die Digi­ta­li­sie­rung oder die Coro­na-Pan­de­mie haben Home­of­fice oder Remo­te Work als Optio­nen nor­ma­li­siert.

Nevoigt ist über­zeugt, dass die „klas­sisch hier­ar­chi­sche Arbeits­welt der Fabri­ken, wo ein Vor­ge­setz­ter plant und alle ande­ren aus­füh­ren“ über­holt ist. Abge­löst wer­den soll­te die­ses Modell durch „ein netz­wer­ken­des Zusam­men-arbei­ten auf Augen­hö­he, wo Men­schen ihre Ideen, Inter­es­sen, Exper­ti­sen und Erfah­run­gen ein­brin­gen. So kann eine Art orga­ni­sa­to­ri­sches Bio­top ent­ste­hen, in wel­chem ein sinn­vol­ler Mehr­wert und span­nen­de Ansät­ze gedei­hen. Hoch­sen­si­ble und empa­thi­sche Men­schen gewin­nen dadurch an per­sön­li­chem Gestal­tungs­raum und kön­nen frei­er arbei­ten. Sie kön­nen sogar zu Vorreiter:innen wer­den. Das möch­te der Bera­ter für hoch­sen­si­ble Unternehmer:innen und Füh­rungs­kräf­te ver­mit­teln.

Können dadurch bessere Ergebnisse erzielt werden?

Geht durch Umstel­lung auf neue Arbeits­struk­tu­ren nicht auch ein gewis­ses Maß an Effi­zi­enz ver­lo­ren? Die­se Sor­ge stammt laut Nevoigt aus einem „indus­tri­el­len Men­schen­bild“. Arbeits­kräf­te sol­len hier streng und kon­trol­lie­rend geführt wer­den. Füh­rungs­kräf­te müs­sen alles wis­sen und feh­ler­frei mana­gen. „Das erzeugt auf allen Ebe­nen enor­men Druck und ein demo­ti­vie­ren­des Kli­ma der Angst und Kon­trol­le.“ Und auch am Ver­trau­en in die eige­ne Wirk­kraft feh­le es dann.

Wer hin­ge­gen authen­tisch agie­ren kann, weil ein ver­trau­ens­vol­les Men­schen­bild vor­herrscht, erzielt span­nen­de­re Ergeb­nis­se. Nicht nur, neh­men Men­schen schwie­ri­ge Her­aus­for­de­run­gen eher an, wenn sie die­se für sinn­voll und wert­voll erach­ten (intrin­si­sche Moti­va­ti­on). Auch für alle ande­ren Mit­wir­ken­den kann sich eine ech­te Befrei­ung ein­stel­len. Davon, sich nicht mehr hin­ter einer „pro­fes­sio­nel­len Mas­ke des All­wis­sen­den und Unfehl­ba­ren ver­ste­cken zu müs­sen.“ Das soge­nann­te „Mas­king“ raubt Ener­gie und Res­sour­cen, die an ande­rer Stel­le sinn­vol­ler ein­ge­setzt wer­den kön­nen.

Sol­che Ver­än­de­run­gen ent­fal­ten gera­de für hoch­sen­si­ble Men­schen vie­le bis dahin unent­deck­te Mög­lich­kei­ten, stellt Nevoigt in sei­nen Coa­chings immer wie­der fest. Sinn­lo­se Tätig­kei­ten, Ängs­te, sozia­ler Druck und frü­he­re Abwer­tun­gen ent­mu­ti­gen Men­schen. Sie füh­len sich blo­ckiert. Mar­tin Nevoigt hilft die­sen Men­schen dabei, sich die­se Blo­cka­den bewusst zu machen und sie abzu­le­gen. Im Ergeb­nis gehen Men­schen danach sehr viel zuver­sicht­li­cher und enga­gier­ter vor. Dazu gehört auch, eine sinn­vol­le Abgren­zung zu ent­wi­ckeln und häu­fi­ger mal „Nein“ zu sagen.

„Men­schen sind nicht faul, sie sind nur blo­ckiert und ent­mu­tigt.

Sei­ne Tipps und Metho­den gibt Mar­tin Nevoigt in Grup­pen-Work­shops auch an die Stu­die­ren­den im Mas­ter Sozi­al­ma­nage­ment der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin wei­ter. Zum Semes­ter­be­ginn 2022 dreh­te sich dabei alles um das The­ma Net­wor­king. Wie intro­ver­tier­te und hoch­sen­si­ble Per­so­nen erfolg­reich Net­wor­king betrei­ben kön­nen, hat er uns im Inter­view beant­wor­tet: zum Inter­view.

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Das Inter­view mit HSP-Coach Mar­tin Nevoigt (Web­sei­te) zum The­ma Hoch­sen­si­bi­li­tät im Berufs­all­tag und die redak­tio­nel­le Ver­ar­bei­tung erfolg­te durch Julia Mann (Mit­ar­bei­te­rin Mar­ke­ting Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin: Kon­takt).

Foto: Syl­via John

Hoch­sen­si­bi­li­tät im beruf­li­chen Kon­text sozia­ler Arbeit

Semi­nar mit Mar­tin Nevoigt

15. Juni 2023

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­ein­hei­ten

Start: 1. Okto­ber 2023

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Fern­stu­di­en­gang

Start: 16. Okto­ber 2023

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März 2023 | Orga­ni­sa­ti­on & Ent­wick­lung

Workshop über das systemische Konzept der „neuen Autorität“ in der Sozialen Arbeit

„Um ein Kind zu erzie­hen, braucht es ein gan­zes Dorf“ wirft die Trai­ne­rin und Sozi­al­ar­bei­te­rin Mag­da­le­na Kur­de in die Teil­neh­mer­run­de – und führt damit in einen zen­tra­len Gedan­ken des Kon­zepts „neue Auto­ri­tät“ ein. Dar­in spie­len Prä­senz (oder „wach­sa­me Sor­ge“) und ein Netz­werk an Bezugs­per­so­nen und Pro­fes­sio­nel­len eine zen­tra­le Rol­le, damit die Arbeit mit Kin­dern und Jugend­li­chen nach­hal­ti­ge Wirk­sam­keit ent­fal­ten kann. Ent­wi­ckelt wur­de die „neue Auto­ri­tät“ von Haim Omer, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Kli­ni­sche Psy­cho­lo­gie an der Tel Aviv Uni­ver­si­ty.

Die Teil­neh­men­den des Semi­nars „Sozia­le Bil­dungs­ar­beit“ an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie in Koope­ra­ti­on mit der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik unter Lei­tung von Prof. Dr. Tan­ja Sei­der dis­ku­tier­ten in einem Work­shop eige­ne Vor­stel­lun­gen von posi­ti­ver und nega­ti­ver Auto­ri­tät und erprob­ten dar­an anschlie­ßend Metho­den für eine posi­ti­ve und dees­ka­lie­ren­de Bezie­hungs­ge­stal­tung in Kon­flik­ten. Frau Kur­de, die Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin an einer Ber­li­ner Grund­schu­le ist, berich­te­te dabei auch aus ihrer schu­li­schen All­tags­pra­xis: „Neue Auto­ri­tät trägt dazu bei, dass Kin­der die Schu­le als einen siche­ren Ort erle­ben, an dem sie sich ent­fal­ten kön­nen.“ Ihr per­sön­li­cher Zugang sei es aber auch, die Schüler*innen am Beginn des Schul­tags stets mit zusätz­li­chem „Glit­zer“ im Schul­all­tag will­kom­men zu hei­ßen. 

Der Theo­rie-Pra­xis- Work­shop war für die unter­schied­li­chen Arbeits­fel­der der Teil­neh­men­den aus der Kin­der- und Jugend­hil­fe von Inter­es­se, um kon­flikt­rei­che All­tags­si­tua­ti­on aus der Berufs­pra­xis auf der Grund­la­ge die­ses Kon­zepts zu reflek­tie­ren.

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Text: Prof. Dr. Tan­ja Sei­der

Foto: Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin

Hier geht es zum Ori­gi­nal­bei­trag auf der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik (HSAP).

Im berufs­be­glei­ten­den Stu­di­um der Sozia­len Arbeit (B.A.) mit Prä­senz­ein­hei­ten an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin unter­rich­tet die Dozen­tin Prof. Dr. Tan­ja Sei­der Sozia­le Bil­dungs­ar­beit. Der Stu­di­en­gang ist eine Koope­ra­ti­on zwi­schen der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik und der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Der nächs­te Stu­di­en­gang star­tet im Okto­ber 2023.

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Stu­di­en­gang

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­ein­hei­ten

Nächs­ter Start­ter­min: 1. Okto­ber 2023

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Neue Erkenntnisse zum Messie-Syndrom

Vero­ni­ka Schrö­ter forscht und arbei­tet seit vie­len Jah­ren zum Mes­sie-Syn­drom. Die Bezeich­nung „Mes­sie-Syn­drom“ ist aller­dings ein Über­be­griff. Bis­her wur­de nicht klar zwi­schen den ver­schie­de­nen Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien unter­schie­den. Dabei müs­sen sie in ihrer Sym­pto­ma­tik, Behand­lungs­form und Ursa­chen klar von­ein­an­der dif­fe­ren­ziert wer­den.

Teil 1: Definition und Krankheitsbild

Um in der sozia­len Arbeit mit vom Mes­sie-Syn­drom betrof­fe­nen Men­schen umge­hen zu kön­nen, muss zunächst ein Ver­ständ­nis dar­über herr­schen, wor­um es sich bei dem Syn­drom han­delt. In der For­schung gab es in den letz­ten

Jahr­zehn­ten lan­ge kei­ne kla­re Ant­wort dar­auf. Ange­nom­men wur­de unter ande­rem, dass es sich um ein Sym­ptom einer ande­ren zugrun­de­lie­gen­den psy­chi­schen Erkran­kung han­deln könn­te. Ver­mu­tet wur­de mög­li­cher­wei­se eine Zwangs- oder Sucht­er­kran­kung, die ent­spre­chend the­ra­piert wer­den müs­se. Nun gibt es neue Erkennt­nis­se, über die wir mit Vero­ni­ka Schrö­ter gespro­chen haben. Seit mehr als 20 Jah­ren arbei­tet sie mit vom Mes­sie-Syn­drom

betrof­fe­nen Men­schen und hat unter­sucht, was genau dahin­ter­steckt.

Nach den For­schungs­er­geb­nis­sen einer von ihr durch­ge­führ­ten Stu­die im Jahr 2022 wird deut­lich: Es han­delt sich beim soge­nann­ten patho­lo­gi­schen Hor­ten um eine eigen­stän­di­ge Krank­heit (ICD-11). Schrö­ters Arbei­ten zei­gen auch: es gibt nicht „das“ Mes­sie-Syn­drom, son­dern unter­schied­li­che Aus­prä­gungs­for­men mit eige­nen Merk­ma­len. Das Mes­sie-Syn­drom ist dem­nach als ein Über­be­griff zu ver­ste­hen.

An der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ebert führ­te sie eine Stu­die durch, in der das Krank­heits­bild „Mes­sie-Syn­drom“ näher defi­niert wur­de. Die Annah­me, dem Mes­sie-Syn­drom lie­ge eine ande­re psy­chi­sche Krank­heit (z. B. eine Zwangs­stö­rung) zugrun­de, konn­te in der Stu­die nicht bestä­tigt wer­den. Bestimm­te Bin­dungs­er­fah­run­gen, vor allem in der frü­hen Kind­heit lie­gend, füh­ren zu der Erkran­kung.

Die Annah­me, dem Mes­sie-Syn­drom lie­ge eine ande­re psy­chi­sche Krank­heit (z. B. eine Zwangs­stö­rung) zugrun­de, konn­te in der Stu­die nicht bestä­tigt wer­den.

Doch gren­zen wir das Phä­no­men zunächst ein: Von Klei­dung über Zeit­schrif­ten bis hin zu elek­tro­ni­schen Gerä­ten wie alte Han­dys und Co. – In der heu­ti­gen Kon­sum­ge­sell­schaft pas­siert es nicht sel­ten, dass sich Din­ge anhäu­fen, Schub­la­den und Schrän­ke regel­recht „über­quel­len“. Ab wann wird von einem Mes­sie-Syn­drom gespro­chen?

Laut Vero­ni­ka Schrö­ter ist dann vom Mes­sie-Syn­drom die Rede, wenn sich Sachen in einer Art und Wei­se sta­peln, sodass Betrof­fe­ne damit eine tat­säch­li­che Lebens­ein­schrän­kung erfah­ren. Eine Ein­schrän­kung kann zum Bei­spiel

dar­in bestehen, kei­ne Men­schen mehr zu sich ein­la­den zu kön­nen. Nicht nur wich­ti­ge sozia­le Kon­tak­te haben dann kei­nen Zugang mehr zu der betrof­fe­nen Per­son. Auch Sozialpädagog:innen oder Therapeut:innen und Pfle­ge­kräf­te kön­nen nicht mehr an die Betrof­fe­nen (wort­wört­lich) her­an­kom­men, um zu hel­fen.

Schrö­ter defi­niert drei Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien, die getrennt von­ein­an­der betrach­tet wer­den müs­sen.

Der ers­te Typus ist das patho­lo­gi­sche Hor­ten. Hier ist die Haupt­sym­pto­ma­tik, dass sich Men­schen von ihren Din­gen nicht mehr tren­nen kön­nen. „Das ist tro­cken. Da riecht und krab­belt auch nichts.“ merkt die Co-Autorin der Stu­die an. Zuvor wur­de das Sam­meln bzw. Hor­ten nicht von ande­ren Sym­pto­ma­ti­ken wie dem unhy­gie­ni­schen Wohn­si­tua­tio­nen oder der gar nach­läs­si­ger Kör­per­pfle­ge unter­schie­den. Das patho­lo­gi­sche Hor­ten hat jedoch

eine voll­stän­dig ande­re Ursa­chen­her­kunft als zuletzt genann­te.

Beim soge­nann­ten „Ver­mül­lungs­syn­drom“ gibt es im Gegen­satz zum ers­ten Typus auch Geruchs­bil­dung. Dies geschieht auf­grund einer Herd­ent­wick­lung unter den Sta­peln in der Woh­nung. Im Unter­schied zum patho­lo­gi­schen Hor­ten kann es hier laut Schrö­ter „auch zu Feuch­tig­keit und Schim­mel­bil­dung im Haus­halt kom­men.“

Dann gibt es noch eine drit­te Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gie. Die­se nennt sie das „Ver­wahr­lo­sungs­syn­drom“. Die The­ra­peu­tin beschreibt es so: „An die­sen Men­schen ist erkenn­bar, dass sie aus einem gesell­schaft­li­chen Kon­sens aus­ge­stie­gen sind.“ Damit meint sie all­ge­mein exis­tie­ren­de Über­ein­kunft, gepflegt aus dem Haus zu gehen. Der Hin­ter­grund ursäch­li­cher Art unter­schei­det sich hier grund­sätz­lich von den ande­ren Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien. Näm­lich die Tat­sa­che, dass die­se Men­schen an einer Bedeu­tungs- sowie Sinn­lo­sig­keit lei­den.

Zusam­men­ge­fasst gibt drei ver­schie­de­ne­ne Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien:

  • Das Patho­lo­gi­sche Hor­ten
  • Das Ver­mül­lungs­syn­drom
  • Das Ver­wahr­lo­sungs­syn­drom

Nicht nur in ihren Ursa­chen, auch in ihren Rechts­grund­la­gen unter­schei­den sie sich von­ein­an­der. So gibt es tat­säch­lich ein „Recht auf Ver­wahr­lo­sung“ . Bei „Ver­mül­lung“ ist das jedoch nicht der Fall. Hier muss auf der Rechts­grund­la­ge von Selbst- und Fremd­ge­fähr­dung gehan­delt und dar­auf­hin in den Wohn­raum ein­ge­grif­fen wer­den. Wich­tig ist der Mes­sie-Exper­tin aber, dass dies mit Wür­de geschieht. Wie man das umset­zen kann, ist lern­bar. Zum Bei­spiel bei ihr. Fach­kräf­ten der sozia­len Arbeit ver­mit­telt sie Grund­la­gen­wis­sen, unter­stützt als Coa­chin und Super­vi­so­rin sowie bei der Kon­zept­ent­wick­lung in ihren Ein­rich­tun­gen. Ihr Ziel: Das alle Mitarbeiter:innen das not­wen­di­ge Wis­sen und Hand­werk erhal­ten, um Mes­sie-Betrof­fe­ne auf glei­cher Ebe­ne beglei­ten zu kön­nen.

Wir möch­ten in Fol­ge­bei­trä­gen auf die Ursa­chen, Sym­pto­ma­tik, Behand­lungs­an­sät­ze der drei Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien näher ein­ge­hen. Die­se wer­den im Lau­fe des Jah­res in unse­rem Online-Maga­zin erschei­nen. Hier geht es zum Bei­trag über das Patho­lo­gi­sche Hor­ten in Abgren­zung zum Ver­mül­lungs­syn­drom.

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Vero­ni­ka Schrö­ter ist Grün­de­rin des Mes­sie-Kom­pe­tenz- Zen­trums in Stutt­gart und bil­det bun­des­weit Fach­kräf­te und Ein­rich­tun­gen in der Arbeit mit Betrof­fe­nen aus. Erfah­ren hier Sie mehr über die Semi­nar an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin.

Im Semi­nar Das Mes­sie-Syn­drom. Umgang mit Men­schen, die dau­er­haft im Cha­os leben. schult die Mes­sie-Exper­tin Fach­kräf­te dar­in, den typi­schen Her­aus­for­de­run­gen in der Arbeit mit Betrof­fe­nen auf pro­fes­sio­nel­le Wei­se gelas­sen und erfolg­reich zu begeg­nen. Im Jahr 2023 wird das Semi­nar im April sowie im Okto­ber ange­bo­ten.

Foto: Vero­ni­ka Schrö­ter

Bezie­hungs­dy­na­mik bei psy­chi­schen Stö­run­gen

Semi­nar

mit Dr. phil. Syl­via Sie­gel

27. Sep­tem­ber 2023 – 28. Sep­tem­ber 2023

Das Mes­sie-Syn­drom. Umgang mit Men­schen, die dau­er­haft im Cha­os leben.

Semi­nar

mit Vero­ni­ka Schrö­ter

19. April 2023 – 20. April 2023

Hand­lungs­stra­te­gien in der Arbeit mit psy­chisch kran­ken Men­schen

Semi­nar

mit Uta Rau­ten­strauch

28. Sep­tem­ber 2023 – 29. Sep­tem­ber 2023

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Novem­ber 2022 | Manage­ment

Interview mit Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner

Eine Fach­kraft, die sich am Arbeits­platz wohl­fühlt, ist moti­vier­ter und enga­gier­ter. So hat die inter­ne Team­kul­tur einen bedeu­ten­den Ein­fluss auf die Leis­tung der Mit­ar­bei­ten­den und natür­lich dar­auf, ob sie lang­fris­tig im Arbeits­platz blei­ben. Ein gutes Mit­ein­an­der unter Kolleg:innen ist nicht nur gut fürs Arbeits­kli­ma. Es wirkt sich zudem auch posi­tiv auf die Patient:innen bzw. Klient:innen aus.

Elke Katha­ri­na Mey­er und Tho­mas Achim Wer­ner haben es sich zur Auf­ga­be gemacht, Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie in die Sozi­al­wirt­schaft zu brin­gen. Sie beglei­ten Füh­rungs­kräf­te dabei, die­sen Ansatz in ihrer Ein­rich­tung zu inte­grie­ren. Im Inter­view spre­chen wir mit ihnen über ihre Erfah­rung als Berater:innen in sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen und wel­che dort noch vor­herr­schen­den Glau­bens­sät­ze zum Bei­spiel nicht mehr funk­tio­nie­ren.

Herr Wer­ner, Sie kom­men aus dem Bank­we­sen. Frau Mey­er, Sie aus der Erwach­se­nen­bil­dung. Ist Füh­rung in sozia­len Ein­rich­tun­gen ein aktu­el­les The­ma und gibt es hier die­sel­ben typi­schen Pro­ble­me wie in ande­ren Bran­chen? Wie ent­stand die Idee für einen Zer­ti­fi­kats­kurs zu Posi­ti­ver Füh­rung?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung ist ein aktu­el­les The­ma, das in allen Bran­chen hel­fen kann, Men­schen für zukünf­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen zu stär­ken. In der Sozi­al­wirt­schaft gibt es aller­dings beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen.

Zum einen zei­gen Unter­su­chun­gen, dass die wahr­ge­nom­me­ne Qua­li­tät der Füh­rung in der Sozi­al­wirt­schaft gerin­ger ist als in vie­len ande­ren Bran­chen. Hier wird viel Auf­merk­sam­keit auf die begüns­tig­ten Men­schen (Patient:innen / Kund:innen / Teil­neh­men­de) gerich­tet, aber oft zu wenig auf die hier arbei­ten­den Men­schen.

Zum ande­ren ist es vor dem Hin­ter­grund des Fach­kräf­te­man­gels ins­be­son­de­re in der Sozi­al­wirt­schaft wich­tig, attrak­ti­ve Arbeits­be­din­gun­gen zu bie­ten, um als Arbeit­ge­ber Mit­ar­bei­ten­de zu gewin­nen und zu hal­ten.

Füh­rungs­kräf­ten kommt dabei eine beson­de­re Stel­lung zu. Es ist nach­ge­wie­sen, dass Mit­ar­bei­ten­de, die das Unter­neh­men ver­las­sen, pri­mär ihre direk­ten Vor­ge­setz­ten und nicht das Unter­neh­men als Gan­zes ver­las­sen. Als Vor­bil­der sind Füh­rungs­kräf­te die direk­te Schnitt­stel­le zwi­schen Unter­neh­men und Mensch, sie tra­gen wesent­lich zum Team­kli­ma und der Kul­tur des Mit­ein­an­ders bei. Oft ist ihnen gar nicht im vol­len Umfang bewusst, dass sie in jedem Moment und mit jedem Ver­hal­ten bewusst und unbe­wusst als Modell wahr­ge­nom­men wer­den.

Dar­um ist es wich­tig, Füh­rungs­kräf­te bewusst dar­in zu schu­len, wel­che Wir­kung sie im Team haben und wie sie ganz bewusst eine för­der­li­che Füh­rungs­kul­tur schaf­fen kön­nen. Dabei geht es nicht nur um erlern­ba­res Ver­hal­ten, wie z. B. ein Gespräch nach einem bestimm­ten Leit­fa­den zu füh­ren. Es geht auch um die inne­re Hal­tung, die eine Füh­rungs­kraft gegen­über ihren Mit­ar­bei­ten­den oder einer Situa­ti­on ein­nimmt. Dafür haben wir den Zer­ti­fi­kats­kurs Posi­ti­ve Füh­rung ent­wi­ckelt.

Es ist nach­ge­wie­sen, dass Mit­ar­bei­ten­de, die das Unter­neh­men ver­las­sen, pri­mär ihre direk­ten Vor­ge­setz­ten und nicht das Unter­neh­men als Gan­zes ver­las­sen.

Wel­che Chan­ce sehen Sie in der Zusam­men­ar­beit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung ist noch recht neu und wur­de in den letz­ten Jah­ren von eini­gen inno­va­ti­ven Unter­neh­men mit sicht­ba­ren Ergeb­nis­sen imple­men­tiert. Mit die­sem Kurs wol­len wir die kräf­ti­gen­de Wir­kung der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie stär­ker auch in die Sozi­al­un­ter­neh­men brin­gen, so dass auch hier Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ten­de von den neu­es­ten Erkennt­nis­sen der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie pro­fi­tie­ren kön­nen.

Gera­de in die­ser Bran­che sind die Men­schen emo­tio­nal beson­ders gefor­dert und arbei­ten oft an ihrem Limit. Es ist uns nicht nur eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit, die­se Men­schen in ihrem Selbst­ma­nage­ment, ihrer Resi­li­enz und ihrem Mit­ein­an­der zu för­dern. Es ist auch eine gesell­schaft­li­che Not­wen­dig­keit, dass die­se Men­schen auch zukünf­tig ihren wert­vol­len Job aus­füh­ren kön­nen.

Durch geleb­te und umge­setz­te Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie wird sowohl das Arbeits­le­ben für die Füh­rungs­kräf­te als auch die Mit­ar­bei­ten­den ver­bes­sert. Ers­te For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen, dass das auch posi­tiv auf die Kund:innen / Patient:innen wirkt.

Über die Zusam­men­ar­beit mit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie möch­ten wir die wert­vol­len Erkennt­nis­se der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie auch den Betrie­ben der Gesund­heits- und Sozi­al­wirt­schaft näher­brin­gen. Das bie­tet auch klei­ne­ren Trä­gern, die (noch) kei­ne struk­tu­rier­te Füh­rungs­kräf­t­ent­wick­lung haben, die Mög­lich­keit, ihre Füh­rungs­kräf­te zu ver­tret­ba­ren Kos­ten zu ent­wi­ckeln.

Was sind die Schwer­punk­te und Stär­ken des Ansat­zes Posi­ti­ve Füh­rung?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung basiert auf den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie. Die­se befasst sich im Kern damit, wie ein erfüll­tes Leben gelin­gen kann und was dazu bei­trägt. Also weg vom Pro­blem­fo­kus hin zu Wachs­tum und Ent­fal­tung.

Für die Füh­rung bedeu­tet das, das Wert­vol­le und Gute zu erken­nen und zu stär­ken, anstatt nur Pro­ble­me zu besei­ti­gen. Wir igno­rie­ren Stö­run­gen und Schwä­chen nicht, aber beschrän­ken uns nicht auf die nega­ti­ve Abwei­chung, son­dern suchen bewusst die posi­ti­ven Abwei­chun­gen. Damit len­ken wir unse­re Ener­gie und Auf­merk­sam­keit auf die Bau­stei­ne, aus denen die Lösun­gen gestal­tet wer­den. Alle Model­le und Inter­ven­tio­nen haben eine wis­sen­schaft­li­che Basis mit nach­ge­wie­se­ner Wirk­sam­keit.

Neue­re Ansät­ze wie New Work und Agi­li­tät ver­lan­gen von den Men­schen viel Fle­xi­bi­li­tät und Ent­wick­lungs­be­reit­schaft. Mit der Posi­ti­ven Füh­rung stär­ken wir die Men­schen von innen her­aus, die Zukunft kraft­voll und zuver­sicht­lich zu gestal­ten.

Sie arbei­ten mit wis­sen­schaft­li­chen Model­len wie dem PER­MA-Modell. Woher kommt das und auf wel­chen Erkennt­nis­sen beruht es?

Mey­er & Wer­ner: Das PER­MA-Modell wur­de 2011 von Mar­tin Selig­man vor­ge­stellt, um die Ele­men­te von „Flou­ris­hing“, also einem gelin­gen­den Leben, struk­tu­riert und ver­ständ­lich dar­zu­stel­len. Es ist inzwi­schen gut erforscht und – im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Model­len – leicht zu ver­mit­teln. Es bie­tet für unse­re Trai­nings einen

wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten und zugleich sehr pra­xis­ori­en­tier­ten Rah­men, um die Kern­in­hal­te der Posi­ti­ven Füh­rung lebens­nah zu ver­mit­teln.

Das PER­MA-Modell besteht aus 5 Ele­men­ten, die mit wis­sen­schaft­li­chen Ver­fah­ren mess­bar sind. Zugleich sind alle 5 Ele­men­te gut trai­nier­bar.

P – Posi­ti­ve Emo­tio­nen – Die For­schun­gen von Bar­ba­ra Fred­rick­son über posi­ti­ve Emo­tio­nen bezeich­net sie

selbst als „Schatz­tru­he der Mensch­heit“. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te die­se bei sich selbst und bei ihren

Mitarbeiter:innen aktiv anre­gen?

E – Enga­ge­ment – Die Stär­ken­for­schung ist – im Gegen­satz zur Defi­zit­ori­en­tie­rung der letz­ten Jahr­zehn­te – ein

ori­gi­nä­res For­schungs­feld der Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te Stär­ken und

Eigen­ver­ant­wor­tung för­dern?

R – Rela­ti­onship – Als sozia­le Wesen ist für uns das wert­schät­zen­de und ver­trau­ens­vol­le Mit­ein­an­der

wesent­lich für Zufrie­den­heit, Leis­tungs­fä­hig­keit und Gesund­heit. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te stär­ken­de

Arbeits­be­zie­hun­gen gestal­ten?

M – Mea­ning – Die Quel­le der Moti­va­ti­on ist das Wis­sen, war­um wir etwas tun. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te das

Bewusst­sein für das „War­um“ auf ver­schie­de­nen Ebe­nen schär­fen?

A – Accom­plish­ment – Die Freu­de dar­an, Din­ge zu schaf­fen und Zie­le zu errei­chen, stärkt Selbst­be­wusst­sein

und Mut. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te Zie­le setz­ten und Erreich­tes sicht­bar machen?

Die PER­MA-Modell wur­de gera­de im Füh­rungs­kon­text (genannt „Posi­ti­ve Lea­der­ship“) in den letz­ten Jah­ren im deutsch­spra­chi­gen Raum von unse­rem Kol­le­gen Mar­kus Ebner inten­siv erforscht. Die dar­aus resul­tie­ren­den sehr über­zeu­gen­den Ergeb­nis­se stel­len ein Rah­men­werk für unse­ren Kul­tur­kreis dar. Wir als Trai­ner fun­gie­ren als Brü­cke

zwi­schen Wis­sen­schaft und Unter­neh­men. Aus den For­schungs-Ergeb­nis­se bil­den wir umsetz­ba­re Tech­ni­ken und Wege, die Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ten­de im All­tag umset­zen kön­nen. Alle Ansät­ze, die wir in die­sem Zer­ti­fi­kats­kurs trai­nie­ren, die­nen der Stei­ge­rung einer oder meh­re­ren Säu­len des PER­MA-Modells.

Was ist Ihnen wich­tig, den Teil­neh­men­den zu ver­mit­teln? Wor­auf legen Sie wert?

Mey­er & Wer­ner: Wir selbst lie­ben und leben das, was wir wei­ter­ge­ben. Aus die­sem Grund bie­ten wir eine Fort­bil­dung, in der die Teil­neh­men­den für sich und ihr Umfeld mög­lichst viel mit­neh­men kön­nen. Dafür bie­ten wir Mög­lich­kei­ten zur Selbst­re­fle­xi­on, um bewuss­ter zu erken­nen und zu ver­ste­hen, was psy­cho­lo­gisch bei ihnen und ihrem Gegen­über geschieht. Auf Basis die­ser Refle­xi­on bie­ten wir Raum, um neu­es Ver­hal­ten aus­zu­pro­bie­ren und zu trai­nie­ren. Und letzt­lich sol­len die Füh­rungs­kräf­te die Fähig­keit aus­bau­en, ihre Füh­rungs­rol­le, ihr Füh­rungs­ver­hal­ten und ihre Füh­rungs­kul­tur jetzt und in zukünf­ti­gen Situa­tio­nen aktiv und bewusst zu gestal­ten.

Im Zen­trum geht es immer dar­um, die eige­nen Mus­ter im Den­ken, Füh­len und Han­deln zu erken­nen, zu ver­ste­hen und mit guter Absicht zukunfts­ori­en­tiert zu gestal­ten.

Wem wür­den Sie zu die­sem Kurs raten? Gibt es da beson­de­re Vor­aus­set­zun­gen oder Vor­kennt­nis­se, die sie erfül­len soll­ten?

Mey­er & Wer­ner: Die­ser Zer­ti­fi­kats­kurs rich­tet sich an alle Füh­rungs­kräf­te sowie an Men­schen, die bald in Füh­rung gehen. In die­ser Ziel­grup­pe erwar­ten wir per se grund­le­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­kei­ten und prak­tisch ein­ge­setz­tes Füh­rungs­ver­hal­ten.

Die wich­tigs­te Vor­aus­set­zung sind Neu­gier und Offen­heit sowie die Bereit­schaft, das eige­ne Den­ken und Ver­hal­ten zu hin­ter­fra­gen und kon­struk­tiv zu ver­än­dern. Damit ver­bun­den ist auch die Erpro­bung und Umset­zung der Erkennt­nis­se in dem inte­grier­ten Pra­xis­pro­jekt.

Was kön­nen die Teil­neh­men­den von­ein­an­der ler­nen?

Mey­er & Wer­ner: Im Ver­lauf des Kur­ses ent­steht ein inten­si­ver Aus­tausch. Wir wer­den uns inten­siv ken­nen ler­nen. Was sind mei­ne eige­nen Stär­ken? Was macht mich als Füh­rungs­kraft aus? Wel­che Lösungs­stra­te­gien gelin­gen mir am leich­tes­ten?

Die­se Erkennt­nis­se ent­ste­hen nicht nur über Test­ver­fah­ren und Selbst­re­fle­xi­on, son­dern vor allen aus dem gegen­sei­ti­gen Feed­back in den Lern­part­ner­schaf­ten und bei den Übun­gen.

Da die Teil­neh­men­den aus unter­schied­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen kom­men, ent­steht ein wert­vol­ler Blick über den eige­nen Tel­ler­rand hin­aus. Unse­re Erfah­run­gen aus sol­chen Kur­sen zei­gen zudem, dass sich dar­aus bestän­di­ge Netz­wer­ke von Men­schen bil­den, die glei­cher­ma­ßen den Weg der Posi­ti­ven Füh­rung beschrei­ten.

Selbst­füh­rung ist ein Schlag­wort aus Ihrem Kurs. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te ler­nen, die Kon­trol­le und Ver­ant­wor­tung abzu­ge­ben?

Mey­er & Wer­ner: In unse­rem Füh­rungs­all­tag sind wir oft getrie­ben von äuße­ren Anfor­de­run­gen und Impul­sen. Ein Groß­teil unse­rer Reak­ti­on geschieht unbe­wusst.

„Zwi­schen Reiz und Reak­ti­on liegt ein Raum. In die­sem Raum liegt unse­re Macht zur Wahl unse­rer Reak­ti­on. In unse­rer Reak­ti­on lie­gen unse­re Ent­wick­lung und unse­re Frei­heit.“ Die­ses Zitat von Vik­tor Frankl bringt auf den Punkt, war­um Acht­sam­keit und Selbst­re­fle­xi­on für Ent­wick­lung unab­ding­bar sind.

Kon­trol­le und Ver­ant­wor­tung abzu­ge­ben, erfor­dert das eige­nen gute Gefühl dabei (P aus PER­MA) und Ver­trau­en in den Mit­ar­bei­ten­den ®. Der Blick auf die Stär­ken (E) mei­ner Mitarbeiter:innen ermög­licht eine gesun­de Ein­schät­zung, wel­che Auf­ga­ben ich wem geben kann. Wenn ich dele­gie­re, muss ich auch die Sinn­haf­tig­keit (M) ver­mit­teln. Dann kön­nen wir im Anschluss gemein­sam die Erfol­ge fei­ern (A). Und damit

eine Wachs­tums­spi­ra­le der posi­ti­ven Füh­rung ein­lei­ten.

Gibt es auch Vor­ur­tei­le und Zwei­fel, mit denen Sie kon­fron­tiert wer­den? Wie begeg­nen Sie die­sen?

Mey­er & Wer­ner: Uns begeg­nen eini­ge Vor­ur­tei­le und Zwei­fel und das kön­nen wir gut nach­voll­zie­hen. In unse­rer Kul­tur haben Begrif­fe wie „Zufrie­den­heit“ oder gar „Glück“ kei­nen gro­ßen Platz im Arbeits­all­tag und das löst Skep­sis aus. Eini­ge der häu­figs­ten Aus­sa­gen und unse­re Ant­wor­ten dazu sind:

„Nur das Posi­ti­ve im Blick zu haben, ist doch Schön­fär­be­rei.“ Genau. Da stim­men wir kom­plett zu. In der Posi­ti­ve

Psy­cho­lo­gie geht es nicht dar­um, schön zu fär­ben. Nega­ti­ve Emo­tio­nen gehö­ren genau­so zum Men­schen wie Posi­ti­ve. Sor­gen und Ängs­te gehö­ren genau­so zum Men­schen wie Hoff­nun­gen und Zuver­sicht. Wir spre­chen von einem gesun­den Gleich­ge­wicht und einer ange­mes­se­nen Balan­ce: Wie kön­nen wir unse­re ein­stu­dier­ten „Mus­ter“ so ändern, dass wir in unse­rem Leben und Mit­ein­an­der eine gesün­de­re und posi­ti­ve­re Basis schaf­fen.

„Das hat doch im Arbeits­kon­text nichts zu suchen, da sol­len sich die Men­schen in ihrer Frei­zeit drum küm­mern.“ Die mensch­li­che Psy­che und Gesund­heit zieht kei­ne kla­re Gren­ze zwi­schen Arbeit und Frei­zeit. Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Men­schen, die die Ansät­ze der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie umset­zen, sowohl leis­tungs­fä­hi­ger bei der Arbeit als auch zufrie­de­ner und erfüll­ter im Pri­va­ten sind. Inso­fern för­dern Arbeit­ge­ber, die in Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie inves­tie­ren das „Auf­blü­hen“ des gan­zen Men­schen.

„Posi­ti­ves Den­ken ken­nen wir schon aus den 80ger Jah­ren.“ Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie ist nicht Posi­ti­ve Den­ken. Tat­säch­lich zei­gen z. B. die For­schun­gen von Gabrie­le Oet­tin­gen, dass das falsch ein­ge­setz­tes „Posi­ti­ves Den­ken“ sogar nega­ti­ve wir­ken kann. Hier zeigt sich die Stär­ke der Wis­sen­schaft: „Bin­sen­weis­hei­ten“ wer­den auf den Prüf­stand gestellt, um her­aus­zu­fin­den, was wie hilft und wo wir lie­ber die Fin­ger von las­sen soll­ten.

„Ich habe schon eine fun­dier­te Füh­rungs­aus­bil­dung. Ich brau­che das nicht.“ Wun­der­bar, wenn Sie schon eine gut aus­ge­bil­de­te Füh­rungs­kraft sind. Eine Aus­bil­dung zum „Posi­ti­ve Lea­der“ ersetzt kei­ne Aus­bil­dung in den Füh­rung-Grund­la­gen (Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che, Füh­rungs­sti­le, Rol­len, Team­buil­ding). Zusätz­lich kön­nen Sie des­halb von die­ser Aus­bil­dung zum „Posi­ti­ve Lea­der“ vie­les neu und ver­tie­fend für ihre Füh­rungs­rol­le mit­neh­men.

Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Men­schen, die die Ansät­ze der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie umset­zen, sowohl leis­tungs­fä­hi­ger bei der Arbeit als auch zufrie­de­ner und erfüll­ter im Pri­va­ten sind.

Wo sehen Sie die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren hin zu einer Hal­tungs­än­de­rung in den Füh­rungs­ebe­nen? Wel­che Her­aus­for­de­run­gen sehen Sie aktu­ell? Wo ver­su­chen Sie ent­ge­gen­zu­wir­ken?

Mey­er & Wer­ner: Noch prä­gen die Baby Boo­mer mit ihren Wer­ten die Füh­rungs­kul­tur der meis­ten Orga­ni­sa­tio­nen.

Jün­ge­re Gene­ra­tio­nen haben aber ganz ande­re Wer­te-Sets und vor allem ganz ande­re Erwar­tun­gen an die Qua­li­tät der Füh­rung. So es z. B. für die „Digi­tal Nati­ves“ völ­lig demo­ti­vie­rend, nur im Rah­men der (jähr­li­chen) Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che aus­führ­li­ches Feed­back zu erhal­ten. Die „Baby Boo­mer“ hin­ge­gen ken­nen das kaum anders.

Eine offe­ne und wachs­tums­ori­en­tier­te Hal­tung kann der Füh­rungs­kraft eine inne­re Kon­stan­te bie­ten, um mit den unter­schied­lichs­ten Mitarbeiter:innen und immer schnel­ler ein­tre­ten­den Ver­än­de­run­gen kon­struk­tiv umge­hen zu kön­nen.

Fach­kräf­te­man­gel, Digi­ta­li­sie­rung und ein agi­le­res Arbei­ten wer­den schnell wei­ter vor­an­schrei­ten. Auf der Ver­hal­tens­ebe­ne wird immer mehr Fle­xi­bi­li­tät erfor­der­lich. Um dabei gesund und moti­viert zu blei­ben, müs­sen das Bewusst­sein der eige­nen Stär­ken, der Wer­te und der Sinn­haf­tig­keit einen sta­bi­len Gegen­pol bie­ten. Dar­an arbei­ten

wir im gesam­ten Ver­lauf unse­res Zer­ti­fi­kats­trai­nings.

Wel­che For­men von Wert­schät­zung brau­chen Mit­ar­bei­ten­de? Wie kann die­se kon­kret aus­se­hen?

Mey­er & Wer­ner: Wert­schät­zung muss dem Men­schen ver­mit­teln, dass er als gan­zer Mensch gese­hen wird, nicht nur in sei­ner Rol­le oder Auf­ga­be. Klas­si­sche Wert­schät­zungs­tech­ni­ken der Mit­ar­bei­ter­füh­rung wie Akti­ves Zuhö­ren, Loben, zum Geburts­tag gra­tu­lie­ren, nach den Kin­dern fra­gen etc. bil­den eine gute Grund­la­ge.

Ein Stär­ken-Feed­back stärkt die Stär­ken. Posi­ti­ves Feed­back rich­tet den Fokus auf das Gelun­ge­ne. Allein schon die eige­nen Bedürf­nis­se ein­brin­gen zu kön­nen, wird als sehr moti­vie­rend betrach­tet. Wenn dann noch kon­struk­ti­ve Lösun­gen z.B. für die Kin­der­be­treu­ung, Home­of­fice oder die eige­ne Wei­ter­ent­wick­lung gefun­den wer­den, stei­gen Moti­va­ti­on und Enga­ge­ment noch wei­ter.

Jede Orga­ni­sa­ti­on und jedes Team soll­ten für sich selbst Ritua­le der Wert­schät­zung ent­wi­ckeln und eta­blie­ren. Wert­schät­zung kann nur wir­ken, wenn sie aus einer Hal­tung der Wert­schät­zung her­aus gezeigt wird und damit auch authen­tisch ist. Und das Indi­vi­du­um sich dabei gese­hen fühlt.

In unse­ren Kur­sen arbei­ten wir viel dar­an, genau die Ritua­le der Wert­schät­zung zu ent­wi­ckeln, die zu dem Team und der Orga­ni­sa­ti­on pas­sen.

Wie kön­nen bei­spiels­wei­se lösungs­ori­en­tier­te und wachs­tums­ori­en­tier­te Feed­back­ge­sprä­che geführt wer­den? Was sind dabei No-Gos?

Mey­er & Wer­ner: Der größ­te Feh­ler im Bereich Feed­back besteht dar­in, dass es zu wenig posi­ti­ves und bekräf­ti­gen­des Feed­back gibt, dass die Mitarbeiter:innen bestärkt und zugleich ein Wachs­tum anregt.

Ein No-Go ist unkon­kre­tes Feed­back: dann weiß der:die Mit­ar­bei­ten­de gar nicht genau, was die Füh­rungs­kraft mein­te. Eine kon­kre­te Rück­mel­dung zu erhal­ten, posi­tiv und nega­tiv, gibt Ori­en­tie­rung und Klar­heit und damit Sicher­heit. Ich bin rich­tig. Ich weiß, was von mir erwar­tet wird.

Und selbst ein posi­ti­ves Feed­back kann sich ein­schrän­kend auf die Ent­wick­lung aus­wir­ken. Das hat die groß­ar­ti­ge For­schung von Carol Dweck gezeigt. Etwa wenn ich nur den Sta­tus bewer­tend her­vor­he­be, anstatt das posi­ti­ve Ver­hal­ten zu beschrei­ben.

Mit dem Zer­ti­fi­kats­kurs Posi­ti­ve Füh­rung ermög­li­chen wir Füh­rungs­kräf­ten, die Chan­cen und Poten­zia­le Posi­ti­ver Füh­rung theo­re­tisch und prak­tisch für sich zu erschlie­ßen. Wir schaf­fen einen Lern- und Ent­wick­lungs­raum, um bes­se­re Füh­rungs­kul­tu­ren und in der Gesund­heits- und Sozi­al­wirt­schaft zu gestal­ten. Immer nach unse­rem Mot­to: „Für glück­li­che Men­schen in erfolg­rei­chen Orga­ni­sa­tio­nen“.

Elke Katha­ri­na Mey­er hat sich als zer­ti­fi­zier­te Trai­ne­rin und Bera­te­rin der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie (Posi­ti­vi­ty Gui­des) dar­auf spe­zia­li­siert, Men­schen in einen posi­ti­ven Wachs­tum zu brin­gen. Als NLP-Lehr­trai­ne­rin, Coach und Diplom-Päd­ago­gin beglei­tet sie seit über 25 Jah­ren Unter­neh­men zu den The­men Mit­ar­bei­ter­füh­rung, Selbst­ma­nage­ment, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Unter­neh­mens­kul­tur – immer nach dem Mot­to: „Für glück­li­che Men­schen in erfolg­rei­chen Orga­ni­sa­tio­nen“.

Tho­mas Achim Wer­ner ist zer­ti­fi­zier­ter Trai­ner für Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie (Posi­ti­vi­ty Gui­des), NLP-Trai­ner (DVNLP), Diplom-Kauf­mann und Coach. Als Füh­rungs­kraft im Ban­ken­we­sen und Ven­ture Capi­tal ist er zudem mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung in der Unter­neh­mens­be­ra­tung tätig. Sein Mot­to: „Ich schla­ge Brü­cken – zwi­schen dem Jetzt und der Zukunft, zwi­schen Psy­cho­lo­gie und Betriebs­wirt­schafts­leh­re, zwi­schen Men­schen und Unter­neh­men“.

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Das Inter­view führ­te Annet­te Loy, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Lei­te­rin des Semi­nar­be­reichs an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Gemein­sa­mes Ziel der bei­den Trainer:innen und der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin ist es, Füh­rungs­kräf­te­ent­wick­lung im sozia­len Bereich zu ver­tret­ba­ren Kos­ten zu stär­ken.

Der Zer­ti­fi­kats­kurs zum „Posi­ti­vi­ty Lea­der in der Sozi­al­wirt­schaft“ mit den bei­den Interviewpartner:innen star­tet am 6. Sep­tem­ber 2023. Er besteht aus 10 Fort­bil­dungs­ta­gen in Prä­senz, vier Online-Ver­tie­fungs­ses­si­ons und zwei Ein­zel­coa­chings. Mel­den Sie sich jetzt über die Ver­an­stal­tungs­sei­te an!

Im Febru­ar und März 2023 kön­nen Sie außer­dem einen je zwei Tage dau­ern­den Grund­la­gen­kurs sowie einen Work­shop zum The­ma Posi­ti­ve Füh­rung mit Tho­mas Achim Wer­ner absol­vie­ren.

Foto: Tho­mas Achim Wer­ner und Elke Katha­ri­na Mey­er

Posi­ti­ve Füh­rung

Zer­ti­fi­kats­kurs

mit Tho­mas Achim Wer­ner und Elke Katha­ri­na Mey­er

6. Sep­tem­ber 2023 – 9. Febru­ar 2024

Grund­la­gen „Posi­ti­ve Füh­rung“

Online-Semi­nar

mit Tho­mas Achim Wer­ner

8. Febru­ar 2023 – 9. Febru­ar 2023

Chan­ge-Manage­ment für Füh­rungs­kräf­te

Online-Work­shop

mit Tho­mas Achim Wer­ner

1. März 2023 – 2. März 2023

AUCH INTERESSANT

Maga­zin

Novem­ber 2022 | Manage­ment

Inter­view mit Ulri­ke von Wil­li­sen

Ulri­ke von Wil­li­sen ist Bera­te­rin und Super­vi­so­rin im Per­so­nal­ma­nage­ment und in der Ent­wick­lung inno­va­ti­ver Pro­jek­te. In ihren Fort­bil­dungs­for­ma­ten legt sie vor allem Wert auf Wis­sens­ver­mitt­lung über Füh­rungs­mo­del­le. Ihr Anspruch ist es, den Teil­neh­men­den in einem sehr pra­xis­ori­en­tier­ten Rah­men Ori­en­tie­rung und Hand­lungs­si­cher­heit zu geben. Die Coa­chin ver­fügt selbst über jah­re­lan­ge Erfah­rung als Geschäfts­füh­re­rin. Im fol­gen­den Inter­view spre­chen wir mit ihr über ganz­heit­li­ches Manage­ment, über die Macht­dy­na­mi­ken zwi­schen der Orga­ni­sa­ti­on, den Mit­ar­bei­ten­den und der Gesell­schaft und war­um Füh­rungs­kräf­te die­se erken­nen und pro­duk­tiv ein­set­zen soll­ten.

Frau von Wil­li­sen, Sie ver­bin­den in die­sem Kurs Grund­la­gen für Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen Ein­hei­ten zu nor­ma­ti­vem, ope­ra­ti­vem und stra­te­gi­schem Manage­ment. Das The­ma Agi­li­tät in der Füh­rung oder das Ent­wi­ckeln einer authen­ti­schen Füh­rungs­per­sön­lich­keit sind eben­so Inhal­te Ihres Semi­nars. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te von die­ser Mischung in Ihrem Semi­nar pro­fi­tie­ren?

Von Wil­li­sen: Die unter­schied­li­chen Stra­te­gie­ebe­nen sind Teil des St. Gal­ler Manage­ment- Modells. Sie bil­den eine gute Leit­plan­ke für das ope­ra­ti­ve Han­deln. Das Arbei­ten in agi­len Teams gilt zur­zeit als sehr modern. In mei­nem Semi­nar beleuch­te ich die­sen, eigent­lich bereits Jahr­zehn­te alten Begriff und lade die Teil­neh­men­den dazu ein, ihn mit den Anfor­de­run­gen ihres Arbeits­be­rei­ches abzu­glei­chen.

Mein Ziel ist es, Füh­rungs­kräf­ten einen Raum zu geben, in dem sie einen guten Über­blick über ihr kom­ple­xes Schaf­fen gewin­nen und ganz kon­kret Lösun­gen für ihre her­aus­for­dern­den Füh­rungs­auf­ga­ben ent­wi­ckeln.

Ins­be­son­de­re durch den gemein­sam erleb­ten Grup­pen­pro­zess rei­fen die Teil­neh­men­den in ihrer Füh­rungs­per­sön­lich­keit.

Wel­che Per­so­nen neh­men an Ihren Fort­bil­dun­gen teil und was ver­bin­det sie?

Von Wil­li­sen: Eine wich­ti­ge Ent­schei­dungs­po­si­ti­on in einer Orga­ni­sa­ti­on aus­zu­fül­len, bedeu­tet meist auch eine gewis­se Ein­sam­keit aus­zu­hal­ten, selbst dann, wenn man Teil eines Lei­tungs­teams ist. Struk­tu­rell betrach­tet, gibt es

oft kein Gegen­über, das sich im Orga­ni­gramm auf der glei­chen Ebe­ne bewegt. Sich in einer ler­nen­den Grup­pe als „Pri­mus oder Pri­ma unter Pares“ zu befin­den ist eine ein­ma­li­ge Chan­ce. Die Grup­pe wirkt qua­si wie ein Ver­stär­ker bei der Ent­wick­lung zur Füh­rungs­per­sön­lich­keit.

Die Ver­an­stal­tung ist für Entscheidungsträger*innen pas­send, die die Mischung aus Wis­sens­ver­mitt­lung und Selbst­er­fah­rung beson­ders anspricht. Mei­ne Erfah­rung ist, dass auch Men­schen, die sich eher als nicht beson­ders grup­pen­af­fin beschrei­ben wür­den, von dem For­mat pro­fi­tie­ren und auf im Anschluss an die Ver­an­stal­tung fort­ge­führ­te Netz­wer­ke zurück­grei­fen.

Sie erwähn­ten zuvor das St. Gal­le­ner Manage­ment Modell. Was ist Ihrer Mei­nung nach der Mehr­wert des Modells für die Füh­rungs­kräf­te, die sie coa­chen?

Von Wil­li­sen: Das St.Galler Manage­ment – Modell wur­de im welt­weit sehr aner­kann­ten wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Fach­be­reich der Uni­ver­si­tät St.Gallen ent­wi­ckelt. Es ver­bin­det tra­di­tio­nel­les Wis­sen mit moder­nen Erkennt­nis­sen und For­schun­gen. Das Modell ist eine ganz­heit­li­che Manage­ment­leh­re, die kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge sehr klar und über­sicht­lich zu ver­deut­li­chen mag. Das Den­ken in Sys­te­men und For­men des refle­xi­ven Manage­ments spie­len dabei eine gro­ße Rol­le.

Gilt das auch für den Bereich gemein­nüt­zi­gen und sozia­len Arbeit?

Von Wil­li­sen: Als Füh­rungs­kraft mit Per­so­nal- und Finanz­ver­ant­wor­tung bewe­gen Sie sich im Bereich der

Unter­neh­mens­füh­rung. Aus mei­ner Sicht ist es im Kon­text einer guten Füh­rung sekun­där, ob die­ses im Pro­fit oder Non­pro­fit-Bereich erfolgt. Mora­li­sche Ansprü­che an eine gute Füh­rung, eine Cor­po­ra­te Gover­nan­ce, gel­ten glei­cher­ma­ßen für Verantwortungsträger*innen aus allen Berei­chen. Das St.Galler Modell bie­tet für alle Bran­chen einen Rah­men für ver­ant­wor­tungs­vol­les Füh­rungs­han­deln. Gleich­zei­tig gibt es selbst­ver­ständ­lich Beson­der­hei­ten des jewei­li­gen Arbeits­fel­des zu berück­sich­ti­gen, auf die ich spä­ter noch ein­ge­hen wer­de. Nach mei­ner Erfah­rung ver­fü­gen Lei­tungs­kräf­te im psy­cho­so­zia­len Bereich meist über ein sehr umfang­rei­ches Fach­wis­sen in ihrem

jewei­li­gen Arbeits­feld. Vie­len ist in die­sem Kon­text das sys­te­mi­sche Den­ken durch­aus ver­traut. Mir geht es in mei­ner Ver­an­stal­tung dar­um, dass die Teil­neh­men­den ihre Per­spek­ti­ve aus orga­ni­sa­tio­na­ler Sicht erwei­tern und

Dyna­mi­ken zwi­schen ihrer Orga­ni­sa­ti­on, dem gesell­schaft­li­chen Umfeld und den Mit­ar­bei­ten­den erken­nen.

Was möch­ten Sie ins­be­son­de­re Füh­rungs­kräf­ten ver­mit­teln? Wor­in möch­ten Sie sie bestär­ken?

Von Wil­li­sen: In mei­nem pro­zess­ori­en­tier­ten Coa­ching geht es in ers­ter Linie dar­um, ein eige­nes Pro­fil als authen­ti­sche Füh­rungs­kraft zu ent­wi­ckeln. Es gilt, den Mut zu för­dern, sich auf dem Par­kett der Unter­neh­mens­füh­rung sicher zu bewe­gen und die Lust am Gestal­ten zu ent­de­cken. Dazu zählt auch die Refle­xi­on über das The­ma “Macht“ und inwie­fern die­se pro­duk­tiv genutzt wer­den kann.

Im Zen­trum von Füh­rung geht es dar­um, die­je­ni­gen Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, die erfor­der­lich sind, damit eine Orga­ni­sa­ti­on sich selbst­or­ga­ni­sie­rend immer wie­der neu sta­bi­li­sie­ren kann. Folg­lich steht die Ent­wick­lung und Pfle­ge trag­fä­hi­ger Arbeits- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zie­hun­gen durch sorg­fäl­ti­ge Team­ent­wick­lung, ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis über die zu errei­chen­den Zie­le und die dafür zu leis­ten­den Tätig­kei­ten im Vor­der­grund. Ich wür­de sagen: Wir brau­chen wei­se Manager*innen mit einer wert­schät­zen­den und ver­trau­ens­vol­len Hal­tung gegen­über den Mit­ar­bei­ten­den.

Mei­ner Erfah­rung nach haben Mit­ar­bei­ten­de in sozia­len Berei­chen eine hohe intrin­si­sche Moti­va­ti­on, sie wol­len das Best­mög­li­che für ihre Kli­en­tel errei­chen und sie bewäl­ti­gen ihre Auf­ga­ben eher mit zu viel als zu wenig Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein. Füh­rungs­kräf­te kön­nen in die­sem Bereich umso mehr davon aus­ge­hen und dar­auf ver­trau­en, dass ihre Mit­ar­bei­ten­den zu Leis­tung und Koope­ra­ti­on bereit sind. Sie müs­sen eher dar­auf ach­ten, dass die gesteck­ten Zie­le nicht zu hoch sind, und dafür sor­gen, dass den Mit­ar­bei­ten­den ange­mes­se­ne, struk­tu­rell ver­an­ker­te Maß­nah­men gewährt wer­den, die vor Über­for­de­rung und Aus­bren­nen schüt­zen. Zudem soll­ten Füh­rungs­kräf­te dazu in der Lage sein, immer wie­der auf eine Meta­ebe­ne zu gehen. Sie sind sowohl Teil eines

Sys­tems, müs­sen gele­gent­lich aber auch eine Außen­po­si­ti­on ein­neh­men kön­nen.

Wel­che Chan­ce sehen Sie in der Zusam­men­ar­beit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie und der För­de­rung von Füh­rungs­kräf­ten vor dem Hin­ter­grund des Fach­kräf­te­man­gels?

Von Wil­li­sen: Der Fach­kräf­te­man­gel wird uns mei­ner Ein­schät­zung nach noch Jah­re beglei­ten und die Trä­ger wer­den wei­ter­hin um die bes­ten Arbeits­kräf­te wer­ben müs­sen. Dabei sind nicht alle Unter­neh­men gleich stark vom Fach­kräf­te­man­gel betrof­fen. Natür­lich spie­len regio­na­le Bedin­gun­gen eine Rol­le.

Aber, wenn man auf die Grün­de schaut, war­um Arbeit­neh­men­de ein Unter­neh­men ver­las­sen, so wird pri­mär ein schlech­tes Ver­hält­nis zu den Vor­ge­setz­ten ange­ge­ben.“ Lei­ten“ im klas­si­schen Sinn funk­tio­niert nicht mehr

und Füh­rungs­kräf­te soll­ten Hal­tun­gen und Sicht­wei­sen ent­wi­ckeln, die sich an den Wer­ten von Sinn, Ver­trau­en und Ver­ant­wor­tung ori­en­tie­ren. Für Füh­rungs­kräf­te ist das Errei­chen einer sol­chen Hal­tung eine hohe Kunst, die

gera­de auch im Rah­men des Ange­bo­tes der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ver­mit­telt wer­den soll­te.  

“Lei­ten“ im klas­si­schen Sinn funk­tio­niert nicht mehr und Füh­rungs­kräf­te soll­ten

Hal­tun­gen und Sicht­wei­sen ent­wi­ckeln, die sich an den Wer­ten von Sinn,

Ver­trau­en und Ver­ant­wor­tung ori­en­tie­ren.

Noch ein Blick in zu Zukunft: Wo sehen Sie die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren für Füh­rungs­kräf­te im (psycho-)sozialen Bereich? Oder auch Her­aus­for­de­run­gen?

Von Wil­li­sen: Der Fach­kräf­te­man­gel wird wei­ter­hin eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für Füh­rungs­kräf­te, aber auch für die Fach­kräf­te­teams blei­ben. In die­sem Zusam­men­hang spielt auch die Arbeit mit divers auf­ge­stell­ten Teams eine bedeu­ten­de Rol­le. Men­schen, die unter­schied­li­chen Gene­ra­tio­nen ange­hö­ren und/oder, die durch ver­schie­de­ne

kul­tu­rel­le Hin­ter­grün­de geprägt sind, sol­len ein Team bil­den. Vor die­sem Hin­ter­grund brau­chen wir Füh­rungs­kräf­te mit hohen sozia­len und inte­gra­ti­ven Kom­pe­ten­zen. Auch ist der digi­ta­le Wan­del in den Orga­ni­sa­tio­nen sehr

unter­schied­lich aus­ge­prägt. Die­ser wird nach wie vor auch auf Füh­rungs­ebe­ne vie­le Res­sour­cen bin­den.

 

Foto: Ulri­ke von Wil­li­sen

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Das Inter­view führ­te Annet­te Loy, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Lei­te­rin des Semi­nar­be­reichs an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

Das Semi­nar „Grund­la­gen für Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen“ mit Ulri­ke von Wil­li­sen star­tet am 21. März 2023. Es besteht aus zwei Fort­bil­dungs­ta­gen und wei­te­ren 6 monat­li­chen Grup­pen­coa­chings in je 3 Stun­den. Mel­den Sie sich jetzt hier an.

Wenn Sie Ihre Orga­ni­sa­ti­on im digi­ta­len Wan­del vor­an­brin­gen wol­len, emp­feh­len wir Ihnen einen Blick in die Kurs­an­ge­bo­te des Digi­tal­fo­rums.

Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen

Semi­nar mit Ulri­ke von Wil­li­sen

21. März 2023 – 7. Dezem­ber 2023

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93 Stu­die­ren­de begin­nen das Win­ter­se­mes­ter 2022/23 mit Prä­senz­ta­gen an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

Im Okto­ber begann in Ber­lin für vie­le Uni­ver­si­tä­ten das Win­ter­se­mes­ter. Auch wir durf­ten die Stu­die­ren­den unse­rer Koope­ra­ti­ons­stu­di­en­gän­ge an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie in Ber­lin-Mit­te begrü­ßen. Die Stu­die­ren­den der Ali­ce Salo­mon Hoch­schu­le, der Uni­ver­si­tät für Wei­ter­bil­dung Krems und der Hoch­schu­le für ange­wand­te Päd­ago­gik sind für eine Woche aus ganz Deutsch­land und Öster­reich nach Ber­lin gereist, um zum ers­ten Mal die Räum­lich­kei­ten der Aka­de­mie und die Kommiliton:innen ken­nen­zu­ler­nen. Bis zu nächs­ten Prä­senz­ein­heit wer­den die Stu­die­ren­den online ver­bun­den blei­ben. Denn um die Ver­ein­bar­keit von Beruf und Stu­di­um zu gewähr­leis­ten, besteht das Stu­di­um aus Online- und Prä­senz­ein­hei­ten.

Die bes­te Zeit, um in Inhal­te ein­zu­tau­chen, ins Gespräch zu kom­men und Num­mern aus­zu­tau­schen. Dazu rät auch Tabea Lud­wig, die im Bache­lor Sozia­le Arbeit gera­de alle Prä­senz­ein­hei­ten hin­ter sich gebracht hat. Zur Eröff­nung des neu­en Durch­gangs erzählt sie von ihren Erfah­run­gen und beant­wor­tet die Fra­gen der neu­gie­ri­gen Erst­se­mes­ter-Grup­pe: „Wie orga­ni­sie­re ich Lern­ein­hei­ten unter der Woche?“, „Wie schaf­fe ich es, mich zwi­schen Arbeit, Stu­di­um und Pri­vat­le­ben nicht zu über­neh­men?“ Tabe­as Ant­wort dar­auf ist neben einer guten Pla­nung vor allem eine enge Bin­dung zu den Mit­stu­die­ren­den auf­zu­bau­en, die in ihrem Stu­di­um eine gro­ße Unter­stüt­zung waren. 

„Ich fand es super, dass der Stu­di­en­gang in weni­gen, aber inten­si­ven Prä­senz­wo­chen kon­zi­piert war. Da bin ich viel auf­nah­me­fä­hi­ger als abends nach der Arbeit oder am Wochen­en­de.“, erin­nert sie sich. „Gene­rell hilft es natür­lich sehr, sich die Wochen gut zu struk­tu­rie­ren. Ter­mi­ne für die Prä­senz­pha­sen soll­ten früh­zei­tig mit dem Arbeit­ge­ber abge­spro­chen wer­den.“

Die aus­ge­bil­de­te Ergo­the­ra­peu­tin steht nun kurz vor der Abga­be der Bache­lor­ar­beit. Die­se schreibt sie über die Betreu­ungs­rechts­re­form, die 2023 in Kraft tre­ten wird*. Ein The­ma, dass sie im Job sofort anwen­den kann. „Mein Arbeit­ge­ber hat mir vor­ge­schla­gen, dass ich im nächs­ten Jahr unse­re Mitarbeiter:innen dar­in schu­le. Schließ­lich habe ich mir umfas­sen­des Wis­sen erar­bei­tet.“ Durch ihre neue fach­li­che Kom­pe­tenz tun sich auf ein­mal neue Arbeits­fel­der auf, zu denen sie jetzt Zugang hat.

Vie­le Arbeitgeber:innen erken­nen den Wert, in ihre Mit­ar­bei­ten­den zu inves­tie­ren und sie in ihrer beruf­li­chen Wei­ter­ent­wick­lung zu unter­stüt­zen. Auch Lau­ra Kielc, die die­ses Semes­ter mit dem Mas­ter­stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment beginnt, hat die Wei­ter­bil­dung von ihrer Arbeit­ge­be­rin aus dem Bereich der Sucht­hil­fe ange­bo­ten bekom­men. Lau­ra weiß, wie wich­tig es für ihre neue Lei­tungs­po­si­ti­on ist, die sozi­al­wirt­schaft­li­chen Pro­zes­se hin­ter der sozia­len Arbeit zu ver­ste­hen. Sie freut sich auf die Mög­lich­keit, sich neben dem Beruf wei­ter­bil­den zu kön­nen und erlern­tes Hand­werks­zeug direkt in die Pra­xis zu trans­fe­rie­ren.

Es ist bereits eini­ge Jah­re her, als Ema­nu­el Léré­mon den Auf­trag hat­te, sei­nen dama­li­gen Trä­ger umzu­struk­tu­rie­ren. Auch ihm wur­de zu einem berufs­be­glei­ten­den Mas­ter­stu­di­en­gang gera­ten. Im Jahr 2012 schloss er ihn erfolg­reich an der Ali­ce Salo­mon Hoch­schu­le in Koope­ra­ti­on mit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ab. Auf dem Alum­ni-Netz­werk-Tref­fen am 15. Okto­ber tref­fen wir ihn an. „Das hat mir viel für die Bewäl­ti­gung mei­ner dama­li­gen Lei­tungs­auf­ga­ben gebracht. Es hat mir zum Bei­spiel einen guten Ein­stieg in die all­ge­mei­nen Füh­rungs­pro­zes­se, in die Mit­ar­bei­ter­füh­rung und Per­so­nal­ma­nage­ment gege­ben.“ Mitt­ler­wei­le ist er Bereichs­lei­ter bei einer gro­ßen sozia­len Orga­ni­sa­ti­on im Bereich sta­tio­nä­rer Jugend­hil­fe.

Die beruf­li­che Wei­ter­ent­wick­lung durch den Mas­ter Sozi­al­ma­nage­ment ist auch Isa­bel­la Schul­te-Vogel­heim gelun­gen. Unter den beson­de­ren Umstän­den der Coro­na-Pan­de­mie erhielt sie 2021 ihren Abschluss. Das Ler­nen in der hete­ro­ge­nen Grup­pe emp­fand sie sehr ange­nehm, da sie aus den viel­fäl­ti­gen Per­spek­ti­ven ihrer Mit­stu­die­ren­den viel mit­neh­men konn­te. Bis heu­te ist sie an unter­schied­li­chen Blick­win­keln inter­es­siert und sucht aktiv nach Aus­tausch. Des­halb war auch sie am 15. Okto­ber bei Auf­takt­ver­an­stal­tung des Alum­ni-Netz­werks mit dabei. Die ehe­ma­li­gen Absolvent:innen erhiel­ten die Mög­lich­keit, an einem Work­shop zum The­ma Net­wor­king teil­zu­neh­men. Gelei­tet wur­de die­ser von HSP Coach Mar­tin Nevoigt, der die­se wich­ti­ge Kom­pe­tenz auch den neu­en Stu­die­ren­den in der ers­ten Prä­senz­wo­che ver­mit­telt hat. 

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*Der Bei­trag wur­de am 16.11.2022 von der Redak­ti­on in Bezug auf die­se Infor­ma­ti­on geän­dert. Für wei­te­re Infor­ma­tio­nen: Ver­ord­nung über die Regis­trie­rung von beruf­li­chen Betreu­ern (Betreu­er­re­gis­trie­rungs­ver­ord­nung – BtRegV)

Sie inter­es­sie­ren sich für ein Stu­di­um an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin? Hier gelan­gen Sie zu unse­ren aka­de­mi­schen Wei­ter­bil­dungs­pro­gram­men.

Sozia­le Arbeit,

Bache­lor of Arts

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­pha­sen in Ber­lin mit Abschluss zum/ zur staat­lich aner­kann­ten Sozialarbeiter:in

Start: Win­ter­se­mes­ter 2023

Infor­ma­tio­nen zum Stu­di­en­an­ge­bot für das Win­ter­se­mes­ter 2023 fol­gen in Kür­ze auf unse­rer Web­sei­te.

Details zum Stu­di­en­gang mit Beginn 2022 fin­den Sie hier:

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Sozi­al­ma­nage­ment,

Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Fern­stu­di­en­gang mit lauf­bahn­recht­li­chem Zugang für den höhe­ren Dienst

Start: Win­ter­se­mes­ter 2023

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Details zum Stu­di­en­gang mit Beginn 2022 fin­den Sie hier:

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Manage­ment von Sozi­al­ein­rich­tun­gen,

Mas­ter of Sci­ence

Berufs­be­glei­ten­der Mas­ter­lehr­gang in Koope­ra­ti­on mit der Uni­ver­si­tät für Wei­ter­bil­dung Krems, Öster­reich

Start: Win­ter­se­mes­ter 2023

Infor­ma­tio­nen zum Stu­di­en­an­ge­bot für das Win­ter­se­mes­ter 2023 fol­gen in Kür­ze auf unse­rer Web­sei­te.

Details zum Stu­di­en­gang mit Beginn 2022 fin­den Sie hier:

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Maga­zin

Sep­tem­ber 2022 | Manage­ment

Inter­view mit Danie­la Kobelt Neu­haus

Im Zuge der Coro­na­zeit, stei­gen­der Lebens­er­hal­tungs­kos­ten und im Kon­text von Flucht- und Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen wächst die Viel­falt an Bedürf­nis­sen von Men­schen, die in Fami­li­en­zen­tren Hil­fe auf­su­chen. Um den indi­vi­du­el­len Lebens­la­gen gerecht zu wer­den, braucht es ste­tig inno­va­ti­ve Lösun­gen. Zur Stär­kung von Lei­tungs­kräf­ten in Fami­li­en­zen­tren hat die Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin in Zusam­men­ar­beit mit dem Bun­des­ver­band der Fami­li­en­zen­tren e.V. ein Ange­bot zur fach­li­chen Qua­li­fi­zie­rung erar­bei­tet. Im Gespräch mit Danie­la Kobelt Neu­haus, Geschäfts­füh­re­rin des Ver­bands, geht es um die aktu­el­len Anlie­gen und Her­aus­for­de­run­gen der Zen­tren und die Anfor­de­run­gen an eine Lei­tungs­kraft.

Lie­be Frau Kobelt Neu­haus, Sie sind Geschäfts­füh­re­rin des Bun­des­ver­bands der Fami­li­en­zen­tren e.V. und lei­ten den Zer­ti­fi­kats­kurs „Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren“. Vie­len Dank, dass Sie sich die Zeit neh­men, uns eini­ge Fra­gen zu beant­wor­ten.

Wie ent­stand zunächst ein­mal die Idee für einen Zer­ti­fi­kats­kurs zur Füh­rung von Fami­li­en­zen­tren?

Kobelt Neu­haus: Ein Fami­li­en­zen­trum ist oft der Kon­ten­punkt in einem Netz­werk, das Fami­li­en bedarfs­ge­recht und pass­ge­nau berät, bil­det und beglei­tet. Fami­li­en­zen­tren ver­mit­teln, bün­deln und ergän­zen die Ange­bo­te ande­rer Ein­rich­tun­gen durch eige­ne und rich­ten sich vor allem an Erwach­se­ne in Fami­li­en­sys­te­men. Sie ver­bin­den Bil­dung, Erzie­hung und Betreu­ung von Kin­dern mit Bildungs‑, Bera­tungs- und Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­ten für Eltern und Erzie­hungs­be­rech­tig­te. Füh­rungs­kräf­te in Fami­li­en­zen­tren benö­ti­gen daher neben den all­ge­mei­nen Füh­rungs- und Manage­ment­kom­pe­ten­zen auch Netz­werk­kom­pe­tenz, erwach­se­nen­bild­ne­ri­sche und bera­te­ri­sche Fähig­kei­ten sowie in unter­schied­li­chem Maße päd­ago­gi­sches, sozi­al­ar­bei­te­ri­sches, gesund­heits­spe­zi­fi­sches und

arbeits­recht­li­ches Know­how.

Den Zer­ti­fi­kats­kurs „Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren“ hat der Bun­des­ver­band der Fami­li­en­zen­tren e.V. basie­rend auf Erfah­run­gen und Rück­mel­dun­gen von akti­ven Mit­glie­dern und Anfra­gen diver­ser Trä­ger und Fami­li­en­zen­tren ent­wi­ckelt. Der Kurs soll ange­hen­den und bereits als Füh­rungs­kräf­te oder Koor­di­na­to­rin­nen von Fami­li­en­zen­tren täti­gen Per­so­nen ergän­zend zu ihren indi­vi­du­ell bereits vor­han­de­nen Kom­pe­ten­zen ziel­ge­rich­tet spe­zi­fi­sches Wis­sen und Kön­nen ver­mit­teln. Die Schwer­punkt­the­men­fel­der der Qua­li­fi­zie­rung ori­en­tie­ren sich an den im Posi­ti­ons­pa­pier des Bun­des­ver­bands der Fami­li­en­zen­tren e.V. ver­an­ker­ten

Leit­li­ni­en und Qua­li­täts­vor­stel­lun­gen. Die Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin hat den Bun­des­ver­band bei der Pla­nung durch die Aus­wahl fach­spe­zi­fi­scher Referent:innen unter­stützt.  

Wel­che Chan­ce sehen Sie in der Zusam­men­ar­beit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie und des Bun­des­ver­bands für

Fami­li­en­zen­tren?

Kobelt Neu­haus: Die inhalt­li­che Exper­ti­se dürf­te beim Bun­des­ver­band der Fami­li­en­zen­tren, der bereits sein 10-jäh­ri­ges Jubi­lä­um fei­ert, hoch sein. Aller­dings hat der Ver­band nicht die Infra­struk­tur, um eine so hoch­ka­rä­ti­ge Qua­li­fi­zie­rung allein zu stem­men. Daher sind wir sehr dank­bar, dass wir sowohl struk­tu­rell als auch inhalt­lich unter­stützt wer­den und dabei sogar vom Renom­mee der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie pro­fi­tie­ren kön­nen.

Wor­in bestehen die Beson­der­hei­ten und Schwer­punk­te die­ses Ange­bots?

Kobelt Neu­haus: Die Fort­bil­dung „Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren“ ori­en­tiert sich am Kon­zept ganz­heit­li­cher und res­sour­cen­ori­en­tier­ter Bil­dung und Beglei­tung von Fami­li­en. Um die Erzie­hungs­be­rech­tig­ten für ihren All­tag und ihr Mit­ein­an­der zu stär­ken, gilt es, an ihren Fra­gen und ihren Unter­stüt­zungs­be­dar­fen anzu­set­zen, denn Fami­lie ist nach wie vor der pri­mä­re Ort für Bin­dun­gen, Bezie­hun­gen sowie für Bil­dung, Erzie­hung und Ent­wick­lung von Kin­dern.

Fami­li­en unter­lie­gen heu­te zahl­rei­chen Her­aus­for­de­run­gen. Sie wol­len den Anfor­de­run­gen an Eltern- und Part­ner­schaft genü­gen, Beruf und Fami­lie ver­ein­ba­ren, ihren Kin­dern mög­lichst viel ermög­li­chen und den All­tag für alle befrie­di­gend gestal­ten. Die meis­ten Fami­li­en meis­tern den All­tag. Ent­schei­dend ist, her­aus­zu­fin­den, wel­che Fak­to­ren eine erfolg­rei­che All­tags­be­wäl­ti­gung im je indi­vi­du­el­len Fall erleich­tern wür­den. Fami­li­en­zen­tren hal­ten nied­rig­schwel­li­ge Unter­stüt­zungs- und Bil­dungs­an­ge­bo­te bereit und sind im Ide­al­fall Tür­öff­ner und Beglei­ter für schwie­ri­ge Lebens­la­gen. Lei­tungs­kräf­te in Fami­li­en­zen­tren benö­ti­gen daher einen ana­ly­ti­schen sozi­al­räum­li­chen Blick sowie eine inno­va­ti­ve Hal­tung gegen­über den Lebens­wel­ten und Bedürf­nis­sen von Fami­li­en, ins­be­son­de­re von Eltern und Kin­dern. „Gute Päd­ago­gik“ allei­ne führt nicht zu Chan­cen­ge­rech­tig­keit. Viel­mehr wird das Fami­li­en­wohl – und damit die Ent­fal­tung kind­li­cher Poten­tia­le – durch die elter­li­che Bezie­hungs­kom­pe­tenz, durch gelin­gen­de Work-Life-Balan­ce, ein anre­gen­des Wohn­um­feld und die eige­ne Wohn­si­tua­ti­on der Fami­lie, durch balan­cier­te Fami­li­en­for­men, gesund­heit­li­che, milieu­spe­zi­fi­sche oder sozio­öko­no­mi­sche Fak­to­ren beein­flusst.

Eine bedarfs­ori­en­tier­te Füh­rung im Fami­li­en­zen­trum setzt an den vor­han­de­nen Inter­es­sen und Moti­va­tio­nen

der Fami­li­en an und greift die vor Ort vor­han­de­nen Dring­lich­kei­ten auf, d.h. sie plant lokal in Abstim­mung mit ande­ren Ein­rich­tun­gen vor Ort ent­lang bekann­ter Sozi­al­raum­da­ten. Auf­ga­be von Lei­tungs­kräf­ten ist auch, für eine gute Mischung an Pro­fes­sio­nen und Mit­ar­bei­ten­den im Team und ein soli­da­ri­sches Arbeits­kli­ma zu sor­gen. Eine über­grei­fen­de Refle­xi­ons- und Doku­men­ta­ti­ons­kul­tur, die sowohl für die sozi­al­räum­li­che Pla­nung der Kom­mu­ne als auch für die ste­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung der Ein­rich­tungs­kon­zep­ti­on genutzt wird, ist wich­tig, denn Fami­li­en­zen­tren

haben sowohl die Stär­kung der Fami­li­en als auch die Beein­flus­sung der stra­te­gi­schen Aus­rich­tung der Kom­mu­ne in Rich­tung Fami­li­en­freund­lich­keit zum Ziel. Lei­tungs­kräf­te befas­sen sich daher mit Organisations­entwicklung, Qua­li­tät und Wir­kungs­ori­en­tie­rung, Sozi­al­raum­ori­en­tie­rung, Par­ti­zi­pa­ti­on und Empower­ment. Sie betei­li­gen Betrof­fe­ne und Expert:innen glei­cher­ma­ßen bei der Ent­wick­lung des Fami­li­en­zen­trum-Pro­gramms. Dies wird als Schwer­punkt in der Qua­li­fi­zie­rung „Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren“ berück­sich­tigt.

Für wen ist der Kurs gedacht? Gibt es bestimm­te Vor­aus­set­zun­gen oder Kennt­nis­se, die bereits mit­ge­bracht wer­den soll­ten?

Kobelt Neu­haus: Wir hof­fen, dass am Semi­nar sowohl gestan­de­ne Lei­tungs­kräf­te, die ver­tie­fen­de Kennt­nis oder theo­re­ti­sche Ein­bet­tung ihres Wis­sens ver­spre­chen, als auch „neue“ Koordinator:innen oder Füh­rungs­kräf­te teil­neh­men. Teil­neh­men­de, die bereits in einem Fami­li­en­zen­trum tätig sind oder eines lei­ten, kön­nen aus ihrer Pra­xis die rich­ti­gen Fra­gen stel­len und Ideen und Erfah­run­gen ein­brin­gen. Nicht alles ist über­all sinn­voll umsetz­bar, wich­tig ist jedoch das Wei­ter­den­ken. Teil­neh­men­de, die erst pla­nen, eine Lei­tungs­auf­ga­be im Fami­li­en­zen­trum zu

über­neh­men, stel­len meist Grund­satz­fra­gen, die nur ver­meint­lich leicht zu beant­wor­ten sind. In den Pra­xis­pha­sen zwi­schen den Modu­len sind die Teil­neh­men­den je nach Vor­kennt­nis­sen ein­ge­la­den, an unter­schied­li­chen

Fra­ge­stel­lun­gen wei­ter­zu­ar­bei­ten und dar­über zu berich­ten. Die Kurs­mo­du­le bie­ten eine Mischung aus kon­kre­ten Manage­ment­an­for­de­run­gen, theo­re­ti­scher und fach­li­cher Fun­die­rung. Sie sind so auf­ge­baut, dass jeder­zeit Erfah­rungs- und Theo­rie­wis­sen ein­ge­bracht und in Grup­pen ger­ne kon­tro­vers dis­ku­tiert wer­den kann.

 

Ein Modul wid­met sich der Zusam­men­ar­beit mit Fami­li­en und Erzie­hungs­be­rech­tig­ten. War­um ist es so wich­tig, sich in die­sem Kon­text mit Inter­sek­tio­na­li­tät und Diver­si­tät aus­ein­an­der­zu­set­zen? Wie kön­nen Fami­li­en­zen­tren ein Bewusst­sein für die bei­spiels­wei­se von Ras­sis­mus betrof­fe­nen Fami­li­en aktiv schär­fen?

Kobelt Neu­haus: Die „Zusam­men­ar­beit mit viel­fäl­ti­gen Fami­li­en“ ist die zen­tra­le Auf­ga­be eines Fami­li­en­zen­trums. Hier erle­ben vie­le Fami­li­en erst­ma­lig, dass sie gehört und ernst genom­men wer­den. Das Dazu­ge­hö­ren ist eine wesent­li­che Grund­la­ge der Demo­kra­tie, eben­so wie Streit und Aus­ein­an­der­set­zung zu ihr gehö­ren. Im Fami­li­en­zen­trum gilt es, unter­schied­li­che Ansich­ten, Mei­nun­gen, Vor­stel­lun­gen und Ein­stel­lun­gen als gewinn­brin­gen­de und berech­tig­te Res­sour­ce zu ver­ste­hen. Auf­ga­be eines Teams im Fami­li­en­zen­trum ist aber auch, Nut­ze­rin­nen und Nut­zern auf­zu­zei­gen, dass nicht jeder Wunsch sofort erfüllt wer­den kann und dass Dis­kri­mi­nie­rung nicht in die Leit­vor­stel­lung der Ein­rich­tung bzw. einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft passt. Gera­de Ras­sis­mus oder auch Aus­ein­an­der­set­zun­gen rund um das The­ma Gen­der wer­den nicht tole­riert, wenn Men­schen dabei psy­chisch oder phy­sisch ver­letzt wer­den. Manch­mal ist es auch nötig, Struk­tu­ren zu schaf­fen, um zer­strit­te­nen Par­tei­en den­noch die Mög­lich­keit der Teil­nah­me zu geben, etwa vor­über­ge­hend unter­schied­li­che Räu­me oder Zei­ten anzu­bie­ten.

Das ist ein gutes Bei­spiel für inno­va­ti­ve Füh­rung. Wel­che Schlüs­sel­kom­pe­ten­zen und ‑rol­len braucht die Lei­tung eines Fami­li­en­zen­trums?

Kobelt Neu­haus: Auch wenn es das gan­ze Team eines Fami­li­en­zen­trums betrifft: Soft­s­kills wie Empa­thie, Per­spek­ti­ven­wech­sel­kom­pe­tenz, Koope­ra­ti­ons­kom­pe­tenz etc. sind auch für Lei­tungs­kräf­te zen­tral. Dar­über hin­aus sind aber gera­de in Fami­li­en­zen­tren Koor­di­na­ti­on, Steue­rungs­auf­ga­ben und Pro­zess­be­glei­tung zen­tra­le Auf­ga­ben von Lei­tungs­kräf­ten. Auch Per­so­nal­ent­wick­lung und ‑akqui­se, Dele­ga­ti­on, fach­li­che und poli­ti­sche Netz­werk­ar­beit sowie Öffent­lich­keits­ar­beit sind nahe­zu in allen Fami­li­en­zen­tren Lei­tungs­auf­ga­be.

  

Was ist für Sie beson­ders wich­tig, den Teil­neh­men­den ange­sichts die­ser Viel­falt an Auf­ga­ben­fel­dern zu ver­mit­teln?

Kobelt Neu­haus: Per­so­nen, die den Kurs besucht haben, sol­len am Ende in der Lage sein, ihr Team zu moti­vie­ren und zu ermu­ti­gen, mit den Fami­li­en und ande­ren Akteur:innen vor Ort gemein­sam ein Pro­gramm zu stri­cken, das aus Erzie­hungs­be­rech­tig­ten, Bür­ge­rin­nen und Bür­gern eine am Gesche­hen im Stadt­teil inter­es­sier­te Soli­dar­ge­mein­schaft ent­ste­hen lässt. Ein beson­de­res Anlie­gen ist, Fami­li­en­zen­tren als Hil­fe zur Selbst­hil­fe zu ver­ste­hen. Es sind kei­ne the­ra­peu­ti­schen Ein­rich­tun­gen, aber sie kön­nen durch­aus ermu­ti­gen, eine The­ra­pie in Betracht zu zie­hen. Es sind auch kei­ne rein sozi­al­ar­bei­te­ri­schen Ein­rich­tun­gen. Den­noch soll­te der sozio­lo­gi­sche Blick geschärft und poli­ti­sche Stra­te­gien kri­tisch zum Woh­le von Fami­li­en geprüft wer­den. Ich hof­fe, dass im Kurs für die Teil­neh­men­den so etwas wie ein Fahr­ten­buch ent­steht, das für die kom­men­den Mona­te und Jah­re Rich­tung und Tem­po vor­gibt. Dazu gehö­ren etwa die Pla­nung und Pfle­ge von Kon­tak­ten, Fund­rai­sing für bestimm­te Pro­jek­te usw.

   

Wo gibt es der­zeit beson­de­ren Hand­lungs­be­darf in Fami­li­en­zen­tren? Was geben Sie Lei­tungs­kräf­ten mit?

Kobelt Neu­haus: Zahl­rei­che Fami­li­en­zen­tren sind unter­fi­nan­ziert und ver­fü­gen nicht über genü­gend Per­so­nal. Den­noch haben sie in der Coro­na­zeit und auch im Umgang mit Men­schen auf der Flucht bewie­sen, wie gut sie Fami­li­en gera­de in Kri­sen­zei­ten beglei­ten und stär­ken kön­nen. In Win­des­ei­le haben zahl­rei­che Zen­tren neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men und Ange­bo­te ent­wi­ckelt und den Fami­li­en auf viel­fäl­ti­gen Wegen näher­ge­bracht. Vie­le Ein­rich­tun­gen haben sich weit über ihre Pflicht hin­aus enga­giert. Es ist nicht ver­wun­der­lich, dass sich eini­ge zur­zeit erschöpft und in ihrer Bedeu­tung nicht ernst genom­men füh­len. Uns ist es daher wich­tig, Lei­tungs­kräf­te zu stär­ken und ihnen Mit­tel und Wege auf­zu­zei­gen, wie die Fami­li­en­zen­trums­ar­beit effek­tiv und effi­zi­ent geleis­tet wer­den kann und wie sie in ihren Kom­mu­nen und Län­dern für aus­kömm­li­che Res­sour­cen strei­ten kön­nen.

      

Wo sehen Sie die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren für die Arbeit von Fami­li­en­zen­tren? Oder auch Her­aus­for­de­run­gen?

Kobelt Neu­haus: Typi­sche Her­aus­for­de­run­gen von Fami­li­en­zen­tren ist bereits aktu­ell die wach­sen­de Viel­falt an Fami­li­en, die ein sehr dif­fe­ren­zier­tes Pro­gramm erfor­dert. Ins­be­son­de­re in länd­li­chen Regio­nen ist die Komm-Struk­tur ein Pro­blem. Viel­fach sind lan­ge Wege zu bewäl­ti­gen und die Ange­bo­te fin­den nicht direkt vor der Haus­tür statt. Daher wer­den sowohl für städ­ti­sche als auch für länd­li­che Regio­nen neue Kon­zep­te gesucht und finan­ziert wer­den müs­sen, die Fami­li­en flä­chen­de­ckend eine stär­ken­de Par­ti­zi­pa­ti­on und Teil­ha­be an der Gesell­schaft ermög­li­chen, zum Bei­spiel den Ein­satz von Bera­tungs- oder Fami­li­en­zen­trums­fahr­zeu­gen.

Dar­über hin­aus wer­den auch die Teams in Fami­li­en­zen­tren viel­fäl­ti­ger wer­den. Das auf­grund viel­fa­cher Ein­flüs­se schwä­cheln­de ehren­amt­li­che Enga­ge­ment, ohne das ver­mut­lich kaum ein Fami­li­en­zen­trum aus­kommt, gefähr­det immer wie­der die Kon­ti­nui­tät von Vor­ha­ben. Und nicht zuletzt wird es immer mehr digi­ta­le Ange­bo­te geben, was eine gute Ver­sor­gung der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger mit taug­li­chen Inter­net­ver­bin­dun­gen und Medi­en vor­aus­setzt.

Was sind die Schwer­punk­te und Stär­ken des Bun­des­ver­bands für Fami­li­en­zen­tren?

Kobelt Neu­haus: Der Bun­des­ver­band der Fami­li­en­zen­tren e.V. ver­steht sich als der Fach- und Lob­by­ver­band für Fami­li­en­zen­tren. Ursprüng­lich bestand die Hoff­nung, ein­mal ein bun­des­weit ein­heit­li­ches Qua­li­täts­ver­ständ­nis für Fami­li­en­zen­tren zu ent­wi­ckeln und zu eta­blie­ren. Beglei­tung von Fami­li­en gemäß §16 SGB VIII ist eine Pflicht­auf­ga­be der Kom­mu­nen, wobei die Wei­sungs­frei­heit dazu führt, dass jede Kom­mu­ne bzw. jedes Bun­des­land selbst defi­nie­ren kann, wie die­se Beglei­tung aus­sieht. Und obwohl es inzwi­schen hin­rei­chend Nach­wei­se der Effi­zi­enz von Fami­li­en­zen­tren bei der Stär­kung der Chancen‑, Bil­dungs- und Gesund­heits­ge­rech­tig­keit für Kin­der

und Eltern in Deutsch­land gibt, sind noch längst nicht alle Län­der und Kom­mu­nen auf dem Weg, Fami­li­en­zen­tren flä­chen­de­ckend zu eta­blie­ren.

Neben der akti­ven Ver­tre­tung der Inter­es­sen der Fami­li­en­zen­tren auf allen poli­ti­schen Ebe­nen sind wei­te­re Auf­ga­ben des Ver­bands der bun­des­wei­te Aus­tausch, Ver­net­zung und Infor­ma­ti­on, Wis­sens­trans­fer durch

Fach­ver­an­stal­tun­gen sowie die Unter­stüt­zung von Trä­gern und Ein­rich­tun­gen bei der Wei­ter­ent­wick­lung der fami­li­en­ori­en­tier­ten sozi­al­räum­li­chen Arbeit.

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Das Inter­view führ­te Ina Kant, Bil­dungs­re­fe­ren­tin an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

Der Zer­ti­fi­kats­kurs „Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren“ star­tet am 28. Novem­ber 2022. Er besteht aus ins­ge­samt drei­zehn Fort­bil­dungs­ta­gen, die sich aus Prä­senz- und Online­for­ma­ten zusam­men­set­zen. Mehr Infor­ma­tio­nen zu den Kurs­in­hal­ten und zur Teil­nah­me erhal­ten Sie hier.

Eine Info­ver­an­stal­tung fin­det am 28. Sep­tem­ber 2022 um 16:30 über Zoom statt.

Ein Fami­li­en­zen­trum inno­va­tiv und nach­hal­tig füh­ren

Zer­ti­fi­kats­kurs mit Danie­la Kobelt Neu­haus (u.a.)

Start: 28. Novem­ber 2022

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