Wie geht Networking für Introvertierte und Hochsensible, Martin Nevoigt?
Echte Verbindungen schaffen starke Organisationen
Im sozialen Bereich machen wir unseren Job aus Überzeugung und mit großem Engagement. Doch nicht allen fällt es leicht, auf andere zuzugehen und ihre Ideen zu präsentieren. Diese Menschen berät Martin Nevoigt (Out HSP). Er ist Unternehmenscoach mit Fokus auf hochsensible und introvertierte Menschen. Im Networking sieht er großartige Möglichkeiten. Das kann auch für Personen zutreffen, die große Runden oder Netzwerk-Veranstaltungen eher als anstrengend empfinden. Wir haben dem HSP-Coach einige Fragen darüber gestellt, wie auch leisere Menschen sich auf ihre Art zeigen und sich mit anderen verbinden können.
Ca. 15–20 % aller Menschen sind hochsensibel. Hierarchische Strukturen hemmen und blockieren oft ihre Fähigkeiten im Arbeitsalltag. Woran das liegt und wie es besser geht, darüber haben wir mit Martin Nevoigt im März in unserem ersten Fachbeitrag zum Thema Hochsensibilität im Berufsalltag gesprochen.
Worum geht es beim Networking? Gibt es hier eine Brücke zu den Themen aus Ihrem
Hochsensibilitäts-Coaching?
Nevoigt: Die Netzwerk-Struktur ermöglicht einen Austausch auf Augenhöhe und schafft einen Raum für jeden, sich mit seinen Fähigkeiten und Interessen einzubringen. Diese offene Struktur erfordert unter anderem selbstverantwortliches Arbeiten, weil eben niemand mehr als vermeintlich allwissender Vorgesetzter fungiert, der allein sagt, wo es lang geht.
Das überfordert manche Menschen noch, die mit den klassisch hierarchischen Strukturen aufgewachsen sind. Auch da kommen Ängste und Blockaden zum Vorschein. Nach meiner Erfahrung erleben aber gerade Hochsensible diese
selbstbestimmtere Art zu arbeiten als echte Befreiung und können damit ihre eigenen Potenziale voll entfalten.
Warum ist es sinnvoll, sich gute Networking Skills anzueignen? Was sind überhaupt gute Networking Skills?
Nevoigt: Um diese Form des Netzwerkens zu etablieren, braucht es vor allem ein echtes Interesse am anderen und die Offenheit, andere Perspektiven einzunehmen. Wie betrachtet mein Gegenüber dieses Problem oder jene Entwicklung? Welche Ideen hat er dazu? Das schafft einen Raum für tieferen Austausch.
Es geht auch darum, erstmal zu geben, anstatt nur zu schauen, was ich mitnehmen kann. Wo kann ich dem anderen mit meinen Ideen und Erfahrungen weiterhelfen? Wie kann ich mich einbringen? Wenn nur nach schnellen Lösungen für die eigene Sache gesucht wird, dann hat das weniger mit gegenseitigem Netzwerken zu tun, sondern ist im Grunde nur eine verdeckte Suche nach unbezahlter Dienstleistung.
Außerdem ist Verbindlichkeit und Loyalität äußerst wichtig, zum Beispiel sich an Zusagen und Abmachungen zu halten und vertrauliche Informationen diskret zu behandeln. Damit können wir Vertrauen aufbauen, was gefestigte und langfristige Beziehungen schafft. Dieses Netz an Verbindungen trägt eine Organisation oder ein Einzelunternehmen dann auch durch schwierige Zeiten.
All diese Aspekte haben eines gemein: Man kann sie sich nicht erkaufen oder kurzfristig herstellen, sondern jeder im Netzwerk darf sie allmählich aufbauen. Solch ein natürliches Wachstum braucht Zeit und zuversichtliche Beharrlichkeit, wie alle guten Prozesse.
Welchen Rat geben Sie eher introvertierten Personen, denen das Zugehen auf Menschen nicht so leichtfällt?
Nevoigt: Dieses Thema taucht in meinen Workshops und Coachings häufiger auf. Hier gebe ich gern die Frage rein: In welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen möchtest du dich mit anderen verbinden? Denn selbstbestimmtes Arbeiten ermöglicht genau das: Die Dinge in einen neuen Bezugsrahmen zu setzen, der zu mir selbst und meinen Werten und Wesenszügen passt. Im Coaching nennt man das Reframing.
Mit diesem Reframing kann ich mir als introvertierter oder hochsensibler Mensch zum Beispiel bewusst machen, dass ich vielleicht bisher das Thema Netzwerken mit großen Events in riesigen Hallen und Small Talk mit vielen verschiedenen Menschen assoziiert habe. Das ist aber nur ein möglicher Rahmen. Es gibt noch viele weitere, wovon einige eher zu einer introvertierten Persönlichkeit passen. Zum Beispiel könnte ich eine ganz kleine Austauschrunde in einem geschützteren Raum initiieren oder mich auf ein Zweiergespräch mit einer einzigen Person fokussieren. Das schafft auch eine viel persönlichere Verbindung als das oberflächliche Abklappern vieler potenzieller Netzwerkpartner:innen. Für manche Introvertierte sind auch digitale Räume angenehmer, für andere wiederum der ganz persönliche Kontakt. Hier darf ich mich gern ausprobieren, um den für mich passenden Rahmen zu gestalten.
Viele Introvertierte und Hochsensible empfinden auch häufig Small Talk und dieses »so tun als ob « enorm anstrengend, etwa wenn die Hochglanzfassade der Firma aufrecht erhalten werden soll. Doch diese Floskeln und Masken braucht es mit der oben beschriebenen Art des Netzwerkens nicht mehr, sie sind sogar sehr hinderlich. Es ist dafür viel sinnvoller, authentische Gespräche anzuregen und das aktive Zuhören zu kultivieren, anstatt sich selbst und seine Organisation ständig repräsentieren zu müssen. Wir nehmen viel mehr Inspiration mit, wenn wir offen für andere Perspektiven und Erfahrungsberichte sind.
Introvertierte und empathische Menschen haben hier oft ungeahnte Stärken, wenn sie ihren eigenen Rahmen geschaffen haben. Dabei geht es vor allem auch um Selbstakzeptanz, denn introvertiert oder hochsensibel sein sind Wesenszüge, die genauso wertvoll und manchmal herausfordernd sind, wie andere Eigenschaften.
Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Nevoigt: Der Rahmen hierfür ist ein menschenzentrierter: Community over Competition. Denn ein Unternehmen kann niemals im luftleeren Raum gedeihen, es braucht vielschichtige und vor allem echte Verbindungen. Für mich bedeutet das, sich von der Hochglanzfassade zu verabschieden und sich lieber offen über Prozesse, Entwicklungen und auch eigene Schwierigkeiten und Hürden auszutauschen.
Also auch hier die »professionelle Maske« abnehmen und authentisch agieren, um gemeinsam hilfreichere Möglichkeiten und Lösungen entwickeln zu können. Dabei kann es um spezifische interne Prozesse gehen, aber auch um allgemeine Entwicklungen, wie etwa die Digitalisierung. Daraus können dann auch tragende Kooperationen und vertrauensvolle Beziehungen entstehen. Wie das in der Praxis funktionieren kann, das spielen wir in den Workshops anhand konkreter Anliegen und Fragen der Teilnehmer:innen durch.
Was sollten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in Bezug auf das Thema Netzwerken eher vermeiden?
Nevoigt: Man nimmt sich und seiner Organisation viele wunderbare Möglichkeiten, wenn man nur ergebnisorientiert und nicht menschen- und beziehungsorientiert netzwerken möchte. Zum Beispiel indem man lediglich nach eigenen Vorteilen und Problemlösungen sucht, während man sich selbst und seiner Organisation nicht in die Karten schauen lässt. Mit Argwohn oder Misstrauen kann kein offener Austausch entstehen und somit auch keine echte Verbindung.
Natürlich ist es sinnvoll, vorab im Team und der Organisation zu klären, ob es gewisse sensible Informationen oder interne Prozesse gibt, die zum Beispiel aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geteilt werden dürfen. Aber meistens braucht es diese ganz spezifischen Informationen gar nicht, um gemeinsam Möglichkeiten und Lösungsideen auszuloten, weil vieles auf einer Metaebene beleuchtet werden kann.
Gibt es bestimmte Fragen oder Themen, die in Ihrem Coaching von den Teilnehmenden, egal ob Führungskräfte oder Berufseinsteiger:innen, häufig angesprochen werden?
Nevoigt: Viele Anliegen laufen letzten Endes, wenn die Blockaden langsam aufgelöst sind, auf große philosophische Lebensthemen hinaus: Was ist der tiefere Sinn meines Schaffens? Was motiviert und begeistert mich im tiefsten Innern? Was möchte ich mir und der Welt geben? Welche Beziehungen möchte ich eingehen? Was würde ich tun, wenn ich alle Möglichkeiten hätte und frei von inneren und äußeren Hindernissen wäre?
Auch wenn diese Fragen auf den ersten Blick wenig mit dem praktischen Arbeitsalltag zu tun haben, so tun Unternehmen und Organisationen doch sehr gut daran, sich klarzumachen, dass es solche Fragen sind, die Menschen und ihr Handeln auf der tieferen Ebene bewegen. Es geht dabei auch um die elementare Frage, was für uns Menschen ein echter Mehrwert ist und wie wir auf Grundlage dessen gemeinsam wirtschaften, zusammenarbeiten und leben wollen.
Die besprochenen Themen und Ansätze beziehen sich im Grunde auf alle Menschen, wie etwa die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit oder hilfreiche Bedingungen, um die eigenen Potenziale zu entfalten. Nach meinen Erfahrungen sind allerdings hochsensible Menschen in besonderem Maße von diesen tieferen Themen betroffen, weil sie durch ihre Feinsinnigkeit eher soziale Schwierigkeiten oder strukturelle Dysbalancen wahrnehmen sowie schneller an eigene Belastungsgrenzen stoßen. Und deshalb viel häufiger an den Punkt kommen, sich damit auseinanderzusetzen: Was brauche ich wirklich und wie kann ich mein Leben und Arbeiten danach gestalten?
Können wir alle etwas tun, um Arbeit menschenzentrierter und sensibler zu gestalten?
Nevoigt: Der erste wichtige Schritt ist immer das Bewusstmachen der Bedingungen und Mechanismen, die um mich und auch in mir wirken. Nur was ich ins Bewusstsein hole, kann ich auch beleuchten und gegebenenfalls verändern.
Auf der zwischenmenschlichen und kollegialen Ebene ist auch hier das echte Interesse am anderen und seinem
Blickwinkel hilfreich. Offen für andere Arbeitsweisen, Ansätze und Ansprüche zu sein, kann auch sehr inspirierend für die eigene Art zu arbeiten und zu leben wirken.
Auf der inhaltlichen und strukturellen Ebene kann ich dann gemeinsam mit meinem Team oder mit der gesamten Organisation einen offenen Raum für Fragen und Ansätze etablieren: Wozu tun wir, was wir tun? Für wen oder was ist das hilfreich? Erschafft es einen echten Mehrwert für die Menschen, die Gesellschaft oder die Umwelt? Und ist das für alle Mitwirkenden klar oder braucht es hier weiteren Austausch? Erst wenn das »Was« für alle klar definiert ist, geht es um die Frage: Wie wollen wir das konkret umsetzen?
Häufig werden diese Bereiche unzureichend bis gar nicht erkundet oder nur auf der Führungsebene, wenn die alte Hierarchiestruktur noch festsitzt. Oft herrscht auch noch die Überzeugung, dass die Zeit oder Ressourcen besser für das Alltagsgeschäft verwendet werden sollten, um schnelle Ergebnisse zu erzielen, anstatt auf solche Sinn-Fragen oder verbindende Netzwerkräume. Doch genau auf diesen Ebenen liegen langfristig unschätzbare Möglichkeiten für jede Organisation und jeden Einzelnen. Und das bringt dann, quasi als Nebeneffekt, auch stärkere Ergebnisse auf der Ebene der Daten und Zahlen.
Für die angehenden Führungskräfte im Masterstudium Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie gibt Martin Nevoigt Workshops zum Thema Networking. Bereits im März 2023 haben wir mit ihm über seine Kritik an veralteten Menschenbildern gesprochen, auf denen viele Unternehmensstrukturen immer noch fußen. Hier geht es zum Fachbeitrag.
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Das Interview mit Martin Nevoigt (Webseite) führte Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Martin Nevoigt (Foto: Sylvia John)
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5 Tipps für wirksames Employer Branding in der Sozialwirtschaft
Wie funktioniert eigentlich aktuelles, wirkungsvolles Employer Branding? Darüber haben wir mit Fachexpertin und Dozentin Anne Engelshowe gesprochen. Herausgekommen sind fünf Tipps, die wir in diesem Magazinbeitrag teilen, um Ihre Arbeitgebermarke in Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Fluktuation in der Sozialwirtschaft zu stärken.
1. Sei konsistent – und wenn du’s nicht bist, sprich offen darüber
Viele Unternehmen werben mit flachen Hierarchien und Nachhaltigkeit. In der Realität treffen Bewerber:innen dann aber schnell auf „Siezen in der Chefetage“ und unnötige Wegwerfprodukte im Arbeitsalltag. Konsistent sein bedeutet jedoch, Botschaften nicht nur in der Auswahl smarter Bilder und Sprüche auf der Website, sondern wirklich bis in die Mitarbeitenden-Toilette hinein zu durchdenken. Dies erfordert keine Perfektion, sondern authentische und ehrliche Kommunikation.
Wenn in Bewerbungsgesprächen beispielsweise lieber gesiezt wird und im Team eine „Du-Kultur“ herrscht, sollte dies offen angesprochen werden. Auch was die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Diversität im Arbeitsalltag betrifft, sollten Arbeitgeber:innen dies weniger perfekt verkaufen und sich stattdessen um eine gemeinsame Entwicklung hin zu einer guten und lebenswerten Organisation bemühen, womit wir auch direkt zum zweiten Tipp kommen:
2. Trau‘ dich, deine (potenziellen) Mitarbeiter:innen zu fragen und damit in die Lösungsfindung mit einzubeziehen
Oft wissen gerade kleine Träger:innen nicht, mit welchen Argumenten sie sich gegenüber „den Großen“ behaupten sollen, sodass in Stellenanzeigen mit üblichen Phrasen und Floskeln geworben wird. Doch was wäre, wenn sie ihre bestehenden Mitarbeiter:innen fragen, warum sie gen bei ihnen arbeiten? Was sie antreibt, sich jeden Tag auf die Arbeit einzulassen? Und, warum nicht Bewerber:innen im nächsten Interview selbst fragen, wie sie sich gerne bewerben möchten? Vielleicht ist der Telegram-Chatbot dann doch nicht so gewollt, wie anfangs angenommen.
Eine Kultur des Fragens und des Zuhörens kann langfristig zu besseren Entscheidungen für alle Beteiligten führen. Es erfordert jedoch Mut zuzugeben, dass man nicht immer die perfekte Lösung parat hat. Genau darum geht es im nächsten Tipp:
3. Ungemütliche Probleme erfordern (vermeintlich) ungemütliche Handlungen
Der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege verschärft sich zunehmend. Um diesem Problem entgegenzuwirken, müssen neben faireren Arbeitsbedingungen auch Maßnahmen wie das „Abwerben“ von Pflegekräften neu betrachtet werden. Könnte es als Gewinn auf Systemebene betrachtet werden, wenn Pflegekräfte von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln, statt der Branche vollständig den Rücken zuzukehren? Eine weitere Herausforderung besteht in der Erstellung von Dienst- und Schichtplänen, betont Anne. Wie können wir den zunehmenden Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und hoher Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeit mit der teilweise noch sehr starren Schichtplanung vereinbaren? Wer in der Pflege in 10 Jahren noch Personal finden möchte, muss sich jetzt mit Lösungen für diese und weitere Fragen befassen. Möglicherweise erfordert dies die stärkere Zusammenarbeit verschiedener Träger:innen, um gemeinsam kreative Lösungen für gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln.
Allerdings haben Synergien auch Grenzen, die in der Auswahl und Gestaltung von Kooperationen gewahrt werden müssen. Um diese Grenzen zu kennen, benötigt man ein solides Verständnis der eigenen Identität, auf das im nächsten Abschnitt eingegangen wird:
4. Immer wieder mit dem Brennglas auf die eigene Identität schauen
Arbeitgeber:innen sollten sich öfter die Frage stellen: „Wer bin ich? Was treibt uns an?“. Oftmals wird bei der Gestaltung von Leitbildern zu stark die Perspektive von Leistungsempfänger:innen und Geldgeber:innen berücksichtigt, während die Mitarbeiter:innen-Perspektive vernachlässigt wird. Die eigene Identität als Organisation zu kennen und zu wahren ist jedoch essenziell, um zu wissen, welche Art von Mitarbeiter:innen man sucht und welche nicht. Wenn eine Organisation beispielsweise Offenheit und Lernbereitschaft fördert, muss sich dies auch in der Gestaltung der Arbeitszeit sowie ausreichend Freiraum für Fort- und Weiterbildung widerspiegeln. Gleichermaßen wäre es passender, anstatt den perfekten Lebenslauf von Bewerber:innen einzufordern stärker auf die Lern- und Weiterentwicklungsbedürfnisse der Kandidat:innen zu schauen.
Ein starkes Arbeitgeberselbstverständnis kann daher sowohl bei der Bewerber:innenwahl Orientierung geben als auch konsistentere Entscheidungen im Arbeitsalltag ermöglichen. Dazu gehört auch die Entscheidung einer Kündigung, über die in Organisationen noch viel zu zaghaft gesprochen wird. Auch hierzu hat die Expertin ein paar letzte Tipps.
5. Lerne, wertschätzend loszulassen und im Guten auseinanderzugehen
In Zeiten von Social Media und Online-Portalen hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ein exponentiell wachsendes Netzwerk, das auch für Arbeitgeber:innen von Bedeutung ist. Daher ist es umso wichtiger, dass Wertschätzung und Offenheit nicht nur gegenüber potenziellen und aktuellen, sondern auch ehemaligen Mitarbeiter:innen gezeigt wird. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter:innen den ersten Job bis zur Rente behielten, sind vorbei. Auf diese Veränderung beleidigt oder mit verschlossenen Türen zu reagieren, führt zu nichts oder schadet sogar dem Image des Unternehmens. Die innovativsten Reaktionen auf Kündigungen, die Anne in ihrer Karriere erlebt hat, waren:
- ein Blumen-Abo, das auch Monate nach dem Austritt noch monatlich für die großartige Arbeit dankt oder
- eine Postkarte als undatierter Rückfahrschein, der herzlich und kreativ die Option einer Rückkehr ins Unternehmen ermöglicht
PS: Hast Du eigentlich gemerkt, dass wir in diesem Beitrag hier vom „Sie“ ins „Du“ übergegangen sind? Wie hat sich das beim Lesen angefühlt?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Seien Sie gut zu Ihren Mitarbeitenden. Aktivieren Sie sie für Ihre Aktivitäten und finden Sie Freude daran, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Dann wird gutes Employer Branding nicht länger ein gefürchtetes Buzzword sein, sondern eine natürliche Konsequenz eines wertschätzenden und kollaborativen Miteinanders.
Wer intensiver in die Themen Mitarbeitendengewinnung und ‑bindung eintauchen möchte, kann sich bis zum 2. Mai noch für Annes Seminare „Gesucht. Gefunden! Trends und Praxis in Personalmarketing und Recruiting“ und „Gefunden. Gebunden! Trends und Praxis in der Mitarbeiter:innen-Bindung“ am 11. Und 12. Mai 2023 in Berlin anmelden.
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Text: Der Beitrag wurde von Tanja Tissen, Bildungsreferentin und Dozentin an der Paritätischen Akademie, im Interview mit Anne Engelshowe verfasst.
Foto: Anne Engelshowe
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Was macht ein:e Sozialarbeiter:in in einer psychiatrischen Klinik?
Exkursion in das St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin Mitte
Wofür gibt es Soziale Arbeit im psychiatrischen Bereich? Das sollen unsere Studierenden des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit genauer erfahren. Im Februar fand eine Exkursion in die psychiatrische Station der Universitätsklinik Charité im St. Hedwig-Krankenhaus Berlin statt. Weit mussten die Studierenden dafür nicht reisen. Denn die Klinik im denkmalgeschützten Bau befindet sich im historischen Zentrum von Berlin-Mitte. Nur wenige Minuten zu Fuß von der Paritätischen Akademie entfernt.
Heute, über 170 Jahre nachdem die ersten Patient:innen hier aufgenommen wurden, arbeiten im St. Hedwig-Krankenhaus über 1400 Mitarbeiter:innen für stationäre oder ambulante Versorgung in unterschiedlichen Fachdisziplinen von Anästhesie und Intensivmedizin bis zur Viszeralchirurgie.
Die Studierenden lernten an diesem Tag die Abteilung für Psychiatrie kennen. Hier erhalten Menschen, die eine psychische Erkrankung sowie eine zusätzliche Abhängigkeitserkrankung haben, in einer auf „Psychose und Sucht“ spezialisierten Tagesklinik unterschiedliche Therapieangebote. Mit Einzelgesprächen und Gruppentherapien, Achtsamkeits- und Bewegungstraining werden sie in der Tagesklinik und Ambulanz für Doppeldiagnosen betreut. Die Student:innen der Paritätischen Akademie nahmen an einer exklusiven Führung und einem Fachgespräch mit einer Sozialarbeiterin vor Ort teil.
Wer arbeitet in der psychiatrischen Klinik?
Ein Team aus ca. acht Mitarbeiter:innen sind in der Tagesklinik angestellt. Es besteht aus Psycholog:innen, Ärzt:innen, einer Ergo- und einer Sporttherapeutin, einer Sozialarbeiterin sowie Praktikant:innen und Pflegeschüler:innen. Auch ein Stationshund für die tiergestützte Therapie ist regelmäßig für die Patient:innen da.
Wie läuft ein Tag in der Klinik für die Patient:innen ab?
Die Tagesklinik hat von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Gestartet wird jeden Tag mit einem Tageseinklang. Das bedeutet eine Tasse Kaffee, Temperaturmessung und derzeit auch die Covid-Test-Kontrolle. Dann geht es laut Plan weiter mit einer Morgenrunde und anschließenden Therapieeinheiten. Die Patient:innen können je nach Tagesprogramm zum Beispiel zwischen Ergotherapie oder einer Gruppentherapiesitzung wählen. Es kann sich gemeinsam oder individuell in Entspannung, Sozialkompetenz oder auch Konzentration geübt werden.
Der Nachmittag ist durch vielfältiges Programm gestaltet. Außenaktivitäten im Park, Lichttherapie, Zeichnen oder alltagspraktisches Training werden angeboten. Ein wichtiger Bestandteil sind die Tages- sowie Wochenbilanzen, die
in Gesprächsgruppen und Einzelgesprächen gezogen werden.
Was sind die Aufgaben von Sozialarbeiter:innen im Bereich Psychiatrie?
Gesprochen haben die Studierenden mit einer Sozialarbeiterin der Station. Sie erklärt, wie der Weg von der Diagnose bis zum Therapieplatz abläuft. Die Aufnahme von Patient:innen erfolgt entweder direkt nach einem stationärem Aufenthalt oder durch ärztliche Überweisung. Sozialarbeiter:innen unterstützen Personen mit Hilfebedarf dabei, einen Therapieplatz zu finden und zu beantragen. Sie helfen bei Leistungsansprüchen und bei der Organisation von weiterführenden Hilfen, wie medizinische oder berufliche Rehabilitation.
„Sie sind Berater:innen für die verschiedenen Lebensbereiche von finanziellen und beruflichen Themen bis hin zur Gestaltung der eigenen Tagesstruktur und sozialen Beziehungen.“
so fasst Berit Kempe die Aufgaben zusammen. Die Dozentin für Sozialmedizin und Public Health im Bachelor Soziale Arbeit ist als Sozialarbeiterin an der Psychiatrischen Station des Krankenhauses tätig.
Der Rundgang über die Station schloss mit einem Besuch des Offenen Ateliers ab. Farbtuben, Pinsel und eine Vielfalt an kunsttherapeutischen Materialen stehen hier an den verschiedenen Arbeitsplatten zur Verfügung. Kunst- und Handwerkstherapie begleitet Menschen in akuten Krisen und hilft ihnen bei der Integration des Erlebten.
Unsere Studierenden haben viel darüber gelernt, was in einer psychiatrischen Tagesklinik alles passiert und wie insbesondere die Arbeit im Sozialdienst aussieht. Ob jemand von ihnen dazu inspiriert wurde, in dieses Berufsfeld tiefer einzusteigen? Wir werden sie weiter auf ihrem Weg begleiten.
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Text & Fotos: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin: Kontakt)
Foto: Canva
Handlungsstrategien in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen
Seminar mit Uta Rautenstrauch
Sozialmanagement, Master of Arts
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Hochsensibilität im Berufsalltag
Und ihre Potenziale im Arbeitskontext
Vom Gefühl, sich nicht zurechtzufinden und einfach nicht reinzupassen, war das Verhältnis zur Arbeitswelt von Martin Nevoigt lange Zeit geprägt. Soziale Interaktionen wie Small Talk am Mittagstisch oder unausgesprochene Konflikte im Team laugten ihn oft aus. Außerdem hatte er nie Interesse an der vorherrschenden Ellenbogenmentalität: Konkurrenzdenken, Statussymbole oder das ewige Schneller-Höher-Weiter. „Mich bewegte vor allem der tiefere Sinn hinter allem und wie echte Begeisterung und innere Motivation dafür entfaltet werden kann.“ erinnert er sich. Wir haben ihm einige Fragen zu seinem Werdegang gestellt.
Martin Nevoigt ist heute Geschäftsführer einer gemeinnützigen Organisation und systemischer Coach im Bereich Hochsensibilität, menschenzentriertes Arbeiten (New Work) und sensibles beziehungsweise empathisches Unternehmertum. Er ist außerdem als Dozent und Autor tätig. In seiner Arbeit geht es häufig um selbstbestimmte Arbeitsstrukturen und einen guten Umgang mit den eigenen Ressourcen und Potenzialen.
Vor 10 Jahren begann er, sich eingehend mit seiner eigenen Hochsensibilität und neuen Arbeitsansätzen zu beschäftigten. Dann ergab vieles plötzlich Sinn. Er gewann Akzeptanz für sich selbst. Daraus entstand die Kraft, sein Leben und Arbeiten nach seinen Werten und Bedürfnissen zu gestalten.
Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?
Nevoigts Klient:innen sind hauptsächlich Unternehmer:innen, Selbständige und Personen mit einer sehr ausgeprägten Empathie und Sensibilität.
„Laut psychologischen Forschungen sind etwa 15–20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel. Das bedeutet, dass ihr Nervensystem über die Sinnesorgane deutlich mehr und feiner Reize und Informationen aufnimmt und diese auch länger und intensiver im Gehirn verarbeitet als normalsensible Menschen.“
In alltäglichen Situationen kann das ziemlich herausfordernd sein. Die Reizüberflutung kann zu einer großen Erschöpfung und schließlich einem sozialen Rückzug führen. Auch die zwischenmenschliche Kommunikation kann mitunter schwierig sein, weil die hochsensible Reizverarbeitung häufig auf Details oder Nuancen fokussiert. Das kann schnell zu Missverständ-nissen führen. Viele Hochsensible zweifeln dann an sich und ihrer feinen Wahrnehmung. Sie denken oft, nicht „hart“ oder stark genug für eine Selbständigkeit oder Führungsposition zu sein. Doch diesem Glaubenssatz widerspricht der erfahrene Coach für hochsensible Personen (kurz: HSP).
Hochsensibilität – Laster oder Potenzial?
In der Hochsensibilität stecken große Potenziale, so der Experte. Zum Beispiel eine ausgeprägte Gewissenhaft-igkeit, Detailverliebtheit und starke zwischenmenschliche Kompetenzen, wie Einfühlungsvermögen und eine gute Intuition.
„Hier fehlt es oft an einem tragenden (Selbst-)Bewusstsein für diese wertvollen Potenziale und Möglichkeiten, die hochsensible und »leise« Wesenszüge aufweisen – für sich selbst und die Gesellschaft. Es geht auch darum, zu erkennen, dass innere Stärke nicht entsteht, wenn wir hart zu uns sind, sondern indem wir auch in schwierigen Phasen gut für uns sorgen.“
Wenn Arbeitgeber:innen und Führungskräfte die wertvollen Begabungen und speziellen Bedürfnisse von Hochsensiblen erkennen und fördern, kommt dies der gesamten Organisation zugute. Denn im richtigen Umfeld sind Hochsensible absolute Teamplayer, handeln sehr loyal und selbstverantwortlich, haben hohe moralische Werte und ausgeprägte soziale Kompetenzen. Außerdem können sie häufig komplexe Zusammenhänge intuitiv erkennen und gehen mit großer Sorgfalt und Tiefgründigkeit vor.
Wie können Arbeitsstrukturen so gestaltet werden, dass sie für hochsensible Menschen funktionieren?
„Die Arbeitsweise ist oft eine andere, als der typische Büroalltag als Angestellter es zulässt. Zum Beispiel können viele Hochsensible in kürzester Zeit sehr intensiv und effektiv arbeiten, weil das ihrer komplexen Reizverarbeitung entspricht, brauchen dazwischen aber häufiger Pausen und Ruhe zum Entspannen und Regenerieren. Mit zeitlich
eng getakteten Arbeitstagen oder lauten und vollen Büroräumen funktioniert das nicht. Hier wären zum Beispiel Ruheräume, selbstverantwortliche Arbeitszeiten oder bestimmte Tage im Home Office gute Möglichkeiten.“ So Nevoigt. Wenn hochsensible Mitarbeiter:innen einen tieferen Sinn in ihren Aufgaben und Tätigkeitsfeldern sehen und die Unternehmensziele ihren Werten entsprechen, bringen sie sich enorm ein, weiß er.
Sind Unternehmen offen für ein Umdenken und ein daraus folgendes Umstrukturieren? Wie kann Vorbehalten entgegnet werden?
Ja, der HSP-Coach kann ein allmähliches Umdenken beobachten. Technische und digitale Entwicklungen tragen zu diesem Wandel bei. Die Digitalisierung oder die Corona-Pandemie haben Homeoffice oder Remote Work als Optionen normalisiert.
Nevoigt ist überzeugt, dass die „klassisch hierarchische Arbeitswelt der Fabriken, wo ein Vorgesetzter plant und alle anderen ausführen“ überholt ist. Abgelöst werden sollte dieses Modell durch „ein netzwerkendes Zusammen-arbeiten auf Augenhöhe, wo Menschen ihre Ideen, Interessen, Expertisen und Erfahrungen einbringen. So kann eine Art organisatorisches Biotop entstehen, in welchem ein sinnvoller Mehrwert und spannende Ansätze gedeihen.“ Hochsensible und empathische Menschen gewinnen dadurch an persönlichem Gestaltungsraum und können freier arbeiten. Sie können sogar zu Vorreiter:innen werden. Das möchte der Berater für hochsensible Unternehmer:innen und Führungskräfte vermitteln.
Können dadurch bessere Ergebnisse erzielt werden?
Geht durch Umstellung auf neue Arbeitsstrukturen nicht auch ein gewisses Maß an Effizienz verloren? Diese Sorge stammt laut Nevoigt aus einem „industriellen Menschenbild“. Arbeitskräfte sollen hier streng und kontrollierend geführt werden. Führungskräfte müssen alles wissen und fehlerfrei managen. „Das erzeugt auf allen Ebenen enormen Druck und ein demotivierendes Klima der Angst und Kontrolle.“ Und auch am Vertrauen in die eigene Wirkkraft fehle es dann.
Wer hingegen authentisch agieren kann, weil ein vertrauensvolles Menschenbild vorherrscht, erzielt spannendere Ergebnisse. Nicht nur, nehmen Menschen schwierige Herausforderungen eher an, wenn sie diese für sinnvoll und wertvoll erachten (intrinsische Motivation). Auch für alle anderen Mitwirkenden kann sich eine echte Befreiung einstellen. Davon, sich nicht mehr hinter einer „professionellen Maske des Allwissenden und Unfehlbaren verstecken zu müssen.“ Das sogenannte „Masking“ raubt Energie und Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können.
Solche Veränderungen entfalten gerade für hochsensible Menschen viele bis dahin unentdeckte Möglichkeiten, stellt Nevoigt in seinen Coachings immer wieder fest. Sinnlose Tätigkeiten, Ängste, sozialer Druck und frühere Abwertungen entmutigen Menschen. Sie fühlen sich blockiert. Martin Nevoigt hilft diesen Menschen dabei, sich diese Blockaden bewusst zu machen und sie abzulegen. Im Ergebnis gehen Menschen danach sehr viel zuversichtlicher und engagierter vor. Dazu gehört auch, eine sinnvolle Abgrenzung zu entwickeln und häufiger mal „Nein“ zu sagen.
„Menschen sind nicht faul, sie sind nur blockiert und entmutigt.“
Seine Tipps und Methoden gibt Martin Nevoigt in Gruppen-Workshops auch an die Studierenden im Master Sozialmanagement der Paritätischen Akademie Berlin weiter. Zum Semesterbeginn 2022 drehte sich dabei alles um das Thema Networking. Wie introvertierte und hochsensible Personen erfolgreich Networking betreiben können, hat er uns im Interview beantwortet: zum Interview.
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Das Interview mit HSP-Coach Martin Nevoigt (Webseite) zum Thema Hochsensibilität im Berufsalltag und die redaktionelle Verarbeitung erfolgte durch Julia Mann (Mitarbeiterin Marketing Paritätische Akademie Berlin: Kontakt).
Foto: Sylvia John
Hochsensibilität im beruflichen Kontext sozialer Arbeit
Seminar mit Martin Nevoigt
Sozialmanagement, Master of Arts
Berufsbegleitender Fernstudiengang
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Workshop über das systemische Konzept der „neuen Autorität“ in der Sozialen Arbeit
„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ wirft die Trainerin und Sozialarbeiterin Magdalena Kurde in die Teilnehmerrunde – und führt damit in einen zentralen Gedanken des Konzepts „neue Autorität“ ein. Darin spielen Präsenz (oder „wachsame Sorge“) und ein Netzwerk an Bezugspersonen und Professionellen eine zentrale Rolle, damit die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nachhaltige Wirksamkeit entfalten kann. Entwickelt wurde die „neue Autorität“ von Haim Omer, emeritierter Professor für Klinische Psychologie an der Tel Aviv University.
Die Teilnehmenden des Seminars „Soziale Bildungsarbeit“ an der Paritätischen Akademie in Kooperation mit der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik unter Leitung von Prof. Dr. Tanja Seider diskutierten in einem Workshop eigene Vorstellungen von positiver und negativer Autorität und erprobten daran anschließend Methoden für eine positive und deeskalierende Beziehungsgestaltung in Konflikten. Frau Kurde, die Schulsozialarbeiterin an einer Berliner Grundschule ist, berichtete dabei auch aus ihrer schulischen Alltagspraxis: „Neue Autorität trägt dazu bei, dass Kinder die Schule als einen sicheren Ort erleben, an dem sie sich entfalten können.“ Ihr persönlicher Zugang sei es aber auch, die Schüler*innen am Beginn des Schultags stets mit zusätzlichem „Glitzer“ im Schulalltag willkommen zu heißen.
Der Theorie-Praxis- Workshop war für die unterschiedlichen Arbeitsfelder der Teilnehmenden aus der Kinder- und Jugendhilfe von Interesse, um konfliktreiche Alltagssituation aus der Berufspraxis auf der Grundlage dieses Konzepts zu reflektieren.
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Text: Prof. Dr. Tanja Seider
Foto: Paritätische Akademie Berlin
Hier geht es zum Originalbeitrag auf der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP).
Im berufsbegleitenden Studium der Sozialen Arbeit (B.A.) mit Präsenzeinheiten an der Paritätischen Akademie Berlin unterrichtet die Dozentin Prof. Dr. Tanja Seider Soziale Bildungsarbeit. Der Studiengang ist eine Kooperation zwischen der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik und der Paritätischen Akademie Berlin. Der nächste Studiengang startet im Oktober 2023.
Soziale Arbeit, Bachelor of Arts
Studiengang
Online-Studium mit Präsenzeinheiten
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Neue Erkenntnisse zum Messie-Syndrom
Veronika Schröter forscht und arbeitet seit vielen Jahren zum Messie-Syndrom. Die Bezeichnung „Messie-Syndrom“ ist allerdings ein Überbegriff. Bisher wurde nicht klar zwischen den verschiedenen Ausprägungstypologien unterschieden. Dabei müssen sie in ihrer Symptomatik, Behandlungsform und Ursachen klar voneinander differenziert werden.
Teil 1: Definition und Krankheitsbild
Um in der sozialen Arbeit mit vom Messie-Syndrom betroffenen Menschen umgehen zu können, muss zunächst ein Verständnis darüber herrschen, worum es sich bei dem Syndrom handelt. In der Forschung gab es in den letzten
Jahrzehnten lange keine klare Antwort darauf. Angenommen wurde unter anderem, dass es sich um ein Symptom einer anderen zugrundeliegenden psychischen Erkrankung handeln könnte. Vermutet wurde möglicherweise eine Zwangs- oder Suchterkrankung, die entsprechend therapiert werden müsse. Nun gibt es neue Erkenntnisse, über die wir mit Veronika Schröter gesprochen haben. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie mit vom Messie-Syndrom
betroffenen Menschen und hat untersucht, was genau dahintersteckt.
Nach den Forschungsergebnissen einer von ihr durchgeführten Studie im Jahr 2022 wird deutlich: Es handelt sich beim sogenannten pathologischen Horten um eine eigenständige Krankheit (ICD-11). Schröters Arbeiten zeigen auch: es gibt nicht „das“ Messie-Syndrom, sondern unterschiedliche Ausprägungsformen mit eigenen Merkmalen. Das Messie-Syndrom ist demnach als ein Überbegriff zu verstehen.
An der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Ebert führte sie eine Studie durch, in der das Krankheitsbild „Messie-Syndrom“ näher definiert wurde. Die Annahme, dem Messie-Syndrom liege eine andere psychische Krankheit (z. B. eine Zwangsstörung) zugrunde, konnte in der Studie nicht bestätigt werden. Bestimmte Bindungserfahrungen, vor allem in der frühen Kindheit liegend, führen zu der Erkrankung.
Die Annahme, dem Messie-Syndrom liege eine andere psychische Krankheit (z. B. eine Zwangsstörung) zugrunde, konnte in der Studie nicht bestätigt werden.
Doch grenzen wir das Phänomen zunächst ein: Von Kleidung über Zeitschriften bis hin zu elektronischen Geräten wie alte Handys und Co. – In der heutigen Konsumgesellschaft passiert es nicht selten, dass sich Dinge anhäufen, Schubladen und Schränke regelrecht „überquellen“. Ab wann wird von einem Messie-Syndrom gesprochen?
Laut Veronika Schröter ist dann vom Messie-Syndrom die Rede, wenn sich Sachen in einer Art und Weise stapeln, sodass Betroffene damit eine tatsächliche Lebenseinschränkung erfahren. Eine Einschränkung kann zum Beispiel
darin bestehen, keine Menschen mehr zu sich einladen zu können. Nicht nur wichtige soziale Kontakte haben dann keinen Zugang mehr zu der betroffenen Person. Auch Sozialpädagog:innen oder Therapeut:innen und Pflegekräfte können nicht mehr an die Betroffenen (wortwörtlich) herankommen, um zu helfen.
Schröter definiert drei Ausprägungstypologien, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen.
Der erste Typus ist das pathologische Horten. Hier ist die Hauptsymptomatik, dass sich Menschen von ihren Dingen nicht mehr trennen können. „Das ist trocken. Da riecht und krabbelt auch nichts.“ merkt die Co-Autorin der Studie an. Zuvor wurde das Sammeln bzw. Horten nicht von anderen Symptomatiken wie dem unhygienischen Wohnsituationen oder der gar nachlässiger Körperpflege unterschieden. Das pathologische Horten hat jedoch
eine vollständig andere Ursachenherkunft als zuletzt genannte.
Beim sogenannten „Vermüllungssyndrom“ gibt es im Gegensatz zum ersten Typus auch Geruchsbildung. Dies geschieht aufgrund einer Herdentwicklung unter den Stapeln in der Wohnung. Im Unterschied zum pathologischen Horten kann es hier laut Schröter „auch zu Feuchtigkeit und Schimmelbildung im Haushalt kommen.“
Dann gibt es noch eine dritte Ausprägungstypologie. Diese nennt sie das „Verwahrlosungssyndrom“. Die Therapeutin beschreibt es so: „An diesen Menschen ist erkennbar, dass sie aus einem gesellschaftlichen Konsens ausgestiegen sind.“ Damit meint sie allgemein existierende Übereinkunft, gepflegt aus dem Haus zu gehen. Der Hintergrund ursächlicher Art unterscheidet sich hier grundsätzlich von den anderen Ausprägungstypologien. Nämlich die Tatsache, dass diese Menschen an einer Bedeutungs- sowie Sinnlosigkeit leiden.
Zusammengefasst gibt drei verschiedenene Ausprägungstypologien:
- Das Pathologische Horten
- Das Vermüllungssyndrom
- Das Verwahrlosungssyndrom
Nicht nur in ihren Ursachen, auch in ihren Rechtsgrundlagen unterscheiden sie sich voneinander. So gibt es tatsächlich ein „Recht auf Verwahrlosung“ . Bei „Vermüllung“ ist das jedoch nicht der Fall. Hier muss auf der Rechtsgrundlage von Selbst- und Fremdgefährdung gehandelt und daraufhin in den Wohnraum eingegriffen werden. Wichtig ist der Messie-Expertin aber, dass dies mit Würde geschieht. Wie man das umsetzen kann, ist lernbar. Zum Beispiel bei ihr. Fachkräften der sozialen Arbeit vermittelt sie Grundlagenwissen, unterstützt als Coachin und Supervisorin sowie bei der Konzeptentwicklung in ihren Einrichtungen. Ihr Ziel: Das alle Mitarbeiter:innen das notwendige Wissen und Handwerk erhalten, um Messie-Betroffene auf gleicher Ebene begleiten zu können.
Wir möchten in Folgebeiträgen auf die Ursachen, Symptomatik, Behandlungsansätze der drei Ausprägungstypologien näher eingehen. Diese werden im Laufe des Jahres in unserem Online-Magazin erscheinen. Hier geht es zum Beitrag über das Pathologische Horten in Abgrenzung zum Vermüllungssyndrom.
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Veronika Schröter ist Gründerin des Messie-Kompetenz- Zentrums in Stuttgart und bildet bundesweit Fachkräfte und Einrichtungen in der Arbeit mit Betroffenen aus. Erfahren hier Sie mehr über die Seminar an der Paritätischen Akademie Berlin.
Im Seminar Das Messie-Syndrom. Umgang mit Menschen, die dauerhaft im Chaos leben. schult die Messie-Expertin Fachkräfte darin, den typischen Herausforderungen in der Arbeit mit Betroffenen auf professionelle Weise gelassen und erfolgreich zu begegnen. Im Jahr 2023 wird das Seminar im April sowie im Oktober angeboten.
Foto: Veronika Schröter
Beziehungsdynamik bei psychischen Störungen
Seminar
mit Dr. phil. Sylvia Siegel
Das Messie-Syndrom. Umgang mit Menschen, die dauerhaft im Chaos leben.
Seminar
mit Veronika Schröter
Handlungsstrategien in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen
Seminar
mit Uta Rautenstrauch
AUCH INTERESSANT
Interview mit Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner
Eine Fachkraft, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, ist motivierter und engagierter. So hat die interne Teamkultur einen bedeutenden Einfluss auf die Leistung der Mitarbeitenden und natürlich darauf, ob sie langfristig im Arbeitsplatz bleiben. Ein gutes Miteinander unter Kolleg:innen ist nicht nur gut fürs Arbeitsklima. Es wirkt sich zudem auch positiv auf die Patient:innen bzw. Klient:innen aus.
Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner haben es sich zur Aufgabe gemacht, Positive Psychologie in die Sozialwirtschaft zu bringen. Sie begleiten Führungskräfte dabei, diesen Ansatz in ihrer Einrichtung zu integrieren. Im Interview sprechen wir mit ihnen über ihre Erfahrung als Berater:innen in sozialen Organisationen und welche dort noch vorherrschenden Glaubenssätze zum Beispiel nicht mehr funktionieren.
Herr Werner, Sie kommen aus dem Bankwesen. Frau Meyer, Sie aus der Erwachsenenbildung. Ist Führung in sozialen Einrichtungen ein aktuelles Thema und gibt es hier dieselben typischen Probleme wie in anderen Branchen? Wie entstand die Idee für einen Zertifikatskurs zu Positiver Führung?
Meyer & Werner: Positive Führung ist ein aktuelles Thema, das in allen Branchen helfen kann, Menschen für zukünftige Herausforderungen zu stärken. In der Sozialwirtschaft gibt es allerdings besondere Herausforderungen.
Zum einen zeigen Untersuchungen, dass die wahrgenommene Qualität der Führung in der Sozialwirtschaft geringer ist als in vielen anderen Branchen. Hier wird viel Aufmerksamkeit auf die begünstigten Menschen (Patient:innen / Kund:innen / Teilnehmende) gerichtet, aber oft zu wenig auf die hier arbeitenden Menschen.
Zum anderen ist es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels insbesondere in der Sozialwirtschaft wichtig, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, um als Arbeitgeber Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten.
Führungskräften kommt dabei eine besondere Stellung zu. Es ist nachgewiesen, dass Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, primär ihre direkten Vorgesetzten und nicht das Unternehmen als Ganzes verlassen. Als Vorbilder sind Führungskräfte die direkte Schnittstelle zwischen Unternehmen und Mensch, sie tragen wesentlich zum Teamklima und der Kultur des Miteinanders bei. Oft ist ihnen gar nicht im vollen Umfang bewusst, dass sie in jedem Moment und mit jedem Verhalten bewusst und unbewusst als Modell wahrgenommen werden.
Darum ist es wichtig, Führungskräfte bewusst darin zu schulen, welche Wirkung sie im Team haben und wie sie ganz bewusst eine förderliche Führungskultur schaffen können. Dabei geht es nicht nur um erlernbares Verhalten, wie z. B. ein Gespräch nach einem bestimmten Leitfaden zu führen. Es geht auch um die innere Haltung, die eine Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitenden oder einer Situation einnimmt. Dafür haben wir den Zertifikatskurs Positive Führung entwickelt.
Es ist nachgewiesen, dass Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, primär ihre direkten Vorgesetzten und nicht das Unternehmen als Ganzes verlassen.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie?
Meyer & Werner: Positive Führung ist noch recht neu und wurde in den letzten Jahren von einigen innovativen Unternehmen mit sichtbaren Ergebnissen implementiert. Mit diesem Kurs wollen wir die kräftigende Wirkung der Positiven Psychologie stärker auch in die Sozialunternehmen bringen, so dass auch hier Führungskräfte und Mitarbeitende von den neuesten Erkenntnissen der Positiven Psychologie profitieren können.
Gerade in dieser Branche sind die Menschen emotional besonders gefordert und arbeiten oft an ihrem Limit. Es ist uns nicht nur eine Herzensangelegenheit, diese Menschen in ihrem Selbstmanagement, ihrer Resilienz und ihrem Miteinander zu fördern. Es ist auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, dass diese Menschen auch zukünftig ihren wertvollen Job ausführen können.
Durch gelebte und umgesetzte Positive Psychologie wird sowohl das Arbeitsleben für die Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden verbessert. Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass das auch positiv auf die Kund:innen / Patient:innen wirkt.
Über die Zusammenarbeit mit der Paritätischen Akademie möchten wir die wertvollen Erkenntnisse der Positiven Psychologie auch den Betrieben der Gesundheits- und Sozialwirtschaft näherbringen. Das bietet auch kleineren Trägern, die (noch) keine strukturierte Führungskräftentwicklung haben, die Möglichkeit, ihre Führungskräfte zu vertretbaren Kosten zu entwickeln.
Was sind die Schwerpunkte und Stärken des Ansatzes Positive Führung?
Meyer & Werner: Positive Führung basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Positiven Psychologie. Diese befasst sich im Kern damit, wie ein erfülltes Leben gelingen kann und was dazu beiträgt. Also weg vom Problemfokus hin zu Wachstum und Entfaltung.
Für die Führung bedeutet das, das Wertvolle und Gute zu erkennen und zu stärken, anstatt nur Probleme zu beseitigen. Wir ignorieren Störungen und Schwächen nicht, aber beschränken uns nicht auf die negative Abweichung, sondern suchen bewusst die positiven Abweichungen. Damit lenken wir unsere Energie und Aufmerksamkeit auf die Bausteine, aus denen die Lösungen gestaltet werden. Alle Modelle und Interventionen haben eine wissenschaftliche Basis mit nachgewiesener Wirksamkeit.
Neuere Ansätze wie New Work und Agilität verlangen von den Menschen viel Flexibilität und Entwicklungsbereitschaft. Mit der Positiven Führung stärken wir die Menschen von innen heraus, die Zukunft kraftvoll und zuversichtlich zu gestalten.
Sie arbeiten mit wissenschaftlichen Modellen wie dem PERMA-Modell. Woher kommt das und auf welchen Erkenntnissen beruht es?
Meyer & Werner: Das PERMA-Modell wurde 2011 von Martin Seligman vorgestellt, um die Elemente von „Flourishing“, also einem gelingenden Leben, strukturiert und verständlich darzustellen. Es ist inzwischen gut erforscht und – im Vergleich zu vielen anderen Modellen – leicht zu vermitteln. Es bietet für unsere Trainings einen
wissenschaftlich fundierten und zugleich sehr praxisorientierten Rahmen, um die Kerninhalte der Positiven Führung lebensnah zu vermitteln.
Das PERMA-Modell besteht aus 5 Elementen, die mit wissenschaftlichen Verfahren messbar sind. Zugleich sind alle 5 Elemente gut trainierbar.
P – Positive Emotionen – Die Forschungen von Barbara Fredrickson über positive Emotionen bezeichnet sie
selbst als „Schatztruhe der Menschheit“. Wie können Führungskräfte diese bei sich selbst und bei ihren
Mitarbeiter:innen aktiv anregen?
E – Engagement – Die Stärkenforschung ist – im Gegensatz zur Defizitorientierung der letzten Jahrzehnte – ein
originäres Forschungsfeld der Positive Psychologie. Wie können Führungskräfte Stärken und
Eigenverantwortung fördern?
R – Relationship – Als soziale Wesen ist für uns das wertschätzende und vertrauensvolle Miteinander
wesentlich für Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Wie können Führungskräfte stärkende
Arbeitsbeziehungen gestalten?
M – Meaning – Die Quelle der Motivation ist das Wissen, warum wir etwas tun. Wie können Führungskräfte das
Bewusstsein für das „Warum“ auf verschiedenen Ebenen schärfen?
A – Accomplishment – Die Freude daran, Dinge zu schaffen und Ziele zu erreichen, stärkt Selbstbewusstsein
und Mut. Wie können Führungskräfte Ziele setzten und Erreichtes sichtbar machen?
Die PERMA-Modell wurde gerade im Führungskontext (genannt „Positive Leadership“) in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum von unserem Kollegen Markus Ebner intensiv erforscht. Die daraus resultierenden sehr überzeugenden Ergebnisse stellen ein Rahmenwerk für unseren Kulturkreis dar. Wir als Trainer fungieren als Brücke
zwischen Wissenschaft und Unternehmen. Aus den Forschungs-Ergebnisse bilden wir umsetzbare Techniken und Wege, die Führungskräfte und Mitarbeitende im Alltag umsetzen können. Alle Ansätze, die wir in diesem Zertifikatskurs trainieren, dienen der Steigerung einer oder mehreren Säulen des PERMA-Modells.
Was ist Ihnen wichtig, den Teilnehmenden zu vermitteln? Worauf legen Sie wert?
Meyer & Werner: Wir selbst lieben und leben das, was wir weitergeben. Aus diesem Grund bieten wir eine Fortbildung, in der die Teilnehmenden für sich und ihr Umfeld möglichst viel mitnehmen können. Dafür bieten wir Möglichkeiten zur Selbstreflexion, um bewusster zu erkennen und zu verstehen, was psychologisch bei ihnen und ihrem Gegenüber geschieht. Auf Basis dieser Reflexion bieten wir Raum, um neues Verhalten auszuprobieren und zu trainieren. Und letztlich sollen die Führungskräfte die Fähigkeit ausbauen, ihre Führungsrolle, ihr Führungsverhalten und ihre Führungskultur jetzt und in zukünftigen Situationen aktiv und bewusst zu gestalten.
Im Zentrum geht es immer darum, die eigenen Muster im Denken, Fühlen und Handeln zu erkennen, zu verstehen und mit guter Absicht zukunftsorientiert zu gestalten.
Wem würden Sie zu diesem Kurs raten? Gibt es da besondere Voraussetzungen oder Vorkenntnisse, die sie erfüllen sollten?
Meyer & Werner: Dieser Zertifikatskurs richtet sich an alle Führungskräfte sowie an Menschen, die bald in Führung gehen. In dieser Zielgruppe erwarten wir per se grundlegende Kommunikationsfähigkeiten und praktisch eingesetztes Führungsverhalten.
Die wichtigste Voraussetzung sind Neugier und Offenheit sowie die Bereitschaft, das eigene Denken und Verhalten zu hinterfragen und konstruktiv zu verändern. Damit verbunden ist auch die Erprobung und Umsetzung der Erkenntnisse in dem integrierten Praxisprojekt.
Was können die Teilnehmenden voneinander lernen?
Meyer & Werner: Im Verlauf des Kurses entsteht ein intensiver Austausch. Wir werden uns intensiv kennen lernen. Was sind meine eigenen Stärken? Was macht mich als Führungskraft aus? Welche Lösungsstrategien gelingen mir am leichtesten?
Diese Erkenntnisse entstehen nicht nur über Testverfahren und Selbstreflexion, sondern vor allen aus dem gegenseitigen Feedback in den Lernpartnerschaften und bei den Übungen.
Da die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Organisationen kommen, entsteht ein wertvoller Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Unsere Erfahrungen aus solchen Kursen zeigen zudem, dass sich daraus beständige Netzwerke von Menschen bilden, die gleichermaßen den Weg der Positiven Führung beschreiten.
Selbstführung ist ein Schlagwort aus Ihrem Kurs. Wie können Führungskräfte lernen, die Kontrolle und Verantwortung abzugeben?
Meyer & Werner: In unserem Führungsalltag sind wir oft getrieben von äußeren Anforderungen und Impulsen. Ein Großteil unserer Reaktion geschieht unbewusst.
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ Dieses Zitat von Viktor Frankl bringt auf den Punkt, warum Achtsamkeit und Selbstreflexion für Entwicklung unabdingbar sind.
Kontrolle und Verantwortung abzugeben, erfordert das eigenen gute Gefühl dabei (P aus PERMA) und Vertrauen in den Mitarbeitenden ®. Der Blick auf die Stärken (E) meiner Mitarbeiter:innen ermöglicht eine gesunde Einschätzung, welche Aufgaben ich wem geben kann. Wenn ich delegiere, muss ich auch die Sinnhaftigkeit (M) vermitteln. Dann können wir im Anschluss gemeinsam die Erfolge feiern (A). Und damit
eine Wachstumsspirale der positiven Führung einleiten.
Gibt es auch Vorurteile und Zweifel, mit denen Sie konfrontiert werden? Wie begegnen Sie diesen?
Meyer & Werner: Uns begegnen einige Vorurteile und Zweifel und das können wir gut nachvollziehen. In unserer Kultur haben Begriffe wie „Zufriedenheit“ oder gar „Glück“ keinen großen Platz im Arbeitsalltag und das löst Skepsis aus. Einige der häufigsten Aussagen und unsere Antworten dazu sind:
„Nur das Positive im Blick zu haben, ist doch Schönfärberei.“ Genau. Da stimmen wir komplett zu. In der Positive
Psychologie geht es nicht darum, schön zu färben. Negative Emotionen gehören genauso zum Menschen wie Positive. Sorgen und Ängste gehören genauso zum Menschen wie Hoffnungen und Zuversicht. Wir sprechen von einem gesunden Gleichgewicht und einer angemessenen Balance: Wie können wir unsere einstudierten „Muster“ so ändern, dass wir in unserem Leben und Miteinander eine gesündere und positivere Basis schaffen.
„Das hat doch im Arbeitskontext nichts zu suchen, da sollen sich die Menschen in ihrer Freizeit drum kümmern.“ Die menschliche Psyche und Gesundheit zieht keine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die die Ansätze der Positiven Psychologie umsetzen, sowohl leistungsfähiger bei der Arbeit als auch zufriedener und erfüllter im Privaten sind. Insofern fördern Arbeitgeber, die in Positive Psychologie investieren das „Aufblühen“ des ganzen Menschen.
„Positives Denken kennen wir schon aus den 80ger Jahren.“ Positive Psychologie ist nicht Positive Denken. Tatsächlich zeigen z. B. die Forschungen von Gabriele Oettingen, dass das falsch eingesetztes „Positives Denken“ sogar negative wirken kann. Hier zeigt sich die Stärke der Wissenschaft: „Binsenweisheiten“ werden auf den Prüfstand gestellt, um herauszufinden, was wie hilft und wo wir lieber die Finger von lassen sollten.
„Ich habe schon eine fundierte Führungsausbildung. Ich brauche das nicht.“ Wunderbar, wenn Sie schon eine gut ausgebildete Führungskraft sind. Eine Ausbildung zum „Positive Leader“ ersetzt keine Ausbildung in den Führung-Grundlagen (Mitarbeitergespräche, Führungsstile, Rollen, Teambuilding). Zusätzlich können Sie deshalb von dieser Ausbildung zum „Positive Leader“ vieles neu und vertiefend für ihre Führungsrolle mitnehmen.
Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die die Ansätze der Positiven Psychologie umsetzen, sowohl leistungsfähiger bei der Arbeit als auch zufriedener und erfüllter im Privaten sind.
Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren hin zu einer Haltungsänderung in den Führungsebenen? Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell? Wo versuchen Sie entgegenzuwirken?
Meyer & Werner: Noch prägen die Baby Boomer mit ihren Werten die Führungskultur der meisten Organisationen.
Jüngere Generationen haben aber ganz andere Werte-Sets und vor allem ganz andere Erwartungen an die Qualität der Führung. So es z. B. für die „Digital Natives“ völlig demotivierend, nur im Rahmen der (jährlichen) Mitarbeitergespräche ausführliches Feedback zu erhalten. Die „Baby Boomer“ hingegen kennen das kaum anders.
Eine offene und wachstumsorientierte Haltung kann der Führungskraft eine innere Konstante bieten, um mit den unterschiedlichsten Mitarbeiter:innen und immer schneller eintretenden Veränderungen konstruktiv umgehen zu können.
Fachkräftemangel, Digitalisierung und ein agileres Arbeiten werden schnell weiter voranschreiten. Auf der Verhaltensebene wird immer mehr Flexibilität erforderlich. Um dabei gesund und motiviert zu bleiben, müssen das Bewusstsein der eigenen Stärken, der Werte und der Sinnhaftigkeit einen stabilen Gegenpol bieten. Daran arbeiten
wir im gesamten Verlauf unseres Zertifikatstrainings.
Welche Formen von Wertschätzung brauchen Mitarbeitende? Wie kann diese konkret aussehen?
Meyer & Werner: Wertschätzung muss dem Menschen vermitteln, dass er als ganzer Mensch gesehen wird, nicht nur in seiner Rolle oder Aufgabe. Klassische Wertschätzungstechniken der Mitarbeiterführung wie Aktives Zuhören, Loben, zum Geburtstag gratulieren, nach den Kindern fragen etc. bilden eine gute Grundlage.
Ein Stärken-Feedback stärkt die Stärken. Positives Feedback richtet den Fokus auf das Gelungene. Allein schon die eigenen Bedürfnisse einbringen zu können, wird als sehr motivierend betrachtet. Wenn dann noch konstruktive Lösungen z.B. für die Kinderbetreuung, Homeoffice oder die eigene Weiterentwicklung gefunden werden, steigen Motivation und Engagement noch weiter.
Jede Organisation und jedes Team sollten für sich selbst Rituale der Wertschätzung entwickeln und etablieren. Wertschätzung kann nur wirken, wenn sie aus einer Haltung der Wertschätzung heraus gezeigt wird und damit auch authentisch ist. Und das Individuum sich dabei gesehen fühlt.
In unseren Kursen arbeiten wir viel daran, genau die Rituale der Wertschätzung zu entwickeln, die zu dem Team und der Organisation passen.
Wie können beispielsweise lösungsorientierte und wachstumsorientierte Feedbackgespräche geführt werden? Was sind dabei No-Gos?
Meyer & Werner: Der größte Fehler im Bereich Feedback besteht darin, dass es zu wenig positives und bekräftigendes Feedback gibt, dass die Mitarbeiter:innen bestärkt und zugleich ein Wachstum anregt.
Ein No-Go ist unkonkretes Feedback: dann weiß der:die Mitarbeitende gar nicht genau, was die Führungskraft meinte. Eine konkrete Rückmeldung zu erhalten, positiv und negativ, gibt Orientierung und Klarheit und damit Sicherheit. Ich bin richtig. Ich weiß, was von mir erwartet wird.
Und selbst ein positives Feedback kann sich einschränkend auf die Entwicklung auswirken. Das hat die großartige Forschung von Carol Dweck gezeigt. Etwa wenn ich nur den Status bewertend hervorhebe, anstatt das positive Verhalten zu beschreiben.
Mit dem Zertifikatskurs Positive Führung ermöglichen wir Führungskräften, die Chancen und Potenziale Positiver Führung theoretisch und praktisch für sich zu erschließen. Wir schaffen einen Lern- und Entwicklungsraum, um bessere Führungskulturen und in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zu gestalten. Immer nach unserem Motto: „Für glückliche Menschen in erfolgreichen Organisationen“.
Elke Katharina Meyer hat sich als zertifizierte Trainerin und Beraterin der Positiven Psychologie (Positivity Guides) darauf spezialisiert, Menschen in einen positiven Wachstum zu bringen. Als NLP-Lehrtrainerin, Coach und Diplom-Pädagogin begleitet sie seit über 25 Jahren Unternehmen zu den Themen Mitarbeiterführung, Selbstmanagement, Kommunikation und Unternehmenskultur – immer nach dem Motto: „Für glückliche Menschen in erfolgreichen Organisationen“.
Thomas Achim Werner ist zertifizierter Trainer für Positive Psychologie (Positivity Guides), NLP-Trainer (DVNLP), Diplom-Kaufmann und Coach. Als Führungskraft im Bankenwesen und Venture Capital ist er zudem mit langjähriger Erfahrung in der Unternehmensberatung tätig. Sein Motto: „Ich schlage Brücken – zwischen dem Jetzt und der Zukunft, zwischen Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, zwischen Menschen und Unternehmen“.
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Das Interview führte Annette Loy, Bildungsreferentin und Leiterin des Seminarbereichs an der Paritätischen Akademie Berlin. Gemeinsames Ziel der beiden Trainer:innen und der Paritätischen Akademie Berlin ist es, Führungskräfteentwicklung im sozialen Bereich zu vertretbaren Kosten zu stärken.
Der Zertifikatskurs zum „Positivity Leader in der Sozialwirtschaft“ mit den beiden Interviewpartner:innen startet am 6. September 2023. Er besteht aus 10 Fortbildungstagen in Präsenz, vier Online-Vertiefungssessions und zwei Einzelcoachings. Melden Sie sich jetzt über die Veranstaltungsseite an!
Im Februar und März 2023 können Sie außerdem einen je zwei Tage dauernden Grundlagenkurs sowie einen Workshop zum Thema Positive Führung mit Thomas Achim Werner absolvieren.
Foto: Thomas Achim Werner und Elke Katharina Meyer
Positive Führung
Zertifikatskurs
mit Thomas Achim Werner und Elke Katharina Meyer
Change-Management für Führungskräfte
Online-Workshop
mit Thomas Achim Werner
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Interview mit Ulrike von Willisen
Ulrike von Willisen ist Beraterin und Supervisorin im Personalmanagement und in der Entwicklung innovativer Projekte. In ihren Fortbildungsformaten legt sie vor allem Wert auf Wissensvermittlung über Führungsmodelle. Ihr Anspruch ist es, den Teilnehmenden in einem sehr praxisorientierten Rahmen Orientierung und Handlungssicherheit zu geben. Die Coachin verfügt selbst über jahrelange Erfahrung als Geschäftsführerin. Im folgenden Interview sprechen wir mit ihr über ganzheitliches Management, über die Machtdynamiken zwischen der Organisation, den Mitarbeitenden und der Gesellschaft und warum Führungskräfte diese erkennen und produktiv einsetzen sollten.
Frau von Willisen, Sie verbinden in diesem Kurs Grundlagen für Führungskräfte in Entscheidungspositionen Einheiten zu normativem, operativem und strategischem Management. Das Thema Agilität in der Führung oder das Entwickeln einer authentischen Führungspersönlichkeit sind ebenso Inhalte Ihres Seminars. Wie können Führungskräfte von dieser Mischung in Ihrem Seminar profitieren?
Von Willisen: Die unterschiedlichen Strategieebenen sind Teil des St. Galler Management- Modells. Sie bilden eine gute Leitplanke für das operative Handeln. Das Arbeiten in agilen Teams gilt zurzeit als sehr modern. In meinem Seminar beleuchte ich diesen, eigentlich bereits Jahrzehnte alten Begriff und lade die Teilnehmenden dazu ein, ihn mit den Anforderungen ihres Arbeitsbereiches abzugleichen.
Mein Ziel ist es, Führungskräften einen Raum zu geben, in dem sie einen guten Überblick über ihr komplexes Schaffen gewinnen und ganz konkret Lösungen für ihre herausfordernden Führungsaufgaben entwickeln.
Insbesondere durch den gemeinsam erlebten Gruppenprozess reifen die Teilnehmenden in ihrer Führungspersönlichkeit.
Welche Personen nehmen an Ihren Fortbildungen teil und was verbindet sie?
Von Willisen: Eine wichtige Entscheidungsposition in einer Organisation auszufüllen, bedeutet meist auch eine gewisse Einsamkeit auszuhalten, selbst dann, wenn man Teil eines Leitungsteams ist. Strukturell betrachtet, gibt es
oft kein Gegenüber, das sich im Organigramm auf der gleichen Ebene bewegt. Sich in einer lernenden Gruppe als „Primus oder Prima unter Pares“ zu befinden ist eine einmalige Chance. Die Gruppe wirkt quasi wie ein Verstärker bei der Entwicklung zur Führungspersönlichkeit.
Die Veranstaltung ist für Entscheidungsträger*innen passend, die die Mischung aus Wissensvermittlung und Selbsterfahrung besonders anspricht. Meine Erfahrung ist, dass auch Menschen, die sich eher als nicht besonders gruppenaffin beschreiben würden, von dem Format profitieren und auf im Anschluss an die Veranstaltung fortgeführte Netzwerke zurückgreifen.
Sie erwähnten zuvor das St. Gallener Management Modell. Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert des Modells für die Führungskräfte, die sie coachen?
Von Willisen: Das St.Galler Management – Modell wurde im weltweit sehr anerkannten wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich der Universität St.Gallen entwickelt. Es verbindet traditionelles Wissen mit modernen Erkenntnissen und Forschungen. Das Modell ist eine ganzheitliche Managementlehre, die komplexe Zusammenhänge sehr klar und übersichtlich zu verdeutlichen mag. Das Denken in Systemen und Formen des reflexiven Managements spielen dabei eine große Rolle.
Gilt das auch für den Bereich gemeinnützigen und sozialen Arbeit?
Von Willisen: Als Führungskraft mit Personal- und Finanzverantwortung bewegen Sie sich im Bereich der
Unternehmensführung. Aus meiner Sicht ist es im Kontext einer guten Führung sekundär, ob dieses im Profit oder Nonprofit-Bereich erfolgt. Moralische Ansprüche an eine gute Führung, eine Corporate Governance, gelten gleichermaßen für Verantwortungsträger*innen aus allen Bereichen. Das St.Galler Modell bietet für alle Branchen einen Rahmen für verantwortungsvolles Führungshandeln. Gleichzeitig gibt es selbstverständlich Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsfeldes zu berücksichtigen, auf die ich später noch eingehen werde. Nach meiner Erfahrung verfügen Leitungskräfte im psychosozialen Bereich meist über ein sehr umfangreiches Fachwissen in ihrem
jeweiligen Arbeitsfeld. Vielen ist in diesem Kontext das systemische Denken durchaus vertraut. Mir geht es in meiner Veranstaltung darum, dass die Teilnehmenden ihre Perspektive aus organisationaler Sicht erweitern und
Dynamiken zwischen ihrer Organisation, dem gesellschaftlichen Umfeld und den Mitarbeitenden erkennen.
Was möchten Sie insbesondere Führungskräften vermitteln? Worin möchten Sie sie bestärken?
Von Willisen: In meinem prozessorientierten Coaching geht es in erster Linie darum, ein eigenes Profil als authentische Führungskraft zu entwickeln. Es gilt, den Mut zu fördern, sich auf dem Parkett der Unternehmensführung sicher zu bewegen und die Lust am Gestalten zu entdecken. Dazu zählt auch die Reflexion über das Thema “Macht“ und inwiefern diese produktiv genutzt werden kann.
Im Zentrum von Führung geht es darum, diejenigen Voraussetzungen zu schaffen, die erforderlich sind, damit eine Organisation sich selbstorganisierend immer wieder neu stabilisieren kann. Folglich steht die Entwicklung und Pflege tragfähiger Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen durch sorgfältige Teamentwicklung, ein gemeinsames Verständnis über die zu erreichenden Ziele und die dafür zu leistenden Tätigkeiten im Vordergrund. Ich würde sagen: Wir brauchen weise Manager*innen mit einer wertschätzenden und vertrauensvollen Haltung gegenüber den Mitarbeitenden.
Meiner Erfahrung nach haben Mitarbeitende in sozialen Bereichen eine hohe intrinsische Motivation, sie wollen das Bestmögliche für ihre Klientel erreichen und sie bewältigen ihre Aufgaben eher mit zu viel als zu wenig Verantwortungsbewusstsein. Führungskräfte können in diesem Bereich umso mehr davon ausgehen und darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeitenden zu Leistung und Kooperation bereit sind. Sie müssen eher darauf achten, dass die gesteckten Ziele nicht zu hoch sind, und dafür sorgen, dass den Mitarbeitenden angemessene, strukturell verankerte Maßnahmen gewährt werden, die vor Überforderung und Ausbrennen schützen. Zudem sollten Führungskräfte dazu in der Lage sein, immer wieder auf eine Metaebene zu gehen. Sie sind sowohl Teil eines
Systems, müssen gelegentlich aber auch eine Außenposition einnehmen können.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie und der Förderung von Führungskräften vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels?
Von Willisen: Der Fachkräftemangel wird uns meiner Einschätzung nach noch Jahre begleiten und die Träger werden weiterhin um die besten Arbeitskräfte werben müssen. Dabei sind nicht alle Unternehmen gleich stark vom Fachkräftemangel betroffen. Natürlich spielen regionale Bedingungen eine Rolle.
Aber, wenn man auf die Gründe schaut, warum Arbeitnehmende ein Unternehmen verlassen, so wird primär ein schlechtes Verhältnis zu den Vorgesetzten angegeben.“ Leiten“ im klassischen Sinn funktioniert nicht mehr
und Führungskräfte sollten Haltungen und Sichtweisen entwickeln, die sich an den Werten von Sinn, Vertrauen und Verantwortung orientieren. Für Führungskräfte ist das Erreichen einer solchen Haltung eine hohe Kunst, die
gerade auch im Rahmen des Angebotes der Paritätischen Akademie vermittelt werden sollte.
“Leiten“ im klassischen Sinn funktioniert nicht mehr und Führungskräfte sollten
Haltungen und Sichtweisen entwickeln, die sich an den Werten von Sinn,
Vertrauen und Verantwortung orientieren.
Noch ein Blick in zu Zukunft: Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren für Führungskräfte im (psycho-)sozialen Bereich? Oder auch Herausforderungen?
Von Willisen: Der Fachkräftemangel wird weiterhin eine große Herausforderung für Führungskräfte, aber auch für die Fachkräfteteams bleiben. In diesem Zusammenhang spielt auch die Arbeit mit divers aufgestellten Teams eine bedeutende Rolle. Menschen, die unterschiedlichen Generationen angehören und/oder, die durch verschiedene
kulturelle Hintergründe geprägt sind, sollen ein Team bilden. Vor diesem Hintergrund brauchen wir Führungskräfte mit hohen sozialen und integrativen Kompetenzen. Auch ist der digitale Wandel in den Organisationen sehr
unterschiedlich ausgeprägt. Dieser wird nach wie vor auch auf Führungsebene viele Ressourcen binden.
Foto: Ulrike von Willisen
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Das Interview führte Annette Loy, Bildungsreferentin und Leiterin des Seminarbereichs an der Paritätischen Akademie Berlin
Das Seminar „Grundlagen für Führungskräfte in Entscheidungspositionen“ mit Ulrike von Willisen startet am 21. März 2023. Es besteht aus zwei Fortbildungstagen und weiteren 6 monatlichen Gruppencoachings in je 3 Stunden. Melden Sie sich jetzt hier an.
Wenn Sie Ihre Organisation im digitalen Wandel voranbringen wollen, empfehlen wir Ihnen einen Blick in die Kursangebote des Digitalforums.
Führungskräfte in Entscheidungspositionen
Seminar mit Ulrike von Willisen
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93 Studierende beginnen das Wintersemester 2022/23 mit Präsenztagen an der Paritätischen Akademie Berlin
Im Oktober begann in Berlin für viele Universitäten das Wintersemester. Auch wir durften die Studierenden unserer Kooperationsstudiengänge an der Paritätischen Akademie in Berlin-Mitte begrüßen. Die Studierenden der Alice Salomon Hochschule, der Universität für Weiterbildung Krems und der Hochschule für angewandte Pädagogik sind für eine Woche aus ganz Deutschland und Österreich nach Berlin gereist, um zum ersten Mal die Räumlichkeiten der Akademie und die Kommiliton:innen kennenzulernen. Bis zu nächsten Präsenzeinheit werden die Studierenden online verbunden bleiben. Denn um die Vereinbarkeit von Beruf und Studium zu gewährleisten, besteht das Studium aus Online- und Präsenzeinheiten.
Die beste Zeit, um in Inhalte einzutauchen, ins Gespräch zu kommen und Nummern auszutauschen. Dazu rät auch Tabea Ludwig, die im Bachelor Soziale Arbeit gerade alle Präsenzeinheiten hinter sich gebracht hat. Zur Eröffnung des neuen Durchgangs erzählt sie von ihren Erfahrungen und beantwortet die Fragen der neugierigen Erstsemester-Gruppe: „Wie organisiere ich Lerneinheiten unter der Woche?“, „Wie schaffe ich es, mich zwischen Arbeit, Studium und Privatleben nicht zu übernehmen?“ Tabeas Antwort darauf ist neben einer guten Planung vor allem eine enge Bindung zu den Mitstudierenden aufzubauen, die in ihrem Studium eine große Unterstützung waren.
„Ich fand es super, dass der Studiengang in wenigen, aber intensiven Präsenzwochen konzipiert war. Da bin ich viel aufnahmefähiger als abends nach der Arbeit oder am Wochenende.“, erinnert sie sich. „Generell hilft es natürlich sehr, sich die Wochen gut zu strukturieren. Termine für die Präsenzphasen sollten frühzeitig mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden.“
Die ausgebildete Ergotherapeutin steht nun kurz vor der Abgabe der Bachelorarbeit. Diese schreibt sie über die Betreuungsrechtsreform, die 2023 in Kraft treten wird*. Ein Thema, dass sie im Job sofort anwenden kann. „Mein Arbeitgeber hat mir vorgeschlagen, dass ich im nächsten Jahr unsere Mitarbeiter:innen darin schule. Schließlich habe ich mir umfassendes Wissen erarbeitet.“ Durch ihre neue fachliche Kompetenz tun sich auf einmal neue Arbeitsfelder auf, zu denen sie jetzt Zugang hat.
Viele Arbeitgeber:innen erkennen den Wert, in ihre Mitarbeitenden zu investieren und sie in ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Auch Laura Kielc, die dieses Semester mit dem Masterstudium Sozialmanagement beginnt, hat die Weiterbildung von ihrer Arbeitgeberin aus dem Bereich der Suchthilfe angeboten bekommen. Laura weiß, wie wichtig es für ihre neue Leitungsposition ist, die sozialwirtschaftlichen Prozesse hinter der sozialen Arbeit zu verstehen. Sie freut sich auf die Möglichkeit, sich neben dem Beruf weiterbilden zu können und erlerntes Handwerkszeug direkt in die Praxis zu transferieren.
Es ist bereits einige Jahre her, als Emanuel Lérémon den Auftrag hatte, seinen damaligen Träger umzustrukturieren. Auch ihm wurde zu einem berufsbegleitenden Masterstudiengang geraten. Im Jahr 2012 schloss er ihn erfolgreich an der Alice Salomon Hochschule in Kooperation mit der Paritätischen Akademie ab. Auf dem Alumni-Netzwerk-Treffen am 15. Oktober treffen wir ihn an. „Das hat mir viel für die Bewältigung meiner damaligen Leitungsaufgaben gebracht. Es hat mir zum Beispiel einen guten Einstieg in die allgemeinen Führungsprozesse, in die Mitarbeiterführung und Personalmanagement gegeben.“ Mittlerweile ist er Bereichsleiter bei einer großen sozialen Organisation im Bereich stationärer Jugendhilfe.
Die berufliche Weiterentwicklung durch den Master Sozialmanagement ist auch Isabella Schulte-Vogelheim gelungen. Unter den besonderen Umständen der Corona-Pandemie erhielt sie 2021 ihren Abschluss. Das Lernen in der heterogenen Gruppe empfand sie sehr angenehm, da sie aus den vielfältigen Perspektiven ihrer Mitstudierenden viel mitnehmen konnte. Bis heute ist sie an unterschiedlichen Blickwinkeln interessiert und sucht aktiv nach Austausch. Deshalb war auch sie am 15. Oktober bei Auftaktveranstaltung des Alumni-Netzwerks mit dabei. Die ehemaligen Absolvent:innen erhielten die Möglichkeit, an einem Workshop zum Thema Networking teilzunehmen. Geleitet wurde dieser von HSP Coach Martin Nevoigt, der diese wichtige Kompetenz auch den neuen Studierenden in der ersten Präsenzwoche vermittelt hat.
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*Der Beitrag wurde am 16.11.2022 von der Redaktion in Bezug auf diese Information geändert. Für weitere Informationen: Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern (Betreuerregistrierungsverordnung – BtRegV)
Sie interessieren sich für ein Studium an der Paritätischen Akademie Berlin? Hier gelangen Sie zu unseren akademischen Weiterbildungsprogrammen.
Soziale Arbeit,
Bachelor of Arts
Online-Studium mit Präsenzphasen in Berlin mit Abschluss zum/ zur staatlich anerkannten Sozialarbeiter:in
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
Lassen Sie sich gern von uns beraten!
Sozialmanagement,
Master of Arts
Berufsbegleitender Fernstudiengang mit laufbahnrechtlichem Zugang für den höheren Dienst
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
Lassen Sie sich gern von uns beraten!
Management von Sozialeinrichtungen,
Master of Science
Berufsbegleitender Masterlehrgang in Kooperation mit der Universität für Weiterbildung Krems, Österreich
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
Lassen Sie sich gern von uns beraten!
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Interview mit Daniela Kobelt Neuhaus
Im Zuge der Coronazeit, steigender Lebenserhaltungskosten und im Kontext von Flucht- und Diskriminierungserfahrungen wächst die Vielfalt an Bedürfnissen von Menschen, die in Familienzentren Hilfe aufsuchen. Um den individuellen Lebenslagen gerecht zu werden, braucht es stetig innovative Lösungen. Zur Stärkung von Leitungskräften in Familienzentren hat die Paritätische Akademie Berlin in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Familienzentren e.V. ein Angebot zur fachlichen Qualifizierung erarbeitet. Im Gespräch mit Daniela Kobelt Neuhaus, Geschäftsführerin des Verbands, geht es um die aktuellen Anliegen und Herausforderungen der Zentren und die Anforderungen an eine Leitungskraft.
Liebe Frau Kobelt Neuhaus, Sie sind Geschäftsführerin des Bundesverbands der Familienzentren e.V. und leiten den Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns einige Fragen zu beantworten.
Wie entstand zunächst einmal die Idee für einen Zertifikatskurs zur Führung von Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Ein Familienzentrum ist oft der Kontenpunkt in einem Netzwerk, das Familien bedarfsgerecht und passgenau berät, bildet und begleitet. Familienzentren vermitteln, bündeln und ergänzen die Angebote anderer Einrichtungen durch eigene und richten sich vor allem an Erwachsene in Familiensystemen. Sie verbinden Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit Bildungs‑, Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Eltern und Erziehungsberechtigte. Führungskräfte in Familienzentren benötigen daher neben den allgemeinen Führungs- und Managementkompetenzen auch Netzwerkkompetenz, erwachsenenbildnerische und beraterische Fähigkeiten sowie in unterschiedlichem Maße pädagogisches, sozialarbeiterisches, gesundheitsspezifisches und
arbeitsrechtliches Knowhow.
Den Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ hat der Bundesverband der Familienzentren e.V. basierend auf Erfahrungen und Rückmeldungen von aktiven Mitgliedern und Anfragen diverser Träger und Familienzentren entwickelt. Der Kurs soll angehenden und bereits als Führungskräfte oder Koordinatorinnen von Familienzentren tätigen Personen ergänzend zu ihren individuell bereits vorhandenen Kompetenzen zielgerichtet spezifisches Wissen und Können vermitteln. Die Schwerpunktthemenfelder der Qualifizierung orientieren sich an den im Positionspapier des Bundesverbands der Familienzentren e.V. verankerten
Leitlinien und Qualitätsvorstellungen. Die Paritätische Akademie Berlin hat den Bundesverband bei der Planung durch die Auswahl fachspezifischer Referent:innen unterstützt.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie und des Bundesverbands für
Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Die inhaltliche Expertise dürfte beim Bundesverband der Familienzentren, der bereits sein 10-jähriges Jubiläum feiert, hoch sein. Allerdings hat der Verband nicht die Infrastruktur, um eine so hochkarätige Qualifizierung allein zu stemmen. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir sowohl strukturell als auch inhaltlich unterstützt werden und dabei sogar vom Renommee der Paritätischen Akademie profitieren können.
Worin bestehen die Besonderheiten und Schwerpunkte dieses Angebots?
Kobelt Neuhaus: Die Fortbildung „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ orientiert sich am Konzept ganzheitlicher und ressourcenorientierter Bildung und Begleitung von Familien. Um die Erziehungsberechtigten für ihren Alltag und ihr Miteinander zu stärken, gilt es, an ihren Fragen und ihren Unterstützungsbedarfen anzusetzen, denn Familie ist nach wie vor der primäre Ort für Bindungen, Beziehungen sowie für Bildung, Erziehung und Entwicklung von Kindern.
Familien unterliegen heute zahlreichen Herausforderungen. Sie wollen den Anforderungen an Eltern- und Partnerschaft genügen, Beruf und Familie vereinbaren, ihren Kindern möglichst viel ermöglichen und den Alltag für alle befriedigend gestalten. Die meisten Familien meistern den Alltag. Entscheidend ist, herauszufinden, welche Faktoren eine erfolgreiche Alltagsbewältigung im je individuellen Fall erleichtern würden. Familienzentren halten niedrigschwellige Unterstützungs- und Bildungsangebote bereit und sind im Idealfall Türöffner und Begleiter für schwierige Lebenslagen. Leitungskräfte in Familienzentren benötigen daher einen analytischen sozialräumlichen Blick sowie eine innovative Haltung gegenüber den Lebenswelten und Bedürfnissen von Familien, insbesondere von Eltern und Kindern. „Gute Pädagogik“ alleine führt nicht zu Chancengerechtigkeit. Vielmehr wird das Familienwohl – und damit die Entfaltung kindlicher Potentiale – durch die elterliche Beziehungskompetenz, durch gelingende Work-Life-Balance, ein anregendes Wohnumfeld und die eigene Wohnsituation der Familie, durch balancierte Familienformen, gesundheitliche, milieuspezifische oder sozioökonomische Faktoren beeinflusst.
Eine bedarfsorientierte Führung im Familienzentrum setzt an den vorhandenen Interessen und Motivationen
der Familien an und greift die vor Ort vorhandenen Dringlichkeiten auf, d.h. sie plant lokal in Abstimmung mit anderen Einrichtungen vor Ort entlang bekannter Sozialraumdaten. Aufgabe von Leitungskräften ist auch, für eine gute Mischung an Professionen und Mitarbeitenden im Team und ein solidarisches Arbeitsklima zu sorgen. Eine übergreifende Reflexions- und Dokumentationskultur, die sowohl für die sozialräumliche Planung der Kommune als auch für die stetige Weiterentwicklung der Einrichtungskonzeption genutzt wird, ist wichtig, denn Familienzentren
haben sowohl die Stärkung der Familien als auch die Beeinflussung der strategischen Ausrichtung der Kommune in Richtung Familienfreundlichkeit zum Ziel. Leitungskräfte befassen sich daher mit Organisationsentwicklung, Qualität und Wirkungsorientierung, Sozialraumorientierung, Partizipation und Empowerment. Sie beteiligen Betroffene und Expert:innen gleichermaßen bei der Entwicklung des Familienzentrum-Programms. Dies wird als Schwerpunkt in der Qualifizierung „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ berücksichtigt.
Für wen ist der Kurs gedacht? Gibt es bestimmte Voraussetzungen oder Kenntnisse, die bereits mitgebracht werden sollten?
Kobelt Neuhaus: Wir hoffen, dass am Seminar sowohl gestandene Leitungskräfte, die vertiefende Kenntnis oder theoretische Einbettung ihres Wissens versprechen, als auch „neue“ Koordinator:innen oder Führungskräfte teilnehmen. Teilnehmende, die bereits in einem Familienzentrum tätig sind oder eines leiten, können aus ihrer Praxis die richtigen Fragen stellen und Ideen und Erfahrungen einbringen. Nicht alles ist überall sinnvoll umsetzbar, wichtig ist jedoch das Weiterdenken. Teilnehmende, die erst planen, eine Leitungsaufgabe im Familienzentrum zu
übernehmen, stellen meist Grundsatzfragen, die nur vermeintlich leicht zu beantworten sind. In den Praxisphasen zwischen den Modulen sind die Teilnehmenden je nach Vorkenntnissen eingeladen, an unterschiedlichen
Fragestellungen weiterzuarbeiten und darüber zu berichten. Die Kursmodule bieten eine Mischung aus konkreten Managementanforderungen, theoretischer und fachlicher Fundierung. Sie sind so aufgebaut, dass jederzeit Erfahrungs- und Theoriewissen eingebracht und in Gruppen gerne kontrovers diskutiert werden kann.
Ein Modul widmet sich der Zusammenarbeit mit Familien und Erziehungsberechtigten. Warum ist es so wichtig, sich in diesem Kontext mit Intersektionalität und Diversität auseinanderzusetzen? Wie können Familienzentren ein Bewusstsein für die beispielsweise von Rassismus betroffenen Familien aktiv schärfen?
Kobelt Neuhaus: Die „Zusammenarbeit mit vielfältigen Familien“ ist die zentrale Aufgabe eines Familienzentrums. Hier erleben viele Familien erstmalig, dass sie gehört und ernst genommen werden. Das Dazugehören ist eine wesentliche Grundlage der Demokratie, ebenso wie Streit und Auseinandersetzung zu ihr gehören. Im Familienzentrum gilt es, unterschiedliche Ansichten, Meinungen, Vorstellungen und Einstellungen als gewinnbringende und berechtigte Ressource zu verstehen. Aufgabe eines Teams im Familienzentrum ist aber auch, Nutzerinnen und Nutzern aufzuzeigen, dass nicht jeder Wunsch sofort erfüllt werden kann und dass Diskriminierung nicht in die Leitvorstellung der Einrichtung bzw. einer demokratischen Gesellschaft passt. Gerade Rassismus oder auch Auseinandersetzungen rund um das Thema Gender werden nicht toleriert, wenn Menschen dabei psychisch oder physisch verletzt werden. Manchmal ist es auch nötig, Strukturen zu schaffen, um zerstrittenen Parteien dennoch die Möglichkeit der Teilnahme zu geben, etwa vorübergehend unterschiedliche Räume oder Zeiten anzubieten.
Das ist ein gutes Beispiel für innovative Führung. Welche Schlüsselkompetenzen und ‑rollen braucht die Leitung eines Familienzentrums?
Kobelt Neuhaus: Auch wenn es das ganze Team eines Familienzentrums betrifft: Softskills wie Empathie, Perspektivenwechselkompetenz, Kooperationskompetenz etc. sind auch für Leitungskräfte zentral. Darüber hinaus sind aber gerade in Familienzentren Koordination, Steuerungsaufgaben und Prozessbegleitung zentrale Aufgaben von Leitungskräften. Auch Personalentwicklung und ‑akquise, Delegation, fachliche und politische Netzwerkarbeit sowie Öffentlichkeitsarbeit sind nahezu in allen Familienzentren Leitungsaufgabe.
Was ist für Sie besonders wichtig, den Teilnehmenden angesichts dieser Vielfalt an Aufgabenfeldern zu vermitteln?
Kobelt Neuhaus: Personen, die den Kurs besucht haben, sollen am Ende in der Lage sein, ihr Team zu motivieren und zu ermutigen, mit den Familien und anderen Akteur:innen vor Ort gemeinsam ein Programm zu stricken, das aus Erziehungsberechtigten, Bürgerinnen und Bürgern eine am Geschehen im Stadtteil interessierte Solidargemeinschaft entstehen lässt. Ein besonderes Anliegen ist, Familienzentren als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen. Es sind keine therapeutischen Einrichtungen, aber sie können durchaus ermutigen, eine Therapie in Betracht zu ziehen. Es sind auch keine rein sozialarbeiterischen Einrichtungen. Dennoch sollte der soziologische Blick geschärft und politische Strategien kritisch zum Wohle von Familien geprüft werden. Ich hoffe, dass im Kurs für die Teilnehmenden so etwas wie ein Fahrtenbuch entsteht, das für die kommenden Monate und Jahre Richtung und Tempo vorgibt. Dazu gehören etwa die Planung und Pflege von Kontakten, Fundraising für bestimmte Projekte usw.
Wo gibt es derzeit besonderen Handlungsbedarf in Familienzentren? Was geben Sie Leitungskräften mit?
Kobelt Neuhaus: Zahlreiche Familienzentren sind unterfinanziert und verfügen nicht über genügend Personal. Dennoch haben sie in der Coronazeit und auch im Umgang mit Menschen auf der Flucht bewiesen, wie gut sie Familien gerade in Krisenzeiten begleiten und stärken können. In Windeseile haben zahlreiche Zentren neue Kommunikationsformen und Angebote entwickelt und den Familien auf vielfältigen Wegen nähergebracht. Viele Einrichtungen haben sich weit über ihre Pflicht hinaus engagiert. Es ist nicht verwunderlich, dass sich einige zurzeit erschöpft und in ihrer Bedeutung nicht ernst genommen fühlen. Uns ist es daher wichtig, Leitungskräfte zu stärken und ihnen Mittel und Wege aufzuzeigen, wie die Familienzentrumsarbeit effektiv und effizient geleistet werden kann und wie sie in ihren Kommunen und Ländern für auskömmliche Ressourcen streiten können.
Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren für die Arbeit von Familienzentren? Oder auch Herausforderungen?
Kobelt Neuhaus: Typische Herausforderungen von Familienzentren ist bereits aktuell die wachsende Vielfalt an Familien, die ein sehr differenziertes Programm erfordert. Insbesondere in ländlichen Regionen ist die Komm-Struktur ein Problem. Vielfach sind lange Wege zu bewältigen und die Angebote finden nicht direkt vor der Haustür statt. Daher werden sowohl für städtische als auch für ländliche Regionen neue Konzepte gesucht und finanziert werden müssen, die Familien flächendeckend eine stärkende Partizipation und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, zum Beispiel den Einsatz von Beratungs- oder Familienzentrumsfahrzeugen.
Darüber hinaus werden auch die Teams in Familienzentren vielfältiger werden. Das aufgrund vielfacher Einflüsse schwächelnde ehrenamtliche Engagement, ohne das vermutlich kaum ein Familienzentrum auskommt, gefährdet immer wieder die Kontinuität von Vorhaben. Und nicht zuletzt wird es immer mehr digitale Angebote geben, was eine gute Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit tauglichen Internetverbindungen und Medien voraussetzt.
Was sind die Schwerpunkte und Stärken des Bundesverbands für Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Der Bundesverband der Familienzentren e.V. versteht sich als der Fach- und Lobbyverband für Familienzentren. Ursprünglich bestand die Hoffnung, einmal ein bundesweit einheitliches Qualitätsverständnis für Familienzentren zu entwickeln und zu etablieren. Begleitung von Familien gemäß §16 SGB VIII ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen, wobei die Weisungsfreiheit dazu führt, dass jede Kommune bzw. jedes Bundesland selbst definieren kann, wie diese Begleitung aussieht. Und obwohl es inzwischen hinreichend Nachweise der Effizienz von Familienzentren bei der Stärkung der Chancen‑, Bildungs- und Gesundheitsgerechtigkeit für Kinder
und Eltern in Deutschland gibt, sind noch längst nicht alle Länder und Kommunen auf dem Weg, Familienzentren flächendeckend zu etablieren.
Neben der aktiven Vertretung der Interessen der Familienzentren auf allen politischen Ebenen sind weitere Aufgaben des Verbands der bundesweite Austausch, Vernetzung und Information, Wissenstransfer durch
Fachveranstaltungen sowie die Unterstützung von Trägern und Einrichtungen bei der Weiterentwicklung der familienorientierten sozialräumlichen Arbeit.
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Das Interview führte Ina Kant, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin
Der Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ startet am 28. November 2022. Er besteht aus insgesamt dreizehn Fortbildungstagen, die sich aus Präsenz- und Onlineformaten zusammensetzen. Mehr Informationen zu den Kursinhalten und zur Teilnahme erhalten Sie hier.
Eine Infoveranstaltung findet am 28. September 2022 um 16:30 über Zoom statt.
Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen
Zertifikatskurs mit Daniela Kobelt Neuhaus (u.a.)
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