Verhinderte Fachkräfte – Wie qualifizierte Frauen mit Fluchterfahrung auf ihrem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden
Gut qualifizierte muslimische Frauen arbeiten unter ihrem Qualifikationsniveau bzw. im Helferbereich. Das stellt Forough Hossein Pour in ihrer Beratungstätigkeit von Frauen mit Fluchterfahrungen immer wieder fest. Um sich mit den Gründen näher zu befassen, untersucht sie die Situation im Rahmen Ihres Bachelorstudiums Soziale Arbeit an der Paritätischen Akademie Berlin*. Eine herausragende Arbeit, auf die auch die Friedrich-Ebert-Stiftung aufmerksam geworden ist.
Heute arbeitet Frau Hossein Pour mit ihrer Expertise im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bildungsberaterin an Publikationen mit und setzt sich damit gegen rassistische Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ein. Im Interview sprechen wir mit ihr über die Aspekte der Mehrfachdiskriminierung von muslimischen Frauen aus ihrer Beratungspraxis und wie sie im berufsbegleitenden Bachelorstudium tiefer in die Materie einsteigen konnte.
Frau Hossein Pour, wo waren Sie vor dem Studium tätig und was hat Sie dazu motiviert, Soziale Arbeit an der Paritätischen Akademie Berlin zu studieren?
Hossein Pour: Ich arbeite seit August 2016 als Bildungs- und Berufsberaterin für Frauen mit Fluchterfahrung und Migrationsgeschichte bei KOBRA, einem Projekt, das im Rahmen der Gleichstellung vom Land Berlin öffentlich gefördert wird. Seitdem beschäftige ich mich täglich mit der Frage des Übergangsmanagements für Ratsuchende mit ausländischen Abschlüssen bzw. mit deren eingeschränkten Zugang zu Rechten und Teilhabemöglichkeiten.
Die Ursachen dieser strukturellen Benachteiligung zu erforschen war meine größte Motivation. Da unser Träger, der Berliner Frauenbund 1945 e.V., Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin ist, kam uns der Start des berufsbegleitenden Studiums im Herbst 2019 sehr entgegen. So habe ich mich in Absprache mit meiner Vorgesetzten Frau Dr. Hildegard Schicke für das berufsbegleitende Studium der Sozialen Arbeit an der Paritätischen Akademie entschieden.
Welche Themen hat das Bachelorstudium aufgegriffen, die Sie direkt in Ihrer Tätigkeit
anwenden konnten?
Hossein Pour: Die Rechts-Module (Grundsicherung, Familienrecht, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz, Aufenthalts- und Asylrecht) waren für mich sehr praxisnah. Denn Asylsuchende finden sich nach ihrer Ankunft in Deutschland in einem hochkomplexen, selektiven und besonders dynamischen Verwaltungsprozess wieder.
Die Logik des Aufenthaltsrechts und Verwaltungsrechts zu verstehen, komplexe Fragstellungen analysieren zu können und unsere Profession als „Soziale Anwaltschaft“ gegenüber den Ratsuchenden zu begreifen, gab mir die Kompetenz die Interessen der Frauen besser durchzusetzen.
In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit Mehrfachdiskriminierung von qualifizierten muslimischen Frauen mit Fluchterfahrung beschäftigt. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen? Haben Ihnen dabei Inhalte aus dem Studium geholfen?
Hossein Pour: Die Frage nach beruflichen Perspektiven von geflüchteten Frauen in Deutschland gehört zu meiner täglichen Arbeit als Bildungsberaterin bei KOBRA.
Wir beraten qualifizierte muslimische Frauen, die ausgesprochen erwerbsorientiert sind und eine qualifikationsadäquate Beschäftigung suchen. Sie kommen, aber auf dem Arbeitsmarkt nicht an. Gleichzeitig haben wir eine Arbeitsmarktforschung, die die mangelhafte Arbeitsmarktintegration darauf zurückführt, dass die geflüchteten Frauen kein Humankapital mitbringen, in traditionellen Familien leben und für Kinder sorgen, oder durch gesundheitliche Einschränkungen belastet sind.
Im Juni 2022 wurde die quantitative Studie zu „Rassistischen Realitäten in Deutschland“ des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) veröffentlicht, die den Rassismus in Strukturen und im Alltag von rassifizierten Menschen nachweist. Ich erkannte, dank der Theorien sozialer Ungleichheit des Moduls Soziologie und der im Modul Gender und Diversity vermittelten Postkolonialen Perspektiven, dass wir es hier mit einer Forschungslücke zu tun haben. Die NaDiRa-Studie bestätigte meine Annahme, dass dieser Ansatz der Berufsforschung die Barrieren beim Zugang zum Arbeitsmarkt, die muslimischen Frauen behindern, nicht erklären kann. Denn er beruht ausschließlich auf Geschlechterdifferenzierung, was nicht ausreicht. Wir brauchen auch eine qualitative Forschung, die die Mechanismen des Rassismus als Treiber der sozialen Ungleichheit im deutschen Kontext untersucht.
Was macht es weiblichen muslimischen Fachkräften mit Fluchterfahrung in Deutschland so schwer ihrem Abschluss entsprechend arbeiten zu können? Und wie genau haben Sie das untersucht?
Hossein Pour: In der Analyse konnte ich drei strukturelle Barrieren für qualifizierte muslimische Frauen mit Fluchterfahrung identifizieren, die sie auf dem Weg in eine ausbildungsadäquate Erwerbsarbeit ausschließen.:
(1) Der Kampf um einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Hier geht es um Frauen, die im Asylverfahren sind und die gemäß der Gesetzgebung aufgrund ihres Herkunftslandes der Kategorie „Geflüchtete mit einer schlechten Bleibeperspektive‘“ zugeteilt werden. Hier wurde deutlich, dass ihre mitgebrachte Qualifikation keine Rolle spielt. Es wird ihnen stattdessen der Weg über eine Ausbildung als Garantie für eine Bleiberecht geboten.
(2) Der Kampf um die Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen Qualifikationen. Hier wurde deutlich, dass Personen aus bestimmten Ländern durch selektive Verfahrensbestimmung von einer Gleichwertigkeitsprüfung ausgeschlossen werden.
(3) Der Kampf gegen die Diskriminierung von muslimischen Frauen mit Kopftuch auf dem Arbeitsmarkt. Hier konnte gezeigt werden, dass Frauen, deren im Ausland erworbene ausländische Qualifikation in Deutschland anerkannt wurde und die ein Kopftuch tragen, trotz allem keine bildungsadäquaten Jobs bekommen.
Ich habe die Lebensbedingungen von drei Frauen mit Fluchterfahrung untersucht, die ihre Hochschulqualifikation im Ausland erworben hatten und motiviert waren, in Berlin in ihrem Berufsfeld zu arbeiten. Dafür habe ich mit Hilfe des Intersektionalen Mehrebenenansatzes (Degele/Winker 2009) eine theoretische Perspektive und zugleich einen
praxeologischen Zugang gewählt. Zuerst habe ich eine empirische Analyse sozialer Ungleichheit im Alltag von geflüchteten Frauen durchgeführt. Daran habe ich die Ergebnisse systematisch auf theoretisches Wissen über
intersektional verwobene Herrschaftsverhältnisse bezogen. Hierbei habe ich Bourdieus Theorie der Kapitalarten und des sozialen Feldes sowie die postkolonialen Perspektiven nach Said und Hall einbezogen, die den empirisch nachgewiesenen Rassismus als Systeme erklären.
Teile Ihrer Bachelorarbeit sind von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) publiziert worden. Wie kam es dazu?
Hossein Pour: Das Team der „Beruflichen Orientierung für Frauen“ von KOBRA wurde von der FES für einen Vortrag angefragt. Sie wollten im wissenschaftlichen Fachworkshop „Aus Hilfskräfte Fachkräfte machen“ unsere Sicht aus der Beratungspraxis auf die Fragestellung.
Da wir jedoch in der Praxis die Probleme bereits gut qualifizierter Frauen sehen, die entweder unter ihrem Qualifikationsniveau bzw. im Helferbereich arbeiten, habe ich mich in meinem Input in der Fachveranstaltung auf die Ursachen struktureller Diskriminierung und Rassismus konzentriert. Dabei habe ich mich auf die Ergebnisse aus meiner Bachelor-Thesis zur Ausblendung der Mehrfachdiskriminierung von qualifizierten Geflüchteten bei der Fachkräftediskussion bezogen. Einige Monate später erhielt ich von der FES-Referentin eine E‑Mail mit der Anfrage, ob ich bereit wäre, an einer Reihe von Kurzpublikationen mitzuarbeiten, in denen die im Workshop angesprochenen Aspekte vertieft werden sollen. Ich habe mich sehr über ihr Interesse gefreut und sofort zugesagt. Mein Impulsbeitrag „Verhinderte Fachkräfte“ wurde dann im Januar dieses Jahres veröffentlicht.
Erzählen Sie etwas mehr über das Projekt KOBRA, in dem Sie arbeiten!
Hossein Pour: Hinter KOBRA steht als Träger der Berliner Frauenbund 1945 e.V., der in der Tradition der emanzipatorischen Frauenrechte entstanden ist und sich seit Jahrzehnten für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt. In den achtziger Jahren ist KOBRA als eine überbezirkliche Beratungseinrichtung entstanden. Wir sind ein multidisziplinäres Team, das Frauen in ihrer Vielfalt in allen Fragen von Beruf, Bildung und Beschäftigung berät. Bei besonderen beruflichen Übergängen im Kontext der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Beruf und Pflege – z. B. Elternzeit, Familienpflegezeit oder dem Wiedereinstieg – werden Menschen mit Fürsorgeverantwortung beraten, egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen.
KOBRA unterstützt Unternehmen bei einer lebensphasengerechten Personalentwicklung. Am Sitz der Beratungsstelle KOBRA wurde ab 2021 auch eine Anlauf- und Koordinierungsstelle für Alleinerziehende in Berlin Kreuzberg-Friedrichshain aufgebaut.
Mehr zu der Bildungsberatung für geflüchtete Frauen und Veröffentlichungen von Forough Houssein Pour:
Mehr zu KOBRA: https://www.kobra-berlin.de
Was haben Sie jetzt nach dem Studienabschluss vor?
Hossein Pour: Ich werde mich gezielter in Gremien einbringen, die sich mit den Hindernissen beschäftigen, die die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen verhindern. Mit Sorge sehe ich die Verschiebung des öffentlichen Diskurses weg von einer Willkommenskultur für Geflüchtete hin zu einer die humanitären Standards des Grundgesetztes gefährdenden Perspektive der Abschottung oder Rückführung. Deswegen finde ich es wichtig, vor allem in diesen Zeiten, wo der politische Rechtsruck die Demokratie gefährdet, über Strategien nachzudenken, die zur Bekämpfung und Beseitigung von rassistischer Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt beitragen.
Vielen Dank für das Interview, Frau Hossein Pour. Wir wünschen Ihnen für Ihre wichtige Arbeit und Ihren Einsatz für eine demokratische, offene Gesellschaft weiterhin sehr viel Erfolg!
*ein berufsbegleitender Studiengang in Kooperation mit der Hochschule für soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP). Mehr Informationen hier.
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Redaktion: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Foto im Titelbild: Forough Hossein Pour
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Haltung als Leitung im Studium entwickeln
Oliver Heymann hat an der Paritätischen Akademie Berlin den Master Sozialmanagement studiert. Wir sprechen mit ihm über seine Rolle als Leitungskraft einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung und darüber, wie das M.A. Studium seine berufliche Laufbahn beeinflusst hat.
Herr Heymann, wann haben Sie an der Paritätischen Akademie studiert? Mit welchem Abschluss und Arbeitserfahrung haben Sie sich an der Paritätischen Akademie damals beworben?
Oliver Heymann: Ich habe 2017 bis 2020 an der Paritätischen Akademie Berlin studiert. Davor habe ich einen Bachelor in Allgemeinpädagogik Bildungswissenschaften mit Nebenfach Psychologie an der LMU in München absolviert. Im Zusammenhang mit Arbeitserfahrung und dem Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung, habe ich mich für den M.A. Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie beworben und wurde angenommen.
Wo haben Sie neben dem Studium gearbeitet?
Oliver Heymann: Ich habe in der Eingliederungshilfe bei einem nicht allzu großen Träger im Norden von Berlin gearbeitet. Das war vergleichbar und relativ nahe an der pädagogischen Arbeit, die hier bei uns in den Wohngruppen erfolgt. Es war hauptsächlich die Tagesbetreuung in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung.
Und wie ließ sich das Studium mit dem Arbeitsalltag verbinden? Wie haben Sie das damals erlebt?
Oliver Heymann: Ich konnte unter Heranziehung des eigenen Urlaubs, des Bildungsurlaubs sowie über den Abbau von Überstunden die
Präsenzwochen gut abdecken. Ich habe damals in einem Schichtdienstsystem gearbeitet. Hier wurde der Dienstplan monatlich und nicht wöchentlich strukturiert. So war es möglich sich die Präsenzzeiten freizuhalten und einfach in den anderen Wochen mehr Dienste zu übernehmen. Die Mitarbeitenden in unseren Wohngruppen arbeiten hier ähnlich. Zudem ließ die Gestaltung der Arbeitsinhalte außerhalb der Präsenzzeiten* in Form von Forenbeiträgen im Masterstudium eine große zeitliche Flexibilität zu.
*Anmerkung Paritätische Akademie Berlin: Die Struktur der Lerneinheiten werden laufend den Bedürfnissen der berufsbegleitend Studierenden angepasst. Die Terminübersicht für den Studiendurchgang ab WiSe 2024/25 werden wir zeitnah auf unserer Webseite veröffentlichen.
Haben Sie das Studium selbst finanziert? Die Studiengebühren können mittlerweile in 30 Monatsraten entrichtet werden. Eine anteilige oder vollständige Übernahme der Studiengebühren durch den Arbeitgeber ist möglich.
Oliver Heymann: Ich habe keine finanzielle Unterstützung bekommen. Aber dank Ratenaushandlung* ging das ganz gut.
In welcher Einrichtung arbeiten Sie heute und was ist Ihre Rolle in der Organisation?
Oliver Heymann: Ich bin Bereichsleiter im Kinder- und Jugendhilfe Zentrum Neukölln des Evangelischen Jugend und Fürsorgewerks. Wir sind der größte Anbieter von stationärer Kinder- und Jugendhilfe in Berlin Neukölln. Insgesamt umfasst die Abteilung Jugendhilfe im EJF (Evangelisches Jugend- und Fürsorgewerk) ungefähr 1800 Mitarbeitende. Hier an unserem Standort im Verbund sind wir etwa 150 Menschen, davon 120 Kolleg:innen mit pädagogischen Berufen in verschiedenen Wohngruppen. Wir haben bei uns Kinder und Jugendliche in allen Altersgruppen in verschiedenen Schwerpunkten in den eigenen Bedarfen wohnen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben.
Und wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Oliver Heymann: Insgesamt bin ich als Bereichsleitung für sechs Wohngruppen zuständig. Das bedeutet, dass ich für etwa 35 Mitarbeitende in der Personalverantwortung bin und etwas über 40 Kinder und Jugendliche in meinem Bereich leben. Gleich zu Tagesbeginn trete ich mit den pädagogischen Fachkräften der jeweiligen Gruppen in Kontakt, um zu gucken, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Ich bin wöchentlich in relativ vielen Teamsitzungen, höre intern und extern viel zu, steuere an den notwendigen Punkten und mache Controlling. Entwickelt sich die jeweilige Gruppe in die richtige Richtung? Gibt es da Unterstützungsbedarf meinerseits? Bestehen aktuell irgendwelche Krisen oder Entwicklungen, die meiner Person bedürfen? Es kann ab und zu Vorfälle geben. Das können persönliche Krisen eines jungen Menschen sein. Oder wir hatten letzte Woche die Situation, dass es einen kleinen Brand in einer Gruppe gab. Der hat mich diese Woche sehr intensiv beschäftigt. Es musste nachgeforscht werden, wie es dazu kam und wie das vermieden werden kann. Solche Situationen müssen gründlich geklärt werden und das gehört auch zu meiner leitenden Tätigkeit.
Was haben Sie vor der Arbeit in der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Berlin Neukölln gemacht?
Oliver Heymann: Als ich mein Masterstudium in Sozialmanagement angefangen habe, war ich in der Eingliederungshilfe tätig und musste später aus familiären Gründen in eine andere Stadt ziehen. Durch den Master und die flexible Struktur des berufsbegleitenden Studiengangs gelang mir am neuen Ort der Wechsel in die Altenhilfe. Ich hatte einen spannenden Job als Einrichtungsleitung für offene Altenhilfe gefunden, die für einen ganzen Stadtteil und mehrere Tausend ältere Menschen zuständig war. Aber nach einer Weile stand der Beschluss, dass wir zurück nach Berlin möchten, und ich musste mich erneut auf die Suche nach einer passenden Stelle umschauen. Hier in der stationären Kinder- und Jugendhilfe in Berlin Neukölln fand ich das ansprechendste Angebot. Schon im Rahmen der Bewerbungsgespräche merkte ich, dass es hier von den Arbeitsstrukturen und Klima angenehm war. Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren hier und bereue diese Entscheidung nicht. Ich gehe jeden Tag gerne in die Arbeit.
„Durch den Master und die flexible Struktur des berufsbegleitenden Studiengangs gelang mir am neuen Ort der Wechsel in die Altenhilfe. Ich hatte einen spannenden Job als Einrichtungsleitung für offene Altenhilfe gefunden, die für einen ganzen Stadtteil und mehrere Tausend ältere Menschen zuständig war.“
Welchen Unterschied macht Ihre Arbeit im Leben der Kinder und jungen Erwachsenen?
Oliver Heymann: Es gibt viele junge Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr bei den Eltern wohnen können. Oft sind
hier Schicksalsschläge und das Zusammenkommen von vielen hinderlichen Faktoren ausschlaggebend. Zum Beispiel weil die Eltern in die Obdachlosigkeit gerutscht sind, oder unter schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen leiden. In manchen Situationen gibt es keine Eltern mehr oder zu Hause entsteht eine so große Krise, dass es zumindest für eine gewisse Zeit nicht möglich oder nicht mehr sicher ist, die Kinder bei den Eltern leben zu lassen. Und dann greift die Kinder- und Jugendhilfe. In starker Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und in den meisten Fällen der Zustimmung der Sorgeberechtigten, finden diese Kinder bei uns Platz und werden in ihren individuellen Situationen betreut und begleitet. Die Wiederzusammenführung mit den Eltern wird natürlich, mit aller gebotener Vorsicht, in den Vordergrund gestellt. Denn keine Betreuungsperson kann die Eltern ersetzen. In Zusammenarbeit mit dem Jugendamt arbeiten wir daran, die Eltern zu befähigen ein gutes elterliches Verhältnis mit dem Kind aufzubauen und ihnen ein stabiles Umfeld zu bieten. Auf der anderen Seite arbeiten wir mit vielen Kooperationspartnern aus dem unmittelbaren Umfeld der Kinder, mit den jeweiligen Vormundschaften, mit den Schulen, Großfamilien und Freundeskreisen, die eine Rolle im Leben des Kindes haben und neben dem Erziehungsberechtigten für eine gelungene Rückführung in die elterliche Familie wichtig sind. Das ist eine sehr komplexe Arbeit, die hier von unseren Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen durchgeführt wird.
Meine Rolle dabei ist unter anderem, die Metaebene einzunehmen und ihre pädagogische Arbeit zu unterstützen in dem ich schaue: Wie müssen wir unsere Gruppen so ausrichten, dass sie dem Bedarf und den multiplen Problemlagen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden und auch die sich immer wieder verändernden gesamtgesellschaftlichen Bedarfe und Zielgruppen berücksichtigen. Welche fachlichen Standards setzen wir uns, wie halten wir diese ein? Wie findet Wissens- und Informationsweitergabe statt? Nach welchen pädagogischen Richtlinien handeln wir? Wie gehen wir vor im Krisenfall? Ich bin die Person, die praktisch etwas abseits der Gruppe steht, aber jederzeit reinkommt und da unterstützt, wo Not an der Person ist.
Was passiert, wenn junge Erwachsene die Wohngruppen verlassen müssen, gelingt ihnen ein guter Übergang in das erwachsene Leben?
Oliver Heymann: Je nach Ausrichtung der Wohngruppe und nach dem individuellen Verlauf der einzelnen Kindessituation, ob es wieder zu den Eltern geht oder praktisch in eine eigene Wohnung, begleiten wir unterschiedlich. Nach dem Auszug aus unserer Einrichtung endet unsere Arbeit meist nicht. In vielen Fällen begleiten wir unsere Careleaver mehrere Monate ambulant nach, je nach Bedarfslage. Mit vielen halten wir auch noch einen losen Kontakt, wenn die Kinder bei den Eltern wieder eingezogen sind. Außerdem haben wir viele Eltern, die sich noch Jahre später immer wieder Rat suchend an uns wenden.
Wir hatten letztes Jahr eine größere Feier, weil ein langjähriger Mitarbeiter in Rente gegangen ist. Er hat ein Leben lang in der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet. Und bei dieser Verabschiedungsfeier waren tatsächlich damalige Jugendlichen aus seiner ersten Wohngruppe, die der Kollege begleitet hat, anwesend. Sie waren alle Anfang Fünfzig, inzwischen mitten im Leben stehend mit ihren eigenen Familien und Kindern da und haben ganz rührend über den Kollegen gesprochen. Das war sehr schön auf der Feier mitzubekommen, wie dieser Mensch ihr Leben beeinflusst hat und dass es ihnen jetzt gut geht, und dass die Unterstützung, die sie damals erhalten haben, nach eigenen Aussagen, eine große Hilfe war. Und in das Erbe treten wir natürlich weiterhin.
Welche Aspekte oder Inhalte des Masterstudiums in Sozialmanagement sind in Ihrem Berufsalltag noch heute relevant?
Oliver Heymann: Es gibt Vieles. Ich denke mitunter das Wichtigste war einen Habitus und Haltung als Leitung zu entwickeln. Dabei wurden wir auf allen Ebenen unterstützt, mit der Wissens- und der Kompetenzvermittlung, um diese Rolle ausfüllen zu können. Wir haben sehr viele Bereiche abgedeckt und Methoden kennengelernt, die ich jetzt noch in meiner Arbeit anwende. Im Studium habe ich die Möglichkeiten kennengelernt und kann sie mir nach Bedarf heranziehen, Kenntnisse auffrischen und anwenden. Und was im sozialen Bereich oft in der Ausbildung zu kurz kommt und im Studium gut abgedeckt war, sind die BWL-Lernanteile, die für mich in der Leitungsfunktion sehr wertvoll sind. Mir hilft es tatsächlich sehr, dass ich sagen kann – hier ist eine Bilanz und ich kann sie analysieren und Probleme anhand der Zahlen erkennen.
Arbeitsrecht ist auch ein wertvoller Teil des Studiums gewesen. Viele studieren Soziale Arbeit oder Ähnliches, sie sind gute Fachkräfte, sehr gute Teamleiter:innen und haben sehr gute soziale Kompetenzen in der Zusammenwirkung mit den Kolleg:innen. Oft rutschen sie jedoch, praktisch unvorbereitet, in die Leitungsrollen in ihren Organisationen. In diesen Rollen fehlen ihnen die fachliche Qualifikation als Leitung, die wirtschaftlichen und technischen Kenntnisse, so gehen diese Aspekte auch in ihrem Berufsalltag en bisschen unter. Mit dem wirtschaftlichen Verständnis und mit der Stärke in diesen Bereichen der Geschäftsführung macht man sich im sozialen Bereich durchaus manchmal Freunde.
„Ich denke mitunter das Wichtigste war, einen Habitus und Haltung als Leitung zu entwickeln. Dabei wurden wir auf allen Ebenen unterstützt, mit der Wissens- und der Kompetenzvermittlung, um diese Rolle ausfüllen zu können. Wir haben sehr viele Bereiche abgedeckt und Methoden kennengelernt, die ich jetzt noch in meiner Arbeit anwende.“
Welche Kenntnisse oder welches Know-How fehlt Ihnen jetzt, das im Job gewachsen ist und im Studium nicht behandelt wurde?
Oliver Heymann: Ich weiß nicht, ob der Studiengang tatsächlich die großen Problemfelder, die meine Arbeit jetzt betreffen, abdecken könnte. Das sind hauptsächlich gesamtgesellschaftliche Phänomene wie der Fachkräftemangel, der einfach sehr gravierend zu Tage tritt. Und jetzt gerade in Berlin ist es der Wohnungsmangel, der unsere Arbeit erschwert. Vielleicht könnte man im Studiengang darauf vorbereitet werden, stärker in diese politische Arbeit reinzugehen und sozialpolitisch den Fachkräftemangel anzugehen, der uns die nächsten Jahrzehnte begleiten wird. Oder eben innovativ an diesen Problemlösungen zu arbeiten und schauen welche Rolle neue Technologien wie KI bei der Arbeitsentlastung spielen könnten. Vielleich könnte KI nicht gerade die Wohngruppen unterstützen, aber vielleicht bei anderen Arbeitsprozessen entlastende Funktion einnehmen?
Digitalisierung ist mittlerweile Teil des Studiengangprogramms. Als Akademie wollen wir auf dem letzten Stand der technischen Möglichkeiten sein und auf deren Potenzial für Soziale Organisationen durch unsere Studierende verweisen.
Oliver Heymann: Insgesamt kann ich sagen, dass der Masterstudiengang meine weitere berufliche Entwicklung, aber auch mich als Mensch, maßgeblich beeinflusst hat. Wenn ich mit Menschen spreche die sich als Führungskraft entwickeln wollen, empfehle ich diesen Master.
Das Interview mit Oliver Heymann führte Elena Gavrisch (Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Oliver Heymann
Fotos: Elena Gavrisch
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Zukunftswerkstatt Klima
„Wir sind inzwischen an einem Punkt angekommen, wo wir den Klimawandel nicht mehr verhindern, sondern nur noch abschwächen können.“
Cathrin Hirsch, Dozentin und Leiterin der Initiative KIJUNA, ist die treibende Kraft hinter unseren Bildungsreihe Zukunftswerkstatt Klima – Anpassung and die Folgen des Klimawandels im Gespräch:
Frau Hirsch, Sie leiten die Initiative KIJUNA, die sich zum Ziel setzt die gesellschaftlichen Entwicklungen in Bezug auf Klimaschutz, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit auch in der stationären Kinder‑, Jugend- und Eingliederungshilfe sowie Kitas zu etablieren und den Menschen, die hier gefördert und auf die Zukunft vorbereitet werden, eine Chance auf Teilhabe an diesen gesellschaftlich relevanten Themen zu geben.
Wie haben Sie das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt?
Cathrin Hirsch: Ich habe die Initiative gegründet, da ich festgestellt habe, dass in diesem ganzen Bereich der Nachhaltigkeit, der Bildung für nachhaltige Entwicklung und Anpassungsbemühungen der soziale Bereich nicht berücksichtigt wird, sondern eigentlich lediglich Schulen angesprochen werden. Und es ist tatsächlich so, dass die Klientel der Sozialen Arbeit, also gerade Jugendhilfe oder auch Eingliederungshilfe nicht den besten Zugang zur Bildung über das öffentliche Schulsystem hat. Deshalb habe ich die Initiative KIJUNA gegründet, um eben diese Thematik auch in die Kinder- und Jugendhilfe, sowie Eingliederungshilfe und Kitas reinzubringen und dort die Bildungsarbeit zum Klimaschutz, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sozusagen zu „revolutionieren“.
Frau Hirsch, in unserem Vorgespräch haben Sie erwähnt, dass das Thema Klima und Umweltveränderungen im Rahmen der aktuellen Ausbildungs- und Studiengänge im sozialen Bereich nicht behandelt wird. Beispielsweise in der Kindheitspädagogik gibt es dieses Fach nicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass Erzieher:innen in ihrem Berufsalltag oft mit Fragen rund um Klima und Umwelt konfrontiert werden. Und natürlich gibt es auch Eltern, die dem menschengemachten Klimawandel sehr skeptisch gegenüberstehen und gar leugnen. Wie man damit umgehen kann, ist nicht immer klar. Ich kann mir gut vorstellen, dass Erzieher:innen und Betreuungspersonen mit vielen Fragen überfordert werden, wenn sie kein fundiertes Wissen zu diesem Thema in ihrer Ausbildung vermittelt bekommen haben. Für mich wäre es auch nicht leicht meinem 8‑jährigen Sohn altersgerecht zu erklären, was CO2 ist.
Was können Erzieher:innen sowie die Leitung von Kitas und Kinder- und Jugendeinrichtungen in dem Zertifikatskurs Zukunftswerkstatt Klima – Anpassungen an die Folgen des Klimawandels lernen, um mit solchen Fragen besser umgehen zu können?
Cathrin Hirsch: Es ist auf jeden Fall Inhalt der Fortbildung, dass auch immer praktische Tipps mit an die Hand gegeben werden, was tatsächlich umgesetzt werden kann. Und ich vertraue auch viel auf die pädagogischen Fähigkeiten der Kolleg:innen, dass sie das Erwachsenenwissen, das sie bei uns in der Zukunftswerkstatt Klima vermittelt bekommen, auch in altersgerechte Häppchen teilen können. Es gibt auf jeden Fall Praxistipps und Methoden, wie mit den Kindern und den Jugendlichen gearbeitet werden kann. Außerdem bestärken wir die Kolleg:innen in ihrer Rolle als Pädagog:innen. Sie sind keine Klimawissenschaftler:innen und es ist nicht immer nötig, dass sie alles aus diesem Bereich wissen. Es kann auch ein sehr erfolgreicher pädagogischen Prozess sein, wenn die Kolleg:innen gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Wissen erwerben und dann danach handeln.
Gibt es Richtlinien oder Empfehlungen seitens der Politik, bezüglich Bildungsprogrammen zum Thema Klima- und Umweltveränderungen in Kitas und oder in der Kinder- und Jugendarbeit?
Cathrin Hirsch: Es gibt den Ansatz der Bildung für nachhaltige Entwicklung und in diesem Bereich wird deutlich, dass es vor allem um die Stärkung von Gestaltungskompetenzen geht. Dies wurden für alle Länder, die die Agenda 2030 ratifiziert haben, entwickelt und damit benannt, welche Kompetenzen jede:r einzelne:r braucht, um eine nachhaltige Welt zu entwickeln. Die Förderung der Gestaltungskompetenzen ist der Kern der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Die Methodik läuft über die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die der Hauptteil der Agenda 2030 sind, die wir gemeinschaftlich als Weltgemeinschaft erreichen müssen, damit sich die Entwicklung vom Klimawandel und die damit verbundenen sozialen Spannungen abschwächt und unsere Welt als nachhaltig bezeichnet werden kann.
Es ist eine sehr gute Investition in die nachhaltige Zukunft, wenn die neue Generation richtig gut zu diesem Thema ausgebildet wird und ihren Lebensstil den neun Umständen entsprechend anpasst.
Cathrin Hirsch: Die Bildungsfragen sind nur ein Teil der Fortbildung. Es geht viel um konkrete Anpassungsmaßnahmen: Wenn die Sommer immer heißer werden, müssen wir unsere Tagesabläufe verändern, dass wir überhaupt noch draußen sein können. Müssen wir dann eher morgens arbeiten und mittags eine Siesta machen und abends wieder aktiv werden? Es sind Fragen, die ganz konkret auf die absehbaren Folgen des Klimawandels abzielen. Wir sind inzwischen an einem Punkt angekommen, wo wir den Klimawandel nicht mehr verhindern, sondern nur noch abschwächen können. Es wird Klimaveränderungen geben, die konkrete Folgen und Herausforderungen mit sich bringen werden! Und da müssen wir einfach gucken, wie wir uns darauf vorbereiten. Also auch die Flut in Essen und in Niedersachsen über Weihnachten ist eine sehr deutlich spürbare Folge des Klimawandels. Die Luft wird immer wärmer, was zu heftigen Gewittern führt. Es fallen riesige Regenmengen binnen kürzester Zeit. Unsere städtische Abflusssysteme und Kanalnetze sind schnell überlastet. Immer wieder kommt es zu flächendeckenden Überschwemmungen und entsprechend schweren finanziellen Folgen und auch weiteren Umweltfolgen. Kann man sich auf solche Ereignisse vorbereiten? Können wir uns als Gesellschaft vorbereiten? Kann sich jeder Einzelne in seinem kleinen Umfeld vorbereiten? Darum geht es in unseren Bildungsreihe, also nicht nur um die Frage, wie bilden wir die nächste Generation zu diesem Thema aus, sondern auch darum, welche Maßnahmen wir als soziale Unternehmen und Einrichtungen jetzt ergreifen können, damit wir mit den Folgen des Klimawandels weiterleben und in unserer Alltagsorganisation nicht unbedingt komplett eingeschränkt sind.
Im Grunde ist Klimaschutzbeauftragte:r ein Beruf der Zukunft für Sozialunternehmen. In der nahen Zukunft wird es möglicherweise zur Pflicht in jedem Unternehmen eine solche Rolle auszufüllen, im globalen Sinne eine sehr verantwortungsvolle Rolle!
Cathrin Hirsch: In der Industrie und der Wirtschaft gibt es diese Stelle eigentlich fast überall.
In der freien Wirtschaft gibt es andere Finanzierungsmöglichkeiten als in der Sozialwirtschaft. Wenn die sozialen Unternehmen andererseits beginnen, das Thema auf ihrer Prioritätsliste weiter oben zu platzieren, sich zu den Folgen des Klimawandels weiterbilden und die Verantwortung hinsichtlich Folgenabwendung und Nachhaltigkeit übernehmen, würden sich möglicherweise Räume für staatliche Subventionen öffnen und die Refinanzierung ihrer Aktivitäten zu mehr Nachhaltigkeit ermöglichen.
Cathrin Hirsch: Aktuell sind mir keine politischen Initiativen zum Thema Anpassungsgesetze im sozialen Bereich bekannt. Aber wenn wir auf die Politik warten, die momentan mit ganz vielen anderen Problemen beschäftigt ist, dann ist es eigentlich schon zu spät. Meine Empfehlung wäre, so bald wie möglich mit den notwendigsten Anpassungsmaßnahmen anzufangen. Die baulichen Maßnahmen lassen sich gut über einen längeren Zeitraum finanzieren. Wenn wir jetzt starten und nicht warten bis das Gebäude der Einrichtung weggeschwemmt ist oder im Sommer so überhitzt ist, dass es für Mitarbeitende und Klient:innen gesundheitliche Folgen hat, dann sind wir schon recht vorne mit dabei. Jede Veränderung und damit auch diese Anpassungsprozesse brauchen Zeit.
Wie diese Veränderungen umgesetzt werden und was genau beachtet werden muss, erklären wir in der Bildungsreihe Zukunftswerkstatt Klima.
Wir freuen uns darauf, mit Ihnen gemeinsam am 23.04.2024 die Bildungsreihe Zukunftswerkstatt Klima – Anpassung an die Folgen des Klimawandels mit Cathrin Hirsch, Nicole Gifhorn, Prof. Dr. Jana Sillmann und anderen Expert:innen aus den genannten Bereichen und mit diesen Themen zu starten:
- Wasserknappheit
- Hitze
- Ernährung
- Extremes Wetter
- Veränderungen gestalten
- Klimapsychologie
- Whole Institution Approach
- Die besondere Verantwortlichkeit sozialer Organisationen
Nicole Gifhorn – Bildungsreferentin für Globales Lernen bei der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen
Prof. Dr. Jana Sillmann studierte Geoökologie und promovierte 2029 an der Universität Hamburg und dem Max-Plank-Institut für Meteorologie, wo sie sich mit der Analyse von Datensätzen zu Extremwetterlagen beschäftigte.
Zukunftswerkstatt Klima – Anpassungen an die Folgen des Klimawandels
Zertifikatskurs
Gesundheitskompetenzen und Salutogenese – eine Einladung zur Schatzsuche
Seminar
Die Psychoneuroimmunologie und ihre Auswirkung auf das soziale Leben
Seminar
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Soziale Gerechtigkeit und soziale Arbeit machen gesund!
Unter sozialer Gerechtigkeit verstehen Menschen meistens gute Lebens- und Arbeitsbedingungen. Diese sind mit vielen Faktoren verbunden wie Bezahlung und Absicherung, aber auch der Zugang zu Bildung und die gerechte Verteilung von Lasten in der Gesellschaft, zum Beispiel zwischen den Geschlechtern und Generationen. So entsteht schließlich das Gefühl an einer Gemeinschaft teilzuhaben, in diese eingebunden zu sein und an ihr mitwirken zu können.
In diesem Beitrag behandeln wir die Frage, warum soziale Gerechtigkeit wichtig für unsere Gesundheit ist, und welchen Beitrag soziale Arbeit dazu leisten kann.
Die Wissenschaft der Psycho-Neuro-Immunologie (PNI) belegt eindrücklich: Seele und Geist, Gehirn, Nerven‑, Hormon- und Immunsystem beeinflussen wechselseitig Gesundheit und Krankheit. Das individuelle und soziale Befinden des einzelnen Menschen wird durch das soziale Umfeld beeinflusst. So fördern Teilhabe und soziale Gerechtigkeit die individuelle wie auch gesellschaftliche Gesundheit.
Wie genau hängen soziale Gerechtigkeit und soziale Arbeit mit Gesundheit zusammen?
Armut und soziale Ausgrenzung machen krank. Wenn Beziehungen, soziale Ausgrenzung oder der Job chronisch stressen, macht das anfälliger für Infektionen: Chronischer Stress verkürzt unser Leben erheblich und führt langfristig zu schweren Leiden und kann den Ausbruch von Krebs und Autoimmunkrankheiten fördern, so Ellis Huber (Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der Präventologen e.V.). Umgekehrt mobilisieren soziale
Einbindung, positive Gedanken oder seelische Ausgeglichenheit und inneres Wohlbefinden unsere Selbstheilungskräfte und unser Gesundheitspotential.
Das Ziel der Medizin und der sozialen Arbeit sollte sein: Gesunde Menschen in gesunden Lebenswelten. Dafür müssen beide ihren Teil zur Gesundheitsförderung beitragen. Die Medizin muss lernen, sich sozialer zu orientieren und mit den Trägern der sozialen Arbeit kooperieren. Denn um die Krankheiten unserer Zeit zu bewältigen, brauchen wir die Pflege sowie sozialpädagogische, psychosoziale und soziokulturelle Dienste. Deshalb sind Gemeinwesenarbeit, die zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation, psychosoziale und sozialpflegerische Versorgungsdienste oder die Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche so wichtige Pfeiler einer gesunden Zukunft.
Sind Organisationen, die ein effektives Gesundheitsmanagement umsetzen, erfolgreicher?
Eine Gesellschaft ist umso sozial gerechter, je mehr Menschen an ihr teilhaben, sie mitbestimmen und aktiv eingebunden sind. Diese Faktoren haben eine ebenso heilsame Wirkung, wie Medikamente oder medizinische
Interventionen. Herzinfarkte sind zum Beispiel häufiger, wenn Menschen sozial entwurzelt sind und unter ständigem Existenzdruck stehen. Das gilt auch für die Verhältnisse innerhalb eines Betriebs, die sich auf die Mitarbeitenden und Klient:innen auswirken.
Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit in Arbeitsprozessen, Kooperationsgeist im gemeinsamen Wirken oder einer wertschätzender Führungskultur beflügeln Produktivität und Ergebnisse der Arbeit in Organisationen und autonomen Teams. Sind die Arbeitsverhältnisse hingegen mit einem hohen Maß an Kontrolle und Autorität verbunden, gehen damit erhöhte Krankenstände und mangelndes Engagement für die gemeinsame Sache einher.
In betrieblichen, sozialen oder kommunalen Settings kann das Gesundheitsmanagement die Produktivität und Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden ebenso verbessern wie die Arbeitsergebnisse und die Zufriedenheit von Klient:innen, Patient:innen oder Hilfsbedürftigen. Gesundheit kann als Maßstab für gelingende soziale Dienstleistung gesehen und eingesetzt werden.
Wie können Organisationen Gesundheitskompetenz und ‑förderung angehen?
Macht und Geld als Anreiz und Ziel machen kein gesundes Arbeiten möglich. Gesunde Organisationen setzen auf:
1. Freie Selbstorganisation
Um eigenverantwortlich zu agieren, müssen Teams ihre Verantwortungsbereiche kennen und Methoden erwerben,
mit denen sie gute Entscheidungen treffen können. Das bedeutet auch ein neues Führungsverständnis. Auch für Führungskräfte, die dabei „loslassen“ lernen müssen.
Das viertägige Seminar „Agile Führung“ hilft Ihnen dabei, mit dieser Umstellung reflektiert und bewusst umzugehen.
2. Selbstwirksamkeit
Wie gehe ich beispielsweise konstruktiv mit Konflikten und herausfordernden Lebenssituationen um? Salutogenese, also die Entstehung von Gesundheit durch eine gute Stressbewältigung und Selbstwirksamkeit, zählt zu einem der Grundkonzepte des gesundheitsförderlichen Handelns. Diese Kompetenz können Mitarbeitende der Organisation erlernen oder als zertifizierte Trainer:innen in Kursen weitergeben.
3. Interdisziplinäre Teamkulturen
Oft hapert es schon am gegenseitigen Verständnis unterschiedlicher Abteilungen füreinander. Interdisziplinäre Teams arbeiten von Beginn an fachübergreifend eng miteinander zusammen. So wird eine ganzheitliche Perspektive geschaffen. Komplexe Probleme werden eher erkannt und Lösungen gemeinsam erarbeitet.
4. Eine Orientierung an Sinn und Wirkung
Wozu gibt es uns? Ein Sinn in der Arbeit gibt Orientierung und motiviert Mitarbeitende, sich in die Organisation einzubringen. Es braucht aber auch das Gefühl der Wirkung. Führen die Kraft und Energie, die wir täglich aufbringen, zu einem guten Ergebnis? Hier hilft es, gemeinsam klare, wirkungsorientierte Ziele aufzustellen und die eigene Praxis regelmäßig zu reflektieren.
Der Zertifikatskurs Wirkungsmanagement führt Sie in die Denkweisen der Wirkungsorientierung ein und befähigt Sie dazu, Prozesse in Ihrer Organisation auf eine wirkungsorientierte Arbeitsweise umzustellen.
Gesundheitsförderliche Führungskulturen und lebendige Teams entwickeln ihre eigene Gesundheitskompetenz stetig weiter und achten auf ein gesundheitsdienliches Arbeitsklima. Das macht Organisationen krisenfest und
resilient. Es macht auch soziale, pflegerische und pädagogische Arbeit leistungsstark.
Mit diesem Ziel und in diesem Sinne hat die Paritätische Akademie in enger Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Präventologen eine breite Palette unterschiedlicher und innovativer Qualifizierungsangebote
entwickelt. Sie können die damit verbundenen Chancen zur persönlichen Entwicklung und zur Organisations- und Trägerentwicklung nutzen. Wenn Sie für sich selbst, für ihre Klient:innen und Patient:innen oder ihre Organisation
mehr Gesundheitskompetenz und Gesundheitsnutzen anstreben, finden Sie hier bei der Paritätischen Akademie das passende Angebot unter der Kategorie Betriebliches Gesundheitsmanagement.
Wir bilden sozialpädagogische Fachkräfte auch als Gesundheits- und Lebenskompetenz Trainer:innen (GLK) aus, wodurch eine selbstständige Durchführung von Gesundheitskursen ermöglicht wird.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Ellis Huber entstanden. Er ist Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der Präventologen e.V. und seit 30 Jahren Mitglied im Vorstand des Paritätischen Landesverbands Berlin. Sein Ziel ist es, das Thema Gesundheit in der sozialen Arbeit stärker zu verankern.
Qualifizierung zur/m GLK-Gesundheits- und Lebenskompetenz TrainerIn
Zertifikatskurs
Gesundheitskompetenzen und Salutogenese – eine Einladung zur Schatzsuche
Seminar
Die Psychoneuroimmunologie und ihre Auswirkung auf das soziale Leben
Seminar
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Vertiefung der Kooperation zwischen der Paritätischen Akademie Berlin und der Hochschule für soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP)
Soziale Arbeit berufsbegleitend studieren in Berlin – Die Paritätische Akademie Berlin und die Hochschule für soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP) weiten ihre lang bestehende und einzigartige Kooperation durch einen neuen Rahmenkooperationsvertrag aus.
Die Kooperationspartner beabsichtigen damit, in weiteren Betätigungsfeldern gemeinsam gegen den Fachkräftemangel vorzugehen. Der neue Rahmenkooperationsvertrag ermöglicht es den Partnern, noch schneller und zielgerichteter auf die Entwicklungen und Bedarfe der sozialen Organisationen zu reagieren.
Als ersten Schritt der programmatischen Ausweitung des Angebotes planen die Kooperationspartner einen neuen Berufsbegleitenden Bachelor „Heilpädagogik“, der im Oktober 2024 starten soll. Weitere Angebote wie gemeinsame Zertifikatskurse oder Fachtagungen sind in der Planung.
„Die Erfahrung der Akademie und des Paritätischen Landesverbands ist dabei für uns von einem unglaublichen Wert. Eine große Rolle für uns spielt, dass wir uns durch die Kooperation auf die wissenschaftlich-akademische Inhaltsgestaltung konzentrieren und dabei den Blick der Paritätischen Akademie integrieren können.“ so der Präsident der HSAP Prof. Dr. Kayser.
Cengizhan Yüksel, Geschäftsführer der Paritätischen Akademie, betrachtet seine Institution wie ein Schnellboot. Es unterstützt größere Frachter, mit dem er die Hochschule in Bezug auf ihre Größe und Komplexität der akademischen Gremienstrukturen vergleicht. Mit der Innovationskraft und Agilität der Akademie können die Studiengänge zügig umgesetzt werden. Mit über 22 Jahren Erfahrung im Bereich der berufsbegleitenden Studiengänge ist die Paritätische Akademie ein starker Partner für die HSAP in Bezug auf die Planung und Durchführung dieser Angebote. Da beide Institutionen gleichzeitig Mitgliedsorganisation im Paritätischen Berlin sind, liegt eine Vertiefung dieser Zusammenarbeit nahe.
Als Mitgliedsverband des Paritätischen Landesverbands Berlin ist die HSAP darüber informiert, wo der Bedarf im Feld der Sozialwirtschaft aktuell am größten ist. Besonders der akute Fachkräftemangel ist als Bestandteil der Satzung der Akademie stark in der Arbeit verankert. Yüksel und Kayser sind sich einig: die Erfahrungen, die beide Partner mitbringen, ermöglicht es, Studiengänge maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Verbandsmitglieder und weiterer sozialer Organisationen erfolgreich anzubieten. Der neue Vertrag ist darüber hinaus der Ausgangspunkt vieler weiterer Projekte zur Stärkung der sozialen Arbeit.
Insbesondere die Mitglieder des Paritätischen Landesverbands Berlin können über den Weg des berufsbegleitenden Studiums Fachkräfte an der Paritätischen Akademie Berlin praxisorientiert ausbilden lassen. Das Studium steht auch allen anderen sozialen Organisationen und Unternehmen sowie Privatpersonen, die einen Einstieg in der sozialen Arbeit anstreben, offen.
Das Format des Online-Studiums mit kompakten Präsenzphasen ist den Bedürfnissen und Kapazitäten Berufstätiger angepasst und ermöglicht eine flexible Gestaltung und Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf. Die HSAP als Vermittler zwischen Sozialwirtschaft und Fachkräften verbindet durch die einmalige Kooperation mit der Paritätischen Akademie somit die Bedarfe der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer:innen. Somit können die Arbeitsstrukturen in der Sozialwirtschaft auch zukünftig nachhaltig, leistungsstark und zeitgemäß organisiert werden.
Foto:
(v.l.n.r.) Prof. Dr. Gabriele Schlimper (Geschäftsführung Paritätischer Landesverband Berlin), Thomas Hänsgen (Kanzler der HSAP), Cengizhan Yüksel (Geschäftsführung Paritätische Akademie Berlin), Prof. Dr. Jörg Kayser (Präsident der HSAP)
Links:
Webseite der Hochschule für soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP): https://www.hsap.de/
Webseite des Paritätischen Landesverbands Berlin: https://www.paritaet-berlin.de/
Studiengänge an der Paritätischen Akademie Berlin: https://akademie.org/studiengaenge/
Soziale Arbeit (Bachelor of Arts)
Berufsbegleitendes Online-Studium mit Präsenzphasen
Sozialmanagement (Master of Arts)
Berufsbegleitendes Online-Studium mit Präsenzphasen
Transformation im Sozialsektor – Fachkräftemangel und Arbeitsbelastung wirkungsorientiert bewältigen
Online-Seminar
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Soziale Einrichtungen sollten Veränderungen jetzt aktiv mitgestalten – Steve Grundig zum Thema Nachhaltigkeitsmanagement
Die Idee, nachhaltiger zu agieren, hat in vielen sozialen Unternehmen bereits Fuß gefasst. Vor dem Hintergrund des Klimawandels wird jedoch immer deutlicher, dass umfassendere Veränderungen notwendig sind. Soziale Einrichtungen können jetzt einiges tun, um sich darauf vorzubereiten.
Wir möchten in diesem Zusammenhang das Thema Nachhaltigkeitsmanagement für soziale Einrichtungen näher betrachten. Dabei geht es darum, Unternehmen und Organisationen sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger auszurichten – das heißt im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung (hier nachlesen).
Welchen Beitrag können wir leisten, um das Wohl unserer Klient:innen und zukünftiger Generationen in einer sich immer rascher verändernden Umwelt zu schützen?
Hinter unserem Dozenten Steve Grundig stehen über 8 Jahre Erfahrung im Feld der Nachhaltigkeitsberatung für Unternehmen bei plant values. In den letzten Jahren hat er sich mehr und mehr mit sozialen Einrichtungen und Trägern beschäftigt und Workshops mit Mitarbeitenden und Führungskräften durchgeführt. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, warum jetzt der richtige Zeitpunkt ist, das Thema Nachhaltigkeit in die eigene Organisation zu integrieren und welche Schritte dafür notwendig sind.
Herr Grundig, was haben soziale Einrichtungen davon, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen?
Steve Grundig: Es bringt viele Vorteile mit sich. Einerseits ist es die Chance, Energie und Ressourcen zu sparen und damit oft auch bares Geld. Gleichzeitig wird man unabhängiger von schwankenden Strom- und Heizkosten oder Nahrungsmittelpreisen.
Andererseits haben besonders die Mitarbeitende im sozialen Sektor ein gesteigertes Interesse an dem Thema, so zeigen Studien. Wer sich ernsthaft mit Nachhaltigkeit beschäftigt, positioniert sich als attraktiver Arbeitgeber und kann somit dem Fachkräftemangel ein Stückweit entgegenwirken.
Das Leitbild oder die Werte der Einrichtungen oder Träger sind oftmals ebenfalls eine direkte Aufforderung zur Nachhaltigkeit. Wer seine Werte und das Leitbild ernst nimmt, wird dann oft beim Prinzip des nachhaltigen Handelns landen. Häufig wird in Workshops als Motivation genannt, dass man als Einrichtung ein Vorbild sein will und beispielsweise die Haltung, nachhaltig zu handeln, vermitteln möchte.
Ganzheitliche Nachhaltigkeit bedeutet, dass man sich nicht nur mit Klima und Umwelt beschäftigt, sondern die soziale Nachhaltigkeit und die verantwortungsvolle Unternehmensführung mitdenkt. Nachhaltig handeln heißt, Ressourcen so zu nutzen, dass die sich auch regenerieren können und man keinen Raubbau betreibt. Dieses Prinzip lässt sich sowohl auf Umweltthemen anwenden, auf die Form der Unternehmensführung und im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit auch auf die eigenen Mitarbeitenden.
Viele schauen bereits darauf, nachhaltiger zu werden. Es wird zum Beispiel weniger gedruckt und auf fairen Bio-Kaffee umgestiegen. Das reicht wahrscheinlich nicht aus?
Steve Grundig: Nein. Papierverbrauch reduzieren und Bio-Kaffee sind die ersten guten Schritte. Aber die Frage muss immer sein, was passiert in unserem Kerngeschäft? Was sind unsere großen Impacts. Sowohl in die Richtung, wo verursachen wir Schäden, und in die Richtung, wo können wir einen Beitrag leisten, z.B. mit der Nutzung unseres Hauses, unseres Geländes, unserer Angebote für Nutzer*innen der Einrichtung usw.
Es geht dabei um ein Hinterfragen bisheriger Prozesse, Strukturen und Angebote. Wer hier die Nutzer*innen der Einrichtung, Mitarbeitende und andere Anspruchsgruppen, sogenannte Stakeholder, aktiv einbindet, kann sich zukunftssicher aufstellen.
Welche Priorität sollte Nachhaltigkeit in einem Unternehmen haben und warum?
Steve Grundig: Angesichts der verschiedenen Krisen der Welt ist ein ambitioniertes Handeln mehr als überfällig. Nachhaltigkeit als Leitmotiv von Entscheidungen und der gesellschaftlichen Entwicklung entscheidet maßgeblich darüber, wie gut oder schlecht wir in ein paar Jahren leben und was wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen. Unternehmen haben hier eine besondere Verantwortung, haben sie doch einen großen Einfluss und Gestalten das Leben von Menschen und unser direktes Umfeld aktiv mit.
Natürlich steckt da erstmal viel Arbeit dahinter. Angesichts der vielen Vorteile sollte es aber dennoch hohe Priorität im Betrieb haben.
Wie kann eine Organisation dafür noch Zeit und Ressourcen im Arbeitsalltag schaffen?
Steve Grundig: Was nicht geht ist, dass nebenbei und nach Feierabend zu machen. Meistens scheitert es aber genau daran, dass nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen oder es keine klare Verantwortlichkeit gibt. Daher: Ein erster Schritt kann sein, dass man eine Arbeitsgruppe bildet, sodass 3–5 Leute aus verschiedenen Bereichen jeweils ein paar Stunden ihrer Arbeitszeit freigeräumt bekommen. Das braucht die Rückendeckung von der Geschäftsführung, die klar sagt, wie die Ressourcen verfügbar gemacht werden.
Welche Voraussetzungen braucht es in einer Organisation, um die Veränderungen im Sinne der Nachhaltigkeit umzusetzen?
Steve Grundig: Die Mitarbeitenden und Nutzer*innen müssen in den Prozess einbezogen werden. Gemeinsam sollte man sich Ziele setzen, die zu einer entwickelten Vision einer nachhaltigen Einrichtung passen. Nachhaltigkeit sollte Teil der Arbeitskultur werden und fest in die Angebote und Dienstleistungen der eigenen Einrichtung integriert werden. Das passiert z.B. durch regelmäßige Schulungen, Teamevents mit Nachhaltigkeits-Motto oder feste Agendapunkte in Teammeetings zum Austausch zu Umwelt- und Sozialthemen.
Worauf legst du in deinen Seminaren für soziale Einrichtungen besonders Wert? Was möchtest du vermitteln?
Steve Grundig: Ich gebe gern eine paar praxisnahe Beispiele und Inspirationen, was man sofort umsetzen kann. Es ist wichtig, dass man ins Tun kommt.
Da soziale Einrichtungen jedoch sehr unterschiedlichen Zweck und Aufbau haben, legen wir in unserer Arbeit immer einen starken Fokus auf die Methodik. Unser Ziel, egal ob in einer Beratung oder in Seminaren, ist immer Hilfe zur Selbsthilfe. Jede Person soll befähigt werden, die Herausforderungen von Nachhaltigkeit in der eigenen Einrichtung anzugehen.
Die Teilnehmer*innen lernen, was Nachhaltigkeit bedeutet. Sie bekommen erste Anleitungen, wie man diesen weitreichenden Begriff auf die eigene Einrichtung übersetzt, um dann konkrete Handlungsfelder zu benennen. Ich finde es wichtig, dass man selbst die relevanten Themen identifiziert und sich nicht am Klein-Klein oder gar an green-washing Themen aufhält. Insgesamt versuche ich immer Tools und Vorgehensweisen zu vermitteln und einen Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmenden anzustoßen.
Wo siehst du die größten Veränderungen in den kommenden Jahren und was sind konkrete Wege, wie sich die Sozialwirtschaft darauf vorbereiten kann?
Steve Grundig: Es gibt gerade zahlreiche Veränderungen, die uns bevorstehen, und leider auch eine Art dauerhafter Krisenmodus. Das ist der Punkt, wo sich viele Menschen und auch manche Organisationen gerade überfordert fühlen.
Beim Klima gibt es zwei Stoßrichtungen. Es gilt, den eigenen Klimaeinfluss zu minimieren, um die weitere Erwärmung abzumildern. Gleichzeitig muss man sich an das bereits verändernde Klima anpassen. Da geht es um das Wohlergehen und die Gesundheit der Menschen in der Einrichtung, aber auch knallhart um Sicherheit und
Notfallpläne, wenn man an Vorsorge und Schutz vor Wetterextremen und ‑katastrophen denkt.
Um Ressourcen zu sparen, werden wir konsequenter zu einer Kreislaufwirtschaft kommen müssen. Da sind soziale Einrichtungen als regionaler Akteur gute Partner, denn wo viele Menschen versorgt werden oder sich treffen, werden auch viele Ressourcen gebraucht.
Wenn wir über die Umweltthemen hinausschauen: Für ehrenamtliche und festangestellte Mitarbeitende, für Sponsorings, für Politik und Fördermittelgeber*innen und natürlich auch die Nutzer*innen wird eine ganzheitliche Nachhaltigkeit mehr und mehr zum Entscheidungskriterium. Wer weiterhin attraktive Angebote für Nutzer*innen bieten will, wer guter Arbeitgeber sein möchte oder die Voraussetzungen für Förderungen erfüllen muss, wird sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen.
Die beste Vorbereitung ist, sich dem Thema zu stellen: Loslegen und eine Arbeitsgruppe bilden oder eine verantwortliche Person benennen. Dann schauen, wo man steht, was die entscheidenden Themen, die Chancen und Risiken in der eigenen Einrichtung sind. Dann kann man sich vorbereiten und die großen Veränderungen aktiv mitgestalten.
Sehen soziale Einrichtungen den Zusammenhang zwischen Klimagerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit? Wie kann man diesen gut vermitteln und in der Organisation etablieren?
Steve Grundig: Es gibt bereits Schulterschlüsse zwischen Sozialverbänden und Umweltorganisationen, weil beide sagen, man muss sich unterstützen und nicht gegeneinander spielen. Das kann auch im Kleinen passieren, wenn zum Beispiel der Umweltverein mit der sozialen Einrichtung vor Ort zusammenarbeitet.
Im Idealfall werden Forderungen von Umweltverbänden sozialverträglicher formuliert und soziale Einrichtungen mit deren zahlreichen Gebäuden, Mitarbeitenden und Angeboten können zum Treiber für eine klimaneutrale Gesellschaft, für Biodiversität und für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft werden. Das wäre eine Win-Win-Situation für alle!
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Grundig.
Erfahren Sie, wie Sie erste Schritte zu mehr Nachhaltigkeit in Ihrer Organisation gehen können.
Nachhaltigkeitsmodelle, Werkzeuge und sinnvolle Maßnahmen lernen Sie im Seminar kennen:
Nachhaltigkeit? Mit kleinem Aufwand zur großen Wirkung
Das Interview mit Steve Grundig führte Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Steve Grundig (Foto: Thomas Schlorke für plant values © )
Nachhaltigkeit als Fachkräftemagnet: Mitarbeitende und Bewerbende mit Nachhaltigkeit begeistern
Online-Seminar
Nachhaltigkeitsstrategie und Transformation in sozialen Organisationen
Online-Seminar
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Paritätisch Nachhaltig: Zukunftsfähige Lösungen für die Soziale Arbeit
Bei der Veranstaltung am 14.06.2023 diskutierten Paritätische Mitgliedsorganisationen aus verschiedensten Bereichen der Sozialen Arbeit, wie nachhaltige, wirkungsorientierte und KI-basierte Ansätze die Soziale Arbeit
transformieren können. Neue Impulse gaben Expertinnen und Experten in verschiedenen Workshops. Als Plattform für Reflexion und Austausch stärkt die Veranstaltung Netzwerke und Kooperationen im Verband.
Soziale Nachhaltigkeit gestalten: Visionen und Strategien für soziale Organisationen
Wie können wir unsere Angebote so gestalten, dass sie zu einer nachhaltigen Veränderung (Impact) auf gesellschaftlicher Ebene beitragen und die gleichberechtigte Teilhabe aller fördern? Wie gehen wir mit neuen Technologien (KI) um und welchen Einfluss haben diese auf unsere Arbeitsweisen? Diese aktuellen Fragen machen deutlich, dass nachhaltige Soziale Arbeit innovative Herangehensweisen verlangt: Es geht darum mit vorhandenen, knappen Ressourcen neue Lösungen und Wege zu finden. Nachhaltige Soziale Arbeit bedeutet dabei auch, wirkungsorientierte Konzepte zu stärken.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Arbeit im Innovationsforum führte der Impulsvortrag von Steve Grundig, plant values, in die Welt der Nachhaltigkeit ein und zeigte Herausforderungen und Chancen für soziale Organisationen im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit auf. Aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklung wurden vorgestellt und Ansätze wie die 17 Ziele Nachhaltiger Entwicklung und ihre Anwendungsmöglichkeiten erläutert.
- Referent: Steve Grundig, Coach und Berater für CSR‑, Werte- und Nachhaltigkeitsmanagement, plant values GbR
Vertiefende Workshops zu Zukunftsfragen der Sozialen Arbeit
In Workshops zu (sozialer) Nachhaltigkeit, künstlicher Intelligenz und wirkungsvoller Projektarbeit brachten (externe) Expertinnen und Experten neue Impulse ein. Mitgliedsorganisationen stellten ihre Angebote und Erfahrungen vor und diskutierten neue Ansätze.
Nachhaltigkeitsdialog: Relevante Herausforderungen und inspirierende Beispiele in sozialen Organisationen
Wie können wir Nachhaltigkeit in sozialen Organisationen umsetzen, sowohl intern als auch in der Arbeit mit den
Menschen? Im Nachhaltigkeitsdialog wurden Erfahrungen ausgetauscht und über kreative und langfristige positive Ansätze für Menschen und Umwelt reflektiert. Die Themen reichten von großen Fragen wie Strategien zur nachhaltigen Organisationsentwicklung bis hin zu konkreten Tipps und Life Hacks im Alltag wie Tauschmärkten und Tassenspenden aus der Nachbarschaft für gemeinsame Feste, um Einweggeschirr zu vermeiden. Deutlich wurde, welche große Rolle aktuell Fragen der sozialen Nachhaltigkeit wie gute Arbeitsbedingungen und mentale
Gesundheit der Mitarbeitenden in den Organisationen spielen.
- Steve Grundig, Coach und Berater für CSR‑, Werte- und Nachhaltigkeitsmanagement, plant values GbR,
- Lea Winnig, Innovation und Nachhaltigkeit, Paritätischer LV Berlin e.V.
Weil Soziale Arbeit wirkt: Nachhaltigkeit trotz Projektitis
Soziale Organisationen haben stets das Ziel mit ihrer Arbeit Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene (Impact) zu bewirken. Wirkungsorientierung ist eine Haltung, bei der man vom Ergebnis aus denkt, der Ansatz kann dabei helfen, eigene Angebote und Maßnahmen so auszurichten, dass nachhaltige Veränderungen für Zielgruppen erreicht werden können. Der Workshop bot einen gemeinsamen Lernraum, in dem sich soziale Organisationen über bewährte Praktiken, Erfahrungen und Methoden austauschen konnten. Mit dem Design Thinking Ansatz wurden neue Ideen entwickelt, wie soziale Organisationen ihre Wirkung planen, evaluieren und über diese berichten können.
- Lisa Opel, Coachin und Dozentin für Wirkungsorientierung,
- Anika Göbel, Wirkung, Paritätischer LV Berlin e.V.
Zukunft gestalten: Künstliche Intelligenz und innovative Praxisbeispiele in sozialen Organisationen
Wie verändert die KI den Tätigkeitsbereich der sozialen Arbeit? Welche Potentiale und welche Gefahren birgt der Einsatz von KI? Diese Frage wurden im Workshop ausführlich diskutiert. Hilfreich in der Auseinandersetzung können dabei Lernplattform für Künstliche Intelligenz wie der KI Campus, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF,) sein. Er bietet eine breite Palette von E‑Learning-Angeboten für Anfänger und
Fortgeschrittene im Bereich KI.
- Stefan Göllner, Innovation Manager bei KI-Campus (Stifterverband),
- Anika Haußner, New Work, Paritätischer LV Berlin e.V.
Was ist das Innovationsforum?
Um soziale Organisationen dabei zu unterstützen mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen umzugehen, hat der Paritätische Berlin 2019 gemeinsam mit der Paritätischen Akademie das Innovationsforum ins Leben gerufen. Unser Auftrag besteht darin, in einer schnelllebigen Zeit gemeinsame virtuelle und analoge Räume für Austausch, Reflexion und Information zu schaffen sowie starke Netzwerke und Kooperationen zu kreieren. Dabei möchten wir uns leiten lassen von Kreativität, Mut und Offenheit für Neues, anstatt ständig darüber nachzudenken, was nicht geht und nicht funktioniert. Das Innovationsforum bündelt Expertise und Wissen und schafft die Möglichkeit, Ansätze und Methoden von außerhalb der sozialen Bubble einfließen zu lassen. In Netzwerk-Veranstaltungen für Paritätische Mitgliedsorganisationen nehmen wir uns Themen aus den Bereichen soziale Innovationen, Wirkung sozialer Arbeit und der neuen Arbeitswelten an. Im Zusammenspiel mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, der freien Wirtschaft und Institutionen bieten wir somit eine weitere Plattform für interdisziplinäre Vernetzung. Unsere Mitgliedsorganisationen sind mit ihren unterschiedlichen fachlichen Perspektiven zentrale Akteurinnen des Innovationsforums.
Innovationsforum – Gestern, heute, morgen: Gemeinsam die soziale Arbeit prägen
Mehr Informationen zum Innovationsforum und den Veranstaltungen finden Sie auf: Paritätisches Innovationsforum – Qualifizierung & Netzwerkarbeit (paritaetisches-innovationsforum.de)
Der Bericht ist am 10.07.2023 auf paritaet-berlin.de erschienen.
Foto: Boaz Arad
Change-Management für Führungskräfte – mit positiver Führung Veränderungen erfolgreich begleiten
Seminar mit Thomas Achim Werner
Mehr als Sozial: Wohlfahrt & die SDGs
Online-Seminar mit Marius Hasenheit
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New Work im Hochschulbereich
Im Gespräch mit Evelyn Kessler (Absolventin, M.A. Sozialmanagement) über ihre Masterarbeit zum Thema hybride Führung im mittleren Management einer Fachhochschule in der Schweiz.
Evelyn Kessler arbeitet als Projektmanagerin an einer Fachhochschule. Sie interessiert sich für die Herausforderungen der Führungskräfte ihrer Arbeitgeberin. Als Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitenden, kommt den Führungskräften im mittleren Management eine wichtige Rolle zu, hat sie erkannt. Denn sie kommunizieren und implementieren die Strategien des Unternehmens. Das soll in Zukunft auch zu ihren Aufgabengebiet zählen. So widmete sich Evelyn Kessler im Rahmen ihrer Masterarbeit dem Thema hybride Führung und New Work bei ihrer Arbeitgeberin. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie anhand ihrer Analyse New Work-Ansätze in Unternehmen eingeführt werden können. Außerdem geht es darum, wie ihr das Masterstudium in Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie Berlin darin geholfen hat, ihre Position auszuführen.
Es handelt sich beim Master Sozialmanagement um einen berufsbegleitenden Studiengang. Wo waren Sie zu Beginn des Studiums beruflich tätig?
Evelyn Kessler: Ich habe als Projektmanagerin in einem Unternehmen, welches auf digitale Transformationen für mittelständischen und Großunternehmen spezialisiert ist, gearbeitet. In einem internationalen Team habe ich mit Kolleg:innen ein neues Data Center Infrastructure Management Tool implementiert.
Welche Inhalte des Studiengangs konnten Sie in Ihren Berufsalltag einbringen?
Evelyn Kessler: Da ich aktuell in einem Change-Management Projekt arbeite, war dieses Thema besonders interessant für mich. Insbesondere die Erstellung eines Kommunikationsplans, welchen ich in einer Hausarbeit ausgearbeitet habe, konnte ich sehr gut im Projekt einbinden und entsprechende Impulse für das Team setzen.
In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit „New Work“ und Hybrider Teamführung im mittleren Management beschäftigt. Wie kam es dazu und was waren die zentralen Fragen in Ihrer Arbeit?
Evelyn Kessler: Das Ziel meiner Masterarbeit war es anhand eines konkreten Unternehmens, der Kalaidos Fachhochschule einer privaten akkreditieren Bildungseinrichtung in Zürich zu eruieren, wie Führungskräfte des mittleren Managements hybride Teams unter Bezug auf New Work erfolgreich führen können. So gibt es zwar zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, wie New Work am besten eingesetzt werden kann, aber die konkrete Betrachtung, wie das mittlere Management hybride Teams unter Bezug von New Work im Hochschulbereich erfolgreich führen kann, war eine Forschungslücke. Gerade Führungskräfte im mittleren Management sind dabei
relevante Stakeholder für das New Work, auf welche ich mich fokussierte. Ihnen kommt eine wichtige Rolle in der Kommunikation und Implementierung unternehmerischer Strategien zu, denn sie sind Bindeglied zwischen der
Geschäftsführung und den Mitarbeitenden des Unternehmens. Sie vertreten die von oben entschiedenen Vorgaben und müssen viele Entscheidungen auf anderen Ebenen treffen.
Anhand von leitfadengestützten Expert:inneninterviews und einer qualitativen Inhaltsanalyse habe ich herausgearbeitet, was die Führungskräfte unter New Work verstehen, wie sie den Herausforderungen der Führung hybrider Teams begegnen und was die größten Herausforderungen bei der Führung hybrider Teams unter Bezug von New Work für sie und dem Bildungsinstitut, der Kalaidos Fachhochschule, sind.
Des Weiteren untersuchte ich, welche Qualifikationen, Kompetenzen und Ressourcen eine Führungskraft nach Selbsteinschätzung für die Arbeit mit New Work benötigt. Diese Erkenntnisse waren wichtig, um darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen für die Fachhochschule herausarbeiten zu können.
Gab es für Sie Herausforderungen beim Schreiben der Abschlussarbeit? Und wie haben Sie diese gemeistert?
Evelyn Kessler: Die größte Herausforderung war es für mich, mich konkret auf nur einen Aspekt von New Work und der Führung von hybriden Teams innerhalb meiner Firma zu fokussieren. In meinen leitfadengestützten Interviews zeigten sich noch zahlreiche weitere spannende Aspekte, welche man eingehender analysieren hätte können. Ich musste mir deshalb im Laufe der Arbeit immer wieder meinen Fokus und meine zentralen Forschungsfragen vor Auge halten, damit ich den roten Faden meiner Arbeit nicht verliere.
Außerdem habe ich die Methode des leitfadengestützten Interviews und der inhaltsanalytischen Analyse dessen zum ersten Mal angewandt, es brauchte Zeit, bis ich mich hier selbstständig durch die Literatur gekämpft hatte und Aufnahme der Interviews, Transkription dieser und Codierung mit Hilfe von MAXQDA haben ebenfalls sehr viel Zeit beansprucht.
Welchen Tipp würden Sie sozialwirtschaftlichen Unternehmen nun mitgeben, nachdem Sie neue Konzepte von Arbeitsteilung und Führung untersucht haben?
Evelyn Kessler: Es braucht eine einheitliche Struktur und Vorgabe, was unter hybride Führung von Teams unter Bezug von New Work verstanden wird und wie es konkret in den jeweiligen Teams umgesetzt werden kann. Es empfiehlt sich deshalb, um Aspekte von New Work in Zusammenhang von hybrider Teamführung, langfristig erfolgreich in Unternehmen umsetzen zu können, nach der Golden-Circle-Methode nach Simon Sinek vorzugehen. Anhand des Modells können folgende Fragen für sozialwirtschaftliche Unternehmen formuliert werden:
1. Weshalb wollen wir als Führungskräfte des mittleren Managements hybride Teams in Bezug auf New Work umsetzen (Why)?
2. Wie wollen wir das erreichen (How)?
3. Mit welchen Maßnahmen soll dies geschehen (What)?
Wenn alle Führungskräfte des mittleren Managements gemeinsam mit dem Top-Management sich mit Why, How und What auseinandersetzen und gemeinsame Rahmenbedingungen für ihr Arbeiten erstellen, kann von einem Beginn der erfolgreichen Umsetzung von hybrider Teamführung unter Bezug von New Work gesprochen werden.
Des Weiteren bedarf es fortlaufender Evaluation, um die erfolgreiche Einführung gewährleisten und überprüfen zu
können. Schließlich ist New Work nicht nur hybrides, flexibles zeitliches und örtliches Arbeiten, sondern eine bewusste Veränderung des Mindsets, welches zwangsläufig eine Änderung der Arbeitsweise nach sich zieht und letztendlich die Unternehmenskultur langfristig verändert.
Des Weiteren ist eine Vereinheitlichung der intern im Unternehmen genutzten Kommunikationskanäle ratsam. Zur Aktivierung und Einbindung von MitarbeiterInnen und um der veränderten Kommunikationsmöglichkeiten begegnen zu können, empfiehlt es sich ein gemeinsam genutztes Intranet, welches unabhängig von Alter, digitaler
Affinität, Anwendungserfahrung und technischem Know-How der jeweiligen Person intuitiv genutzt werden kann, zu implementieren.
Wenn alle Führungskräfte des mittleren Managements gemeinsam mit dem Top-Management sich mit Why, How und What auseinandersetzen und gemeinsame Rahmenbedingungen für ihr Arbeiten erstellen, kann von einem Beginn der erfolgreichen Umsetzung von hybrider Teamführung unter Bezug von New Work gesprochen werden.
Die Führungskräfte sollten geschult, qualifiziert und neu ausgerichtet werden, damit sich bei ihnen langfristige Denk- und Lernprozesse im Sinne von New Work verfestigen. Seit der Corona-Pandemie haben Führungskräfte des mittleren Managements ihre hybriden Teamführungskompetenzen eigenständig weiterentwickelt und für sich
perfektioniert, allerdings geschah dies unabhängig von der Arbeitgeberin. Deshalb braucht es seitens des Unternehmens eine konkrete Fort- und Weiterbildungsstrategie, die zu einer nutzerorientierten, digitalen, flexiblen und effizienten Qualifizierung führt.
Wie sieht ihr beruflicher Plan für die Zeit nach dem Studium aus?
Evelyn Kessler: Ich habe bereits während meines Studiums die Chance gehabt, mich beruflich weiterzuentwickeln und arbeite nun an der Kalaidos Fachhochschule, an der ich auch meine Masterarbeit geschrieben habe und kann hier mein Wissen bei der Implementierung von neuen Softwareprodukten sowie die aus dem Studium gewonnen Erkenntnisse optimal verknüpfen. Ich habe diesen Job unter anderem deshalb bekommen, weil ich gerade meinen Masterabschluss in Sozialmanagement anstrebte und dieser in der Erwachsenenbildung neue berufliche Perspektiven eröffnet. Zukünftig möchte ich mich stärker der Personal- und Organisationsentwicklung widmen und bilde mich deshalb gerade als Human Ressource Managerin weiter, um entsprechende Wissensgrundlagen aufzubauen und zu vertiefen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kessler. Wir wünschen Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute.
Was bedeutet eigentlich New Work? Welche Ansätze sind vor allem für soziale Einrichtungen relevant? Einen Einstieg in das Thema, inklusive praktischen Hacks, die sie direkt ausprobieren können, erhalten Sie im Seminar:
Neue Arbeitswelten entdecken. Vom Sinn und Nutzen für die Sozialwirtschaft.
Das Interview mit Evelyn Kessler führte Julia Mann (Marketingverantwortliche, Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Evelyn Kessler (Foto: Ludwig Niethammer)
Neue Arbeitswelten entdecken. Vom Sinn und Nutzen für die Sozialwirtschaft.
Seminar mit Silke Bishop
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Soziale Einrichtungen in New York City
Eindrücke der Bildungsreise 2022
Welche Unterschiede lassen sich in der sozialen Arbeit zwischen der USA und dem deutschen Raum erkennen? Welche neuen Ansätze und Perspektiven für die Arbeit im deutschen System mitnehmen? In der Fortbildungsreise nach New York City haben die Teilnehmenden die Chance, die Arbeit vor Ort kennenzulernen und sich mit Sozialarbeiter:innen in verschiedenen Projekten auszutauschen.
Das Programm wird dabei jedes Mal individuell nach den Berufsfeldern der Teilnehmenden zusammengestellt. Menschen aus dem Bereich Jugend- und Familienhilfe, Behindertenhilfe, Freiwilligenmanagement sowie Geschäftsführende aus unterschiedlichen Organisationen aus Deutschland waren 2022 dabei. Nach einer pandemiebedingen Pause sind für unsere Bildungsreise nach New York City im Oktober 14 Teilnehmende zusammengekommen. Die Gruppe besuchten an fünf Tagen verschiedenene soziale Einrichtungen vor Ort.
Jeden Tag nach einem kurzen Briefing am Morgen fahren alle gemeinsam zur ersten Einrichtung. Nach der Begrüßung und Vorstellung stellen sich die Gastgeber:innen mit ihren Programmen vor und versuchen dabei, auf die Interessen der Besucher:innen aus Deutschland einzugehen. Mit Fragen und Diskussionen kann ein Besuch bis zu vier Stunden gehen. Da eine zusammenfassende Übersetzung der Gespräche in den Einrichtungen erfolgt, sind gute Englischkenntnisse keine Voraussetzung für die Teilnahme. Die Zeit zwischen den Einrichtungen und der Feierabend wird von den meisten natürlich gern für Sightseeing-Aktivitäten genutzt. Der vergangene Tag wird in der Regel am nächsten Folgemorgen reflektiert. Melden Sie sich für Bildungsreise 2023 hier an!
Eindrücke aus den Einrichtungen der Bildungsreise 2022
Einen besonders bleibenden Eindruck haben die Einrichtungen hinterlassen, in denen sich die Ansätze stark von deutschen Einrichtungen unterscheiden. Das waren beispielsweise die verschieden Settlement-Projekte und ein Zentrum für unabhängiges Leben von Menschen mit Behinderung CIDNY. Auf diese Erfahrungen möchten wir an dieser Stelle gesondert eingehen.
University Settlement – Alle(s) unter einem Dach
In den 1880er Jahren wurde die Lower East Side von neuen Einwandernden besiedelt, deren Leben von Armut geprägt war. 1886 wurde hier das University Settlement gegründet und damit die amerikanische Siedlungshausbewegung geboren. Bald folgten weitere Siedlungshäuser in der Lower East Side, in Chicago und im ganzen Land.
University Settlement ist heute für rund 40.000 Menschen in der Umgebung zuständig. Genauer bedeutet das, es wird ihnen Raum gegeben, sich zu organisieren. Damit wird ein großer Unterschied zum deutschen System deutlich. Denn in Deutschland hat das Individuum einen Rechtsanspruch auf Leistungen. Der Staat wird somit in die Verpflichtung genommen, diesem Rechtsanspruch zu entsprechen. Der Bezirk, in dem eine Person gemeldet ist, hat die Zuständigkeit. Da dem im US-amerikanischen System nicht so ist, kann der Staat bzw. die Stadt New York auch nicht in die Verpflichtung genommen werden. Menschen können Leistungen wie Hilfen zu Erziehung hier nicht einklagen oder sich bei Bedarf an Schied- oder Ombudstellen wenden.
Wenn Menschen nicht zu ihren Leistungen kommen, fungieren Communities wie die University Settlement als Auffangbecken. Die Rechtsansprüche sind Community-basiert. Demzufolge wird in einem Haus gemeinsam darüber entschieden, wie man den Einzelnen helfen kann.
Bis zu 40 Klient:innen haben hier haupt- und viele ehrenamtliche Mitarbeitende, die als Ansprechpartner:innen vor Ort sind. Ein großer Vorteil trotz ungeregelter Arbeitszeiten: die Nähe und Vertraulichkeit zwischen Sozialarbeiter:innen und Bewohner:innen. Hier wird nicht vom Leistungsanspruch aus gedacht. Familien, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Einschränkungen und Sozialarbeiter:innen führen ein gemeinschaftliches Miteinander.
Wäre so ein Ansatz in Deutschland möglich? Die Grundverschiedenheit der Rechtssysteme macht die Beantwortung der Frage sehr schwierig.
Fordham University – Studium mit großem Praxisbezug
Weiter ging es nach Fordham. Wie erfahren, die Studierenden dieser Hochschule sind stark in einem neuen Projekt der University Settlement eingebunden. In der Fakultät für Social Services an der Hochschule Fordham werden ein Bachelor und ein Master in Sozialer Arbeit angeboten. Darüber hinaus ein PhD (Doktorat) in Sozialer Arbeit und ein Zertifikatskurs Management von Non-Profit-Einrichtungen.
CIDNY – Was wir in Sachen Partizipation und Teilhabe noch lernen können
CIDNY Ist eine 1978 gegründete gemeinnützige Organisation. Sie ist Teil der Independent Living Centers-Bewegung: ein nationales Netzwerk von Basis- und Gemeinschaftsorganisationen, welche die Möglichkeiten
für Menschen mit Behinderungen verbessern, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
„Eine sehr schöne Einrichtung. Uns wurde vor Ort ein durchgetaktetes Programm mit vielen Sprecher:innen geboten. 60% der Belegschaft hatte selbst eine Behinderung. Der ICF-Begriff ist hier angekommen. Alles wird
an Teilhabe gemessen.” stellt eine unserer Teilnehmerinnen fest. „Indem wir in Deutschland versuchen, vor falschen Entscheidungen zu schützen, wird die Teilhabe etwas verhindert. Bei uns ist es eher ein partizipativer Prozess. Jemanden mit einer Behinderung in eine Spitzenposition zu setzen, findet in unserer Arbeit noch nicht gezielt statt.”
The Door – Es kommt darauf an, einen Plan zu haben!
Im Namen dieses Ortes steckt bereits sein Ziel: The Door ist eine offene Tür. Das Haus hat sich vor allem auf Angebote für junge Menschen spezialisiert. Was auf den ersten Blick nach offener Jugendarbeit aussieht, funktioniert jedoch sehr streng nach Plan. Alle, die in die Einrichtung kommen, wissen genau, wohin es gehen soll.
Gut geschulte und ausgebildete Mitarbeiter:innen nehmen die Rolle der Supervision ein und stehen den Jugendlichen zur Seite, um mit ihnen einen persönlichen Plan zu erstellen und durchzuziehen. Zwei betreute Wohngemeinschaften für junge Erwachsene sowie Beratungsangebote für die Themen Schule, Bildung, Job, Gesundheit und Recht, sowie viele weitere Freizeitangebote werden dort und an zwei weiteren Außenstellen von The Door angeboten.
Konflikte kommen natürlich auch mal vor. Wenn es zu unerwünschten oder delinquentem Verhalten kommt, wird dies in Gesprächen unter Mitarbeitenden thematisiert. Aber auch die Jugendlichen selbst werden stark in die Werte des Zusammenlebens mit eingebunden. Ein Umgang auf Augenhöhe hat bei The Door einen großen Stellenwert.
Viele weitere Eindrücke konnten unsere Teilnehmenden auf Ihrer Reise und im intensiven Austausch mit Sozialarbeiter:innen sammeln. Die Strukturen der US-amerikanischen Sozialsysteme wurden im unmittelbaren Praxisbezug kennengelernt. Ebenso wurde ein Verständnis sozialer Wertvorstellungen der US-amerikanischen Gesellschaft vertieft. Die vielen neuen Kontakte und die gewonnenen Perspektiven verarbeiten wir bereits in der Planung der nächsten Fortbildungsreise im Oktober 2023. Um sich dafür anzumelden, informieren Sie sich auf der Veranstaltungsseite.
Ansprechpartnerin für die Bildungsreise ist Dilek Yüksel (Tel: 030/275 82 82 28, Mail: yueksel@akademie.org).
Titelbild & Fotos: Dilek Yüksel
Personenzentrierung in der Eingliederungshilfe
Seminar mit Prof. Dr. Michael Komorek
Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Eingliederungshilfe
Seminar mit Stefan Willich
AUCH INTERESSANT
GEBe – Eine Arbeitsweise, um gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen mit Behinderung zu fördern
In diesem Fachbeitrag erläutert Stefan Willich Schritte zur Umsetzung der sogenannten informellen Beteiligung und Teilhabe für junge Menschen mit Behinderung in der ambulanten Eingliederungshilfe.
Die Partizipation junger Menschen mit Behinderung in der ambulanten Eingliederungshilfe (EGH) ist nicht nur erwünscht, sondern auch rechtlich festgelegt*. Doch damit sich Strukturen verändern können, braucht es konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung. Hierbei scheint insbesondere die unmittelbare Arbeit mit den Leistungsberechtigten der EGH ein geeigneter Ausgangspunkt zu sein, denn die alltägliche Lebenssituation von jungen Menschen mit Behinderung, ihre Teilnahme und Teilhabe an Gesellschaft stehen im Fokus des Auftrages der EGH.
Das alltägliche Handeln von jungen Menschen (mit Behinderungen) sowie ihre Partizipation sind ebenfalls Schwerpunkt der GEBe (Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern) Arbeitsweise, welche für die Offenen Kinder und Jugendarbeit (OKJA) entwickelt wurde.[1]
Dabei handelt es sich weniger um eine Liste von Arbeitsschritten, welche abzuarbeiten ist, sondern vielmehr um einen sich aufbauenden Kreislauf.
Die Interaktionen von jungen Menschen mit Behinderung und Fachkräften innerhalb des Hilfesettings sind ein
geeigneter Ausgangspunkt für gesellschaftliches Engagement und Demokratiebildung, da relevante Themen der Adressat:innen stets in alle ihre Aussagen und Handlungen inkludiert sind.[2]
Schritt 1: Dokumentation – Welche Themen haben Menschen mit Behinderung?
Die GEBe Arbeitsweise umfasst in einem ersten Schritt das schriftliche Dokumentieren von Beobachtungen als Grundlage für die Entdeckung von Themen der Adressat:innen, also der jungen Menschen. In Form einer kollegialen Auswertung der Beobachtung werden Themen erkannt und durch Rückmeldungen an die jungen Menschen erweitert und präzisiert. Die Umsetzung und Veröffentlichung von kleinen thematischen Projekten erfolgt im Hilfesetting und ermöglicht in Form weiterer Beobachtungen ein erneutes Durchlaufen des somit umschriebenen GEBe-Kreislaufes.
Schritt 2: Reflexion – Ressourcen und Potenziale entdecken
Um die gesellschaftlichen Themen der jungen Menschen mit Behinderung zu entdecken, erscheint eine verschriftliche Beobachtung zielführend, da die schriftliche Dokumentation es den Fachkräften ermöglicht, in einem zweiten Schritt kollegial, beispielweise in Teamsitzungen, ihre Wahrnehmung zu reflektieren, ihr Handeln zu begründen und mögliche Themen der Adressat:innen auszuwerten.[3]
Hierbei steht die Ermöglichung von Umdeutungen im Vordergrund, beispielsweise werden als störend und herausfordernd wahrgenommene Handlungen als Erprobungs- und Bewältigungsversuche erkennbar, in welchen Ressourcen und Potenziale entdeckt werden können.[4]
Die hiermit verbundene Anerkennung von selbstbestimmten Handlungen von jungen Menschen mit Behinderung sind für Martin Hahn die Basis für die Teilnahme an Gesellschaft und ein Wesensmerkmal des Menschen.[5]
Schritt 3: Dialog – Austausch auf Augenhöhe
Ausgehend von der Frage: „Welche gesellschaftlichen relevante Themen/welche Interessen an Teilhabe lassen sich aus den Beobachtungen ableiten?“ eröffnet Schritt drei einen Dialog zwischen jungen Menschen mit Behinderung und Fachkraft. Diese dialogische Rückmeldung der Fachkraft dient zum einen der Validierung des Themas (Habe ich dich richtig verstanden?) und zeigt zum anderen dem jungen Menschen mit Behinderung, dass seine Äußerungen relevant für die Gestaltung der Hilfe sind. Im folgenden Prozess, der reziproken Ausgestaltung der Hilfe, werden die Handlungen des jungen Menschen mit Behinderung nicht diagnostiziert und bewertet, sondern Inhalt einer gemeinsamen Aushandlung darüber, was, wie und wozu getan werden soll.[6]
Schritt 4: Implementierung und Weiterentwicklung
Themen können beispielsweise der Besuch eines Museums oder der Verkauf von Spielzeug auf einem Flohmarkt sein, die nun umgesetzt werden können. Sie sind wiederum Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen und dialogische Klärungen. Zugleich bieten die validierten Themen auch die Möglichkeit, sich mit anderen Adressat:innen zu diesen Themen zu treffen, um Gemeinsames zu erleben und eine öffentlichen Stimme zu entwickeln.
Die im Teilhabeinstrument Berlin formulierte Zieldimensionen: Partizipation, Empowerment, Sozialraumorientierung und Willenszentrierung[7] der Eingliederungshilfe lässt es zudem sinnvoll erscheinen, die von den jungen Menschen mit Behinderung eingebrachten Themen in das Zentrum der Organisation zu rücken. Es ergeben sich beispielsweise die Fragestellung:
- Wie kann sich das Team/die Organisation weiterentwickeln, um auf die gefundenen Themen und Bedürfnissen zu reagieren?
- Wie können Strukturen geschaffen werden, die ein Mehr an direkter Teilhabe ermöglichen?
Zudem weist die Zieldimension der Sozialraumorientierung über die Organisation hinaus. Die validierten Themen bieten die Möglichkeit eines Abgleiches mit den vorhandenen Angeboten im Sozialraum. Hierbei erscheint insbesondere die Offene Kinder- und Jugendarbeit, mit ihrem inklusiven Auftrag, ein vielversprechender Kooperationspartner zu sein.[8]
Ausblick
Die GEBe-Arbeitsweise hat somit das Potential, eine ganzheitliche Lösung für Fragestellungen in den unterschiedlichen Dimensionen der Qualitätssicherung und ‑entwicklung für die Eingliederungshilfe zu bieten. Zugleich weist sie viele Anknüpfungspunkte an die in Berlin bestehende Praxis der EGH auf, sodass eine Implementierung auf bereits vorhandene Strukturen aufbauen kann.
*Mit der Einführung des Teilhabeinstrument Berlin (TiB) in die ambulante Eingliederungshilfe für junge Menschen mit Behinderung stehen Fachkräfte vor der Herausforderung eine umfassende Partizipation von jungen Menschen mit Behinderung (EGH) sicherzustellen. (Komorek, Michael 2019)
[1] Vgl. Sturzenhecker/Schwerthelm 2016, S. 73ff
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. a.a.O., S. 116f
[5] Hahn 1999; S. 24
[6] Vgl. Sturzenhecker/Schwerthelm 2016, S. 128f
[7] Vgl. Komorek, Michael 2019, S. 3
[8] Vgl. mittendrin e.V 2020, S. 11ff
Zum Autor: Stefan Willich ist Teamleiter bei der Einhorn gGmbH und arbeitet damit an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und dem Eingliederungshilfebereich.
Sie möchten mehr darüber wissen? In der Fortbildung „Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Eingliederungshilfe“ mit Stefan Willich wird Ihnen die GEBe-Arbeitsweise nähergebracht.
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Titelbild:
Stefan Willich
Literatur:
Hahn, Martin Th.: Anthropologische Aspekte der Selbstbestimmung. In: Wilken, Etta; Vahsen, Friedhelm: Sonderpädagogik und Soziale Arbeit. Rahbilitation und soziale Integration als gemeinsame Aufgabe. Berlin: Leuchterhand, 1999 (S. 14 – 31)
INSOS (Hrsg.): Das Konzept der Funktionalen Gesundheit. Grundlagen, Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten am
Beispiel der Behindertenhilfe, 2009
Komorek, Michael: Wissenschaftliche Begleitung und partizipative Auswertung der Pilotierung des Teilhabeinstrument Berlin (TIB), 2019
Mittendrin e.V. (Hrsg.): Chillen inklusive. Die inklusive Entwicklung von Orten der Offenen Jugendarbeit aus der
Nutzer:innenperspektive. Norderstedt: BoD – Books on Demand, 2020
Sturzenhecker, Benedikt; Schwerthelm, Moritz: Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern Band 2.
Methodische Anregungen und Praxisbeispiele für die Offene Kinder und Jugendarbeit. Güterslohe: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2016
Sturzenhecker, Benedikt; Glaw, Thomas; Schwerthelm, Moritz: Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern Band 3. Kooperativ in der Kommune demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Güterslohe: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2020
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