Maga­zin

Anrei­ze für Mit­ar­bei­ten­de schaf­fen!

im Gespräch mit Dan­ny Stan­ge (Absol­vent, M.A. Sozi­al­ma­nage­ment)

Mai 2023 | Mas­ter­stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment

Anreize für Mitarbeitende schaffen!

Im Gespräch mit Danny Stange (Absolvent, M.A. Sozialmanagement) über Anreizsysteme in Non-Profit-Organisationen

Nut­zen Sie die mate­ri­el­len Anrei­ze Ihres Arbeit­ge­bers, wie bei­spiels­wei­se bezahl­te Wei­ter­bil­dun­gen, Smart­phone für den Dienst- und Pri­vat­ge­brauch oder Fahr­kar­ten für das ÖPNV? Wel­che ande­ren Fak­to­ren spie­len für Sie eine Rol­le dabei, ob Sie in einem Job lang­fris­tig blei­ben? Viel­leicht sind Sie selbst Arbeit­ge­be­rin oder Arbeit­ge­ber und fra­gen sich, wel­che Ange­bo­te Sie Ihren Mit­ar­bei­ten­den machen kön­nen?

Herr Dan­ny Stan­ge absol­vier­te 2023 den Mas­ter Sozi­al­ma­nage­ment an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie. Ange­sichts des akut stei­gen­den Fach­kräf­te­man­gels und in Bezug auf das Wer­te- und Mind­set ver­schie­de­ner Gene­ra­tio­nen ana­ly­sier­te er im Rah­men sei­ner Abschluss­ar­beit die Anreiz­sys­te­me für Mit­ar­bei­ten­de in Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­tio­nen. Wel­che Anreiz­sys­te­me gibt es und wie kön­nen Arbeit­ge­ben­de die­se für Mit­ar­bei­ten­de gestal­ten?

Über die­ses The­ma, sei­nen Ergeb­nis­sen und sein Stu­di­um an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin haben wir mit ihm in die­sem Inter­view gespro­chen.

Im Gespräch wur­de deut­lich, dass es nicht den einen Anreiz gibt, der sich als am attrak­tivs­ten erweist. Viel mehr soll­ten sich Arbeitgeber:innen mit den indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen ver­schie­de­ner Mit­ar­bei­ten­den aus­ein­an­der­set­zen.

Es handelt sich bei dem Master in Sozialmanagement um einen berufsbegleitenden Studiengang. Wo waren Sie zu Beginn des Studiums beruflich tätig?

Stan­ge: Zum Beginn des Stu­di­en­gan­ges wech­sel­te ich an die Fach­schu­le des Trä­gers. Hier wer­den Facherzieher:innen für Inte­gra­ti­on, Erzieher:innen und Sozialassistent:innen aus­ge­bil­det. Zunächst war ich als Schul­so­zi­al­ar­bei­ter ein­ge­setzt, mit der Aus­sicht zum Ende des Stu­di­en­gan­ges als Lehr­kraft tätig zu sein. Hier wur­de ich wäh­rend des Stu­di­ums kon­ti­nu­ier­lich her­an­ge­führt. Dabei konn­te ich hos­pi­tie­ren und ers­te Inhal­te selbst ver­mit­teln.   

Was konnten Sie vom Studiengang in Ihren Berufsalltag einbringen?

Stan­ge: Vie­le Inhal­te des Stu­di­en­gan­ges kann ich heu­te nut­zen und zum Teil an die Aus­zu­bil­den­den wei­ter­ge­ben, da dies in ver­ein­fach­ter Form auch Inhal­te der Aus­bil­dungs­gän­ge sind. Hier kann ich ins­be­son­de­re das Qua­li­täts­ma­nage­ment, die Öffent­lich­keits­ar­beit, das Kon­flikt­ma­nage­ment und Tei­le der Recht­mo­du­le nen­nen. 

In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit der Bindung von Mitarbeitenden in Non-Profit-Organisationen beschäftigt. Wie kam es dazu und was waren die zentralen Fragen in Ihrer Arbeit?

Stan­ge: Das The­ma beweg­te und inter­es­sier­te mich bereits in mei­ner fünf­jäh­ri­gen Lei­tungs­tä­tig­keit vor dem Stu­di­um. Hier wur­de mir bewusst und in Mit­ar­bei­ten­den­ge­sprä­che deut­lich, dass mate­ri­el­le Anrei­ze sehr will­kom­men bei Mit­ar­bei­ten­den sind, aber die imma­te­ri­el­len Anreiz­sys­te­me mit zuneh­men­der Tätig­keits­zeit im Trä­ger immer mehr an Bedeu­tung gewin­nen. 

Eine der zen­tra­len Fra­gen mei­ner Mas­ter­ar­beit war: „Inwie­fern erwei­sen sich die imple­men­tier­ten Anreiz­sys­te­me der Non-Pro­fit-Orga­ni­sa­tio­nen in Bezug auf die Gene­ra­tio­nen der Mit­ar­bei­ten­den als trans­pa­rent und attrak­tiv?“ Hier­bei soll­te ana­ly­siert wer­den, inwie­fern die imple­men­tier­ten mate­ri­el­len Anreiz­sys­te­me den Mit­ar­bei­ten­den bekannt sind und wie häu­fig sie genutzt wer­den. Dabei lag der Schwer­punkt auf den Gene­ra­tio­nen der Mit­ar­bei­ten­den.

Was sind Bei­spie­le für mate­ri­el­le und imma­te­ri­el­le Anrei­ze?

Stan­ge: Mate­ri­el­le Anrei­ze kön­nen unter­schied­lich ein­ge­setzt wer­den. Es gibt u.a. die leis­tungs­be­zo­ge­ne Bes­ser­stel­lung ein­zel­ner, die Bes­ser­stel­lung auf­grund der Hier­ar­chie im Unter­neh­men sowie die Anrei­ze, die allen Mit­ar­bei­ten­den im Unter­neh­men zugu­te­kom­men. Mate­ri­el­le Anrei­ze kön­nen wir in direk­te mone­tä­re und indi­rek­te mone­tä­re Anrei­ze unter­tei­len.

Direk­te mone­tä­re Anrei­ze:

  • Lohn/Gehalt
  • Erfolgs­be­tei­li­gung
  • betrieb­li­che Sozi­al­leis­tun­gen

Indi­rek­te mone­tä­re Anrei­ze sind bei­spiels­wei­se ein Dienst­wa­gen oder Smart­phone, Tablet, Lap­top, dass auch zur pri­vat genutzt wer­den kann. Bezahl­te Wei­ter­bil­dun­gen, Fahr­kar­ten für den ÖPNV oder eine Unter­neh­mens­woh­nung sind wei­te­re Bei­spie­le.

 

Imma­te­ri­el­le Anreiz­sys­te­me bezie­hen sich auf die Struk­tu­ren eines Unter­neh­mens sowie auf das betrieb­li­che sozia­le Umfeld der Mit­ar­bei­ten­den und deren Mög­lich­keit, sich in der Arbeit zu ver­wirk­li­chen. Da sie sich eher füh­len las­sen, wer­den sie oft­mals mit sozia­len und per­sön­li­chen Wer­ten in Ver­bin­dung gebracht . Hier­zu zäh­len:

  • Arbeits­platz­ge­stal­tung
  • Arbeits­in­halt
  • Arbeits­zeit- und Pau­sen­re­ge­lung
  • Füh­rungs­stil
  • Auf­stiegs­mög­lich­kei­ten
  • Qua­li­fi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten

Gab es für Sie Herausforderungen beim Schreiben der Abschlussarbeit? Und wie haben Sie diese gemeistert?

Stan­ge: Für mich gab es zwei Her­aus­for­de­run­gen beim Schrei­ben der Abschluss­ar­beit. Zum einen war es her­aus­for­dernd den theo­re­ti­schen Teil ein­zu­gren­zen. Das The­ma Mit­ar­bei­ten­den­bin­dung bie­tet hier eine Viel­zahl von Fach­li­te­ra­tur. Zum ande­ren benö­tig­te die Erstel­lung der empi­ri­schen Ana­ly­se mehr Wochen als geplant, so dass ich die Zeit der Aus­wer­tung stark redu­ziert habe.

Welchen Tipp können Sie Non-Profit-Organisationen nun mitgeben, nachdem Sie die Anreizsysteme für Mitarbeitendenbindung in Ihrer Arbeit untersucht haben?

 

Stan­ge: Auf­grund des demo­gra­fi­schen Wan­dels in Deutsch­land und des damit ver­bun­de­nen gegen­wär­ti­gen und zukünf­ti­gen Aus­schei­dens der Gene­ra­ti­on Baby Boo­mer wird der der­zei­ti­ge Fach­kräf­te­man­gel noch ver­stärkt. Sich die­ser Ent­wick­lung als Unter­neh­men anzu­pas­sen und sich auf alle Gene­ra­tio­nen, vor allem aber auf die Gene­ra­ti­on Z zu fokus­sie­ren, ist von enor­mer Bedeu­tung. Erstre­bens­wert soll­te für Orga­ni­sa­tio­nen die Ver­ein­bar­keit der Eigen­schaf­ten und Wer­te der ver­schie­de­nen Gene­ra­tio­nen sein.

Hier­bei gilt es, ein gleich­sam effek­ti­ves wie effi­zi­en­tes Arbeits­um­feld zu schaf­fen, sodass alle Gene­ra­tio­nen abge­bil­det wer­den. Neben der Ori­en­tie­rung an den kate­go­ri­sier­ten Wer­ten und Eigen­schaf­ten der ein­zel­nen Gene­ra­tio­nen ist es durch­aus sinn­voll, die Ziel­grup­pen direkt zu betei­li­gen, um her­aus­zu­fin­den, wel­che Bedürf­nis­se die ein­zel­nen Gene­ra­tio­nen haben.

Mate­ri­el­le und imma­te­ri­el­le Anrei­ze kön­nen als Schlüs­sel für das Schloss zur extrin­si­schen und intrin­si­schen Moti­va­ti­on betrach­tet wer­den. Im Fokus steht die extrin­si­sche Moti­va­ti­on zum Geld­ver­die­nen auf der einen Sei­te und auf der ande­ren die intrin­si­sche Moti­va­ti­on in Hin­sicht auf die Arbeit an sich.

Aller­dings ist in einer Gesell­schaft, in der die Grund­be­dürf­nis­se in hohem Maße gesi­chert sind, die Not­wen­dig­keit gesun­ken, die Arbeit als rei­nes Mit­tel der Exis­tenz­si­che­rung zu betrach­ten.

Das Gieß­kan­nen­prin­zip in der Ver­tei­lung und Gestal­tung von Anreiz­sys­te­men ist vor­bei. Viel­mehr bedarf es eines Bewusst­seins, dass die Aus­ge­stal­tung die­ser Sys­te­me indi­vi­du­ell und bedürf­nis­ori­en­tiert erfol­gen muss.       Mate­ri­el­le und imma­te­ri­el­le Anreiz­sys­te­me zur Erhö­hung der Moti­va­ti­on müs­sen die Diver­si­tät der Mit­ar­bei­ten­den abbil­den und die Ein­fluss­fak­to­ren, die unwei­ger­lich auf die Men­schen wir­ken, berück­sich­ti­gen.   

Wie sieht ihr beruflicher Plan für die Zeit nach dem Studium aus?

Stan­ge: Wie bereits ein­gangs erwähnt, wer­de ich mit Abschluss des Mas­ter­stu­di­en­gan­ges zuneh­mend in die Tätig­keit als Lehr­kraft inte­griert, so dass ich mit dem Beginn des Schul­jah­res 2023/24 als Lehr­kraft in der Erzieher:innenausbildung tätig sein wer­de.

Welchen Tipp haben Sie für Studienanfänger:innen des Masterstudiengangs Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie Berlin?

Stan­ge: Ich habe gute Erfah­run­gen mit dem Knüp­fen von Kon­tak­ten und dem Bil­den von Lern­grup­pen gemacht. Des Wei­te­ren war es hilf­reich, den Lern­all­tag in den Arbeits­all­tag und in die Frei­zeit  zu inte­grie­ren. Hier­bei half es mir fes­te Struk­tu­ren und Lern­zei­ten zu imple­men­tie­ren.

Vie­len Dank für das Gespräch, Herr Stan­ge. Wir wün­schen Ihnen für Ihre beruf­li­che Zukunft alles Gute.

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Das Inter­view mit Dan­ny Stan­ge führ­te Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Titel­bild: Dan­ny Stan­ge

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts


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Mes­sie-Syn­drom – Patho­lo­gi­sches Hor­ten ist nicht gleich Ver­mül­lung

April 2023 | Mes­sie-Syn­drom

Messie-Syndrom – Pathologisches Horten ist nicht gleich Vermüllung

In die­sem Inter­view-Bei­trag geht es um zwei von drei Aus­prä­gungs­for­men des Mes­sie-Syn­droms: Das patho­lo­gi­sche Hor­ten und das Ver­mül­lungs­syn­drom. Sie unter­schei­den sich in Ursa­chen, Sym­pto­men und Behand­lung. In unse­rem letz­ten Bei­trag sind wir auf die Defi­ni­ti­on des Mes­sie-Syn­droms als Über­be­griff ein­ge­gan­gen. Lesen Sie den Arti­kel hier.

Vero­ni­ka Schrö­ter forscht und arbei­tet seit 23 Jah­ren zum Mes­sie-Syn­drom. Sie ist Grün­de­rin und Lei­te­rin des Mes­sie-Kom­pe­tenz-Zen­trums in Stutt­gart und bil­det bun­des­weit Fach­kräf­te und Ein­rich­tun­gen für die Arbeit mit Betrof­fe­nen aus. Erfah­ren hier Sie mehr über die Fort­bil­dung.

Teil 2: Pathologische Horten vs. Vermüllungssyndrom

Frau Schröter, warum ist es wichtig, das Pathologische Horten von anderen Ausprägungstypologien zu unterscheiden?

Schrö­ter: Weil die­ses Krank­heits­bild nichts mit den übli­chen Bil­dern wie beim „Ver­mül­lungs­syn­drom“ zu tun hat. In den Räu­men ist es tro­cken, kei­ner­lei Unge­zie­fer vor­zu­fin­den und die Bau­sub­stanz ist nicht beschä­digt. Kenn­zeich­nend ist eine erheb­li­che Anhäu­fung von Gegen­stän­den, die unter kei­nen Umstän­den los­ge­las­sen wer­den kön­nen. Außer­dem hat die­se Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gie eine voll­stän­dig ande­re Ursa­chen­her­kunft als die ande­ren For­men.

Das patho­lo­gi­sche Hor­ten ist ein eige­stän­di­ges Krank­heits­bild. Das heißt es braucht eine völ­lig ande­re Vor­ge­hens­wei­se und Beglei­tung und The­ra­pie.

Welche Ursachen sind das beim pathologischen Horten?

Schrö­ter: Es wird defi­ni­tiv in Zusam­men­hang mit einer frü­hen Bin­dungs­trau­ma­fol­ge­stö­rung gebracht. Die­se sind den ers­ten drei Lebens­jah­ren zuge­ord­net. Auf über 90% der Betrof­fe­nen han­delt es sich dabei um ein frü­hes „Gezwun­gen wor­den sein“. Als Kin­der haben sie nicht die Erfah­rung gemacht, einen kla­ren Raum für den eige­nen Wil­len, den eige­nen Bedürf­nis­sen oder Wün­schen zuge­spro­chen bekom­men zu haben.

Kin­der wol­len ent­de­cken und aus­pro­bie­ren und sind aus­ge­spro­chen neu­gie­rig. Dar­in soll­ten sie bestärkt wer­den. Sie sol­len natür­lich auch geführt und, wie im Bei­spiel der hei­ßen Herd­plat­te, vor sich selbst bewahrt wer­den. Typi­scher­wei­se wur­den Men­schen, die vom patho­lo­gi­schen Hor­ten betrof­fen sind , von ihren Eltern in extre­mer Form fremd­be­stimmt. Der Wil­le muss­te den Vor­stel­lun­gen der Eltern, wie das Kind zu sein hat, unter­ge­ord­net wer­den. Wir spre­chen hier von sehr rigi­den und auto­ri­tä­ren Erzie­hungs­for­men bis hin zu emo­tio­na­lem Miss­brauch der Eltern.

Hin­weis: Im fol­gen­den Abschnitt wer­den Bei­spie­le für sub­ti­le und offen­sicht­li­che Über­grif­fe an Kin­dern auf­ge­führt.

Was bedeu­tet „Gezwun­gen wor­den sein“? Wenn es zum Bei­spiel hin­sicht­lich der Spiel­sa­chen kei­ne Wahl­mög­lich­kei­ten gab oder über­haupt die eige­nen Inter­es­sen, Impul­se und Wün­sche so gut wie kei­ne Auf­merk­sam­keit bekom­men haben. Zum Bei­spiel auch, wenn das Kind bestimm­te Freun­de ein­la­den woll­te und die­se, weil es der Vor­stel­lun­gen der Eltern nicht ent­sprach, nicht mehr kom­men durf­ten. Kin­der mit patho­lo­gi­schem Hor­ten waren erheb­li­chen Zwangs­struk­tu­ren aus­ge­setzt. Enor­me Kon­se­quen­zen sind auch hin­sicht­lich der Sau­ber­keits­er­zie­hung zu sehen. Das konn­te so weit gehen, dass ein Kind an den Topf fest­ge­bun­den wur­de oder nachts aus dem Schlaf geris­sen wur­de, um den Ansprü­chen der Eltern gerecht zu wer­den.

Wie wirkt sich das im Erwachsenenalter aus?

Schrö­ter: Das eige­ne Dasein konn­te sich dadurch nicht ent­fal­ten. Betrof­fe­ne soll­ten sich in ihren Bedürf­nis­sen und Inter­es­sen so ent­wi­ckeln, wie es den Vor­stel­lun­gen der Eltern ent­sprach. Damit wird das eige­ne Lebens­ge­fühl erheb­lich unter­bun­den, bis hin zu Ein­schrän­kun­gen für das eige­ne Kör­per­ge­fühl und den eige­nen Bio­rhyth­mus.

Die Men­schen wer­den groß und sind in eine Über­an­ge­passt­heit gera­ten. Über das lieb und brav sein, sind sie zu enor­men Leis­tun­gen fähig und erlan­gen dar­über Aner­ken­nung und Akzep­tanz. Dies erklärt war­um die­ses Kli­en­tel in beruf­lich hohen Stel­lun­gen und Posi­tio­nen vor­zu­fin­den sind. 

Sich dies­be­züg­lich ein­sei­tig ent­wi­ckelnd konn­ten sie kei­ne Ant­wor­ten auf die Fra­gen „Wer bin ich?“ und „Was mag ich eigent­lich?“ her­aus­bil­den und ins Leben brin­gen. Ich sto­ße bei die­sen Klient:innen auf viel­schich­ti­ge Inter­es­sen.

Die­se wur­den aber nicht geför­dert, geführt und ver­nünf­tig kana­li­siert. Spä­ter mer­ken sie häu­fig, dass sie sich beruf­lich ver­ga­lop­piert haben. Vie­le haben sehr viel gear­bei­tet, sind auch oft erfolg­reich, aber sie haben sich, wie schon gesagt ein­sei­tig ent­wi­ckelt. Die See­le liegt brach. Des­halb habe ich übri­gens auch noch Berufs­coa­ching dazu gelernt. Um Men­schen zu einer Ihnen gemä­ßen Berufs­rich­tung zu ver­hel­fen.

Gibt es wei­te­re Ursa­chen?

Schrö­ter: Ja, das ist das ein emo­tio­nal sehr früh im Stich gelas­sen wor­den sein. Wenn Eltern zum Bei­spiel nicht wirk­lich erfahr­bar waren. Oder aber, wenn die Eltern selbst psy­chisch erkrankt waren. Allein­ge­las­se­ne sich selbst über­las­se­ne Kin­der. Es ent­stand ein emo­tio­nal kal­tes Umfeld, in dem wenig bis gar nicht gehal­ten und gerös­tet wor­den ist.

Ein ande­res Bei­spiel hier­für ist auch, wenn Kin­der von den Eltern instru­men­ta­li­siert wur­den. Anstatt für das Kind und sei­ne Ent­wick­lung offen zu sein, wur­den sie mit den Leid der Eltern belas­tet. Ein emo­tio­na­les im Stich gelas­sen sein ent­steht aber auch, wenn eine eige­ne Kind­heit nicht erfah­ren wer­den konn­te, son­dern sehr früh sehr viel für die Erzie­hung der Geschwis­ter oder Haus­halts­auf­ga­ben über­nom­men wer­den muss­te.

Vie­le mei­ner Klient:innen haben als Kin­der enorm gera­ckert, gekocht, geputzt oder waren sogar schon unter­neh­me­risch für die Eltern tätig. Die­se Men­schen sind sehr dis­zi­pli­niert und in ihrem Leben alles ande­re als faul gewe­sen. Aber sie haben sich in alle­dem erschöpft. Dem­nach kann man sagen, dass es sich auch wie um eine tie­fe Erschöp­fung han­delt, von all dem, was in frü­hen Jah­ren hat sein müs­sen. Das eige­ne Kind­sein wur­de

den grenz­über­schrei­ten­den Vor­stel­lun­gen von außen geop­fert. Es han­delt sich in der Fol­ge um eine Ver­wei­ge­rung, um ein „ich mag nicht mehr“, „ich mag nicht mehr so leben“.

Die Ursachen für das pathologische Horten liegen also entweder in einem frühen Gezwungen worden oder im frühen emotionalen Stich gelassen worden sein.

Schrö­ter: Ja. Und es gibt noch eine drit­te Bin­dungs­er­fah­rung, die ursäch­lich sein kann. Das ist die soge­nann­te Über­be­hü­tung.

Kin­der erfah­ren Impul­se, etwas ent­de­cken und aus­pro­bie­ren zu wol­len. Die Eltern sagen in dem Fall aber, gut gemeint, „das über­neh­men wir für dich, das kön­nen wir viel bes­ser! “. Zum Bei­spiel, wenn das Kind beim Backen mit­hel­fen möch­te. Das wird nicht zuge­las­sen, weil dann alles ver­sprit­zen und schmut­zig wer­den wür­de. Oder, ein Kind sieht, wie ein ande­res Kind mit Stütz­rä­dern Fahr­rad fah­ren lernt und möch­te das unbe­dingt auch. Die Eltern jedoch sind zu besorgt, dass sich das Kind ver­let­zen könn­te und las­sen es daher nicht zu.

Welche Bedeutung oder Funktion hat nun das Pathologische Horten für den Menschen?

 

Schrö­ter: Die Welt der Din­ge hat ver­schie­de­ne Funk­tio­nen. Zum einen sind sie eine Iden­ti­täts­stüt­ze. Denn es han­delt sich um Sachen, die sie aus­ma­chen, die sie inter­es­siert und die sie mögen, die sie aber in der Regel nicht ins eige­ne Leben inte­grie­ren kön­nen. All das ist in der Woh­nung gesta­pelt und lebt als „Zeit­zeu­ge“ in die­sen Wohn­räu­men. Die Din­ge bezeu­gen also, wer ich anschei­nend bin, weil die­se Hin­füh­rung über das Eltern­haus nicht gelun­gen ist. Jetzt sehen sie jeden Tag die­se vie­len Sachen und erken­nen sich dar­in. Sie konn­ten es noch nicht inte­grie­ren, wes­halb davon auch nichts gehen darf. Denn, wenn da etwas weg gehen wür­de, dann wäre es letzt­end­lich so, als wür­de es den Men­schen selbst nicht mehr geben.

Zum ande­ren sind die Din­ge auch Bezie­hungs­stell­ver­tre­ter. Es gab in ihrem Auf­wach­sen wenig siche­re, lie­be­vol­le und zuge­wand­te Men­schen. Es fehl­ten Kör­per­be­rüh­run­gen. Je enger Wohn­räu­me sind, je mehr kön­nen die Men­schen nun unbe­wusst spü­ren, dass dort“ jemand, etwas ist“. Sie kön­nen ihren Kör­per füh­len und wahr­neh­men. Sie gelan­gen über die Sta­pel­bil­dung die Erkennt­nis „mich gibt es“. Denn Betrof­fe­ne haben typi­scher­wei­se das Gefühl, dass sie „nicht vor­kom­men“. Ihr inne­res Erle­ben ist bei­na­he so, als wür­de es sie nicht geben.

Das Vermüllungssyndrom ist aber etwas anderes, betonen Sie. Inwiefern?

Schrö­ter: Das Ver­mül­lungs­syn­drom wird prin­zi­pi­ell durch Erkran­kun­gen aus­ge­löst wie: Sucht­er­kran­kun­gen aller Art, psych­ia­tri­schen Krank­heits­bil­dern, kör­per­li­che Ursa­chen, sowie hirn­or­ga­ni­sche Psy­cho­syn­dro­me. Das heißt es gibt sehr viel­fäl­ti­ge Ursa­chen die, oft nicht dia­gnos­ti­ziert, zugrun­de lie­gen und die Wahr­neh­mung der Men­schen ver­än­dert.

Welche Unterschiede gibt es in Therapie bei Patient:innen mit pathologischem Horten gegenüber dem Vermüllungssyndrom? Was müssen Fachkräfte in der Arbeit mit Betroffenen beachten?

Schrö­ter: Bei Patho­lo­gi­schem Hor­ten habe ich eine The­ra­pie­form ent­wi­ckelt, die da heißt: iden­ti­täts­bil­den­de, inte­gra­ti­ve Mes­sie-The­ra­pie. Hier­bei ist das Ziel, Men­schen mit ihrer eins­ti­gen im hohen Aus­maß ver­dräng­ten frü­hen Bin­dungs­er­fah­rung in Kon­takt zu brin­gen und sie zur Sym­ptom­bil­dung im Wohn­raum zugäng­lich zu machen. Ziel ist dabei über die eige­nen Prä­gungs­er­fah­run­gen hin­aus­zu­wach­sen und in eine selbst­be­stimm­tes

Leben zu gelan­gen. Der Wohn­raum ist zu ver­ste­hen als soge­nann­ter „ Wund- Raum“ in dem sich unge­leb­tes Leben befin­den, Träu­me, Wün­sche die noch nicht den Weg zu die­sen Men­schen selbst gefun­den zu haben.

Für die Wohn­raum­be­glei­tung habe ich über die Jah­re die Mes­sie-Fach­kraft-Aus­bil­dung nach Vero­ni­ka Schrö­ter® ent­wi­ckelt. Die­se ist für Men­schen, die mit hil­fe­su­chen­den Betrof­fe­nen kon­fron­tiert sind, die nie­man­den mehr ein­la­den kön­nen. Es geht dar­um, gemein­sam mit ihnen zu inte­grie­ren, was sie in ihrem Leben auf­ge­sta­pelt

haben. Was möch­ten sie von ihrem Leben von die­sen Din­gen, die dort über­all unbe­ant­wor­tet lie­gen? Das kann zum

Bei­spiel aber auch bedeu­ten, zusam­men wie­der einen klei­nen Platz im Wohn­raum zu schaf­fen, sodass viel­leicht mal wie­der jemand zu Besuch kom­men kann.

Die The­ra­pie beim Ver­mül­lungg­s­syn­drom ori­en­tiert sich an der zugrun­de lie­gen­den Dia­gno­se, die in der Regel Aus­ma­ße im Wohn­raum ange­nom­men hat, wel­che eine Gefähr­dung für den Erhalt der Woh­nung zur Fol­ge hat. Hier braucht es ein sehr gutes abge­stimm­tes kon­zep­tio­nel­les Vor­ge­hen. Vor allem auf der Grund­la­ge auf der von Selbst,- und Fremd­ge­fähr­dung. Hier muss auch die Woh­nung geklärt wer­den und es kann bis hin zu einer Ent­rüm­pe­lung gehen, weil es zum Bei­spiel Unge­zie­fer gibt.

In der Regel sind da auch Sucht­er­kran­kun­gen, psy­chisch-psych­ia­tri­sche Krank­heits­bil­der oder auch kör­per­li­che Erkran­kun­gen bis hin zu hirn­or­ga­ni­schen Krank­heits­bil­dern wie zum Bei­spiel Demenz und Alz­hei­mer. Das muss man zunächst ein­mal her­aus­fin­den. Hier benö­ti­gen Fach­kräf­te sehr viel Exper­ti­se im recht­li­chen Sinn, im Umgang mit diver­sen Krank­heits­bil­dern, in Koope­ra­tio­nen mit z. B Pfleg­diens­te, Sozi­al­psych­ia­tri­sche Diens­te, Ärz­te usw.

Hier braucht es ein klar defi­nier­tes und erar­bei­tets Kon­zept das von allen Mitarbeiter:innen auf stan­dar­di­sier­ter Ebe­ne getra­gen wird. Das ver­mit­telt Klient:innen Klar­heit und Ori­en­tie­rung. Wie das alles zu gesche­hen hat, auch bei vor­der­grün­dig unein­sich­ti­gen Men­schen, das alles will gelernt sein.

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Das Inter­view mit Vero­ni­ka Schrö­ter (Web­sei­te) führ­te Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

In unse­rem nächs­ten Arti­kel zum Mes­sie-Syn­drom wer­den wir auf den drit­ten Aus­prä­gungs­ty­pus, dem „Ver­wahr­lo­sungs­syn­drom“, ein­ge­hen. Die­ser wird in Kür­ze in unse­rem Online-Maga­zin erschei­nen.

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Wie geht Networking für Introvertierte und Hochsensible, Martin Nevoigt?

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Im sozia­len Bereich machen wir unse­ren Job aus Über­zeu­gung und mit gro­ßem Enga­ge­ment. Doch nicht allen fällt es leicht, auf ande­re zuzu­ge­hen und ihre Ideen zu prä­sen­tie­ren. Die­se Men­schen berät Mar­tin Nevoigt (Out HSP). Er ist Unter­neh­mens­coach mit Fokus auf hoch­sen­si­ble und intro­ver­tier­te Men­schen. Im Net­wor­king sieht er groß­ar­ti­ge Mög­lich­kei­ten. Das kann auch für Per­so­nen zutref­fen, die gro­ße Run­den oder Netz­werk-Ver­an­stal­tun­gen eher als anstren­gend emp­fin­den. Wir haben dem HSP-Coach eini­ge Fra­gen dar­über gestellt, wie auch lei­se­re Men­schen sich auf ihre Art zei­gen und sich mit ande­ren ver­bin­den kön­nen.

Ca. 15–20 % aller Men­schen sind hoch­sen­si­bel. Hier­ar­chi­sche Struk­tu­ren hem­men und blo­ckie­ren oft ihre Fähig­kei­ten im Arbeits­all­tag. Wor­an das liegt und wie es bes­ser geht, dar­über haben wir mit Mar­tin Nevoigt im März in unse­rem ers­ten Fach­bei­trag zum The­ma Hoch­sen­si­bi­li­tät im Berufs­all­tag gespro­chen.

Worum geht es beim Networking? Gibt es hier eine Brücke zu den Themen aus Ihrem

Hochsensibilitäts-Coaching?

Nevoigt: Die Netz­werk-Struk­tur ermög­licht einen Aus­tausch auf Augen­hö­he und schafft einen Raum für jeden, sich mit sei­nen Fähig­kei­ten und Inter­es­sen ein­zu­brin­gen. Die­se offe­ne Struk­tur erfor­dert unter ande­rem selbst­ver­ant­wort­li­ches Arbei­ten, weil eben nie­mand mehr als ver­meint­lich all­wis­sen­der Vor­ge­setz­ter fun­giert, der allein sagt, wo es lang geht.

Das über­for­dert man­che Men­schen noch, die mit den klas­sisch hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren auf­ge­wach­sen sind. Auch da kom­men Ängs­te und Blo­cka­den zum Vor­schein. Nach mei­ner Erfah­rung erle­ben aber gera­de Hoch­sen­si­ble die­se

selbst­be­stimm­te­re Art zu arbei­ten als ech­te Befrei­ung und kön­nen damit ihre eige­nen Poten­zia­le voll ent­fal­ten.

Warum ist es sinnvoll, sich gute Networking Skills anzueignen? Was sind überhaupt gute Networking Skills?

Nevoigt: Um die­se Form des Netz­wer­kens zu eta­blie­ren, braucht es vor allem ein ech­tes Inter­es­se am ande­ren und die Offen­heit, ande­re Per­spek­ti­ven ein­zu­neh­men. Wie betrach­tet mein Gegen­über die­ses Pro­blem oder jene Ent­wick­lung? Wel­che Ideen hat er dazu? Das schafft einen Raum für tie­fe­ren Aus­tausch.

Es geht auch dar­um, erst­mal zu geben, anstatt nur zu schau­en, was ich mit­neh­men kann. Wo kann ich dem ande­ren mit mei­nen Ideen und Erfah­run­gen wei­ter­hel­fen? Wie kann ich mich ein­brin­gen? Wenn nur nach schnel­len Lösun­gen für die eige­ne Sache gesucht wird, dann hat das weni­ger mit gegen­sei­ti­gem Netz­wer­ken zu tun, son­dern ist im Grun­de nur eine ver­deck­te Suche nach unbe­zahl­ter Dienst­leis­tung.

Außer­dem ist Ver­bind­lich­keit und Loya­li­tät äußerst wich­tig, zum Bei­spiel sich an Zusa­gen und Abma­chun­gen zu hal­ten und ver­trau­li­che Infor­ma­tio­nen dis­kret zu behan­deln. Damit kön­nen wir Ver­trau­en auf­bau­en, was gefes­tig­te und lang­fris­ti­ge Bezie­hun­gen schafft. Die­ses Netz an Ver­bin­dun­gen trägt eine Orga­ni­sa­ti­on oder ein Ein­zel­un­ter­neh­men dann auch durch schwie­ri­ge Zei­ten.

All die­se Aspek­te haben eines gemein: Man kann sie sich nicht erkau­fen oder kurz­fris­tig her­stel­len, son­dern jeder im Netz­werk darf sie all­mäh­lich auf­bau­en. Solch ein natür­li­ches Wachs­tum braucht Zeit und zuver­sicht­li­che Beharr­lich­keit, wie alle guten Pro­zes­se.

Welchen Rat geben Sie eher introvertierten Personen, denen das Zugehen auf Menschen nicht so leichtfällt?

Nevoigt: Die­ses The­ma taucht in mei­nen Work­shops und Coa­chings häu­fi­ger auf. Hier gebe ich gern die Fra­ge rein: In wel­chem Rah­men und unter wel­chen Bedin­gun­gen möch­test du dich mit ande­ren ver­bin­den? Denn selbst­be­stimm­tes Arbei­ten ermög­licht genau das: Die Din­ge in einen neu­en Bezugs­rah­men zu set­zen, der zu mir selbst und mei­nen Wer­ten und Wesens­zü­gen passt. Im Coa­ching nennt man das Ref­raming.

Mit die­sem Ref­raming kann ich mir als intro­ver­tier­ter oder hoch­sen­si­bler Mensch zum Bei­spiel bewusst machen, dass ich viel­leicht bis­her das The­ma Netz­wer­ken mit gro­ßen Events in rie­si­gen Hal­len und Small Talk mit vie­len ver­schie­de­nen Men­schen asso­zi­iert habe. Das ist aber nur ein mög­li­cher Rah­men. Es gibt noch vie­le wei­te­re, wovon eini­ge eher zu einer intro­ver­tier­ten Per­sön­lich­keit pas­sen. Zum Bei­spiel könn­te ich eine ganz klei­ne Aus­tausch­run­de in einem geschütz­te­ren Raum initi­ie­ren oder mich auf ein Zwei­er­ge­spräch mit einer ein­zi­gen Per­son fokus­sie­ren. Das schafft auch eine viel per­sön­li­che­re Ver­bin­dung als das ober­fläch­li­che Abklap­pern vie­ler poten­zi­el­ler Netzwerkpartner:innen. Für man­che Intro­ver­tier­te sind auch digi­ta­le Räu­me ange­neh­mer, für ande­re wie­der­um der ganz per­sön­li­che Kon­takt. Hier darf ich mich gern aus­pro­bie­ren, um den für mich pas­sen­den Rah­men zu gestal­ten.

 

Vie­le Intro­ver­tier­te und Hoch­sen­si­ble emp­fin­den auch häu­fig Small Talk und die­ses »so tun als ob « enorm anstren­gend, etwa wenn die Hoch­glanz­fas­sa­de der Fir­ma auf­recht erhal­ten wer­den soll. Doch die­se Flos­keln und Mas­ken braucht es mit der oben beschrie­be­nen Art des Netz­wer­kens nicht mehr, sie sind sogar sehr hin­der­lich. Es ist dafür viel sinn­vol­ler, authen­ti­sche Gesprä­che anzu­re­gen und das akti­ve Zuhö­ren zu kul­ti­vie­ren, anstatt sich selbst und sei­ne Orga­ni­sa­ti­on stän­dig reprä­sen­tie­ren zu müs­sen. Wir neh­men viel mehr Inspi­ra­ti­on mit, wenn wir offen für ande­re Per­spek­ti­ven und Erfah­rungs­be­rich­te sind.

Intro­ver­tier­te und empa­thi­sche Men­schen haben hier oft unge­ahn­te Stär­ken, wenn sie ihren eige­nen Rah­men geschaf­fen haben. Dabei geht es vor allem auch um Selbst­ak­zep­tanz, denn intro­ver­tiert oder hoch­sen­si­bel sein sind Wesens­zü­ge, die genau­so wert­voll und manch­mal her­aus­for­dernd sind, wie ande­re Eigen­schaf­ten.

Wel­che Rah­men­beding­ungen braucht es dafür?

Nevoigt: Der Rah­men hier­für ist ein men­schen­zen­trier­ter: Com­mu­ni­ty over Com­pe­ti­ti­on. Denn ein Unter­neh­men kann nie­mals im luft­lee­ren Raum gedei­hen, es braucht viel­schich­ti­ge und vor allem ech­te Ver­bin­dun­gen. Für mich bedeu­tet das, sich von der Hoch­glanz­fas­sa­de zu ver­ab­schie­den und sich lie­ber offen über Pro­zes­se, Ent­wick­lun­gen und auch eige­ne Schwie­rig­kei­ten und Hür­den aus­zu­tau­schen.

Also auch hier die »pro­fes­sio­nel­le Mas­ke« abneh­men und authen­tisch agie­ren, um gemein­sam hilf­rei­che­re Mög­lich­kei­ten und Lösun­gen ent­wi­ckeln zu kön­nen. Dabei kann es um spe­zi­fi­sche inter­ne Pro­zes­se gehen, aber auch um all­ge­mei­ne Ent­wick­lun­gen, wie etwa die Digi­ta­li­sie­rung. Dar­aus kön­nen dann auch tra­gen­de Koope­ra­tio­nen und ver­trau­ens­vol­le Bezie­hun­gen ent­ste­hen. Wie das in der Pra­xis funk­tio­nie­ren kann, das spie­len wir in den Work­shops anhand kon­kre­ter Anlie­gen und Fra­gen der Teilnehmer:innen durch.

Was sollten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in Bezug auf das Thema Netzwerken eher vermeiden?

Nevoigt: Man nimmt sich und sei­ner Orga­ni­sa­ti­on vie­le wun­der­ba­re Mög­lich­kei­ten, wenn man nur ergeb­nis­ori­en­tiert und nicht men­schen- und bezie­hungs­ori­en­tiert netz­wer­ken möch­te. Zum Bei­spiel indem man ledig­lich nach eige­nen Vor­tei­len und Pro­blem­lö­sun­gen sucht, wäh­rend man sich selbst und sei­ner Orga­ni­sa­ti­on nicht in die Kar­ten schau­en lässt. Mit Arg­wohn oder Miss­trau­en kann kein offe­ner Aus­tausch ent­ste­hen und somit auch kei­ne ech­te Ver­bin­dung.

Natür­lich ist es sinn­voll, vor­ab im Team und der Orga­ni­sa­ti­on zu klä­ren, ob es gewis­se sen­si­ble Infor­ma­tio­nen oder inter­ne Pro­zes­se gibt, die zum Bei­spiel aus daten­schutz­recht­li­chen Grün­den nicht geteilt wer­den dür­fen. Aber meis­tens braucht es die­se ganz spe­zi­fi­schen Infor­ma­tio­nen gar nicht, um gemein­sam Mög­lich­kei­ten und Lösungs­ideen aus­zu­lo­ten, weil vie­les auf einer Meta­ebe­ne beleuch­tet wer­den kann.

Gibt es bestimmte Fragen oder Themen, die in Ihrem Coaching von den Teilnehmenden, egal ob Führungskräfte oder Berufseinsteiger:innen, häufig angesprochen werden?

 

Nevoigt: Vie­le Anlie­gen lau­fen letz­ten Endes, wenn die Blo­cka­den lang­sam auf­ge­löst sind, auf gro­ße phi­lo­so­phi­sche Lebens­the­men hin­aus: Was ist der tie­fe­re Sinn mei­nes Schaf­fens? Was moti­viert und begeis­tert mich im tiefs­ten Innern? Was möch­te ich mir und der Welt geben? Wel­che Bezie­hun­gen möch­te ich ein­ge­hen? Was wür­de ich tun, wenn ich alle Mög­lich­kei­ten hät­te und frei von inne­ren und äuße­ren Hin­der­nis­sen wäre?

Auch wenn die­se Fra­gen auf den ers­ten Blick wenig mit dem prak­ti­schen Arbeits­all­tag zu tun haben, so tun Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen doch sehr gut dar­an, sich klar­zu­ma­chen, dass es sol­che Fra­gen sind, die Men­schen und ihr Han­deln auf der tie­fe­ren Ebe­ne bewe­gen. Es geht dabei auch um die ele­men­ta­re Fra­ge, was für uns Men­schen ein ech­ter Mehr­wert ist und wie wir auf Grund­la­ge des­sen gemein­sam wirt­schaf­ten, zusam­men­ar­bei­ten und leben wol­len.

Die bespro­che­nen The­men und Ansät­ze bezie­hen sich im Grun­de auf alle Men­schen, wie etwa die Sinn­haf­tig­keit der eige­nen Arbeit oder hilf­rei­che Bedin­gun­gen, um die eige­nen Poten­zia­le zu ent­fal­ten. Nach mei­nen Erfah­run­gen sind aller­dings hoch­sen­si­ble Men­schen in beson­de­rem Maße von die­sen tie­fe­ren The­men betrof­fen, weil sie durch ihre Fein­sin­nig­keit eher sozia­le Schwie­rig­kei­ten oder struk­tu­rel­le Dys­ba­lan­cen wahr­neh­men sowie schnel­ler an eige­ne Belas­tungs­gren­zen sto­ßen. Und des­halb viel häu­fi­ger an den Punkt kom­men, sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen: Was brau­che ich wirk­lich und wie kann ich mein Leben und Arbei­ten danach gestal­ten?

Können wir alle etwas tun, um Arbeit menschenzentrierter und sensibler zu gestalten?

Nevoigt: Der ers­te wich­ti­ge Schritt ist immer das Bewusst­ma­chen der Bedin­gun­gen und Mecha­nis­men, die um mich und auch in mir wir­ken. Nur was ich ins Bewusst­sein hole, kann ich auch beleuch­ten und gege­be­nen­falls ver­än­dern.

Auf der zwi­schen­mensch­li­chen und kol­le­gia­len Ebe­ne ist auch hier das ech­te Inter­es­se am ande­ren und sei­nem

Blick­win­kel hilf­reich. Offen für ande­re Arbeits­wei­sen, Ansät­ze und Ansprü­che zu sein, kann auch sehr inspi­rie­rend für die eige­ne Art zu arbei­ten und zu leben wir­ken.

Auf der inhalt­li­chen und struk­tu­rel­len Ebe­ne kann ich dann gemein­sam mit mei­nem Team oder mit der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on einen offe­nen Raum für Fra­gen und Ansät­ze eta­blie­ren: Wozu tun wir, was wir tun? Für wen oder was ist das hilf­reich? Erschafft es einen ech­ten Mehr­wert für die Men­schen, die Gesell­schaft oder die Umwelt? Und ist das für alle Mit­wir­ken­den klar oder braucht es hier wei­te­ren Aus­tausch? Erst wenn das »Was« für alle klar defi­niert ist, geht es um die Fra­ge: Wie wol­len wir das kon­kret umset­zen?

Häu­fig wer­den die­se Berei­che unzu­rei­chend bis gar nicht erkun­det oder nur auf der Füh­rungs­ebe­ne, wenn die alte Hier­ar­chie­struk­tur noch fest­sitzt. Oft herrscht auch noch die Über­zeu­gung, dass die Zeit oder Res­sour­cen bes­ser für das All­tags­ge­schäft ver­wen­det wer­den soll­ten, um schnel­le Ergeb­nis­se zu erzie­len, anstatt auf sol­che Sinn-Fra­gen oder ver­bin­den­de Netz­werk­räu­me. Doch genau auf die­sen Ebe­nen lie­gen lang­fris­tig unschätz­ba­re Mög­lich­kei­ten für jede Orga­ni­sa­ti­on und jeden Ein­zel­nen. Und das bringt dann, qua­si als Neben­ef­fekt, auch stär­ke­re Ergeb­nis­se auf der Ebe­ne der Daten und Zah­len.

Für die ange­hen­den Füh­rungs­kräf­te im Mas­ter­stu­di­um Sozi­al­ma­nage­ment an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie gibt Mar­tin Nevoigt Work­shops zum The­ma Net­wor­king. Bereits im März 2023 haben wir mit ihm über sei­ne Kri­tik an ver­al­te­ten Men­schen­bil­dern gespro­chen, auf denen vie­le Unter­neh­mens­struk­tu­ren immer noch fußen. Hier geht es zum Fach­bei­trag.

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Das Inter­view mit Mar­tin Nevoigt (Web­sei­te) führ­te Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin)

Titel­bild: Mar­tin Nevoigt (Foto: Syl­via John)

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Wie funk­tio­niert eigent­lich aktu­el­les, wir­kungs­vol­les Employ­er Bran­ding? Dar­über haben wir mit Fach­ex­per­tin und Dozen­tin Anne Engel­showe gespro­chen. Her­aus­ge­kom­men sind fünf Tipps, die wir in die­sem Maga­zin­bei­trag tei­len, um Ihre Arbeit­ge­ber­mar­ke in Zei­ten von Fach­kräf­te­man­gel und hoher Fluk­tua­ti­on in der Sozi­al­wirt­schaft zu stär­ken.

1. Sei konsistent – und wenn du’s nicht bist, sprich offen darüber

Vie­le Unter­neh­men wer­ben mit fla­chen Hier­ar­chien und Nach­hal­tig­keit. In der Rea­li­tät tref­fen Bewerber:innen dann aber schnell auf „Sie­zen in der Chef­eta­ge“ und unnö­ti­ge Weg­werf­pro­duk­te im Arbeits­all­tag. Kon­sis­tent sein bedeu­tet jedoch, Bot­schaf­ten nicht nur in der Aus­wahl smar­ter Bil­der und Sprü­che auf der Web­site, son­dern wirk­lich bis in die Mit­ar­bei­ten­den-Toi­let­te hin­ein zu durch­den­ken. Dies erfor­dert kei­ne Per­fek­ti­on, son­dern authen­ti­sche und ehr­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on.

Wenn in Bewer­bungs­ge­sprä­chen bei­spiels­wei­se lie­ber gesiezt wird und im Team eine „Du-Kul­tur“ herrscht, soll­te dies offen ange­spro­chen wer­den. Auch was die Bemü­hun­gen um mehr Nach­hal­tig­keit und Diver­si­tät im Arbeits­all­tag betrifft, soll­ten Arbeitgeber:innen dies weni­ger per­fekt ver­kau­fen und sich statt­des­sen um eine gemein­sa­me Ent­wick­lung hin zu einer guten und lebens­wer­ten Orga­ni­sa­ti­on bemü­hen, womit wir auch direkt zum zwei­ten Tipp kom­men:

2. Trau‘ dich, deine (potenziellen) Mitarbeiter:innen zu fragen und damit in die Lösungsfindung mit einzubeziehen

Oft wis­sen gera­de klei­ne Träger:innen nicht, mit wel­chen Argu­men­ten sie sich gegen­über „den Gro­ßen“ behaup­ten sol­len, sodass in Stel­len­an­zei­gen mit übli­chen Phra­sen und Flos­keln gewor­ben wird. Doch was wäre, wenn sie ihre bestehen­den Mitarbeiter:innen fra­gen, war­um sie gen bei ihnen arbei­ten? Was sie antreibt, sich jeden Tag auf die Arbeit ein­zu­las­sen? Und, war­um nicht Bewerber:innen im nächs­ten Inter­view selbst fra­gen, wie sie sich ger­ne bewer­ben möch­ten? Viel­leicht ist der Tele­gram-Chat­bot dann doch nicht so gewollt, wie anfangs ange­nom­men.

 

Eine Kul­tur des Fra­gens und des Zuhö­rens kann lang­fris­tig zu bes­se­ren Ent­schei­dun­gen für alle Betei­lig­ten füh­ren. Es erfor­dert jedoch Mut zuzu­ge­ben, dass man nicht immer die per­fek­te Lösung parat hat. Genau dar­um geht es im nächs­ten Tipp:

3. Ungemütliche Probleme erfordern (vermeintlich) ungemütliche Handlungen

Der Fach­kräf­te­man­gel im Bereich der Pfle­ge ver­schärft sich zuneh­mend. Um die­sem Pro­blem ent­ge­gen­zu­wir­ken, müs­sen neben fai­re­ren Arbeits­be­din­gun­gen auch Maß­nah­men wie das „Abwer­ben“ von Pfle­ge­kräf­ten neu betrach­tet wer­den. Könn­te es als Gewinn auf Sys­tem­ebe­ne betrach­tet wer­den, wenn Pfle­ge­kräf­te von einem Arbeit­ge­ber zum ande­ren wech­seln, statt der Bran­che voll­stän­dig den Rücken zuzu­keh­ren? Eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung besteht in der Erstel­lung von Dienst- und Schicht­plä­nen, betont Anne. Wie kön­nen wir den zuneh­men­den Wunsch nach gere­gel­ten Arbeits­zei­ten und hoher Ver­ein­bar­keit von Frei­zeit und Arbeit mit der teil­wei­se noch sehr star­ren Schicht­pla­nung ver­ein­ba­ren? Wer in der Pfle­ge in 10 Jah­ren noch Per­so­nal fin­den möch­te, muss sich jetzt mit Lösun­gen für die­se und wei­te­re Fra­gen befas­sen. Mög­li­cher­wei­se erfor­dert dies die stär­ke­re Zusam­men­ar­beit ver­schie­de­ner Träger:innen, um gemein­sam krea­ti­ve Lösun­gen für gute Arbeits­be­din­gun­gen zu ent­wi­ckeln.

 

Aller­dings haben Syn­er­gien auch Gren­zen, die in der Aus­wahl und Gestal­tung von Koope­ra­tio­nen gewahrt wer­den müs­sen. Um die­se Gren­zen zu ken­nen, benö­tigt man ein soli­des Ver­ständ­nis der eige­nen Iden­ti­tät, auf das im nächs­ten Abschnitt ein­ge­gan­gen wird:

4. Immer wie­der mit dem Brenn­glas auf die eige­ne Iden­ti­tät schau­en

Arbeitgeber:innen soll­ten sich öfter die Fra­ge stel­len: „Wer bin ich? Was treibt uns an?“. Oft­mals wird bei der Gestal­tung von Leit­bil­dern zu stark die Per­spek­ti­ve von Leistungsempfänger:innen und Geldgeber:innen berück­sich­tigt, wäh­rend die Mitarbeiter:innen-Perspektive ver­nach­läs­sigt wird. Die eige­ne Iden­ti­tät als Orga­ni­sa­ti­on zu ken­nen und zu wah­ren ist jedoch essen­zi­ell, um zu wis­sen, wel­che Art von Mitarbeiter:innen man sucht und wel­che nicht. Wenn eine Orga­ni­sa­ti­on bei­spiels­wei­se Offen­heit und Lern­be­reit­schaft för­dert, muss sich dies auch in der Gestal­tung der Arbeits­zeit sowie aus­rei­chend Frei­raum für Fort- und Wei­ter­bil­dung wider­spie­geln. Glei­cher­ma­ßen wäre es pas­sen­der, anstatt den per­fek­ten Lebens­lauf von Bewerber:innen ein­zu­for­dern stär­ker auf die Lern- und Wei­ter­ent­wick­lungs­be­dürf­nis­se der Kandidat:innen zu schau­en.

Ein star­kes Arbeit­ge­ber­selbst­ver­ständ­nis kann daher sowohl bei der Bewerber:innenwahl Ori­en­tie­rung geben als auch kon­sis­ten­te­re Ent­schei­dun­gen im Arbeits­all­tag ermög­li­chen. Dazu gehört auch die Ent­schei­dung einer Kün­di­gung, über die in Orga­ni­sa­tio­nen noch viel zu zag­haft gespro­chen wird. Auch hier­zu hat die Exper­tin ein paar letz­te Tipps.

5. Lerne, wertschätzend loszulassen und im Guten auseinanderzugehen

In Zei­ten von Social Media und Online-Por­ta­len hat jeder Mit­ar­bei­ter und jede Mit­ar­bei­te­rin ein expo­nen­ti­ell wach­sen­des Netz­werk, das auch für Arbeitgeber:innen von Bedeu­tung ist. Daher ist es umso wich­ti­ger, dass Wert­schät­zung und Offen­heit nicht nur gegen­über poten­zi­el­len und aktu­el­len, son­dern auch ehe­ma­li­gen Mitarbeiter:innen gezeigt wird. Die Zei­ten, in denen Mitarbeiter:innen den ers­ten Job bis zur Ren­te behiel­ten, sind vor­bei. Auf die­se Ver­än­de­rung belei­digt oder mit ver­schlos­se­nen Türen zu reagie­ren, führt zu nichts oder scha­det sogar dem Image des Unter­neh­mens. Die inno­va­tivs­ten Reak­tio­nen auf Kün­di­gun­gen, die Anne in ihrer Kar­rie­re erlebt hat, waren:

  • ein Blu­men-Abo, das auch Mona­te nach dem Aus­tritt noch monat­lich für die groß­ar­ti­ge Arbeit dankt oder
  • eine Post­kar­te als unda­tier­ter Rück­fahr­schein, der herz­lich und krea­tiv die Opti­on einer Rück­kehr ins Unter­neh­men ermög­licht

PS: Hast Du eigent­lich gemerkt, dass wir in die­sem Bei­trag hier vom „Sie“ ins „Du“ über­ge­gan­gen sind? Wie hat sich das beim Lesen ange­fühlt?

Zusam­men­fas­send lässt sich sagen: Sei­en Sie gut zu Ihren Mit­ar­bei­ten­den. Akti­vie­ren Sie sie für Ihre Akti­vi­tä­ten und fin­den Sie Freu­de dar­an, Her­aus­for­de­run­gen gemein­sam anzu­ge­hen. Dann wird gutes Employ­er Bran­ding nicht län­ger ein gefürch­te­tes Buz­zword sein, son­dern eine natür­li­che Kon­se­quenz eines wert­schät­zen­den und kol­la­bo­ra­ti­ven Mit­ein­an­ders.

 

Wer inten­si­ver in die The­men Mit­ar­bei­ten­den­ge­win­nung und ‑bin­dung ein­tau­chen möch­te, kann sich bis zum 2. Mai noch für Annes Semi­na­re Gesucht. Gefun­den! Trends und Pra­xis in Per­so­nal­mar­ke­ting und Recrui­ting und „Gefun­den. Gebun­den! Trends und Pra­xis in der Mitarbeiter:innen-Bindung am 11. Und 12. Mai 2023 in Ber­lin anmel­den.

 

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Text: Der Bei­trag wur­de von Tan­ja Tis­sen, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Dozen­tin an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie, im Inter­view mit Anne Engel­showe ver­fasst.

Foto: Anne Engel­showe

Gesucht. Gefun­den! Trends und Pra­xis in Per­so­nal­mar­ke­ting und Recrui­ting

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11. Mai 2023

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Was macht ein:e Sozialarbeiter:in in einer psych­ia­tri­schen Kli­nik?

April 2023 | Stu­di­um Sozia­le Arbeit

Was macht ein:e Sozialarbeiter:in in einer psychiatrischen Klinik?

Exkursion in das St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin Mitte

Wofür gibt es Sozia­le Arbeit im psych­ia­tri­schen Bereich? Das sol­len unse­re Stu­die­ren­den des Bache­lor­stu­di­en­gangs Sozia­le Arbeit genau­er erfah­ren. Im Febru­ar fand eine Exkur­si­on in die psych­ia­tri­sche Sta­ti­on der Uni­ver­si­täts­kli­nik Cha­ri­té im St. Hed­wig-Kran­ken­haus Ber­lin statt. Weit muss­ten die Stu­die­ren­den dafür nicht rei­sen. Denn die Kli­nik im denk­mal­ge­schütz­ten Bau befin­det sich im his­to­ri­schen Zen­trum von Ber­lin-Mit­te. Nur weni­ge Minu­ten zu Fuß von der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ent­fernt.

Heu­te, über 170 Jah­re nach­dem die ers­ten Patient:innen hier auf­ge­nom­men wur­den, arbei­ten im St. Hed­wig-Kran­ken­haus über 1400 Mitarbeiter:innen für sta­tio­nä­re oder ambu­lan­te Ver­sor­gung in unter­schied­li­chen Fach­dis­zi­pli­nen von Anäs­the­sie und Inten­siv­me­di­zin bis zur Vis­ze­ral­chir­ur­gie.

Die Stu­die­ren­den lern­ten an die­sem Tag die Abtei­lung für Psych­ia­trie ken­nen. Hier erhal­ten Men­schen, die eine psy­chi­sche Erkran­kung sowie eine zusätz­li­che Abhän­gig­keits­er­kran­kung haben, in einer auf „Psy­cho­se und Sucht“ spe­zia­li­sier­ten Tages­kli­nik unter­schied­li­che The­ra­pie­an­ge­bo­te. Mit Ein­zel­ge­sprä­chen und Grup­pen­the­ra­pien, Acht­sam­keits- und Bewe­gungs­trai­ning wer­den sie in der Tages­kli­nik und Ambu­lanz für Dop­pel­dia­gno­sen betreut. Die Student:innen der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie nah­men an einer exklu­si­ven Füh­rung und einem Fach­ge­spräch mit einer Sozi­al­ar­bei­te­rin vor Ort teil.

Wer arbeitet in der psychiatrischen Klinik?

Ein Team aus ca. acht Mitarbeiter:innen sind in der Tages­kli­nik ange­stellt. Es besteht aus Psycholog:innen, Ärzt:innen, einer Ergo- und einer Sport­the­ra­peu­tin, einer Sozi­al­ar­bei­te­rin sowie Praktikant:innen und Pflegeschüler:innen. Auch ein Sta­ti­ons­hund für die tier­ge­stütz­te The­ra­pie ist regel­mä­ßig für die Patient:innen da.

Wie läuft ein Tag in der Klinik für die Patient:innen ab?

Die Tages­kli­nik hat von 8 bis 16 Uhr geöff­net. Gestar­tet wird jeden Tag mit einem Tages­ein­klang. Das bedeu­tet eine Tas­se Kaf­fee, Tem­pe­ra­tur­mes­sung und der­zeit auch die Covid-Test-Kon­trol­le. Dann geht es laut Plan wei­ter mit einer Mor­gen­run­de und anschlie­ßen­den The­ra­pie­ein­hei­ten. Die Patient:innen kön­nen je nach Tages­pro­gramm zum Bei­spiel zwi­schen Ergo­the­ra­pie oder einer Grup­pen­the­ra­pie­sit­zung wäh­len. Es kann sich gemein­sam oder indi­vi­du­ell in Ent­span­nung, Sozi­al­kom­pe­tenz oder auch Kon­zen­tra­ti­on geübt wer­den.

Der Nach­mit­tag ist durch viel­fäl­ti­ges Pro­gramm gestal­tet. Außen­ak­ti­vi­tä­ten im Park, Licht­the­ra­pie, Zeich­nen oder all­tags­prak­ti­sches Trai­ning wer­den ange­bo­ten. Ein wich­ti­ger Bestand­teil sind die Tages- sowie Wochen­bi­lan­zen, die

in Gesprächs­grup­pen und Ein­zel­ge­sprä­chen gezo­gen wer­den.

Was sind die Aufgaben von Sozialarbeiter:innen im Bereich Psychiatrie?

Gespro­chen haben die Stu­die­ren­den mit einer Sozi­al­ar­bei­te­rin der Sta­ti­on. Sie erklärt, wie der Weg von der Dia­gno­se bis zum The­ra­pie­platz abläuft. Die Auf­nah­me von Patient:innen erfolgt ent­we­der direkt nach einem sta­tio­nä­rem Auf­ent­halt oder durch ärzt­li­che Über­wei­sung. Sozialarbeiter:innen unter­stüt­zen Per­so­nen mit Hil­fe­be­darf dabei, einen The­ra­pie­platz zu fin­den und zu bean­tra­gen. Sie hel­fen bei Leis­tungs­an­sprü­chen und bei der Orga­ni­sa­ti­on von wei­ter­füh­ren­den Hil­fen, wie medi­zi­ni­sche oder beruf­li­che Reha­bi­li­ta­ti­on.

„Sie sind Berater:innen für die ver­schie­de­nen Lebens­be­rei­che von finan­zi­el­len und beruf­li­chen The­men bis hin zur Gestal­tung der eige­nen Tages­struk­tur und sozia­len Bezie­hun­gen.“

so fasst Berit Kem­pe die Auf­ga­ben zusam­men. Die Dozen­tin für Sozi­al­me­di­zin und Public Health im Bache­lor Sozia­le Arbeit ist als Sozi­al­ar­bei­te­rin an der Psych­ia­tri­schen Sta­ti­on des Kran­ken­hau­ses tätig.

Der Rund­gang über die Sta­ti­on schloss mit einem Besuch des Offe­nen Ate­liers ab. Farb­tu­ben, Pin­sel und eine Viel­falt an kunst­the­ra­peu­ti­schen Mate­ria­len ste­hen hier an den ver­schie­de­nen Arbeits­plat­ten zur Ver­fü­gung. Kunst- und Hand­werks­the­ra­pie beglei­tet Men­schen in aku­ten Kri­sen und hilft ihnen bei der Inte­gra­ti­on des Erleb­ten.

Unse­re Stu­die­ren­den haben viel dar­über gelernt, was in einer psych­ia­tri­schen Tages­kli­nik alles pas­siert und wie ins­be­son­de­re die Arbeit im Sozi­al­dienst aus­sieht. Ob jemand von ihnen dazu inspi­riert wur­de, in die­ses Berufs­feld tie­fer ein­zu­stei­gen? Wir wer­den sie wei­ter auf ihrem Weg beglei­ten.

Kunsttherapie Soziale Arbeit

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Text & Fotos: Julia Mann (Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin: Kon­takt)

Foto: Can­va

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­ein­hei­ten

Start: 1. Okto­ber 2023

Hand­lungs­stra­te­gien in der Arbeit mit psy­chisch kran­ken Men­schen

Seminar mit Uta Rautenstrauch

28. + 29. Sep­tem­ber 2023

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Berufs­be­glei­ten­der Fern­stu­di­en­gang

Start: 16. Okto­ber 2023

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Hoch­sen­si­bi­li­tät im Berufs­all­tag

März 2023 | Neue Arbeits­wei­sen

Hochsensibilität im Berufsalltag

Und ihre Potenziale im Arbeitskontext

Vom Gefühl, sich nicht zurecht­zu­fin­den und ein­fach nicht rein­zu­pas­sen, war das Ver­hält­nis zur Arbeits­welt von Mar­tin Nevoigt lan­ge Zeit geprägt. Sozia­le Inter­ak­tio­nen wie Small Talk am Mit­tags­tisch oder unaus­ge­spro­che­ne Kon­flik­te im Team laug­ten ihn oft aus. Außer­dem hat­te er nie Inter­es­se an der vor­herr­schen­den Ellen­bo­gen­men­ta­li­tät: Kon­kur­renz­den­ken, Sta­tus­sym­bo­le oder das ewi­ge Schnel­ler-Höher-Wei­ter. „Mich beweg­te vor allem der tie­fe­re Sinn hin­ter allem und wie ech­te Begeis­te­rung und inne­re Moti­va­ti­on dafür ent­fal­tet wer­den kann.“ erin­nert er sich. Wir haben ihm eini­ge Fra­gen zu sei­nem Wer­de­gang gestellt.

Mar­tin Nevoigt ist heu­te Geschäfts­füh­rer einer gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­ti­on und sys­te­mi­scher Coach im Bereich Hoch­sen­si­bi­li­tät, men­schen­zen­trier­tes Arbei­ten (New Work) und sen­si­bles bezie­hungs­wei­se empa­thi­sches Unter­neh­mer­tum. Er ist außer­dem als Dozent und Autor tätig. In sei­ner Arbeit geht es häu­fig um selbst­be­stimm­te Arbeits­struk­tu­ren und einen guten Umgang mit den eige­nen Res­sour­cen und Poten­zia­len.

Vor 10 Jah­ren begann er, sich ein­ge­hend mit sei­ner eige­nen Hoch­sen­si­bi­li­tät und neu­en Arbeits­an­sät­zen zu beschäf­tig­ten. Dann ergab vie­les plötz­lich Sinn. Er gewann Akzep­tanz für sich selbst. Dar­aus ent­stand die Kraft, sein Leben und Arbei­ten nach sei­nen Wer­ten und Bedürf­nis­sen zu gestal­ten.

Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?

Nevoigts Klient:innen sind haupt­säch­lich Unternehmer:innen, Selb­stän­di­ge und Per­so­nen mit einer sehr aus­ge­präg­ten Empa­thie und Sen­si­bi­li­tät.

„Laut psy­cho­lo­gi­schen For­schun­gen sind etwa 15–20 Pro­zent der Bevöl­ke­rung hoch­sen­si­bel. Das bedeu­tet, dass ihr Ner­ven­sys­tem über die Sin­nes­or­ga­ne deut­lich mehr und fei­ner Rei­ze und Infor­ma­tio­nen auf­nimmt und die­se auch län­ger und inten­si­ver im Gehirn ver­ar­bei­tet als nor­mal­sen­si­ble Men­schen.“

In all­täg­li­chen Situa­tio­nen kann das ziem­lich her­aus­for­dernd sein. Die Reiz­über­flu­tung kann zu einer gro­ßen Erschöp­fung und schließ­lich einem sozia­len Rück­zug füh­ren. Auch die zwi­schen­mensch­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on kann mit­un­ter schwie­rig sein, weil die hoch­sen­si­ble Reiz­ver­ar­bei­tung häu­fig auf Details oder Nuan­cen fokus­siert. Das kann schnell zu Miss­ver­ständ-nis­sen füh­ren. Vie­le Hoch­sen­si­ble zwei­feln dann an sich und ihrer fei­nen Wahr­neh­mung. Sie den­ken oft, nicht „hart“ oder stark genug für eine Selb­stän­dig­keit oder Füh­rungs­po­si­ti­on zu sein. Doch die­sem Glau­bens­satz wider­spricht der erfah­re­ne Coach für hoch­sen­si­ble Per­so­nen (kurz: HSP).

Hochsensibilität – Laster oder Potenzial?

In der Hoch­sen­si­bi­li­tät ste­cken gro­ße Poten­zia­le, so der Exper­te. Zum Bei­spiel eine aus­ge­präg­te Gewis­sen­haft-igkeit, Detail­ver­liebt­heit und star­ke zwi­schen­mensch­li­che Kom­pe­ten­zen, wie Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und eine gute Intui­ti­on.

„Hier fehlt es oft an einem tra­gen­den (Selbst-)Bewusstsein für die­se wert­vol­len Poten­zia­le und Mög­lich­kei­ten, die hoch­sen­si­ble und »lei­se« Wesens­zü­ge auf­wei­sen – für sich selbst und die Gesell­schaft. Es geht auch dar­um, zu erken­nen, dass inne­re Stär­ke nicht ent­steht, wenn wir hart zu uns sind, son­dern indem wir auch in schwie­ri­gen Pha­sen gut für uns sor­gen.“

Wenn Arbeitgeber:innen und Füh­rungs­kräf­te die wert­vol­len Bega­bun­gen und spe­zi­el­len Bedürf­nis­se von Hoch­sen­si­blen erken­nen und för­dern, kommt dies der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on zugu­te. Denn im rich­ti­gen Umfeld sind Hoch­sen­si­ble abso­lu­te Team­play­er, han­deln sehr loy­al und selbst­ver­ant­wort­lich, haben hohe mora­li­sche Wer­te und aus­ge­präg­te sozia­le Kom­pe­ten­zen. Außer­dem kön­nen sie häu­fig kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge intui­tiv erken­nen und gehen mit gro­ßer Sorg­falt und Tief­grün­dig­keit vor.

Wie können Arbeitsstrukturen so gestaltet werden, dass sie für hochsensible Menschen funktionieren?

„Die Arbeits­wei­se ist oft eine ande­re, als der typi­sche Büro­all­tag als Ange­stell­ter es zulässt. Zum Bei­spiel kön­nen vie­le Hoch­sen­si­ble in kür­zes­ter Zeit sehr inten­siv und effek­tiv arbei­ten, weil das ihrer kom­ple­xen Reiz­ver­ar­bei­tung ent­spricht, brau­chen dazwi­schen aber häu­fi­ger Pau­sen und Ruhe zum Ent­span­nen und Rege­ne­rie­ren. Mit zeit­lich

eng getak­te­ten Arbeits­ta­gen oder lau­ten und vol­len Büro­räu­men funk­tio­niert das nicht. Hier wären zum Bei­spiel Ruhe­räu­me, selbst­ver­ant­wort­li­che Arbeits­zei­ten oder bestimm­te Tage im Home Office gute Mög­lich­kei­ten.“ So Nevoigt. Wenn hoch­sen­si­ble Mitarbeiter:innen einen tie­fe­ren Sinn in ihren Auf­ga­ben und Tätig­keits­fel­dern sehen und die Unter­neh­mens­zie­le ihren Wer­ten ent­spre­chen, brin­gen sie sich enorm ein, weiß er.

Sind Unternehmen offen für ein Umdenken und ein daraus folgendes Umstrukturieren? Wie kann Vorbehalten entgegnet werden?

Ja, der HSP-Coach kann ein all­mäh­li­ches Umden­ken beob­ach­ten. Tech­ni­sche und digi­ta­le Ent­wick­lun­gen tra­gen zu die­sem Wan­del bei. Die Digi­ta­li­sie­rung oder die Coro­na-Pan­de­mie haben Home­of­fice oder Remo­te Work als Optio­nen nor­ma­li­siert.

Nevoigt ist über­zeugt, dass die „klas­sisch hier­ar­chi­sche Arbeits­welt der Fabri­ken, wo ein Vor­ge­setz­ter plant und alle ande­ren aus­füh­ren“ über­holt ist. Abge­löst wer­den soll­te die­ses Modell durch „ein netz­wer­ken­des Zusam­men-arbei­ten auf Augen­hö­he, wo Men­schen ihre Ideen, Inter­es­sen, Exper­ti­sen und Erfah­run­gen ein­brin­gen. So kann eine Art orga­ni­sa­to­ri­sches Bio­top ent­ste­hen, in wel­chem ein sinn­vol­ler Mehr­wert und span­nen­de Ansät­ze gedei­hen. Hoch­sen­si­ble und empa­thi­sche Men­schen gewin­nen dadurch an per­sön­li­chem Gestal­tungs­raum und kön­nen frei­er arbei­ten. Sie kön­nen sogar zu Vorreiter:innen wer­den. Das möch­te der Bera­ter für hoch­sen­si­ble Unternehmer:innen und Füh­rungs­kräf­te ver­mit­teln.

Können dadurch bessere Ergebnisse erzielt werden?

Geht durch Umstel­lung auf neue Arbeits­struk­tu­ren nicht auch ein gewis­ses Maß an Effi­zi­enz ver­lo­ren? Die­se Sor­ge stammt laut Nevoigt aus einem „indus­tri­el­len Men­schen­bild“. Arbeits­kräf­te sol­len hier streng und kon­trol­lie­rend geführt wer­den. Füh­rungs­kräf­te müs­sen alles wis­sen und feh­ler­frei mana­gen. „Das erzeugt auf allen Ebe­nen enor­men Druck und ein demo­ti­vie­ren­des Kli­ma der Angst und Kon­trol­le.“ Und auch am Ver­trau­en in die eige­ne Wirk­kraft feh­le es dann.

Wer hin­ge­gen authen­tisch agie­ren kann, weil ein ver­trau­ens­vol­les Men­schen­bild vor­herrscht, erzielt span­nen­de­re Ergeb­nis­se. Nicht nur, neh­men Men­schen schwie­ri­ge Her­aus­for­de­run­gen eher an, wenn sie die­se für sinn­voll und wert­voll erach­ten (intrin­si­sche Moti­va­ti­on). Auch für alle ande­ren Mit­wir­ken­den kann sich eine ech­te Befrei­ung ein­stel­len. Davon, sich nicht mehr hin­ter einer „pro­fes­sio­nel­len Mas­ke des All­wis­sen­den und Unfehl­ba­ren ver­ste­cken zu müs­sen.“ Das soge­nann­te „Mas­king“ raubt Ener­gie und Res­sour­cen, die an ande­rer Stel­le sinn­vol­ler ein­ge­setzt wer­den kön­nen.

Sol­che Ver­än­de­run­gen ent­fal­ten gera­de für hoch­sen­si­ble Men­schen vie­le bis dahin unent­deck­te Mög­lich­kei­ten, stellt Nevoigt in sei­nen Coa­chings immer wie­der fest. Sinn­lo­se Tätig­kei­ten, Ängs­te, sozia­ler Druck und frü­he­re Abwer­tun­gen ent­mu­ti­gen Men­schen. Sie füh­len sich blo­ckiert. Mar­tin Nevoigt hilft die­sen Men­schen dabei, sich die­se Blo­cka­den bewusst zu machen und sie abzu­le­gen. Im Ergeb­nis gehen Men­schen danach sehr viel zuver­sicht­li­cher und enga­gier­ter vor. Dazu gehört auch, eine sinn­vol­le Abgren­zung zu ent­wi­ckeln und häu­fi­ger mal „Nein“ zu sagen.

„Men­schen sind nicht faul, sie sind nur blo­ckiert und ent­mu­tigt.

Sei­ne Tipps und Metho­den gibt Mar­tin Nevoigt in Grup­pen-Work­shops auch an die Stu­die­ren­den im Mas­ter Sozi­al­ma­nage­ment der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin wei­ter. Zum Semes­ter­be­ginn 2022 dreh­te sich dabei alles um das The­ma Net­wor­king. Wie intro­ver­tier­te und hoch­sen­si­ble Per­so­nen erfolg­reich Net­wor­king betrei­ben kön­nen, hat er uns im Inter­view beant­wor­tet: zum Inter­view.

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Das Inter­view mit HSP-Coach Mar­tin Nevoigt (Web­sei­te) zum The­ma Hoch­sen­si­bi­li­tät im Berufs­all­tag und die redak­tio­nel­le Ver­ar­bei­tung erfolg­te durch Julia Mann (Mit­ar­bei­te­rin Mar­ke­ting Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin: Kon­takt).

Foto: Syl­via John

Hoch­sen­si­bi­li­tät im beruf­li­chen Kon­text sozia­ler Arbeit

Semi­nar mit Mar­tin Nevoigt

15. Juni 2023

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­ein­hei­ten

Start: 1. Okto­ber 2023

Sozi­al­ma­nage­ment, Mas­ter of Arts

Berufs­be­glei­ten­der Fern­stu­di­en­gang

Start: 16. Okto­ber 2023

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Workshop über das systemische Konzept der „neuen Autorität“ in der Sozialen Arbeit

Febru­ar 2023 | Stu­die­ren an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

Workshop über das systemische Konzept der „neuen Autorität“ in der Sozialen Arbeit

„Um ein Kind zu erzie­hen, braucht es ein gan­zes Dorf“ wirft die Trai­ne­rin und Sozi­al­ar­bei­te­rin Mag­da­le­na Kur­de in die Teil­neh­mer­run­de – und führt damit in einen zen­tra­len Gedan­ken des Kon­zepts „neue Auto­ri­tät“ ein. Dar­in spie­len Prä­senz (oder „wach­sa­me Sor­ge“) und ein Netz­werk an Bezugs­per­so­nen und Pro­fes­sio­nel­len eine zen­tra­le Rol­le, damit die Arbeit mit Kin­dern und Jugend­li­chen nach­hal­ti­ge Wirk­sam­keit ent­fal­ten kann. Ent­wi­ckelt wur­de die „neue Auto­ri­tät“ von Haim Omer, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Kli­ni­sche Psy­cho­lo­gie an der Tel Aviv Uni­ver­si­ty.

Die Teil­neh­men­den des Semi­nars „Sozia­le Bil­dungs­ar­beit“ an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie in Koope­ra­ti­on mit der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik unter Lei­tung von Prof. Dr. Tan­ja Sei­der dis­ku­tier­ten in einem Work­shop eige­ne Vor­stel­lun­gen von posi­ti­ver und nega­ti­ver Auto­ri­tät und erprob­ten dar­an anschlie­ßend Metho­den für eine posi­ti­ve und dees­ka­lie­ren­de Bezie­hungs­ge­stal­tung in Kon­flik­ten. Frau Kur­de, die Schul­so­zi­al­ar­bei­te­rin an einer Ber­li­ner Grund­schu­le ist, berich­te­te dabei auch aus ihrer schu­li­schen All­tags­pra­xis: „Neue Auto­ri­tät trägt dazu bei, dass Kin­der die Schu­le als einen siche­ren Ort erle­ben, an dem sie sich ent­fal­ten kön­nen.“ Ihr per­sön­li­cher Zugang sei es aber auch, die Schüler*innen am Beginn des Schul­tags stets mit zusätz­li­chem „Glit­zer“ im Schul­all­tag will­kom­men zu hei­ßen. 

Der Theo­rie-Pra­xis- Work­shop war für die unter­schied­li­chen Arbeits­fel­der der Teil­neh­men­den aus der Kin­der- und Jugend­hil­fe von Inter­es­se, um kon­flikt­rei­che All­tags­si­tua­ti­on aus der Berufs­pra­xis auf der Grund­la­ge die­ses Kon­zepts zu reflek­tie­ren.

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Text: Prof. Dr. Tan­ja Sei­der

Foto: Pari­tä­ti­sche Aka­de­mie Ber­lin

Hier geht es zum Ori­gi­nal­bei­trag auf der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik (HSAP).

Im berufs­be­glei­ten­den Stu­di­um der Sozia­len Arbeit (B.A.) mit Prä­senz­ein­hei­ten an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin unter­rich­tet die Dozen­tin Prof. Dr. Tan­ja Sei­der Sozia­le Bil­dungs­ar­beit. Der Stu­di­en­gang ist eine Koope­ra­ti­on zwi­schen der Hoch­schu­le für Sozia­le Arbeit und Päd­ago­gik und der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Der nächs­te Stu­di­en­gang star­tet im Okto­ber 2023.

Sozia­le Arbeit, Bache­lor of Arts

Stu­di­en­gang

Online-Stu­di­um mit Prä­senz­ein­hei­ten

Nächs­ter Start­ter­min: 1. Okto­ber 2023

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Das Mes­sie-Syn­drom

­– neue Erkennt­nis­se aus der Fach­welt

Janu­ar 2023 | Psy­chi­sche Erkran­kun­gen

Neue Erkenntnisse zum Messie-Syndrom

Vero­ni­ka Schrö­ter forscht und arbei­tet seit vie­len Jah­ren zum Mes­sie-Syn­drom. Die Bezeich­nung „Mes­sie-Syn­drom“ ist aller­dings ein Über­be­griff. Bis­her wur­de nicht klar zwi­schen den ver­schie­de­nen Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien unter­schie­den. Dabei müs­sen sie in ihrer Sym­pto­ma­tik, Behand­lungs­form und Ursa­chen klar von­ein­an­der dif­fe­ren­ziert wer­den.

Teil 1: Definition und Krankheitsbild

Um in der sozia­len Arbeit mit vom Mes­sie-Syn­drom betrof­fe­nen Men­schen umge­hen zu kön­nen, muss zunächst ein Ver­ständ­nis dar­über herr­schen, wor­um es sich bei dem Syn­drom han­delt. In der For­schung gab es in den letz­ten

Jahr­zehn­ten lan­ge kei­ne kla­re Ant­wort dar­auf. Ange­nom­men wur­de unter ande­rem, dass es sich um ein Sym­ptom einer ande­ren zugrun­de­lie­gen­den psy­chi­schen Erkran­kung han­deln könn­te. Ver­mu­tet wur­de mög­li­cher­wei­se eine Zwangs- oder Sucht­er­kran­kung, die ent­spre­chend the­ra­piert wer­den müs­se. Nun gibt es neue Erkennt­nis­se, über die wir mit Vero­ni­ka Schrö­ter gespro­chen haben. Seit mehr als 20 Jah­ren arbei­tet sie mit vom Mes­sie-Syn­drom

betrof­fe­nen Men­schen und hat unter­sucht, was genau dahin­ter­steckt.

Nach den For­schungs­er­geb­nis­sen einer von ihr durch­ge­führ­ten Stu­die im Jahr 2022 wird deut­lich: Es han­delt sich beim soge­nann­ten patho­lo­gi­schen Hor­ten um eine eigen­stän­di­ge Krank­heit (ICD-11). Schrö­ters Arbei­ten zei­gen auch: es gibt nicht „das“ Mes­sie-Syn­drom, son­dern unter­schied­li­che Aus­prä­gungs­for­men mit eige­nen Merk­ma­len. Das Mes­sie-Syn­drom ist dem­nach als ein Über­be­griff zu ver­ste­hen.

An der Albert-Lud­wigs-Uni­ver­si­tät Frei­burg unter der Lei­tung von Prof. Dr. Ebert führ­te sie eine Stu­die durch, in der das Krank­heits­bild „Mes­sie-Syn­drom“ näher defi­niert wur­de. Die Annah­me, dem Mes­sie-Syn­drom lie­ge eine ande­re psy­chi­sche Krank­heit (z. B. eine Zwangs­stö­rung) zugrun­de, konn­te in der Stu­die nicht bestä­tigt wer­den. Bestimm­te Bin­dungs­er­fah­run­gen, vor allem in der frü­hen Kind­heit lie­gend, füh­ren zu der Erkran­kung.

Die Annah­me, dem Mes­sie-Syn­drom lie­ge eine ande­re psy­chi­sche Krank­heit (z. B. eine Zwangs­stö­rung) zugrun­de, konn­te in der Stu­die nicht bestä­tigt wer­den.

Doch gren­zen wir das Phä­no­men zunächst ein: Von Klei­dung über Zeit­schrif­ten bis hin zu elek­tro­ni­schen Gerä­ten wie alte Han­dys und Co. – In der heu­ti­gen Kon­sum­ge­sell­schaft pas­siert es nicht sel­ten, dass sich Din­ge anhäu­fen, Schub­la­den und Schrän­ke regel­recht „über­quel­len“. Ab wann wird von einem Mes­sie-Syn­drom gespro­chen?

Laut Vero­ni­ka Schrö­ter ist dann vom Mes­sie-Syn­drom die Rede, wenn sich Sachen in einer Art und Wei­se sta­peln, sodass Betrof­fe­ne damit eine tat­säch­li­che Lebens­ein­schrän­kung erfah­ren. Eine Ein­schrän­kung kann zum Bei­spiel

dar­in bestehen, kei­ne Men­schen mehr zu sich ein­la­den zu kön­nen. Nicht nur wich­ti­ge sozia­le Kon­tak­te haben dann kei­nen Zugang mehr zu der betrof­fe­nen Per­son. Auch Sozialpädagog:innen oder Therapeut:innen und Pfle­ge­kräf­te kön­nen nicht mehr an die Betrof­fe­nen (wort­wört­lich) her­an­kom­men, um zu hel­fen.

Schrö­ter defi­niert drei Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien, die getrennt von­ein­an­der betrach­tet wer­den müs­sen.

Der ers­te Typus ist das patho­lo­gi­sche Hor­ten. Hier ist die Haupt­sym­pto­ma­tik, dass sich Men­schen von ihren Din­gen nicht mehr tren­nen kön­nen. „Das ist tro­cken. Da riecht und krab­belt auch nichts.“ merkt die Co-Autorin der Stu­die an. Zuvor wur­de das Sam­meln bzw. Hor­ten nicht von ande­ren Sym­pto­ma­ti­ken wie dem unhy­gie­ni­schen Wohn­si­tua­tio­nen oder der gar nach­läs­si­ger Kör­per­pfle­ge unter­schie­den. Das patho­lo­gi­sche Hor­ten hat jedoch

eine voll­stän­dig ande­re Ursa­chen­her­kunft als zuletzt genann­te.

Beim soge­nann­ten „Ver­mül­lungs­syn­drom“ gibt es im Gegen­satz zum ers­ten Typus auch Geruchs­bil­dung. Dies geschieht auf­grund einer Herd­ent­wick­lung unter den Sta­peln in der Woh­nung. Im Unter­schied zum patho­lo­gi­schen Hor­ten kann es hier laut Schrö­ter „auch zu Feuch­tig­keit und Schim­mel­bil­dung im Haus­halt kom­men.“

Dann gibt es noch eine drit­te Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gie. Die­se nennt sie das „Ver­wahr­lo­sungs­syn­drom“. Die The­ra­peu­tin beschreibt es so: „An die­sen Men­schen ist erkenn­bar, dass sie aus einem gesell­schaft­li­chen Kon­sens aus­ge­stie­gen sind.“ Damit meint sie all­ge­mein exis­tie­ren­de Über­ein­kunft, gepflegt aus dem Haus zu gehen. Der Hin­ter­grund ursäch­li­cher Art unter­schei­det sich hier grund­sätz­lich von den ande­ren Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien. Näm­lich die Tat­sa­che, dass die­se Men­schen an einer Bedeu­tungs- sowie Sinn­lo­sig­keit lei­den.

Zusam­men­ge­fasst gibt drei ver­schie­de­ne­ne Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien:

  • Das Patho­lo­gi­sche Hor­ten
  • Das Ver­mül­lungs­syn­drom
  • Das Ver­wahr­lo­sungs­syn­drom

Nicht nur in ihren Ursa­chen, auch in ihren Rechts­grund­la­gen unter­schei­den sie sich von­ein­an­der. So gibt es tat­säch­lich ein „Recht auf Ver­wahr­lo­sung“ . Bei „Ver­mül­lung“ ist das jedoch nicht der Fall. Hier muss auf der Rechts­grund­la­ge von Selbst- und Fremd­ge­fähr­dung gehan­delt und dar­auf­hin in den Wohn­raum ein­ge­grif­fen wer­den. Wich­tig ist der Mes­sie-Exper­tin aber, dass dies mit Wür­de geschieht. Wie man das umset­zen kann, ist lern­bar. Zum Bei­spiel bei ihr. Fach­kräf­ten der sozia­len Arbeit ver­mit­telt sie Grund­la­gen­wis­sen, unter­stützt als Coa­chin und Super­vi­so­rin sowie bei der Kon­zept­ent­wick­lung in ihren Ein­rich­tun­gen. Ihr Ziel: Das alle Mitarbeiter:innen das not­wen­di­ge Wis­sen und Hand­werk erhal­ten, um Mes­sie-Betrof­fe­ne auf glei­cher Ebe­ne beglei­ten zu kön­nen.

Wir möch­ten in Fol­ge­bei­trä­gen auf die Ursa­chen, Sym­pto­ma­tik, Behand­lungs­an­sät­ze der drei Aus­prä­gungs­ty­po­lo­gien näher ein­ge­hen. Die­se wer­den im Lau­fe des Jah­res in unse­rem Online-Maga­zin erschei­nen. Hier geht es zum Bei­trag über das Patho­lo­gi­sche Hor­ten in Abgren­zung zum Ver­mül­lungs­syn­drom.

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Vero­ni­ka Schrö­ter ist Grün­de­rin des Mes­sie-Kom­pe­tenz- Zen­trums in Stutt­gart und bil­det bun­des­weit Fach­kräf­te und Ein­rich­tun­gen in der Arbeit mit Betrof­fe­nen aus. Erfah­ren hier Sie mehr über die Semi­nar an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin.

Im Semi­nar Das Mes­sie-Syn­drom. Umgang mit Men­schen, die dau­er­haft im Cha­os leben. schult die Mes­sie-Exper­tin Fach­kräf­te dar­in, den typi­schen Her­aus­for­de­run­gen in der Arbeit mit Betrof­fe­nen auf pro­fes­sio­nel­le Wei­se gelas­sen und erfolg­reich zu begeg­nen. Im Jahr 2023 wird das Semi­nar im April sowie im Okto­ber ange­bo­ten.

Foto: Vero­ni­ka Schrö­ter

Bezie­hungs­dy­na­mik bei psy­chi­schen Stö­run­gen

Semi­nar

mit Dr. phil. Syl­via Sie­gel

27. Sep­tem­ber 2023 – 28. Sep­tem­ber 2023

Das Mes­sie-Syn­drom. Umgang mit Men­schen, die dau­er­haft im Cha­os leben.

Semi­nar

mit Vero­ni­ka Schrö­ter

19. April 2023 – 20. April 2023

Hand­lungs­stra­te­gien in der Arbeit mit psy­chisch kran­ken Men­schen

Semi­nar

mit Uta Rau­ten­strauch

28. Sep­tem­ber 2023 – 29. Sep­tem­ber 2023

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Maga­zin

Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie in der Sozi­al­wirt­schaft – Füh­rungs­kräf­te und Teams von innen stär­ken

Novem­ber 2022 | Füh­rungs­kräf­te

Interview mit Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner

Eine Fach­kraft, die sich am Arbeits­platz wohl­fühlt, ist moti­vier­ter und enga­gier­ter. So hat die inter­ne Team­kul­tur einen bedeu­ten­den Ein­fluss auf die Leis­tung der Mit­ar­bei­ten­den und natür­lich dar­auf, ob sie lang­fris­tig im Arbeits­platz blei­ben. Ein gutes Mit­ein­an­der unter Kolleg:innen ist nicht nur gut fürs Arbeits­kli­ma. Es wirkt sich zudem auch posi­tiv auf die Patient:innen bzw. Klient:innen aus.

Elke Katha­ri­na Mey­er und Tho­mas Achim Wer­ner haben es sich zur Auf­ga­be gemacht, Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie in die Sozi­al­wirt­schaft zu brin­gen. Sie beglei­ten Füh­rungs­kräf­te dabei, die­sen Ansatz in ihrer Ein­rich­tung zu inte­grie­ren. Im Inter­view spre­chen wir mit ihnen über ihre Erfah­rung als Berater:innen in sozia­len Orga­ni­sa­tio­nen und wel­che dort noch vor­herr­schen­den Glau­bens­sät­ze zum Bei­spiel nicht mehr funk­tio­nie­ren.

Herr Wer­ner, Sie kom­men aus dem Bank­we­sen. Frau Mey­er, Sie aus der Erwach­se­nen­bil­dung. Ist Füh­rung in sozia­len Ein­rich­tun­gen ein aktu­el­les The­ma und gibt es hier die­sel­ben typi­schen Pro­ble­me wie in ande­ren Bran­chen? Wie ent­stand die Idee für einen Zer­ti­fi­kats­kurs zu Posi­ti­ver Füh­rung?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung ist ein aktu­el­les The­ma, das in allen Bran­chen hel­fen kann, Men­schen für zukünf­ti­ge Her­aus­for­de­run­gen zu stär­ken. In der Sozi­al­wirt­schaft gibt es aller­dings beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen.

Zum einen zei­gen Unter­su­chun­gen, dass die wahr­ge­nom­me­ne Qua­li­tät der Füh­rung in der Sozi­al­wirt­schaft gerin­ger ist als in vie­len ande­ren Bran­chen. Hier wird viel Auf­merk­sam­keit auf die begüns­tig­ten Men­schen (Patient:innen / Kund:innen / Teil­neh­men­de) gerich­tet, aber oft zu wenig auf die hier arbei­ten­den Men­schen.

Zum ande­ren ist es vor dem Hin­ter­grund des Fach­kräf­te­man­gels ins­be­son­de­re in der Sozi­al­wirt­schaft wich­tig, attrak­ti­ve Arbeits­be­din­gun­gen zu bie­ten, um als Arbeit­ge­ber Mit­ar­bei­ten­de zu gewin­nen und zu hal­ten.

Füh­rungs­kräf­ten kommt dabei eine beson­de­re Stel­lung zu. Es ist nach­ge­wie­sen, dass Mit­ar­bei­ten­de, die das Unter­neh­men ver­las­sen, pri­mär ihre direk­ten Vor­ge­setz­ten und nicht das Unter­neh­men als Gan­zes ver­las­sen. Als Vor­bil­der sind Füh­rungs­kräf­te die direk­te Schnitt­stel­le zwi­schen Unter­neh­men und Mensch, sie tra­gen wesent­lich zum Team­kli­ma und der Kul­tur des Mit­ein­an­ders bei. Oft ist ihnen gar nicht im vol­len Umfang bewusst, dass sie in jedem Moment und mit jedem Ver­hal­ten bewusst und unbe­wusst als Modell wahr­ge­nom­men wer­den.

Dar­um ist es wich­tig, Füh­rungs­kräf­te bewusst dar­in zu schu­len, wel­che Wir­kung sie im Team haben und wie sie ganz bewusst eine för­der­li­che Füh­rungs­kul­tur schaf­fen kön­nen. Dabei geht es nicht nur um erlern­ba­res Ver­hal­ten, wie z. B. ein Gespräch nach einem bestimm­ten Leit­fa­den zu füh­ren. Es geht auch um die inne­re Hal­tung, die eine Füh­rungs­kraft gegen­über ihren Mit­ar­bei­ten­den oder einer Situa­ti­on ein­nimmt. Dafür haben wir den Zer­ti­fi­kats­kurs Posi­ti­ve Füh­rung ent­wi­ckelt.

Es ist nach­ge­wie­sen, dass Mit­ar­bei­ten­de, die das Unter­neh­men ver­las­sen, pri­mär ihre direk­ten Vor­ge­setz­ten und nicht das Unter­neh­men als Gan­zes ver­las­sen.

Wel­che Chan­ce sehen Sie in der Zusam­men­ar­beit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung ist noch recht neu und wur­de in den letz­ten Jah­ren von eini­gen inno­va­ti­ven Unter­neh­men mit sicht­ba­ren Ergeb­nis­sen imple­men­tiert. Mit die­sem Kurs wol­len wir die kräf­ti­gen­de Wir­kung der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie stär­ker auch in die Sozi­al­un­ter­neh­men brin­gen, so dass auch hier Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ten­de von den neu­es­ten Erkennt­nis­sen der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie pro­fi­tie­ren kön­nen.

Gera­de in die­ser Bran­che sind die Men­schen emo­tio­nal beson­ders gefor­dert und arbei­ten oft an ihrem Limit. Es ist uns nicht nur eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit, die­se Men­schen in ihrem Selbst­ma­nage­ment, ihrer Resi­li­enz und ihrem Mit­ein­an­der zu för­dern. Es ist auch eine gesell­schaft­li­che Not­wen­dig­keit, dass die­se Men­schen auch zukünf­tig ihren wert­vol­len Job aus­füh­ren kön­nen.

Durch geleb­te und umge­setz­te Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie wird sowohl das Arbeits­le­ben für die Füh­rungs­kräf­te als auch die Mit­ar­bei­ten­den ver­bes­sert. Ers­te For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen, dass das auch posi­tiv auf die Kund:innen / Patient:innen wirkt.

Über die Zusam­men­ar­beit mit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie möch­ten wir die wert­vol­len Erkennt­nis­se der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie auch den Betrie­ben der Gesund­heits- und Sozi­al­wirt­schaft näher­brin­gen. Das bie­tet auch klei­ne­ren Trä­gern, die (noch) kei­ne struk­tu­rier­te Füh­rungs­kräf­t­ent­wick­lung haben, die Mög­lich­keit, ihre Füh­rungs­kräf­te zu ver­tret­ba­ren Kos­ten zu ent­wi­ckeln.

Was sind die Schwer­punk­te und Stär­ken des Ansat­zes Posi­ti­ve Füh­rung?

Mey­er & Wer­ner: Posi­ti­ve Füh­rung basiert auf den wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie. Die­se befasst sich im Kern damit, wie ein erfüll­tes Leben gelin­gen kann und was dazu bei­trägt. Also weg vom Pro­blem­fo­kus hin zu Wachs­tum und Ent­fal­tung.

Für die Füh­rung bedeu­tet das, das Wert­vol­le und Gute zu erken­nen und zu stär­ken, anstatt nur Pro­ble­me zu besei­ti­gen. Wir igno­rie­ren Stö­run­gen und Schwä­chen nicht, aber beschrän­ken uns nicht auf die nega­ti­ve Abwei­chung, son­dern suchen bewusst die posi­ti­ven Abwei­chun­gen. Damit len­ken wir unse­re Ener­gie und Auf­merk­sam­keit auf die Bau­stei­ne, aus denen die Lösun­gen gestal­tet wer­den. Alle Model­le und Inter­ven­tio­nen haben eine wis­sen­schaft­li­che Basis mit nach­ge­wie­se­ner Wirk­sam­keit.

Neue­re Ansät­ze wie New Work und Agi­li­tät ver­lan­gen von den Men­schen viel Fle­xi­bi­li­tät und Ent­wick­lungs­be­reit­schaft. Mit der Posi­ti­ven Füh­rung stär­ken wir die Men­schen von innen her­aus, die Zukunft kraft­voll und zuver­sicht­lich zu gestal­ten.

Sie arbei­ten mit wis­sen­schaft­li­chen Model­len wie dem PER­MA-Modell. Woher kommt das und auf wel­chen Erkennt­nis­sen beruht es?

Mey­er & Wer­ner: Das PER­MA-Modell wur­de 2011 von Mar­tin Selig­man vor­ge­stellt, um die Ele­men­te von „Flou­ris­hing“, also einem gelin­gen­den Leben, struk­tu­riert und ver­ständ­lich dar­zu­stel­len. Es ist inzwi­schen gut erforscht und – im Ver­gleich zu vie­len ande­ren Model­len – leicht zu ver­mit­teln. Es bie­tet für unse­re Trai­nings einen

wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten und zugleich sehr pra­xis­ori­en­tier­ten Rah­men, um die Kern­in­hal­te der Posi­ti­ven Füh­rung lebens­nah zu ver­mit­teln.

Das PER­MA-Modell besteht aus 5 Ele­men­ten, die mit wis­sen­schaft­li­chen Ver­fah­ren mess­bar sind. Zugleich sind alle 5 Ele­men­te gut trai­nier­bar.

P – Posi­ti­ve Emo­tio­nen – Die For­schun­gen von Bar­ba­ra Fred­rick­son über posi­ti­ve Emo­tio­nen bezeich­net sie

selbst als „Schatz­tru­he der Mensch­heit“. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te die­se bei sich selbst und bei ihren

Mitarbeiter:innen aktiv anre­gen?

E – Enga­ge­ment – Die Stär­ken­for­schung ist – im Gegen­satz zur Defi­zit­ori­en­tie­rung der letz­ten Jahr­zehn­te – ein

ori­gi­nä­res For­schungs­feld der Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te Stär­ken und

Eigen­ver­ant­wor­tung för­dern?

R – Rela­ti­onship – Als sozia­le Wesen ist für uns das wert­schät­zen­de und ver­trau­ens­vol­le Mit­ein­an­der

wesent­lich für Zufrie­den­heit, Leis­tungs­fä­hig­keit und Gesund­heit. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te stär­ken­de

Arbeits­be­zie­hun­gen gestal­ten?

M – Mea­ning – Die Quel­le der Moti­va­ti­on ist das Wis­sen, war­um wir etwas tun. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te das

Bewusst­sein für das „War­um“ auf ver­schie­de­nen Ebe­nen schär­fen?

A – Accom­plish­ment – Die Freu­de dar­an, Din­ge zu schaf­fen und Zie­le zu errei­chen, stärkt Selbst­be­wusst­sein

und Mut. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te Zie­le setz­ten und Erreich­tes sicht­bar machen?

Die PER­MA-Modell wur­de gera­de im Füh­rungs­kon­text (genannt „Posi­ti­ve Lea­der­ship“) in den letz­ten Jah­ren im deutsch­spra­chi­gen Raum von unse­rem Kol­le­gen Mar­kus Ebner inten­siv erforscht. Die dar­aus resul­tie­ren­den sehr über­zeu­gen­den Ergeb­nis­se stel­len ein Rah­men­werk für unse­ren Kul­tur­kreis dar. Wir als Trai­ner fun­gie­ren als Brü­cke

zwi­schen Wis­sen­schaft und Unter­neh­men. Aus den For­schungs-Ergeb­nis­se bil­den wir umsetz­ba­re Tech­ni­ken und Wege, die Füh­rungs­kräf­te und Mit­ar­bei­ten­de im All­tag umset­zen kön­nen. Alle Ansät­ze, die wir in die­sem Zer­ti­fi­kats­kurs trai­nie­ren, die­nen der Stei­ge­rung einer oder meh­re­ren Säu­len des PER­MA-Modells.

Was ist Ihnen wich­tig, den Teil­neh­men­den zu ver­mit­teln? Wor­auf legen Sie wert?

Mey­er & Wer­ner: Wir selbst lie­ben und leben das, was wir wei­ter­ge­ben. Aus die­sem Grund bie­ten wir eine Fort­bil­dung, in der die Teil­neh­men­den für sich und ihr Umfeld mög­lichst viel mit­neh­men kön­nen. Dafür bie­ten wir Mög­lich­kei­ten zur Selbst­re­fle­xi­on, um bewuss­ter zu erken­nen und zu ver­ste­hen, was psy­cho­lo­gisch bei ihnen und ihrem Gegen­über geschieht. Auf Basis die­ser Refle­xi­on bie­ten wir Raum, um neu­es Ver­hal­ten aus­zu­pro­bie­ren und zu trai­nie­ren. Und letzt­lich sol­len die Füh­rungs­kräf­te die Fähig­keit aus­bau­en, ihre Füh­rungs­rol­le, ihr Füh­rungs­ver­hal­ten und ihre Füh­rungs­kul­tur jetzt und in zukünf­ti­gen Situa­tio­nen aktiv und bewusst zu gestal­ten.

Im Zen­trum geht es immer dar­um, die eige­nen Mus­ter im Den­ken, Füh­len und Han­deln zu erken­nen, zu ver­ste­hen und mit guter Absicht zukunfts­ori­en­tiert zu gestal­ten.

Wem wür­den Sie zu die­sem Kurs raten? Gibt es da beson­de­re Vor­aus­set­zun­gen oder Vor­kennt­nis­se, die sie erfül­len soll­ten?

Mey­er & Wer­ner: Die­ser Zer­ti­fi­kats­kurs rich­tet sich an alle Füh­rungs­kräf­te sowie an Men­schen, die bald in Füh­rung gehen. In die­ser Ziel­grup­pe erwar­ten wir per se grund­le­gen­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­kei­ten und prak­tisch ein­ge­setz­tes Füh­rungs­ver­hal­ten.

Die wich­tigs­te Vor­aus­set­zung sind Neu­gier und Offen­heit sowie die Bereit­schaft, das eige­ne Den­ken und Ver­hal­ten zu hin­ter­fra­gen und kon­struk­tiv zu ver­än­dern. Damit ver­bun­den ist auch die Erpro­bung und Umset­zung der Erkennt­nis­se in dem inte­grier­ten Pra­xis­pro­jekt.

Was kön­nen die Teil­neh­men­den von­ein­an­der ler­nen?

Mey­er & Wer­ner: Im Ver­lauf des Kur­ses ent­steht ein inten­si­ver Aus­tausch. Wir wer­den uns inten­siv ken­nen ler­nen. Was sind mei­ne eige­nen Stär­ken? Was macht mich als Füh­rungs­kraft aus? Wel­che Lösungs­stra­te­gien gelin­gen mir am leich­tes­ten?

Die­se Erkennt­nis­se ent­ste­hen nicht nur über Test­ver­fah­ren und Selbst­re­fle­xi­on, son­dern vor allen aus dem gegen­sei­ti­gen Feed­back in den Lern­part­ner­schaf­ten und bei den Übun­gen.

Da die Teil­neh­men­den aus unter­schied­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen kom­men, ent­steht ein wert­vol­ler Blick über den eige­nen Tel­ler­rand hin­aus. Unse­re Erfah­run­gen aus sol­chen Kur­sen zei­gen zudem, dass sich dar­aus bestän­di­ge Netz­wer­ke von Men­schen bil­den, die glei­cher­ma­ßen den Weg der Posi­ti­ven Füh­rung beschrei­ten.

Selbst­füh­rung ist ein Schlag­wort aus Ihrem Kurs. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te ler­nen, die Kon­trol­le und Ver­ant­wor­tung abzu­ge­ben?

Mey­er & Wer­ner: In unse­rem Füh­rungs­all­tag sind wir oft getrie­ben von äuße­ren Anfor­de­run­gen und Impul­sen. Ein Groß­teil unse­rer Reak­ti­on geschieht unbe­wusst.

„Zwi­schen Reiz und Reak­ti­on liegt ein Raum. In die­sem Raum liegt unse­re Macht zur Wahl unse­rer Reak­ti­on. In unse­rer Reak­ti­on lie­gen unse­re Ent­wick­lung und unse­re Frei­heit.“ Die­ses Zitat von Vik­tor Frankl bringt auf den Punkt, war­um Acht­sam­keit und Selbst­re­fle­xi­on für Ent­wick­lung unab­ding­bar sind.

Kon­trol­le und Ver­ant­wor­tung abzu­ge­ben, erfor­dert das eige­nen gute Gefühl dabei (P aus PER­MA) und Ver­trau­en in den Mit­ar­bei­ten­den ®. Der Blick auf die Stär­ken (E) mei­ner Mitarbeiter:innen ermög­licht eine gesun­de Ein­schät­zung, wel­che Auf­ga­ben ich wem geben kann. Wenn ich dele­gie­re, muss ich auch die Sinn­haf­tig­keit (M) ver­mit­teln. Dann kön­nen wir im Anschluss gemein­sam die Erfol­ge fei­ern (A). Und damit

eine Wachs­tums­spi­ra­le der posi­ti­ven Füh­rung ein­lei­ten.

Gibt es auch Vor­ur­tei­le und Zwei­fel, mit denen Sie kon­fron­tiert wer­den? Wie begeg­nen Sie die­sen?

Mey­er & Wer­ner: Uns begeg­nen eini­ge Vor­ur­tei­le und Zwei­fel und das kön­nen wir gut nach­voll­zie­hen. In unse­rer Kul­tur haben Begrif­fe wie „Zufrie­den­heit“ oder gar „Glück“ kei­nen gro­ßen Platz im Arbeits­all­tag und das löst Skep­sis aus. Eini­ge der häu­figs­ten Aus­sa­gen und unse­re Ant­wor­ten dazu sind:

„Nur das Posi­ti­ve im Blick zu haben, ist doch Schön­fär­be­rei.“ Genau. Da stim­men wir kom­plett zu. In der Posi­ti­ve

Psy­cho­lo­gie geht es nicht dar­um, schön zu fär­ben. Nega­ti­ve Emo­tio­nen gehö­ren genau­so zum Men­schen wie Posi­ti­ve. Sor­gen und Ängs­te gehö­ren genau­so zum Men­schen wie Hoff­nun­gen und Zuver­sicht. Wir spre­chen von einem gesun­den Gleich­ge­wicht und einer ange­mes­se­nen Balan­ce: Wie kön­nen wir unse­re ein­stu­dier­ten „Mus­ter“ so ändern, dass wir in unse­rem Leben und Mit­ein­an­der eine gesün­de­re und posi­ti­ve­re Basis schaf­fen.

„Das hat doch im Arbeits­kon­text nichts zu suchen, da sol­len sich die Men­schen in ihrer Frei­zeit drum küm­mern.“ Die mensch­li­che Psy­che und Gesund­heit zieht kei­ne kla­re Gren­ze zwi­schen Arbeit und Frei­zeit. Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Men­schen, die die Ansät­ze der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie umset­zen, sowohl leis­tungs­fä­hi­ger bei der Arbeit als auch zufrie­de­ner und erfüll­ter im Pri­va­ten sind. Inso­fern för­dern Arbeit­ge­ber, die in Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie inves­tie­ren das „Auf­blü­hen“ des gan­zen Men­schen.

„Posi­ti­ves Den­ken ken­nen wir schon aus den 80ger Jah­ren.“ Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie ist nicht Posi­ti­ve Den­ken. Tat­säch­lich zei­gen z. B. die For­schun­gen von Gabrie­le Oet­tin­gen, dass das falsch ein­ge­setz­tes „Posi­ti­ves Den­ken“ sogar nega­ti­ve wir­ken kann. Hier zeigt sich die Stär­ke der Wis­sen­schaft: „Bin­sen­weis­hei­ten“ wer­den auf den Prüf­stand gestellt, um her­aus­zu­fin­den, was wie hilft und wo wir lie­ber die Fin­ger von las­sen soll­ten.

„Ich habe schon eine fun­dier­te Füh­rungs­aus­bil­dung. Ich brau­che das nicht.“ Wun­der­bar, wenn Sie schon eine gut aus­ge­bil­de­te Füh­rungs­kraft sind. Eine Aus­bil­dung zum „Posi­ti­ve Lea­der“ ersetzt kei­ne Aus­bil­dung in den Füh­rung-Grund­la­gen (Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che, Füh­rungs­sti­le, Rol­len, Team­buil­ding). Zusätz­lich kön­nen Sie des­halb von die­ser Aus­bil­dung zum „Posi­ti­ve Lea­der“ vie­les neu und ver­tie­fend für ihre Füh­rungs­rol­le mit­neh­men.

Unter­su­chun­gen zei­gen, dass Men­schen, die die Ansät­ze der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie umset­zen, sowohl leis­tungs­fä­hi­ger bei der Arbeit als auch zufrie­de­ner und erfüll­ter im Pri­va­ten sind.

Wo sehen Sie die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren hin zu einer Hal­tungs­än­de­rung in den Füh­rungs­ebe­nen? Wel­che Her­aus­for­de­run­gen sehen Sie aktu­ell? Wo ver­su­chen Sie ent­ge­gen­zu­wir­ken?

Mey­er & Wer­ner: Noch prä­gen die Baby Boo­mer mit ihren Wer­ten die Füh­rungs­kul­tur der meis­ten Orga­ni­sa­tio­nen.

Jün­ge­re Gene­ra­tio­nen haben aber ganz ande­re Wer­te-Sets und vor allem ganz ande­re Erwar­tun­gen an die Qua­li­tät der Füh­rung. So es z. B. für die „Digi­tal Nati­ves“ völ­lig demo­ti­vie­rend, nur im Rah­men der (jähr­li­chen) Mit­ar­bei­ter­ge­sprä­che aus­führ­li­ches Feed­back zu erhal­ten. Die „Baby Boo­mer“ hin­ge­gen ken­nen das kaum anders.

Eine offe­ne und wachs­tums­ori­en­tier­te Hal­tung kann der Füh­rungs­kraft eine inne­re Kon­stan­te bie­ten, um mit den unter­schied­lichs­ten Mitarbeiter:innen und immer schnel­ler ein­tre­ten­den Ver­än­de­run­gen kon­struk­tiv umge­hen zu kön­nen.

Fach­kräf­te­man­gel, Digi­ta­li­sie­rung und ein agi­le­res Arbei­ten wer­den schnell wei­ter vor­an­schrei­ten. Auf der Ver­hal­tens­ebe­ne wird immer mehr Fle­xi­bi­li­tät erfor­der­lich. Um dabei gesund und moti­viert zu blei­ben, müs­sen das Bewusst­sein der eige­nen Stär­ken, der Wer­te und der Sinn­haf­tig­keit einen sta­bi­len Gegen­pol bie­ten. Dar­an arbei­ten

wir im gesam­ten Ver­lauf unse­res Zer­ti­fi­kats­trai­nings.

Wel­che For­men von Wert­schät­zung brau­chen Mit­ar­bei­ten­de? Wie kann die­se kon­kret aus­se­hen?

Mey­er & Wer­ner: Wert­schät­zung muss dem Men­schen ver­mit­teln, dass er als gan­zer Mensch gese­hen wird, nicht nur in sei­ner Rol­le oder Auf­ga­be. Klas­si­sche Wert­schät­zungs­tech­ni­ken der Mit­ar­bei­ter­füh­rung wie Akti­ves Zuhö­ren, Loben, zum Geburts­tag gra­tu­lie­ren, nach den Kin­dern fra­gen etc. bil­den eine gute Grund­la­ge.

Ein Stär­ken-Feed­back stärkt die Stär­ken. Posi­ti­ves Feed­back rich­tet den Fokus auf das Gelun­ge­ne. Allein schon die eige­nen Bedürf­nis­se ein­brin­gen zu kön­nen, wird als sehr moti­vie­rend betrach­tet. Wenn dann noch kon­struk­ti­ve Lösun­gen z.B. für die Kin­der­be­treu­ung, Home­of­fice oder die eige­ne Wei­ter­ent­wick­lung gefun­den wer­den, stei­gen Moti­va­ti­on und Enga­ge­ment noch wei­ter.

Jede Orga­ni­sa­ti­on und jedes Team soll­ten für sich selbst Ritua­le der Wert­schät­zung ent­wi­ckeln und eta­blie­ren. Wert­schät­zung kann nur wir­ken, wenn sie aus einer Hal­tung der Wert­schät­zung her­aus gezeigt wird und damit auch authen­tisch ist. Und das Indi­vi­du­um sich dabei gese­hen fühlt.

In unse­ren Kur­sen arbei­ten wir viel dar­an, genau die Ritua­le der Wert­schät­zung zu ent­wi­ckeln, die zu dem Team und der Orga­ni­sa­ti­on pas­sen.

Wie kön­nen bei­spiels­wei­se lösungs­ori­en­tier­te und wachs­tums­ori­en­tier­te Feed­back­ge­sprä­che geführt wer­den? Was sind dabei No-Gos?

Mey­er & Wer­ner: Der größ­te Feh­ler im Bereich Feed­back besteht dar­in, dass es zu wenig posi­ti­ves und bekräf­ti­gen­des Feed­back gibt, dass die Mitarbeiter:innen bestärkt und zugleich ein Wachs­tum anregt.

Ein No-Go ist unkon­kre­tes Feed­back: dann weiß der:die Mit­ar­bei­ten­de gar nicht genau, was die Füh­rungs­kraft mein­te. Eine kon­kre­te Rück­mel­dung zu erhal­ten, posi­tiv und nega­tiv, gibt Ori­en­tie­rung und Klar­heit und damit Sicher­heit. Ich bin rich­tig. Ich weiß, was von mir erwar­tet wird.

Und selbst ein posi­ti­ves Feed­back kann sich ein­schrän­kend auf die Ent­wick­lung aus­wir­ken. Das hat die groß­ar­ti­ge For­schung von Carol Dweck gezeigt. Etwa wenn ich nur den Sta­tus bewer­tend her­vor­he­be, anstatt das posi­ti­ve Ver­hal­ten zu beschrei­ben.

Mit dem Zer­ti­fi­kats­kurs Posi­ti­ve Füh­rung ermög­li­chen wir Füh­rungs­kräf­ten, die Chan­cen und Poten­zia­le Posi­ti­ver Füh­rung theo­re­tisch und prak­tisch für sich zu erschlie­ßen. Wir schaf­fen einen Lern- und Ent­wick­lungs­raum, um bes­se­re Füh­rungs­kul­tu­ren und in der Gesund­heits- und Sozi­al­wirt­schaft zu gestal­ten. Immer nach unse­rem Mot­to: „Für glück­li­che Men­schen in erfolg­rei­chen Orga­ni­sa­tio­nen“.

Elke Katha­ri­na Mey­er hat sich als zer­ti­fi­zier­te Trai­ne­rin und Bera­te­rin der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie (Posi­ti­vi­ty Gui­des) dar­auf spe­zia­li­siert, Men­schen in einen posi­ti­ven Wachs­tum zu brin­gen. Als NLP-Lehr­trai­ne­rin, Coach und Diplom-Päd­ago­gin beglei­tet sie seit über 25 Jah­ren Unter­neh­men zu den The­men Mit­ar­bei­ter­füh­rung, Selbst­ma­nage­ment, Kom­mu­ni­ka­ti­on und Unter­neh­mens­kul­tur – immer nach dem Mot­to: „Für glück­li­che Men­schen in erfolg­rei­chen Orga­ni­sa­tio­nen“.

Tho­mas Achim Wer­ner ist zer­ti­fi­zier­ter Trai­ner für Posi­ti­ve Psy­cho­lo­gie (Posi­ti­vi­ty Gui­des), NLP-Trai­ner (DVNLP), Diplom-Kauf­mann und Coach. Als Füh­rungs­kraft im Ban­ken­we­sen und Ven­ture Capi­tal ist er zudem mit lang­jäh­ri­ger Erfah­rung in der Unter­neh­mens­be­ra­tung tätig. Sein Mot­to: „Ich schla­ge Brü­cken – zwi­schen dem Jetzt und der Zukunft, zwi­schen Psy­cho­lo­gie und Betriebs­wirt­schafts­leh­re, zwi­schen Men­schen und Unter­neh­men“.

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Das Inter­view führ­te Annet­te Loy, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Lei­te­rin des Semi­nar­be­reichs an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin. Gemein­sa­mes Ziel der bei­den Trainer:innen und der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin ist es, Füh­rungs­kräf­te­ent­wick­lung im sozia­len Bereich zu ver­tret­ba­ren Kos­ten zu stär­ken.

Der Zer­ti­fi­kats­kurs zum „Posi­ti­vi­ty Lea­der in der Sozi­al­wirt­schaft“ mit den bei­den Interviewpartner:innen star­tet am 6. Sep­tem­ber 2023. Er besteht aus 10 Fort­bil­dungs­ta­gen in Prä­senz, vier Online-Ver­tie­fungs­ses­si­ons und zwei Ein­zel­coa­chings. Mel­den Sie sich jetzt über die Ver­an­stal­tungs­sei­te an!

Im Febru­ar und März 2023 kön­nen Sie außer­dem einen je zwei Tage dau­ern­den Grund­la­gen­kurs sowie einen Work­shop zum The­ma Posi­ti­ve Füh­rung mit Tho­mas Achim Wer­ner absol­vie­ren.

Foto: Tho­mas Achim Wer­ner und Elke Katha­ri­na Mey­er

Posi­ti­ve Füh­rung

Zer­ti­fi­kats­kurs

mit Tho­mas Achim Wer­ner und Elke Katha­ri­na Mey­er

6. Sep­tem­ber 2023 – 9. Febru­ar 2024

Grund­la­gen „Posi­ti­ve Füh­rung“

Online-Semi­nar

mit Tho­mas Achim Wer­ner

8. Febru­ar 2023 – 9. Febru­ar 2023

Chan­ge-Manage­ment für Füh­rungs­kräf­te

Online-Work­shop

mit Tho­mas Achim Wer­ner

1. März 2023 – 2. März 2023

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Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te in

ihrer Posi­ti­on sinn­voll mit Macht umge­hen, Frau von Wil­li­sen?

Novem­ber 2022 | Füh­rungs­kräf­te

Inter­view mit Ulri­ke von Wil­li­sen

Ulri­ke von Wil­li­sen ist Bera­te­rin und Super­vi­so­rin im Per­so­nal­ma­nage­ment und in der Ent­wick­lung inno­va­ti­ver Pro­jek­te. In ihren Fort­bil­dungs­for­ma­ten legt sie vor allem Wert auf Wis­sens­ver­mitt­lung über Füh­rungs­mo­del­le. Ihr Anspruch ist es, den Teil­neh­men­den in einem sehr pra­xis­ori­en­tier­ten Rah­men Ori­en­tie­rung und Hand­lungs­si­cher­heit zu geben. Die Coa­chin ver­fügt selbst über jah­re­lan­ge Erfah­rung als Geschäfts­füh­re­rin. Im fol­gen­den Inter­view spre­chen wir mit ihr über ganz­heit­li­ches Manage­ment, über die Macht­dy­na­mi­ken zwi­schen der Orga­ni­sa­ti­on, den Mit­ar­bei­ten­den und der Gesell­schaft und war­um Füh­rungs­kräf­te die­se erken­nen und pro­duk­tiv ein­set­zen soll­ten.

Frau von Wil­li­sen, Sie ver­bin­den in die­sem Kurs Grund­la­gen für Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen Ein­hei­ten zu nor­ma­ti­vem, ope­ra­ti­vem und stra­te­gi­schem Manage­ment. Das The­ma Agi­li­tät in der Füh­rung oder das Ent­wi­ckeln einer authen­ti­schen Füh­rungs­per­sön­lich­keit sind eben­so Inhal­te Ihres Semi­nars. Wie kön­nen Füh­rungs­kräf­te von die­ser Mischung in Ihrem Semi­nar pro­fi­tie­ren?

Von Wil­li­sen: Die unter­schied­li­chen Stra­te­gie­ebe­nen sind Teil des St. Gal­ler Manage­ment- Modells. Sie bil­den eine gute Leit­plan­ke für das ope­ra­ti­ve Han­deln. Das Arbei­ten in agi­len Teams gilt zur­zeit als sehr modern. In mei­nem Semi­nar beleuch­te ich die­sen, eigent­lich bereits Jahr­zehn­te alten Begriff und lade die Teil­neh­men­den dazu ein, ihn mit den Anfor­de­run­gen ihres Arbeits­be­rei­ches abzu­glei­chen.

Mein Ziel ist es, Füh­rungs­kräf­ten einen Raum zu geben, in dem sie einen guten Über­blick über ihr kom­ple­xes Schaf­fen gewin­nen und ganz kon­kret Lösun­gen für ihre her­aus­for­dern­den Füh­rungs­auf­ga­ben ent­wi­ckeln.

Ins­be­son­de­re durch den gemein­sam erleb­ten Grup­pen­pro­zess rei­fen die Teil­neh­men­den in ihrer Füh­rungs­per­sön­lich­keit.

Wel­che Per­so­nen neh­men an Ihren Fort­bil­dun­gen teil und was ver­bin­det sie?

Von Wil­li­sen: Eine wich­ti­ge Ent­schei­dungs­po­si­ti­on in einer Orga­ni­sa­ti­on aus­zu­fül­len, bedeu­tet meist auch eine gewis­se Ein­sam­keit aus­zu­hal­ten, selbst dann, wenn man Teil eines Lei­tungs­teams ist. Struk­tu­rell betrach­tet, gibt es

oft kein Gegen­über, das sich im Orga­ni­gramm auf der glei­chen Ebe­ne bewegt. Sich in einer ler­nen­den Grup­pe als „Pri­mus oder Pri­ma unter Pares“ zu befin­den ist eine ein­ma­li­ge Chan­ce. Die Grup­pe wirkt qua­si wie ein Ver­stär­ker bei der Ent­wick­lung zur Füh­rungs­per­sön­lich­keit.

Die Ver­an­stal­tung ist für Entscheidungsträger*innen pas­send, die die Mischung aus Wis­sens­ver­mitt­lung und Selbst­er­fah­rung beson­ders anspricht. Mei­ne Erfah­rung ist, dass auch Men­schen, die sich eher als nicht beson­ders grup­pen­af­fin beschrei­ben wür­den, von dem For­mat pro­fi­tie­ren und auf im Anschluss an die Ver­an­stal­tung fort­ge­führ­te Netz­wer­ke zurück­grei­fen.

Sie erwähn­ten zuvor das St. Gal­le­ner Manage­ment Modell. Was ist Ihrer Mei­nung nach der Mehr­wert des Modells für die Füh­rungs­kräf­te, die sie coa­chen?

Von Wil­li­sen: Das St.Galler Manage­ment – Modell wur­de im welt­weit sehr aner­kann­ten wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Fach­be­reich der Uni­ver­si­tät St.Gallen ent­wi­ckelt. Es ver­bin­det tra­di­tio­nel­les Wis­sen mit moder­nen Erkennt­nis­sen und For­schun­gen. Das Modell ist eine ganz­heit­li­che Manage­ment­leh­re, die kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge sehr klar und über­sicht­lich zu ver­deut­li­chen mag. Das Den­ken in Sys­te­men und For­men des refle­xi­ven Manage­ments spie­len dabei eine gro­ße Rol­le.

Gilt das auch für den Bereich gemein­nüt­zi­gen und sozia­len Arbeit?

Von Wil­li­sen: Als Füh­rungs­kraft mit Per­so­nal- und Finanz­ver­ant­wor­tung bewe­gen Sie sich im Bereich der

Unter­neh­mens­füh­rung. Aus mei­ner Sicht ist es im Kon­text einer guten Füh­rung sekun­där, ob die­ses im Pro­fit oder Non­pro­fit-Bereich erfolgt. Mora­li­sche Ansprü­che an eine gute Füh­rung, eine Cor­po­ra­te Gover­nan­ce, gel­ten glei­cher­ma­ßen für Verantwortungsträger*innen aus allen Berei­chen. Das St.Galler Modell bie­tet für alle Bran­chen einen Rah­men für ver­ant­wor­tungs­vol­les Füh­rungs­han­deln. Gleich­zei­tig gibt es selbst­ver­ständ­lich Beson­der­hei­ten des jewei­li­gen Arbeits­fel­des zu berück­sich­ti­gen, auf die ich spä­ter noch ein­ge­hen wer­de. Nach mei­ner Erfah­rung ver­fü­gen Lei­tungs­kräf­te im psy­cho­so­zia­len Bereich meist über ein sehr umfang­rei­ches Fach­wis­sen in ihrem

jewei­li­gen Arbeits­feld. Vie­len ist in die­sem Kon­text das sys­te­mi­sche Den­ken durch­aus ver­traut. Mir geht es in mei­ner Ver­an­stal­tung dar­um, dass die Teil­neh­men­den ihre Per­spek­ti­ve aus orga­ni­sa­tio­na­ler Sicht erwei­tern und

Dyna­mi­ken zwi­schen ihrer Orga­ni­sa­ti­on, dem gesell­schaft­li­chen Umfeld und den Mit­ar­bei­ten­den erken­nen.

Was möch­ten Sie ins­be­son­de­re Füh­rungs­kräf­ten ver­mit­teln? Wor­in möch­ten Sie sie bestär­ken?

Von Wil­li­sen: In mei­nem pro­zess­ori­en­tier­ten Coa­ching geht es in ers­ter Linie dar­um, ein eige­nes Pro­fil als authen­ti­sche Füh­rungs­kraft zu ent­wi­ckeln. Es gilt, den Mut zu för­dern, sich auf dem Par­kett der Unter­neh­mens­füh­rung sicher zu bewe­gen und die Lust am Gestal­ten zu ent­de­cken. Dazu zählt auch die Refle­xi­on über das The­ma “Macht“ und inwie­fern die­se pro­duk­tiv genutzt wer­den kann.

Im Zen­trum von Füh­rung geht es dar­um, die­je­ni­gen Vor­aus­set­zun­gen zu schaf­fen, die erfor­der­lich sind, damit eine Orga­ni­sa­ti­on sich selbst­or­ga­ni­sie­rend immer wie­der neu sta­bi­li­sie­ren kann. Folg­lich steht die Ent­wick­lung und Pfle­ge trag­fä­hi­ger Arbeits- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zie­hun­gen durch sorg­fäl­ti­ge Team­ent­wick­lung, ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis über die zu errei­chen­den Zie­le und die dafür zu leis­ten­den Tätig­kei­ten im Vor­der­grund. Ich wür­de sagen: Wir brau­chen wei­se Manager*innen mit einer wert­schät­zen­den und ver­trau­ens­vol­len Hal­tung gegen­über den Mit­ar­bei­ten­den.

Mei­ner Erfah­rung nach haben Mit­ar­bei­ten­de in sozia­len Berei­chen eine hohe intrin­si­sche Moti­va­ti­on, sie wol­len das Best­mög­li­che für ihre Kli­en­tel errei­chen und sie bewäl­ti­gen ihre Auf­ga­ben eher mit zu viel als zu wenig Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein. Füh­rungs­kräf­te kön­nen in die­sem Bereich umso mehr davon aus­ge­hen und dar­auf ver­trau­en, dass ihre Mit­ar­bei­ten­den zu Leis­tung und Koope­ra­ti­on bereit sind. Sie müs­sen eher dar­auf ach­ten, dass die gesteck­ten Zie­le nicht zu hoch sind, und dafür sor­gen, dass den Mit­ar­bei­ten­den ange­mes­se­ne, struk­tu­rell ver­an­ker­te Maß­nah­men gewährt wer­den, die vor Über­for­de­rung und Aus­bren­nen schüt­zen. Zudem soll­ten Füh­rungs­kräf­te dazu in der Lage sein, immer wie­der auf eine Meta­ebe­ne zu gehen. Sie sind sowohl Teil eines

Sys­tems, müs­sen gele­gent­lich aber auch eine Außen­po­si­ti­on ein­neh­men kön­nen.

Wel­che Chan­ce sehen Sie in der Zusam­men­ar­beit der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie und der För­de­rung von Füh­rungs­kräf­ten vor dem Hin­ter­grund des Fach­kräf­te­man­gels?

Von Wil­li­sen: Der Fach­kräf­te­man­gel wird uns mei­ner Ein­schät­zung nach noch Jah­re beglei­ten und die Trä­ger wer­den wei­ter­hin um die bes­ten Arbeits­kräf­te wer­ben müs­sen. Dabei sind nicht alle Unter­neh­men gleich stark vom Fach­kräf­te­man­gel betrof­fen. Natür­lich spie­len regio­na­le Bedin­gun­gen eine Rol­le.

Aber, wenn man auf die Grün­de schaut, war­um Arbeit­neh­men­de ein Unter­neh­men ver­las­sen, so wird pri­mär ein schlech­tes Ver­hält­nis zu den Vor­ge­setz­ten ange­ge­ben.“ Lei­ten“ im klas­si­schen Sinn funk­tio­niert nicht mehr

und Füh­rungs­kräf­te soll­ten Hal­tun­gen und Sicht­wei­sen ent­wi­ckeln, die sich an den Wer­ten von Sinn, Ver­trau­en und Ver­ant­wor­tung ori­en­tie­ren. Für Füh­rungs­kräf­te ist das Errei­chen einer sol­chen Hal­tung eine hohe Kunst, die

gera­de auch im Rah­men des Ange­bo­tes der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie ver­mit­telt wer­den soll­te.  

“Lei­ten“ im klas­si­schen Sinn funk­tio­niert nicht mehr und Füh­rungs­kräf­te soll­ten

Hal­tun­gen und Sicht­wei­sen ent­wi­ckeln, die sich an den Wer­ten von Sinn,

Ver­trau­en und Ver­ant­wor­tung ori­en­tie­ren.

Noch ein Blick in zu Zukunft: Wo sehen Sie die größ­ten Ver­än­de­run­gen in den kom­men­den Jah­ren für Füh­rungs­kräf­te im (psycho-)sozialen Bereich? Oder auch Her­aus­for­de­run­gen?

Von Wil­li­sen: Der Fach­kräf­te­man­gel wird wei­ter­hin eine gro­ße Her­aus­for­de­rung für Füh­rungs­kräf­te, aber auch für die Fach­kräf­te­teams blei­ben. In die­sem Zusam­men­hang spielt auch die Arbeit mit divers auf­ge­stell­ten Teams eine bedeu­ten­de Rol­le. Men­schen, die unter­schied­li­chen Gene­ra­tio­nen ange­hö­ren und/oder, die durch ver­schie­de­ne

kul­tu­rel­le Hin­ter­grün­de geprägt sind, sol­len ein Team bil­den. Vor die­sem Hin­ter­grund brau­chen wir Füh­rungs­kräf­te mit hohen sozia­len und inte­gra­ti­ven Kom­pe­ten­zen. Auch ist der digi­ta­le Wan­del in den Orga­ni­sa­tio­nen sehr

unter­schied­lich aus­ge­prägt. Die­ser wird nach wie vor auch auf Füh­rungs­ebe­ne vie­le Res­sour­cen bin­den.

 

Foto: Ulri­ke von Wil­li­sen

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Das Inter­view führ­te Annet­te Loy, Bil­dungs­re­fe­ren­tin und Lei­te­rin des Semi­nar­be­reichs an der Pari­tä­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin

Das Semi­nar „Grund­la­gen für Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen“ mit Ulri­ke von Wil­li­sen star­tet am 21. März 2023. Es besteht aus zwei Fort­bil­dungs­ta­gen und wei­te­ren 6 monat­li­chen Grup­pen­coa­chings in je 3 Stun­den. Mel­den Sie sich jetzt hier an.

Wenn Sie Ihre Orga­ni­sa­ti­on im digi­ta­len Wan­del vor­an­brin­gen wol­len, emp­feh­len wir Ihnen einen Blick in die Kurs­an­ge­bo­te des Digi­tal­fo­rums.

Füh­rungs­kräf­te in Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen

Semi­nar mit Ulri­ke von Wil­li­sen

21. März 2023 – 7. Dezem­ber 2023

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