Die Seeschule Rangsdorf auf dem Weg zur agilen und selbstorganisierten Bildungseinrichtung
Melanie Roy und Sophie Eckart arbeiten im Bereich Wohngruppe und Internat an der Seeschule Rangsdorf. Sie verfolgen das Ziel, die Effektivität, Attraktivität und Qualität ihres Arbeitsfelds steigern. Dabei probierten sie verschiedene Methoden des agilen Arbeitens aus. In der Pionierwerkstatt Agilität an der Paritätischen Akademie Berlin wurden sie dabei über ein Jahr lang begleitet. Im Interview erzählen sie uns anhand von 9 Fragen, was sie nun anders machen.
Die Seeschule Rangsdorf ist mehr als eine gewöhnliche Schule. Auf dem Gelände am Rangsdorfer See des seit1989 bestehenden Vereins gibt es Oberschule, Gymnasium und Kita und auch ein Internat mit integrierter Wohngruppe.
Was ist die Seeschule Rangsdorf für eine Einrichtung und wie viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind dort täglich unterwegs?
Melanie Roy: Wir betreiben als Verein einen Campus bestehend aus Oberschule und Gymnasium ab 7. Klasse, eine Kita, eine Wohngruppe, als auch ein Internat. Wir arbeiten inklusiv. Wir erweitern mittelfristig unsere Kita und ergänzen um den Bereich BEW sowie ambulante Hilfen.
Die Schulen haben Platz für 250 Kinder, wovon etwa ein Viertel auf dem Gelände wohnen kann. Leider nicht in der schulfreien Zeit, dafür aber mittlerweile auch an jedem 2. Wochenende. Etwa 73 Mitarbeitende dürften auf dem Gelände unterwegs sein.
Für welche Bereiche seid ihr beide speziell tätig?
Melanie Roy: Ich bin für den Bereich Wohngruppe und Internat zuständig und führe dort die Geschäfte. Es macht mir Freude, Themen, Strukturen als auch Probleme zu betrachten und nach Ideen zu schauen, die wir nutzen können, um uns weiterzuentwickeln. Ich liebe es, Verbesserungen zu realisieren.
Sophie Eckart: Ich bin pädagogische Mitarbeiterin. Mein Tätigkeitsbereich untergliedert sich in zwei verschiedene
Bereiche. Im Frühdienst begleite ich die Jugendlichen der Wohngruppe im schulischen Kontext. Das bedeutet, dass wir Unterrichtshospitationen durchführen, den Jugendlichen und Lehrern zur Seite stehen, wenn Problematiken auftreten und jederzeit Ansprechpartner für unsere Schützlinge sind. Im Nachmittagsbereich begleite ich die
Jugendlichen im Alltag. Das inkludiert unter anderem verschiedene Gruppenangebote, Begleitung von Lernzeiten, Gespräche zu jeglichen Anliegen, um die bestmögliche Unterstützung für die Jugendlichen zu erreichen. Uns ist es wichtig jeden Jugendlichen als Individuum zu sehen und ihm einen bestmöglichen Rahmen zu bieten, um sich weiterzuentwickeln und zu einer eigenständigen Persönlichkeit heranzuwachsen.
Mit welchem Ziel habt ihr euch dazu entschieden, an der Pionierwerkstatt der Paritätischen Akademie teilzunehmen? Wie kam es dazu?
Melanie Roy: Ich habe vor fast 3 Jahrzehnten meine Diplomarbeit über das Thema „soziale Arbeit als organisationsentwicklerische Tätigkeit“ geschrieben. Wirtschaftsbegriffe in die soziale Arbeit zu übertragen war für die Dozierenden an der Fachhochschule Frankfurt am Main mit ihrem alt 68er Charme ein gewisser Affront zur damaligen Zeit. Da war „Sozialmanagement“ noch kein Begriff. Das habe ich dann später noch berufsbegleitend studiert.
Mir sind im Laufe der Zeit mit zunehmendem Trend die Themen New Work, agil, integral und so weiter vor die Füße gefallen. Natürlich auch das Buch von Frédéric Laloux „Reinventing Organizations“*. Mit den Inhalten saß ich dann verzweifelt da und habe mich gefragt, wie das in den sozialen Arbeitsbereich zu übertragen ist. Ich habe zwar gefühlt, dass die Paradigmen eine gute Sache sind, aber keine Ahnung gehabt, wie und ob das zu implementieren geht.
Dann hatte ich die ersten Fortbildungen bei Björn Schmitz an der Paritätischen Akademie zu diesem Thema. So sind die Puzzleteile dann an ihren Platz gefallen. Anstelle von Leitungssupervision, habe ich die „Führungsnuggets“ mit möglichst vielen Mitarbeitern aus dem Leitungsteam genutzt. Die Pionierwerkstatt war in Folge ein großartiges Format, um mit diesen Themen am Ball zu bleiben. Und die Einladung, das zu zweit zu machen, also Führungskraft und Mitarbeiter:in, finde ich genial. Anfangs hat mir das etwas Sorgen bereitet, aber rückblickend war das nicht nötig. Da wir das Glück hatten, Fördermittel bei der ILB** beantragen zu können haben wir die Kosten auch auf 2 für 1 reduzieren können.
Sophie Eckart: Melanie sprach mich im vergangenen Jahr an und erzählte mir von dieser Weiterbildung und fragte mich im Zuge dessen, ob ich Lust hätte dies gemeinsam mit ihr im Tandem zu machen. Zunächst konnte ich mir wenig darunter vorstellen. Wie kann ich, als pädagogische Mitarbeiterin, auch davon profitieren? Da es langfristig jedoch mein Ziel ist, eine Leitungsposition zu übernehmen, erschloss sich mir schnell, wie auch ich dies für meine berufliche Zukunft nutzen kann. Hinzu kam, dass Melanie sehr begeistert von der Arbeit des Dozenten Björn Schmitz aus ihren bisherigen Fortbildungen berichtete. Das Themengebiet weckte schon nach den ersten Terminen großes Interesse bei mir und wir konnten gemeinsam schauen, wie wir als Institution und vor allem wir als Team uns weiterentwickeln können.
Das waren ja erstmal viele Leitungs- und Führungsthemen, die für mich vorher nicht ganz greifbar waren. Im Nachhinein muss ich sagen, fand ich das unfassbar gewinnbringend für uns beide und auch fürs Team. Es steht nicht eine Person allein da und muss das Ganze etablieren und umsetzen, sondern wir können gemeinsam schauen, was wichtig ist und was wir davon nutzen können.
Das zu Zweit zu machen, also Führungskraft und Mitarbeiter:in, finde ich genial. Anfangs hat mir das etwas Sorgen bereitet, aber rückblickend war das nicht nötig. Da wir das Glück hatten, Fördermittel bei der ILB beantragen zu können, haben wir die Kosten auch auf 2 für 1 reduzieren können.
Melanie Roy
Habt ihr eigene Themen mit in die Werkstatt gebracht, für die ihr nun Lösungsansätze entwickeln konntet?
Melanie Roy: Zu Beginn der Werkstatt haben wir herausgefunden, dass uns das Thema Meetingkultur sehr beschäftigt und wir uns das vornehmen möchten. Das, was wir als „schlecht“ empfunden haben, hat dann erstmal Namen bekommen: Popcorn-Info- und Trichterveranstaltung, zu wenig Dynamik, mangelnde Vorbereitung, wem gehört die Sitzung, sitzen die richtigen Leute am Tisch und so weiter.
Wir konnten das einbringen, haben Feedback bekommen und haben uns danach einen neuen Plan gemacht. Zu diesem Prozess gehörte auf jeden Fall sowas wie: Sortenreinheit des Meetings, Check-In und Auswertung, More Drama, Fokus auf das Beeinflussbare, kein Meeting ohne Moderation, Einbeziehung aller, Methoden anwenden, Vorbereitung, Einführung bestimmter Formate, Kanban Bords, und vieles mehr.
Aber auch für andere Vorhaben im Betrieb haben wir konkrete Unterstützung bekommen, damit wir uns erstmal im Wald der Möglichkeiten orientieren können.
Hat sich eure Meetingkultur seitdem verbessert?
Sophie Eckart: Wir sind auf dem Weg und haben einen guten Anfang gemacht. Auch, wenn es vielleicht manchmal hart war, haben wir gutes Feedback bekomme. Nachdem wir unsere Ideen bei der Fortbildung vorgestellt hatten, haben wir sowohl von den Teilnehmenden als auch von Björn Schmitz gute Anregungen erhalten. Daraufhin konnten wir schauen, wie wir nachjustieren können und was wir verändern können. Besonders gut war, dass es auch immer einen Rückblick gab. Da haben wir uns angesehen, was wir im letzten Termin mitgenommen haben, was wir umgesetzt und ausprobiert haben und wo wir weiter ansetzen wollen. Wir sind noch lange nicht am Ende angekommen und freuen uns gemeinsam mit dem Team neue Methoden auszuprobieren und zu etablieren.
Wie soll sich euer Bereich der Jugendhilfe an der Seeschule Rangsdorf entwickeln?
Melanie Roy: Für unseren Bereich habe ich die Hoffnung, dass alle Spaß an der Arbeit haben, jeder die ein oder andere Methode findet, die auch auf anderer Ebene hilfreich sein kann, das Miteinander dadurch vielfältiger wird, Lösungen schneller gefunden werden, sich jeder auf seinem Posten kompetent und handlungsfähig fühlt, Einflussbereiche geklärt sind, unnötige Regeln über Bord gehen und durch Relevantes ersetzt werden, dass Veränderung zum Alltag gehören kann. Und muss, denn von unseren Jugendlichen erwarten wir genau das.
Welche Tools oder Methoden nehmt ihr mit? Was hat euch besonders geholfen?
Melanie Roy: Für mich war der größte Aha-Moment die Erkenntnis, dass wir, wie Björn Schmitz es sagt, „irrend voran robben“ können. Bisher habe ich mich nach Fortbildungen noch nicht fortgebildet genug gefühlt, um Dinge umzusetzen und habe lieber noch eine Ausbildung gemacht. Oder das Thema begraben. Das ist hier ein ganz gravierender Unterschied für mich gewesen. Ich bin eingedeckt mit Methoden und Informationen und fühle mich frei, daraus einfach Dinge auszuprobieren. Nach und nach etabliert sich das ein oder andere im Alltag.
Sophie Eckart: Wir haben bei der Weiterbildung so viele Methoden an die Hand bekommen, welche wir nach und nach für uns ausprobieren werden. Melanie und ich schauen gemeinsam, welche Methoden wir zu bestimmten Themen anwenden können und haben uns hier schon eine kleine Struktur angelegt. Erste Methoden sind bereits etabliert und andere werden wir in der Zukunft auf jeden Fall noch ausprobieren. Learning by doing ist hier die maßgebliche Richtung. Wir sind durch die Weiterbildung auf jeden Fall probierfreudiger geworden. Geholfen hat mir vor allem auch immer wieder der gemeinsame Rückblick in der Gruppe, was wurde bereits ausprobiert und was wollen wir in Zukunft noch ausprobieren. Hierdurch konnten wir durch die anderen Teilnehmenden und Björn Schmitz eine Rückmeldung erhalten und weitere Ideen entwickeln.
Die Fehlerfreundlichkeit ist auch ein wichtiger Aspekt für mich. Am Anfang wollten alles am besten ganz genau durchplanen. Doch es muss eigentlich gar nicht perfekt sein. Wir haben es gerade selber erst gelernt. So kommunizieren wir das auch dem Team. Wir probieren jetzt einfach mal aus und dann gucken wir, ob es passt oder nicht, oder ob wir etwas nachjustieren. Ansonsten haben wir wirklich vieles an die Hand bekommen und separieren jetzt gerade einfach für uns. Was können wir mitnehmen? Was können wir für die Teamsitzung und für die Fallbesprechungen anwenden und was bringt uns weiter?
Bisher habe ich mich nach Fortbildungen noch nicht fortgebildet genug gefühlt, um Dinge umzusetzen und habe lieber noch eine Ausbildung gemacht. Oder das Thema begraben. Das ist hier ein ganz gravierender Unterschied für mich gewesen.
Melanie Roy
Konntet ihr von den anderen Teilnehmenden aus sozialen Einrichtungen etwas für euch mitnehmen?
Melanie Roy: Ja, auf jeden Fall. Das kommt zum Wert der Fortbildung noch obendrauf, dass ich von den anderen lernen kann und etwas über die anderen Arbeitsbereiche erfahre. Es war darüber hinaus eine super nette Gruppe, in der sich jeder gut öffnen konnte.
Sophie Eckart: Der Austausch mit den anderen Teilnehmern war wirklich sehr produktiv. Auch wenn es unterschiedliche Einrichtungen waren, konnten gemeinsame Problematiken abgeglichen werden und gegenseitige Ratschläge ausgetauscht werden. Außerdem war es gut durch die anderen Teilnehmer ganz andere Perspektiven zu erlangen. Förderlich war hier natürlich sehr die Offenheit und Unvoreingenommenheit der Gruppe.
Es muss eigentlich gar nicht perfekt sein. Wir haben es gerade selber erst gelernt. So kommunizieren wir das auch dem Team. Wir probieren jetzt einfach mal aus und dann gucken wir, ob es passt oder nicht, oder ob wir etwas nachjustieren.
Sophie Eckart
Wie konntet ihr die intensive Fortbildung mit eurem Arbeitsalltag organisieren? Habt ihr Tipps für zukünftige Teilnehmende?
Melanie Roy: Für mich ist das weniger ein Problem, weil ich nicht aus einem Dienstplan herausfalle. Ich fand das Format als Kombination aus analog und digital ganz hervorragend gewählt. Es war auch ausreichend Zeit dazwischen, um sich mit dem Gelernten zu beschäftigen.
Sophie Eckart: Da die Termine lange im Voraus bekannt waren, konnten die Dienste dementsprechend frühzeitig geplant und vertreten werden. Das war dann relativ gut machbar. Wichtig ist jedoch, dass man sich ebenfalls Zeit einräumt, um die Weiterbildung für sich zu reflektieren und zu schauen, was man an Methoden integrieren kann.
Vielen herzlichen Dank für das Interview! Wir wünschen euch noch viel Erfolg bei der Weiterverfolgung eurer Ziele in der Seeschule Rangsdorf (hier lernen Schüler*innen individuell und motiviert fernab vom Stress – mehr über die Seeschule).
Die Pionierwerkstatt 2024 startet im Juli! Melden Sie sich jetzt an!
*Im Beitrag erwähntes Buch: Laloux, F. (2015). Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit (M. Kauschke, Übers.; 1. Aufl.). Vahlen, Franz.
**ILB = Investitionsbank des Landes Brandenburg des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Energie des Landes Brandenburg
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Redaktion: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Foto im Titelbild: Seeschule Rangsdorf e.V.
Agile Führung – Teams und Organisationen in die Selbstorganisation führen
Seminar (4 Tage) mit Björn Schmitz
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Paritätisch Nachhaltig: Zukunftsfähige Lösungen für die Soziale Arbeit
Bei der Veranstaltung am 14.06.2023 diskutierten Paritätische Mitgliedsorganisationen aus verschiedensten Bereichen der Sozialen Arbeit, wie nachhaltige, wirkungsorientierte und KI-basierte Ansätze die Soziale Arbeit
transformieren können. Neue Impulse gaben Expertinnen und Experten in verschiedenen Workshops. Als Plattform für Reflexion und Austausch stärkt die Veranstaltung Netzwerke und Kooperationen im Verband.
Soziale Nachhaltigkeit gestalten: Visionen und Strategien für soziale Organisationen
Wie können wir unsere Angebote so gestalten, dass sie zu einer nachhaltigen Veränderung (Impact) auf gesellschaftlicher Ebene beitragen und die gleichberechtigte Teilhabe aller fördern? Wie gehen wir mit neuen Technologien (KI) um und welchen Einfluss haben diese auf unsere Arbeitsweisen? Diese aktuellen Fragen machen deutlich, dass nachhaltige Soziale Arbeit innovative Herangehensweisen verlangt: Es geht darum mit vorhandenen, knappen Ressourcen neue Lösungen und Wege zu finden. Nachhaltige Soziale Arbeit bedeutet dabei auch, wirkungsorientierte Konzepte zu stärken.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Arbeit im Innovationsforum führte der Impulsvortrag von Steve Grundig, plant values, in die Welt der Nachhaltigkeit ein und zeigte Herausforderungen und Chancen für soziale Organisationen im Umgang mit dem Thema Nachhaltigkeit auf. Aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklung wurden vorgestellt und Ansätze wie die 17 Ziele Nachhaltiger Entwicklung und ihre Anwendungsmöglichkeiten erläutert.
- Referent: Steve Grundig, Coach und Berater für CSR‑, Werte- und Nachhaltigkeitsmanagement, plant values GbR
Vertiefende Workshops zu Zukunftsfragen der Sozialen Arbeit
In Workshops zu (sozialer) Nachhaltigkeit, künstlicher Intelligenz und wirkungsvoller Projektarbeit brachten (externe) Expertinnen und Experten neue Impulse ein. Mitgliedsorganisationen stellten ihre Angebote und Erfahrungen vor und diskutierten neue Ansätze.
Nachhaltigkeitsdialog: Relevante Herausforderungen und inspirierende Beispiele in sozialen Organisationen
Wie können wir Nachhaltigkeit in sozialen Organisationen umsetzen, sowohl intern als auch in der Arbeit mit den
Menschen? Im Nachhaltigkeitsdialog wurden Erfahrungen ausgetauscht und über kreative und langfristige positive Ansätze für Menschen und Umwelt reflektiert. Die Themen reichten von großen Fragen wie Strategien zur nachhaltigen Organisationsentwicklung bis hin zu konkreten Tipps und Life Hacks im Alltag wie Tauschmärkten und Tassenspenden aus der Nachbarschaft für gemeinsame Feste, um Einweggeschirr zu vermeiden. Deutlich wurde, welche große Rolle aktuell Fragen der sozialen Nachhaltigkeit wie gute Arbeitsbedingungen und mentale
Gesundheit der Mitarbeitenden in den Organisationen spielen.
- Steve Grundig, Coach und Berater für CSR‑, Werte- und Nachhaltigkeitsmanagement, plant values GbR,
- Lea Winnig, Innovation und Nachhaltigkeit, Paritätischer LV Berlin e.V.
Weil Soziale Arbeit wirkt: Nachhaltigkeit trotz Projektitis
Soziale Organisationen haben stets das Ziel mit ihrer Arbeit Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene (Impact) zu bewirken. Wirkungsorientierung ist eine Haltung, bei der man vom Ergebnis aus denkt, der Ansatz kann dabei helfen, eigene Angebote und Maßnahmen so auszurichten, dass nachhaltige Veränderungen für Zielgruppen erreicht werden können. Der Workshop bot einen gemeinsamen Lernraum, in dem sich soziale Organisationen über bewährte Praktiken, Erfahrungen und Methoden austauschen konnten. Mit dem Design Thinking Ansatz wurden neue Ideen entwickelt, wie soziale Organisationen ihre Wirkung planen, evaluieren und über diese berichten können.
- Lisa Opel, Coachin und Dozentin für Wirkungsorientierung,
- Anika Göbel, Wirkung, Paritätischer LV Berlin e.V.
Zukunft gestalten: Künstliche Intelligenz und innovative Praxisbeispiele in sozialen Organisationen
Wie verändert die KI den Tätigkeitsbereich der sozialen Arbeit? Welche Potentiale und welche Gefahren birgt der Einsatz von KI? Diese Frage wurden im Workshop ausführlich diskutiert. Hilfreich in der Auseinandersetzung können dabei Lernplattform für Künstliche Intelligenz wie der KI Campus, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF,) sein. Er bietet eine breite Palette von E‑Learning-Angeboten für Anfänger und
Fortgeschrittene im Bereich KI.
- Stefan Göllner, Innovation Manager bei KI-Campus (Stifterverband),
- Anika Haußner, New Work, Paritätischer LV Berlin e.V.
Was ist das Innovationsforum?
Um soziale Organisationen dabei zu unterstützen mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen umzugehen, hat der Paritätische Berlin 2019 gemeinsam mit der Paritätischen Akademie das Innovationsforum ins Leben gerufen. Unser Auftrag besteht darin, in einer schnelllebigen Zeit gemeinsame virtuelle und analoge Räume für Austausch, Reflexion und Information zu schaffen sowie starke Netzwerke und Kooperationen zu kreieren. Dabei möchten wir uns leiten lassen von Kreativität, Mut und Offenheit für Neues, anstatt ständig darüber nachzudenken, was nicht geht und nicht funktioniert. Das Innovationsforum bündelt Expertise und Wissen und schafft die Möglichkeit, Ansätze und Methoden von außerhalb der sozialen Bubble einfließen zu lassen. In Netzwerk-Veranstaltungen für Paritätische Mitgliedsorganisationen nehmen wir uns Themen aus den Bereichen soziale Innovationen, Wirkung sozialer Arbeit und der neuen Arbeitswelten an. Im Zusammenspiel mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft, der freien Wirtschaft und Institutionen bieten wir somit eine weitere Plattform für interdisziplinäre Vernetzung. Unsere Mitgliedsorganisationen sind mit ihren unterschiedlichen fachlichen Perspektiven zentrale Akteurinnen des Innovationsforums.
Innovationsforum – Gestern, heute, morgen: Gemeinsam die soziale Arbeit prägen
Mehr Informationen zum Innovationsforum und den Veranstaltungen finden Sie auf: Paritätisches Innovationsforum – Qualifizierung & Netzwerkarbeit (paritaetisches-innovationsforum.de)
Der Bericht ist am 10.07.2023 auf paritaet-berlin.de erschienen.
Foto: Boaz Arad
Change-Management für Führungskräfte – mit positiver Führung Veränderungen erfolgreich begleiten
Seminar mit Thomas Achim Werner
Mehr als Sozial: Wohlfahrt & die SDGs
Online-Seminar mit Marius Hasenheit
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New Work im Hochschulbereich
Im Gespräch mit Evelyn Kessler (Absolventin, M.A. Sozialmanagement) über ihre Masterarbeit zum Thema hybride Führung im mittleren Management einer Fachhochschule in der Schweiz.
Evelyn Kessler arbeitet als Projektmanagerin an einer Fachhochschule. Sie interessiert sich für die Herausforderungen der Führungskräfte ihrer Arbeitgeberin. Als Bindeglied zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitenden, kommt den Führungskräften im mittleren Management eine wichtige Rolle zu, hat sie erkannt. Denn sie kommunizieren und implementieren die Strategien des Unternehmens. Das soll in Zukunft auch zu ihren Aufgabengebiet zählen. So widmete sich Evelyn Kessler im Rahmen ihrer Masterarbeit dem Thema hybride Führung und New Work bei ihrer Arbeitgeberin. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie anhand ihrer Analyse New Work-Ansätze in Unternehmen eingeführt werden können. Außerdem geht es darum, wie ihr das Masterstudium in Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie Berlin darin geholfen hat, ihre Position auszuführen.
Es handelt sich beim Master Sozialmanagement um einen berufsbegleitenden Studiengang. Wo waren Sie zu Beginn des Studiums beruflich tätig?
Evelyn Kessler: Ich habe als Projektmanagerin in einem Unternehmen, welches auf digitale Transformationen für mittelständischen und Großunternehmen spezialisiert ist, gearbeitet. In einem internationalen Team habe ich mit Kolleg:innen ein neues Data Center Infrastructure Management Tool implementiert.
Welche Inhalte des Studiengangs konnten Sie in Ihren Berufsalltag einbringen?
Evelyn Kessler: Da ich aktuell in einem Change-Management Projekt arbeite, war dieses Thema besonders interessant für mich. Insbesondere die Erstellung eines Kommunikationsplans, welchen ich in einer Hausarbeit ausgearbeitet habe, konnte ich sehr gut im Projekt einbinden und entsprechende Impulse für das Team setzen.
In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit „New Work“ und Hybrider Teamführung im mittleren Management beschäftigt. Wie kam es dazu und was waren die zentralen Fragen in Ihrer Arbeit?
Evelyn Kessler: Das Ziel meiner Masterarbeit war es anhand eines konkreten Unternehmens, der Kalaidos Fachhochschule einer privaten akkreditieren Bildungseinrichtung in Zürich zu eruieren, wie Führungskräfte des mittleren Managements hybride Teams unter Bezug auf New Work erfolgreich führen können. So gibt es zwar zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, wie New Work am besten eingesetzt werden kann, aber die konkrete Betrachtung, wie das mittlere Management hybride Teams unter Bezug von New Work im Hochschulbereich erfolgreich führen kann, war eine Forschungslücke. Gerade Führungskräfte im mittleren Management sind dabei
relevante Stakeholder für das New Work, auf welche ich mich fokussierte. Ihnen kommt eine wichtige Rolle in der Kommunikation und Implementierung unternehmerischer Strategien zu, denn sie sind Bindeglied zwischen der
Geschäftsführung und den Mitarbeitenden des Unternehmens. Sie vertreten die von oben entschiedenen Vorgaben und müssen viele Entscheidungen auf anderen Ebenen treffen.
Anhand von leitfadengestützten Expert:inneninterviews und einer qualitativen Inhaltsanalyse habe ich herausgearbeitet, was die Führungskräfte unter New Work verstehen, wie sie den Herausforderungen der Führung hybrider Teams begegnen und was die größten Herausforderungen bei der Führung hybrider Teams unter Bezug von New Work für sie und dem Bildungsinstitut, der Kalaidos Fachhochschule, sind.
Des Weiteren untersuchte ich, welche Qualifikationen, Kompetenzen und Ressourcen eine Führungskraft nach Selbsteinschätzung für die Arbeit mit New Work benötigt. Diese Erkenntnisse waren wichtig, um darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen für die Fachhochschule herausarbeiten zu können.
Gab es für Sie Herausforderungen beim Schreiben der Abschlussarbeit? Und wie haben Sie diese gemeistert?
Evelyn Kessler: Die größte Herausforderung war es für mich, mich konkret auf nur einen Aspekt von New Work und der Führung von hybriden Teams innerhalb meiner Firma zu fokussieren. In meinen leitfadengestützten Interviews zeigten sich noch zahlreiche weitere spannende Aspekte, welche man eingehender analysieren hätte können. Ich musste mir deshalb im Laufe der Arbeit immer wieder meinen Fokus und meine zentralen Forschungsfragen vor Auge halten, damit ich den roten Faden meiner Arbeit nicht verliere.
Außerdem habe ich die Methode des leitfadengestützten Interviews und der inhaltsanalytischen Analyse dessen zum ersten Mal angewandt, es brauchte Zeit, bis ich mich hier selbstständig durch die Literatur gekämpft hatte und Aufnahme der Interviews, Transkription dieser und Codierung mit Hilfe von MAXQDA haben ebenfalls sehr viel Zeit beansprucht.
Welchen Tipp würden Sie sozialwirtschaftlichen Unternehmen nun mitgeben, nachdem Sie neue Konzepte von Arbeitsteilung und Führung untersucht haben?
Evelyn Kessler: Es braucht eine einheitliche Struktur und Vorgabe, was unter hybride Führung von Teams unter Bezug von New Work verstanden wird und wie es konkret in den jeweiligen Teams umgesetzt werden kann. Es empfiehlt sich deshalb, um Aspekte von New Work in Zusammenhang von hybrider Teamführung, langfristig erfolgreich in Unternehmen umsetzen zu können, nach der Golden-Circle-Methode nach Simon Sinek vorzugehen. Anhand des Modells können folgende Fragen für sozialwirtschaftliche Unternehmen formuliert werden:
1. Weshalb wollen wir als Führungskräfte des mittleren Managements hybride Teams in Bezug auf New Work umsetzen (Why)?
2. Wie wollen wir das erreichen (How)?
3. Mit welchen Maßnahmen soll dies geschehen (What)?
Wenn alle Führungskräfte des mittleren Managements gemeinsam mit dem Top-Management sich mit Why, How und What auseinandersetzen und gemeinsame Rahmenbedingungen für ihr Arbeiten erstellen, kann von einem Beginn der erfolgreichen Umsetzung von hybrider Teamführung unter Bezug von New Work gesprochen werden.
Des Weiteren bedarf es fortlaufender Evaluation, um die erfolgreiche Einführung gewährleisten und überprüfen zu
können. Schließlich ist New Work nicht nur hybrides, flexibles zeitliches und örtliches Arbeiten, sondern eine bewusste Veränderung des Mindsets, welches zwangsläufig eine Änderung der Arbeitsweise nach sich zieht und letztendlich die Unternehmenskultur langfristig verändert.
Des Weiteren ist eine Vereinheitlichung der intern im Unternehmen genutzten Kommunikationskanäle ratsam. Zur Aktivierung und Einbindung von MitarbeiterInnen und um der veränderten Kommunikationsmöglichkeiten begegnen zu können, empfiehlt es sich ein gemeinsam genutztes Intranet, welches unabhängig von Alter, digitaler
Affinität, Anwendungserfahrung und technischem Know-How der jeweiligen Person intuitiv genutzt werden kann, zu implementieren.
Wenn alle Führungskräfte des mittleren Managements gemeinsam mit dem Top-Management sich mit Why, How und What auseinandersetzen und gemeinsame Rahmenbedingungen für ihr Arbeiten erstellen, kann von einem Beginn der erfolgreichen Umsetzung von hybrider Teamführung unter Bezug von New Work gesprochen werden.
Die Führungskräfte sollten geschult, qualifiziert und neu ausgerichtet werden, damit sich bei ihnen langfristige Denk- und Lernprozesse im Sinne von New Work verfestigen. Seit der Corona-Pandemie haben Führungskräfte des mittleren Managements ihre hybriden Teamführungskompetenzen eigenständig weiterentwickelt und für sich
perfektioniert, allerdings geschah dies unabhängig von der Arbeitgeberin. Deshalb braucht es seitens des Unternehmens eine konkrete Fort- und Weiterbildungsstrategie, die zu einer nutzerorientierten, digitalen, flexiblen und effizienten Qualifizierung führt.
Wie sieht ihr beruflicher Plan für die Zeit nach dem Studium aus?
Evelyn Kessler: Ich habe bereits während meines Studiums die Chance gehabt, mich beruflich weiterzuentwickeln und arbeite nun an der Kalaidos Fachhochschule, an der ich auch meine Masterarbeit geschrieben habe und kann hier mein Wissen bei der Implementierung von neuen Softwareprodukten sowie die aus dem Studium gewonnen Erkenntnisse optimal verknüpfen. Ich habe diesen Job unter anderem deshalb bekommen, weil ich gerade meinen Masterabschluss in Sozialmanagement anstrebte und dieser in der Erwachsenenbildung neue berufliche Perspektiven eröffnet. Zukünftig möchte ich mich stärker der Personal- und Organisationsentwicklung widmen und bilde mich deshalb gerade als Human Ressource Managerin weiter, um entsprechende Wissensgrundlagen aufzubauen und zu vertiefen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Kessler. Wir wünschen Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute.
Was bedeutet eigentlich New Work? Welche Ansätze sind vor allem für soziale Einrichtungen relevant? Einen Einstieg in das Thema, inklusive praktischen Hacks, die sie direkt ausprobieren können, erhalten Sie im Seminar:
Neue Arbeitswelten entdecken. Vom Sinn und Nutzen für die Sozialwirtschaft.
Das Interview mit Evelyn Kessler führte Julia Mann (Marketingverantwortliche, Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Evelyn Kessler (Foto: Ludwig Niethammer)
Neue Arbeitswelten entdecken. Vom Sinn und Nutzen für die Sozialwirtschaft.
Seminar mit Silke Bishop
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Soziale Einrichtungen in New York City
Eindrücke der Bildungsreise 2022
Welche Unterschiede lassen sich in der sozialen Arbeit zwischen der USA und dem deutschen Raum erkennen? Welche neuen Ansätze und Perspektiven für die Arbeit im deutschen System mitnehmen? In der Fortbildungsreise nach New York City haben die Teilnehmenden die Chance, die Arbeit vor Ort kennenzulernen und sich mit Sozialarbeiter:innen in verschiedenen Projekten auszutauschen.
Das Programm wird dabei jedes Mal individuell nach den Berufsfeldern der Teilnehmenden zusammengestellt. Menschen aus dem Bereich Jugend- und Familienhilfe, Behindertenhilfe, Freiwilligenmanagement sowie Geschäftsführende aus unterschiedlichen Organisationen aus Deutschland waren 2022 dabei. Nach einer pandemiebedingen Pause sind für unsere Bildungsreise nach New York City im Oktober 14 Teilnehmende zusammengekommen. Die Gruppe besuchten an fünf Tagen verschiedenene soziale Einrichtungen vor Ort.
Jeden Tag nach einem kurzen Briefing am Morgen fahren alle gemeinsam zur ersten Einrichtung. Nach der Begrüßung und Vorstellung stellen sich die Gastgeber:innen mit ihren Programmen vor und versuchen dabei, auf die Interessen der Besucher:innen aus Deutschland einzugehen. Mit Fragen und Diskussionen kann ein Besuch bis zu vier Stunden gehen. Da eine zusammenfassende Übersetzung der Gespräche in den Einrichtungen erfolgt, sind gute Englischkenntnisse keine Voraussetzung für die Teilnahme. Die Zeit zwischen den Einrichtungen und der Feierabend wird von den meisten natürlich gern für Sightseeing-Aktivitäten genutzt. Der vergangene Tag wird in der Regel am nächsten Folgemorgen reflektiert. Melden Sie sich für Bildungsreise 2023 hier an!
Eindrücke aus den Einrichtungen der Bildungsreise 2022
Einen besonders bleibenden Eindruck haben die Einrichtungen hinterlassen, in denen sich die Ansätze stark von deutschen Einrichtungen unterscheiden. Das waren beispielsweise die verschieden Settlement-Projekte und ein Zentrum für unabhängiges Leben von Menschen mit Behinderung CIDNY. Auf diese Erfahrungen möchten wir an dieser Stelle gesondert eingehen.
University Settlement – Alle(s) unter einem Dach
In den 1880er Jahren wurde die Lower East Side von neuen Einwandernden besiedelt, deren Leben von Armut geprägt war. 1886 wurde hier das University Settlement gegründet und damit die amerikanische Siedlungshausbewegung geboren. Bald folgten weitere Siedlungshäuser in der Lower East Side, in Chicago und im ganzen Land.
University Settlement ist heute für rund 40.000 Menschen in der Umgebung zuständig. Genauer bedeutet das, es wird ihnen Raum gegeben, sich zu organisieren. Damit wird ein großer Unterschied zum deutschen System deutlich. Denn in Deutschland hat das Individuum einen Rechtsanspruch auf Leistungen. Der Staat wird somit in die Verpflichtung genommen, diesem Rechtsanspruch zu entsprechen. Der Bezirk, in dem eine Person gemeldet ist, hat die Zuständigkeit. Da dem im US-amerikanischen System nicht so ist, kann der Staat bzw. die Stadt New York auch nicht in die Verpflichtung genommen werden. Menschen können Leistungen wie Hilfen zu Erziehung hier nicht einklagen oder sich bei Bedarf an Schied- oder Ombudstellen wenden.
Wenn Menschen nicht zu ihren Leistungen kommen, fungieren Communities wie die University Settlement als Auffangbecken. Die Rechtsansprüche sind Community-basiert. Demzufolge wird in einem Haus gemeinsam darüber entschieden, wie man den Einzelnen helfen kann.
Bis zu 40 Klient:innen haben hier haupt- und viele ehrenamtliche Mitarbeitende, die als Ansprechpartner:innen vor Ort sind. Ein großer Vorteil trotz ungeregelter Arbeitszeiten: die Nähe und Vertraulichkeit zwischen Sozialarbeiter:innen und Bewohner:innen. Hier wird nicht vom Leistungsanspruch aus gedacht. Familien, Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Einschränkungen und Sozialarbeiter:innen führen ein gemeinschaftliches Miteinander.
Wäre so ein Ansatz in Deutschland möglich? Die Grundverschiedenheit der Rechtssysteme macht die Beantwortung der Frage sehr schwierig.
Fordham University – Studium mit großem Praxisbezug
Weiter ging es nach Fordham. Wie erfahren, die Studierenden dieser Hochschule sind stark in einem neuen Projekt der University Settlement eingebunden. In der Fakultät für Social Services an der Hochschule Fordham werden ein Bachelor und ein Master in Sozialer Arbeit angeboten. Darüber hinaus ein PhD (Doktorat) in Sozialer Arbeit und ein Zertifikatskurs Management von Non-Profit-Einrichtungen.
CIDNY – Was wir in Sachen Partizipation und Teilhabe noch lernen können
CIDNY Ist eine 1978 gegründete gemeinnützige Organisation. Sie ist Teil der Independent Living Centers-Bewegung: ein nationales Netzwerk von Basis- und Gemeinschaftsorganisationen, welche die Möglichkeiten
für Menschen mit Behinderungen verbessern, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
„Eine sehr schöne Einrichtung. Uns wurde vor Ort ein durchgetaktetes Programm mit vielen Sprecher:innen geboten. 60% der Belegschaft hatte selbst eine Behinderung. Der ICF-Begriff ist hier angekommen. Alles wird
an Teilhabe gemessen.” stellt eine unserer Teilnehmerinnen fest. „Indem wir in Deutschland versuchen, vor falschen Entscheidungen zu schützen, wird die Teilhabe etwas verhindert. Bei uns ist es eher ein partizipativer Prozess. Jemanden mit einer Behinderung in eine Spitzenposition zu setzen, findet in unserer Arbeit noch nicht gezielt statt.”
The Door – Es kommt darauf an, einen Plan zu haben!
Im Namen dieses Ortes steckt bereits sein Ziel: The Door ist eine offene Tür. Das Haus hat sich vor allem auf Angebote für junge Menschen spezialisiert. Was auf den ersten Blick nach offener Jugendarbeit aussieht, funktioniert jedoch sehr streng nach Plan. Alle, die in die Einrichtung kommen, wissen genau, wohin es gehen soll.
Gut geschulte und ausgebildete Mitarbeiter:innen nehmen die Rolle der Supervision ein und stehen den Jugendlichen zur Seite, um mit ihnen einen persönlichen Plan zu erstellen und durchzuziehen. Zwei betreute Wohngemeinschaften für junge Erwachsene sowie Beratungsangebote für die Themen Schule, Bildung, Job, Gesundheit und Recht, sowie viele weitere Freizeitangebote werden dort und an zwei weiteren Außenstellen von The Door angeboten.
Konflikte kommen natürlich auch mal vor. Wenn es zu unerwünschten oder delinquentem Verhalten kommt, wird dies in Gesprächen unter Mitarbeitenden thematisiert. Aber auch die Jugendlichen selbst werden stark in die Werte des Zusammenlebens mit eingebunden. Ein Umgang auf Augenhöhe hat bei The Door einen großen Stellenwert.
Viele weitere Eindrücke konnten unsere Teilnehmenden auf Ihrer Reise und im intensiven Austausch mit Sozialarbeiter:innen sammeln. Die Strukturen der US-amerikanischen Sozialsysteme wurden im unmittelbaren Praxisbezug kennengelernt. Ebenso wurde ein Verständnis sozialer Wertvorstellungen der US-amerikanischen Gesellschaft vertieft. Die vielen neuen Kontakte und die gewonnenen Perspektiven verarbeiten wir bereits in der Planung der nächsten Fortbildungsreise im Oktober 2023. Um sich dafür anzumelden, informieren Sie sich auf der Veranstaltungsseite.
Ansprechpartnerin für die Bildungsreise ist Dilek Yüksel (Tel: 030/275 82 82 28, Mail: yueksel@akademie.org).
Titelbild & Fotos: Dilek Yüksel
Personenzentrierung in der Eingliederungshilfe
Seminar mit Prof. Dr. Michael Komorek
Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Eingliederungshilfe
Seminar mit Stefan Willich
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GEBe – Eine Arbeitsweise, um gesellschaftliche Teilhabe von jungen Menschen mit Behinderung zu fördern
In diesem Fachbeitrag erläutert Stefan Willich Schritte zur Umsetzung der sogenannten informellen Beteiligung und Teilhabe für junge Menschen mit Behinderung in der ambulanten Eingliederungshilfe.
Die Partizipation junger Menschen mit Behinderung in der ambulanten Eingliederungshilfe (EGH) ist nicht nur erwünscht, sondern auch rechtlich festgelegt*. Doch damit sich Strukturen verändern können, braucht es konkrete Handlungsanweisungen zur Umsetzung. Hierbei scheint insbesondere die unmittelbare Arbeit mit den Leistungsberechtigten der EGH ein geeigneter Ausgangspunkt zu sein, denn die alltägliche Lebenssituation von jungen Menschen mit Behinderung, ihre Teilnahme und Teilhabe an Gesellschaft stehen im Fokus des Auftrages der EGH.
Das alltägliche Handeln von jungen Menschen (mit Behinderungen) sowie ihre Partizipation sind ebenfalls Schwerpunkt der GEBe (Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern) Arbeitsweise, welche für die Offenen Kinder und Jugendarbeit (OKJA) entwickelt wurde.[1]
Dabei handelt es sich weniger um eine Liste von Arbeitsschritten, welche abzuarbeiten ist, sondern vielmehr um einen sich aufbauenden Kreislauf.
Die Interaktionen von jungen Menschen mit Behinderung und Fachkräften innerhalb des Hilfesettings sind ein
geeigneter Ausgangspunkt für gesellschaftliches Engagement und Demokratiebildung, da relevante Themen der Adressat:innen stets in alle ihre Aussagen und Handlungen inkludiert sind.[2]
Schritt 1: Dokumentation – Welche Themen haben Menschen mit Behinderung?
Die GEBe Arbeitsweise umfasst in einem ersten Schritt das schriftliche Dokumentieren von Beobachtungen als Grundlage für die Entdeckung von Themen der Adressat:innen, also der jungen Menschen. In Form einer kollegialen Auswertung der Beobachtung werden Themen erkannt und durch Rückmeldungen an die jungen Menschen erweitert und präzisiert. Die Umsetzung und Veröffentlichung von kleinen thematischen Projekten erfolgt im Hilfesetting und ermöglicht in Form weiterer Beobachtungen ein erneutes Durchlaufen des somit umschriebenen GEBe-Kreislaufes.
Schritt 2: Reflexion – Ressourcen und Potenziale entdecken
Um die gesellschaftlichen Themen der jungen Menschen mit Behinderung zu entdecken, erscheint eine verschriftliche Beobachtung zielführend, da die schriftliche Dokumentation es den Fachkräften ermöglicht, in einem zweiten Schritt kollegial, beispielweise in Teamsitzungen, ihre Wahrnehmung zu reflektieren, ihr Handeln zu begründen und mögliche Themen der Adressat:innen auszuwerten.[3]
Hierbei steht die Ermöglichung von Umdeutungen im Vordergrund, beispielsweise werden als störend und herausfordernd wahrgenommene Handlungen als Erprobungs- und Bewältigungsversuche erkennbar, in welchen Ressourcen und Potenziale entdeckt werden können.[4]
Die hiermit verbundene Anerkennung von selbstbestimmten Handlungen von jungen Menschen mit Behinderung sind für Martin Hahn die Basis für die Teilnahme an Gesellschaft und ein Wesensmerkmal des Menschen.[5]
Schritt 3: Dialog – Austausch auf Augenhöhe
Ausgehend von der Frage: „Welche gesellschaftlichen relevante Themen/welche Interessen an Teilhabe lassen sich aus den Beobachtungen ableiten?“ eröffnet Schritt drei einen Dialog zwischen jungen Menschen mit Behinderung und Fachkraft. Diese dialogische Rückmeldung der Fachkraft dient zum einen der Validierung des Themas (Habe ich dich richtig verstanden?) und zeigt zum anderen dem jungen Menschen mit Behinderung, dass seine Äußerungen relevant für die Gestaltung der Hilfe sind. Im folgenden Prozess, der reziproken Ausgestaltung der Hilfe, werden die Handlungen des jungen Menschen mit Behinderung nicht diagnostiziert und bewertet, sondern Inhalt einer gemeinsamen Aushandlung darüber, was, wie und wozu getan werden soll.[6]
Schritt 4: Implementierung und Weiterentwicklung
Themen können beispielsweise der Besuch eines Museums oder der Verkauf von Spielzeug auf einem Flohmarkt sein, die nun umgesetzt werden können. Sie sind wiederum Ausgangspunkt für weitere Beobachtungen und dialogische Klärungen. Zugleich bieten die validierten Themen auch die Möglichkeit, sich mit anderen Adressat:innen zu diesen Themen zu treffen, um Gemeinsames zu erleben und eine öffentlichen Stimme zu entwickeln.
Die im Teilhabeinstrument Berlin formulierte Zieldimensionen: Partizipation, Empowerment, Sozialraumorientierung und Willenszentrierung[7] der Eingliederungshilfe lässt es zudem sinnvoll erscheinen, die von den jungen Menschen mit Behinderung eingebrachten Themen in das Zentrum der Organisation zu rücken. Es ergeben sich beispielsweise die Fragestellung:
- Wie kann sich das Team/die Organisation weiterentwickeln, um auf die gefundenen Themen und Bedürfnissen zu reagieren?
- Wie können Strukturen geschaffen werden, die ein Mehr an direkter Teilhabe ermöglichen?
Zudem weist die Zieldimension der Sozialraumorientierung über die Organisation hinaus. Die validierten Themen bieten die Möglichkeit eines Abgleiches mit den vorhandenen Angeboten im Sozialraum. Hierbei erscheint insbesondere die Offene Kinder- und Jugendarbeit, mit ihrem inklusiven Auftrag, ein vielversprechender Kooperationspartner zu sein.[8]
Ausblick
Die GEBe-Arbeitsweise hat somit das Potential, eine ganzheitliche Lösung für Fragestellungen in den unterschiedlichen Dimensionen der Qualitätssicherung und ‑entwicklung für die Eingliederungshilfe zu bieten. Zugleich weist sie viele Anknüpfungspunkte an die in Berlin bestehende Praxis der EGH auf, sodass eine Implementierung auf bereits vorhandene Strukturen aufbauen kann.
*Mit der Einführung des Teilhabeinstrument Berlin (TiB) in die ambulante Eingliederungshilfe für junge Menschen mit Behinderung stehen Fachkräfte vor der Herausforderung eine umfassende Partizipation von jungen Menschen mit Behinderung (EGH) sicherzustellen. (Komorek, Michael 2019)
[1] Vgl. Sturzenhecker/Schwerthelm 2016, S. 73ff
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. ebd.
[4] Vgl. a.a.O., S. 116f
[5] Hahn 1999; S. 24
[6] Vgl. Sturzenhecker/Schwerthelm 2016, S. 128f
[7] Vgl. Komorek, Michael 2019, S. 3
[8] Vgl. mittendrin e.V 2020, S. 11ff
Zum Autor: Stefan Willich ist Teamleiter bei der Einhorn gGmbH und arbeitet damit an der Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendhilfe und dem Eingliederungshilfebereich.
Sie möchten mehr darüber wissen? In der Fortbildung „Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Eingliederungshilfe“ mit Stefan Willich wird Ihnen die GEBe-Arbeitsweise nähergebracht.
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Titelbild:
Stefan Willich
Literatur:
Hahn, Martin Th.: Anthropologische Aspekte der Selbstbestimmung. In: Wilken, Etta; Vahsen, Friedhelm: Sonderpädagogik und Soziale Arbeit. Rahbilitation und soziale Integration als gemeinsame Aufgabe. Berlin: Leuchterhand, 1999 (S. 14 – 31)
INSOS (Hrsg.): Das Konzept der Funktionalen Gesundheit. Grundlagen, Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten am
Beispiel der Behindertenhilfe, 2009
Komorek, Michael: Wissenschaftliche Begleitung und partizipative Auswertung der Pilotierung des Teilhabeinstrument Berlin (TIB), 2019
Mittendrin e.V. (Hrsg.): Chillen inklusive. Die inklusive Entwicklung von Orten der Offenen Jugendarbeit aus der
Nutzer:innenperspektive. Norderstedt: BoD – Books on Demand, 2020
Sturzenhecker, Benedikt; Schwerthelm, Moritz: Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern Band 2.
Methodische Anregungen und Praxisbeispiele für die Offene Kinder und Jugendarbeit. Güterslohe: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2016
Sturzenhecker, Benedikt; Glaw, Thomas; Schwerthelm, Moritz: Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern Band 3. Kooperativ in der Kommune demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Güterslohe: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2020
Beteiligung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in der Eingliederungshilfe
Seminar mit Stefan Willich
Wirkung und Wirksamkeit in der Eingliederungshilfe in Berlin
Seminar mit Regina Schödl und Anika Göbel
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Anreize für Mitarbeitende schaffen!
Im Gespräch mit Danny Stange (Absolvent, M.A. Sozialmanagement) über Anreizsysteme in Non-Profit-Organisationen
Nutzen Sie die materiellen Anreize Ihres Arbeitgebers, wie beispielsweise bezahlte Weiterbildungen, Smartphone für den Dienst- und Privatgebrauch oder Fahrkarten für das ÖPNV? Welche anderen Faktoren spielen für Sie eine Rolle dabei, ob Sie in einem Job langfristig bleiben? Vielleicht sind Sie selbst Arbeitgeberin oder Arbeitgeber und fragen sich, welche Angebote Sie Ihren Mitarbeitenden machen können?
Herr Danny Stange absolvierte 2023 den Master Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie. Angesichts des akut steigenden Fachkräftemangels und in Bezug auf das Werte- und Mindset verschiedener Generationen analysierte er im Rahmen seiner Abschlussarbeit die Anreizsysteme für Mitarbeitende in Non-Profit-Organisationen. Welche Anreizsysteme gibt es und wie können Arbeitgebende diese für Mitarbeitende gestalten?
Über dieses Thema, seinen Ergebnissen und sein Studium an der Paritätischen Akademie Berlin haben wir mit ihm in diesem Interview gesprochen.
Im Gespräch wurde deutlich, dass es nicht den einen Anreiz gibt, der sich als am attraktivsten erweist. Viel mehr sollten sich Arbeitgeber:innen mit den individuellen Bedürfnissen verschiedener Mitarbeitenden auseinandersetzen.
Es handelt sich bei dem Master in Sozialmanagement um einen berufsbegleitenden Studiengang. Wo waren Sie zu Beginn des Studiums beruflich tätig?
Stange: Zum Beginn des Studienganges wechselte ich an die Fachschule des Trägers. Hier werden Facherzieher:innen für Integration, Erzieher:innen und Sozialassistent:innen ausgebildet. Zunächst war ich als Schulsozialarbeiter eingesetzt, mit der Aussicht zum Ende des Studienganges als Lehrkraft tätig zu sein. Hier wurde ich während des Studiums kontinuierlich herangeführt. Dabei konnte ich hospitieren und erste Inhalte selbst vermitteln.
Was konnten Sie vom Studiengang in Ihren Berufsalltag einbringen?
Stange: Viele Inhalte des Studienganges kann ich heute nutzen und zum Teil an die Auszubildenden weitergeben, da dies in vereinfachter Form auch Inhalte der Ausbildungsgänge sind. Hier kann ich insbesondere das Qualitätsmanagement, die Öffentlichkeitsarbeit, das Konfliktmanagement und Teile der Rechtmodule nennen.
In Ihrer Abschlussarbeit haben Sie sich mit der Bindung von Mitarbeitenden in Non-Profit-Organisationen beschäftigt. Wie kam es dazu und was waren die zentralen Fragen in Ihrer Arbeit?
Stange: Das Thema bewegte und interessierte mich bereits in meiner fünfjährigen Leitungstätigkeit vor dem Studium. Hier wurde mir bewusst und in Mitarbeitendengespräche deutlich, dass materielle Anreize sehr willkommen bei Mitarbeitenden sind, aber die immateriellen Anreizsysteme mit zunehmender Tätigkeitszeit im Träger immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Eine der zentralen Fragen meiner Masterarbeit war: „Inwiefern erweisen sich die implementierten Anreizsysteme der Non-Profit-Organisationen in Bezug auf die Generationen der Mitarbeitenden als transparent und attraktiv?“ Hierbei sollte analysiert werden, inwiefern die implementierten materiellen Anreizsysteme den Mitarbeitenden bekannt sind und wie häufig sie genutzt werden. Dabei lag der Schwerpunkt auf den Generationen der Mitarbeitenden.
Was sind Beispiele für materielle und immaterielle Anreize?
Stange: Materielle Anreize können unterschiedlich eingesetzt werden. Es gibt u.a. die leistungsbezogene Besserstellung einzelner, die Besserstellung aufgrund der Hierarchie im Unternehmen sowie die Anreize, die allen Mitarbeitenden im Unternehmen zugutekommen. Materielle Anreize können wir in direkte monetäre und indirekte monetäre Anreize unterteilen.
Direkte monetäre Anreize:
- Lohn/Gehalt
- Erfolgsbeteiligung
- betriebliche Sozialleistungen
Indirekte monetäre Anreize sind beispielsweise ein Dienstwagen oder Smartphone, Tablet, Laptop, dass auch zur privat genutzt werden kann. Bezahlte Weiterbildungen, Fahrkarten für den ÖPNV oder eine Unternehmenswohnung sind weitere Beispiele.
Immaterielle Anreizsysteme beziehen sich auf die Strukturen eines Unternehmens sowie auf das betriebliche soziale Umfeld der Mitarbeitenden und deren Möglichkeit, sich in der Arbeit zu verwirklichen. Da sie sich eher fühlen lassen, werden sie oftmals mit sozialen und persönlichen Werten in Verbindung gebracht . Hierzu zählen:
- Arbeitsplatzgestaltung
- Arbeitsinhalt
- Arbeitszeit- und Pausenregelung
- Führungsstil
- Aufstiegsmöglichkeiten
- Qualifikationsmöglichkeiten
Gab es für Sie Herausforderungen beim Schreiben der Abschlussarbeit? Und wie haben Sie diese gemeistert?
Stange: Für mich gab es zwei Herausforderungen beim Schreiben der Abschlussarbeit. Zum einen war es herausfordernd den theoretischen Teil einzugrenzen. Das Thema Mitarbeitendenbindung bietet hier eine Vielzahl von Fachliteratur. Zum anderen benötigte die Erstellung der empirischen Analyse mehr Wochen als geplant, so dass ich die Zeit der Auswertung stark reduziert habe.
Welchen Tipp können Sie Non-Profit-Organisationen nun mitgeben, nachdem Sie die Anreizsysteme für Mitarbeitendenbindung in Ihrer Arbeit untersucht haben?
Stange: Aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland und des damit verbundenen gegenwärtigen und zukünftigen Ausscheidens der Generation Baby Boomer wird der derzeitige Fachkräftemangel noch verstärkt. Sich dieser Entwicklung als Unternehmen anzupassen und sich auf alle Generationen, vor allem aber auf die Generation Z zu fokussieren, ist von enormer Bedeutung. Erstrebenswert sollte für Organisationen die Vereinbarkeit der Eigenschaften und Werte der verschiedenen Generationen sein.
Hierbei gilt es, ein gleichsam effektives wie effizientes Arbeitsumfeld zu schaffen, sodass alle Generationen abgebildet werden. Neben der Orientierung an den kategorisierten Werten und Eigenschaften der einzelnen Generationen ist es durchaus sinnvoll, die Zielgruppen direkt zu beteiligen, um herauszufinden, welche Bedürfnisse die einzelnen Generationen haben.
Materielle und immaterielle Anreize können als Schlüssel für das Schloss zur extrinsischen und intrinsischen Motivation betrachtet werden. Im Fokus steht die extrinsische Motivation zum Geldverdienen auf der einen Seite und auf der anderen die intrinsische Motivation in Hinsicht auf die Arbeit an sich.
Allerdings ist in einer Gesellschaft, in der die Grundbedürfnisse in hohem Maße gesichert sind, die Notwendigkeit gesunken, die Arbeit als reines Mittel der Existenzsicherung zu betrachten.
Das Gießkannenprinzip in der Verteilung und Gestaltung von Anreizsystemen ist vorbei. Vielmehr bedarf es eines Bewusstseins, dass die Ausgestaltung dieser Systeme individuell und bedürfnisorientiert erfolgen muss. Materielle und immaterielle Anreizsysteme zur Erhöhung der Motivation müssen die Diversität der Mitarbeitenden abbilden und die Einflussfaktoren, die unweigerlich auf die Menschen wirken, berücksichtigen.
Wie sieht ihr beruflicher Plan für die Zeit nach dem Studium aus?
Stange: Wie bereits eingangs erwähnt, werde ich mit Abschluss des Masterstudienganges zunehmend in die Tätigkeit als Lehrkraft integriert, so dass ich mit dem Beginn des Schuljahres 2023/24 als Lehrkraft in der Erzieher:innenausbildung tätig sein werde.
Welchen Tipp haben Sie für Studienanfänger:innen des Masterstudiengangs Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie Berlin?
Stange: Ich habe gute Erfahrungen mit dem Knüpfen von Kontakten und dem Bilden von Lerngruppen gemacht. Des Weiteren war es hilfreich, den Lernalltag in den Arbeitsalltag und in die Freizeit zu integrieren. Hierbei half es mir feste Strukturen und Lernzeiten zu implementieren.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stange. Wir wünschen Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute.
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Das Interview mit Danny Stange führte Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Danny Stange
Employer Branding – Schritt für Schritt zur überzeugenden Arbeitgebermarke
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Mitarbeiter:innen entwickeln, fördern und binden! – ein praxisorientierter Workshop für Leitungskräfte
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Messie-Syndrom – Pathologisches Horten ist nicht gleich Vermüllung
In diesem Interview-Beitrag geht es um zwei von drei Ausprägungsformen des Messie-Syndroms: Das pathologische Horten und das Vermüllungssyndrom. Sie unterscheiden sich in Ursachen, Symptomen und Behandlung. In unserem letzten Beitrag sind wir auf die Definition des Messie-Syndroms als Überbegriff eingegangen. Lesen Sie den Artikel hier.
Veronika Schröter forscht und arbeitet seit 23 Jahren zum Messie-Syndrom. Sie ist Gründerin und Leiterin des Messie-Kompetenz-Zentrums in Stuttgart und bildet bundesweit Fachkräfte und Einrichtungen für die Arbeit mit Betroffenen aus. Erfahren hier Sie mehr über die Fortbildung.
Teil 2: Pathologische Horten vs. Vermüllungssyndrom
Frau Schröter, warum ist es wichtig, das Pathologische Horten von anderen Ausprägungstypologien zu unterscheiden?
Schröter: Weil dieses Krankheitsbild nichts mit den üblichen Bildern wie beim „Vermüllungssyndrom“ zu tun hat. Das pathologische Horten ist ein eigeständiges Krankheitsbild. Das heißt es braucht eine völlig andere Vorgehensweise und Begleitung und Therapie.
In den Räumen der Betroffenen ist es trocken, es ist keinerlei Ungeziefer vorzufinden und die Bausubstanz ist nicht beschädigt. Kennzeichnend ist eine erhebliche Anhäufung von Gegenständen, die unter keinen Umständen losgelassen werden können. Diese hat Ausprägungstypologie eine vollständig andere Ursachenherkunft als die anderen Formen.
Was sind die Ursachen des pathologischen Hortens?
Schröter: Es wird in den Zusammenhang mit einer frühen Bindungstraumafolgestörung gebracht, die den ersten drei Lebensjahren zugeordnet wird. Auf über 90% der Betroffenen handelt es sich dabei um eine Art frühes „Gezwungen worden sein“. Als Kinder haben Betroffene nicht die Erfahrung gemacht, einen klaren Raum für den eigenen Willen, den eigenen Bedürfnissen oder Wünschen zugesprochen bekommen zu haben.
Dabei wollen Kinder natürlicherweise entdecken und ausprobieren. Sie sind ausgesprochen neugierig und darin sollten sie bestärkt werden. Sie sollen auch geführt und, wie im Beispiel der heißen Herdplatte, vor sich selbst bewahrt werden. Typischerweise wurden Menschen, die vom pathologischen Horten betroffen sind , von ihren Eltern in extremer Form fremdbestimmt. Der Wille musste den Vorstellungen der Eltern, wie das Kind zu sein hat, untergeordnet werden. Wir sprechen hier von sehr rigiden und autoritären Erziehungsformen bis hin zu emotionalem Missbrauch der Eltern.
Hinweis: Im folgenden Abschnitt werden Beispiele für subtile und offensichtliche Übergriffe an Kindern aufgeführt.
Was bedeutet „Gezwungen worden sein“? Wenn es zum Beispiel hinsichtlich der Spielsachen keine Wahlmöglichkeiten gab oder überhaupt die eigenen Interessen, Impulse und Wünsche so gut wie keine Aufmerksamkeit bekommen haben. Zum Beispiel auch, wenn das Kind bestimmte Freunde einladen wollte und diese, weil es der Vorstellungen der Eltern nicht entsprach, nicht mehr kommen durften. Kinder mit pathologischem Horten waren erheblichen Zwangsstrukturen ausgesetzt. Enorme Konsequenzen sind auch hinsichtlich der Sauberkeitserziehung zu sehen. Das konnte so weit gehen, dass ein Kind an den Topf festgebunden wurde oder nachts aus dem Schlaf gerissen wurde, um den Ansprüchen der Eltern gerecht zu werden.
Wie wirkt sich das im Erwachsenenalter aus?
Schröter: Das eigene Dasein konnte sich dadurch nicht entfalten. Betroffene sollten sich in ihren Bedürfnissen und Interessen so entwickeln, wie es den Vorstellungen der Eltern entsprach. Damit wird das eigene Lebensgefühl erheblich unterbunden, bis hin zu Einschränkungen für das eigene Körpergefühl und den eigenen Biorhythmus.
Die Menschen werden groß und sind in eine Überangepasstheit geraten. Über das lieb und brav sein, sind sie zu enormen Leistungen fähig und erlangen darüber Anerkennung und Akzeptanz. Dies erklärt warum dieses Klientel in beruflich hohen Stellungen und Positionen vorzufinden sind.
Sich diesbezüglich einseitig entwickelnd konnten sie keine Antworten auf die Fragen „Wer bin ich?“ und „Was mag ich eigentlich?“ herausbilden und ins Leben bringen. Ich stoße bei diesen Klient:innen auf vielschichtige Interessen.
Diese wurden aber nicht gefördert, geführt und vernünftig kanalisiert. Später merken sie häufig, dass sie sich beruflich vergaloppiert haben. Viele haben sehr viel gearbeitet, sind auch oft erfolgreich, aber sie haben sich, wie schon gesagt einseitig entwickelt. Die Seele liegt brach. Deshalb habe ich übrigens auch noch Berufscoaching dazu gelernt. Um Menschen zu einer Ihnen gemäßen Berufsrichtung zu verhelfen.
Gibt es weitere Ursachen?
Schröter: Ja, das ist das ein emotional sehr früh im Stich gelassen worden sein. Wenn Eltern zum Beispiel nicht wirklich erfahrbar waren. Oder aber, wenn die Eltern selbst psychisch erkrankt waren. Alleingelassene sich selbst überlassene Kinder. Es entstand ein emotional kaltes Umfeld, in dem wenig bis gar nicht gehalten und geröstet worden ist.
Ein anderes Beispiel hierfür ist auch, wenn Kinder von den Eltern instrumentalisiert wurden. Anstatt für das Kind und seine Entwicklung offen zu sein, wurden sie mit den Leid der Eltern belastet. Ein emotionales im Stich gelassen sein entsteht aber auch, wenn eine eigene Kindheit nicht erfahren werden konnte, sondern sehr früh sehr viel für die Erziehung der Geschwister oder Haushaltsaufgaben übernommen werden musste.
Viele meiner Klient:innen haben als Kinder enorm gerackert, gekocht, geputzt oder waren sogar schon unternehmerisch für die Eltern tätig. Diese Menschen sind sehr diszipliniert und in ihrem Leben alles andere als faul gewesen. Aber sie haben sich in alledem erschöpft. Demnach kann man sagen, dass es sich auch wie um eine tiefe Erschöpfung handelt, von all dem, was in frühen Jahren hat sein müssen. Das eigene Kindsein wurde
den grenzüberschreitenden Vorstellungen von außen geopfert. Es handelt sich in der Folge um eine Verweigerung, um ein „ich mag nicht mehr“, „ich mag nicht mehr so leben“.
Die Ursachen für das pathologische Horten liegen also entweder in einem frühen Gezwungen worden oder im frühen emotionalen Stich gelassen worden sein.
Schröter: Ja. Und es gibt noch eine dritte Bindungserfahrung, die ursächlich sein kann. Das ist die sogenannte Überbehütung.
Kinder erfahren Impulse, etwas entdecken und ausprobieren zu wollen. Die Eltern sagen in dem Fall aber, gut gemeint, „das übernehmen wir für dich, das können wir viel besser! “. Zum Beispiel, wenn das Kind beim Backen mithelfen möchte. Das wird nicht zugelassen, weil dann alles verspritzen und schmutzig werden würde. Oder, ein Kind sieht, wie ein anderes Kind mit Stützrädern Fahrrad fahren lernt und möchte das unbedingt auch. Die Eltern jedoch sind zu besorgt, dass sich das Kind verletzen könnte und lassen es daher nicht zu.
Welche Bedeutung oder Funktion hat nun das Pathologische Horten für den Menschen?
Schröter: Die Welt der Dinge hat verschiedene Funktionen. Zum einen sind sie eine Identitätsstütze. Denn es handelt sich um Sachen, die sie ausmachen, die sie interessiert und die sie mögen, die sie aber in der Regel nicht ins eigene Leben integrieren können. All das ist in der Wohnung gestapelt und lebt als „Zeitzeuge“ in diesen Wohnräumen. Die Dinge bezeugen also, wer ich anscheinend bin, weil diese Hinführung über das Elternhaus nicht gelungen ist. Jetzt sehen sie jeden Tag diese vielen Sachen und erkennen sich darin. Sie konnten es noch nicht integrieren, weshalb davon auch nichts gehen darf. Denn, wenn da etwas weg gehen würde, dann wäre es letztendlich so, als würde es den Menschen selbst nicht mehr geben.
Zum anderen sind die Dinge auch Beziehungsstellvertreter. Es gab in ihrem Aufwachsen wenig sichere, liebevolle und zugewandte Menschen. Es fehlten Körperberührungen. Je enger Wohnräume sind, je mehr können die Menschen nun unbewusst spüren, dass dort“ jemand, etwas ist“. Sie können ihren Körper fühlen und wahrnehmen. Sie gelangen über die Stapelbildung die Erkenntnis „mich gibt es“. Denn Betroffene haben typischerweise das Gefühl, dass sie „nicht vorkommen“. Ihr inneres Erleben ist beinahe so, als würde es sie nicht geben.
Das Vermüllungssyndrom ist aber etwas anderes, betonen Sie. Inwiefern?
Schröter: Das Vermüllungssyndrom wird prinzipiell durch Erkrankungen ausgelöst wie: Suchterkrankungen aller Art, psychiatrischen Krankheitsbildern, körperliche Ursachen, sowie hirnorganische Psychosyndrome. Das heißt es gibt sehr vielfältige Ursachen die, oft nicht diagnostiziert, zugrunde liegen und die Wahrnehmung der Menschen verändert.
Welche Unterschiede gibt es in Therapie bei Patient:innen mit pathologischem Horten gegenüber dem Vermüllungssyndrom? Was müssen Fachkräfte in der Arbeit mit Betroffenen beachten?
Schröter: Bei Pathologischem Horten habe ich eine Therapieform entwickelt, die da heißt: identitätsbildende, integrative Messie-Therapie. Hierbei ist das Ziel, Menschen mit ihrer einstigen im hohen Ausmaß verdrängten frühen Bindungserfahrung in Kontakt zu bringen und sie zur Symptombildung im Wohnraum zugänglich zu machen. Ziel ist dabei über die eigenen Prägungserfahrungen hinauszuwachsen und in eine selbstbestimmtes
Leben zu gelangen. Der Wohnraum ist zu verstehen als sogenannter „ Wund- Raum“ in dem sich ungelebtes Leben befinden, Träume, Wünsche die noch nicht den Weg zu diesen Menschen selbst gefunden zu haben.
Für die Wohnraumbegleitung habe ich über die Jahre die Messie-Fachkraft-Ausbildung nach Veronika Schröter® entwickelt. Diese ist für Menschen, die mit hilfesuchenden Betroffenen konfrontiert sind, die niemanden mehr einladen können. Es geht darum, gemeinsam mit ihnen zu integrieren, was sie in ihrem Leben aufgestapelt
haben. Was möchten sie von ihrem Leben von diesen Dingen, die dort überall unbeantwortet liegen? Das kann zum
Beispiel aber auch bedeuten, zusammen wieder einen kleinen Platz im Wohnraum zu schaffen, sodass vielleicht mal wieder jemand zu Besuch kommen kann.
Die Therapie beim Vermüllunggssyndrom orientiert sich an der zugrunde liegenden Diagnose, die in der Regel Ausmaße im Wohnraum angenommen hat, welche eine Gefährdung für den Erhalt der Wohnung zur Folge hat. Hier braucht es ein sehr gutes abgestimmtes konzeptionelles Vorgehen. Vor allem auf der Grundlage auf der von Selbst,- und Fremdgefährdung. Hier muss auch die Wohnung geklärt werden und es kann bis hin zu einer Entrümpelung gehen, weil es zum Beispiel Ungeziefer gibt.
In der Regel sind da auch Suchterkrankungen, psychisch-psychiatrische Krankheitsbilder oder auch körperliche Erkrankungen bis hin zu hirnorganischen Krankheitsbildern wie zum Beispiel Demenz und Alzheimer. Das muss man zunächst einmal herausfinden. Hier benötigen Fachkräfte sehr viel Expertise im rechtlichen Sinn, im Umgang mit diversen Krankheitsbildern, in Kooperationen mit z. B Pflegdienste, Sozialpsychiatrische Dienste, Ärzte usw.
Hier braucht es ein klar definiertes und erarbeitets Konzept das von allen Mitarbeiter:innen auf standardisierter Ebene getragen wird. Das vermittelt Klient:innen Klarheit und Orientierung. Wie das alles zu geschehen hat, auch bei vordergründig uneinsichtigen Menschen, das alles will gelernt sein.
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Das Interview mit Veronika Schröter (Webseite) führte Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
In unserem nächsten Artikel zum Messie-Syndrom werden wir auf den dritten Ausprägungstypus, dem „Verwahrlosungssyndrom“, eingehen. Dieser wird in Kürze in unserem Online-Magazin erscheinen.
Titelbild: Canva
Das Messie-Syndrom. Umgang mit Menschen, die dauerhaft im Chaos leben.
Seminar mit Veronika Schröter
Hochsensibilität im beruflichen Kontext Sozialer Arbeit
Seminar mit Martin Nevoigt
(Sozialrechtliche) Leistungen für Menschen mit Behinderung
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Wie geht Networking für Introvertierte und Hochsensible, Martin Nevoigt?
Echte Verbindungen schaffen starke Organisationen
Im sozialen Bereich machen wir unseren Job aus Überzeugung und mit großem Engagement. Doch nicht allen fällt es leicht, auf andere zuzugehen und ihre Ideen zu präsentieren. Diese Menschen berät Martin Nevoigt (Out HSP). Er ist Unternehmenscoach mit Fokus auf hochsensible und introvertierte Menschen. Im Networking sieht er großartige Möglichkeiten. Das kann auch für Personen zutreffen, die große Runden oder Netzwerk-Veranstaltungen eher als anstrengend empfinden. Wir haben dem HSP-Coach einige Fragen darüber gestellt, wie auch leisere Menschen sich auf ihre Art zeigen und sich mit anderen verbinden können.
Ca. 15–20 % aller Menschen sind hochsensibel. Hierarchische Strukturen hemmen und blockieren oft ihre Fähigkeiten im Arbeitsalltag. Woran das liegt und wie es besser geht, darüber haben wir mit Martin Nevoigt im März in unserem ersten Fachbeitrag zum Thema Hochsensibilität im Berufsalltag gesprochen.
Worum geht es beim Networking? Gibt es hier eine Brücke zu den Themen aus Ihrem
Hochsensibilitäts-Coaching?
Nevoigt: Die Netzwerk-Struktur ermöglicht einen Austausch auf Augenhöhe und schafft einen Raum für jeden, sich mit seinen Fähigkeiten und Interessen einzubringen. Diese offene Struktur erfordert unter anderem selbstverantwortliches Arbeiten, weil eben niemand mehr als vermeintlich allwissender Vorgesetzter fungiert, der allein sagt, wo es lang geht.
Das überfordert manche Menschen noch, die mit den klassisch hierarchischen Strukturen aufgewachsen sind. Auch da kommen Ängste und Blockaden zum Vorschein. Nach meiner Erfahrung erleben aber gerade Hochsensible diese
selbstbestimmtere Art zu arbeiten als echte Befreiung und können damit ihre eigenen Potenziale voll entfalten.
Warum ist es sinnvoll, sich gute Networking Skills anzueignen? Was sind überhaupt gute Networking Skills?
Nevoigt: Um diese Form des Netzwerkens zu etablieren, braucht es vor allem ein echtes Interesse am anderen und die Offenheit, andere Perspektiven einzunehmen. Wie betrachtet mein Gegenüber dieses Problem oder jene Entwicklung? Welche Ideen hat er dazu? Das schafft einen Raum für tieferen Austausch.
Es geht auch darum, erstmal zu geben, anstatt nur zu schauen, was ich mitnehmen kann. Wo kann ich dem anderen mit meinen Ideen und Erfahrungen weiterhelfen? Wie kann ich mich einbringen? Wenn nur nach schnellen Lösungen für die eigene Sache gesucht wird, dann hat das weniger mit gegenseitigem Netzwerken zu tun, sondern ist im Grunde nur eine verdeckte Suche nach unbezahlter Dienstleistung.
Außerdem ist Verbindlichkeit und Loyalität äußerst wichtig, zum Beispiel sich an Zusagen und Abmachungen zu halten und vertrauliche Informationen diskret zu behandeln. Damit können wir Vertrauen aufbauen, was gefestigte und langfristige Beziehungen schafft. Dieses Netz an Verbindungen trägt eine Organisation oder ein Einzelunternehmen dann auch durch schwierige Zeiten.
All diese Aspekte haben eines gemein: Man kann sie sich nicht erkaufen oder kurzfristig herstellen, sondern jeder im Netzwerk darf sie allmählich aufbauen. Solch ein natürliches Wachstum braucht Zeit und zuversichtliche Beharrlichkeit, wie alle guten Prozesse.
Welchen Rat geben Sie eher introvertierten Personen, denen das Zugehen auf Menschen nicht so leichtfällt?
Nevoigt: Dieses Thema taucht in meinen Workshops und Coachings häufiger auf. Hier gebe ich gern die Frage rein: In welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen möchtest du dich mit anderen verbinden? Denn selbstbestimmtes Arbeiten ermöglicht genau das: Die Dinge in einen neuen Bezugsrahmen zu setzen, der zu mir selbst und meinen Werten und Wesenszügen passt. Im Coaching nennt man das Reframing.
Mit diesem Reframing kann ich mir als introvertierter oder hochsensibler Mensch zum Beispiel bewusst machen, dass ich vielleicht bisher das Thema Netzwerken mit großen Events in riesigen Hallen und Small Talk mit vielen verschiedenen Menschen assoziiert habe. Das ist aber nur ein möglicher Rahmen. Es gibt noch viele weitere, wovon einige eher zu einer introvertierten Persönlichkeit passen. Zum Beispiel könnte ich eine ganz kleine Austauschrunde in einem geschützteren Raum initiieren oder mich auf ein Zweiergespräch mit einer einzigen Person fokussieren. Das schafft auch eine viel persönlichere Verbindung als das oberflächliche Abklappern vieler potenzieller Netzwerkpartner:innen. Für manche Introvertierte sind auch digitale Räume angenehmer, für andere wiederum der ganz persönliche Kontakt. Hier darf ich mich gern ausprobieren, um den für mich passenden Rahmen zu gestalten.
Viele Introvertierte und Hochsensible empfinden auch häufig Small Talk und dieses »so tun als ob « enorm anstrengend, etwa wenn die Hochglanzfassade der Firma aufrecht erhalten werden soll. Doch diese Floskeln und Masken braucht es mit der oben beschriebenen Art des Netzwerkens nicht mehr, sie sind sogar sehr hinderlich. Es ist dafür viel sinnvoller, authentische Gespräche anzuregen und das aktive Zuhören zu kultivieren, anstatt sich selbst und seine Organisation ständig repräsentieren zu müssen. Wir nehmen viel mehr Inspiration mit, wenn wir offen für andere Perspektiven und Erfahrungsberichte sind.
Introvertierte und empathische Menschen haben hier oft ungeahnte Stärken, wenn sie ihren eigenen Rahmen geschaffen haben. Dabei geht es vor allem auch um Selbstakzeptanz, denn introvertiert oder hochsensibel sein sind Wesenszüge, die genauso wertvoll und manchmal herausfordernd sind, wie andere Eigenschaften.
Welche Rahmenbedingungen braucht es dafür?
Nevoigt: Der Rahmen hierfür ist ein menschenzentrierter: Community over Competition. Denn ein Unternehmen kann niemals im luftleeren Raum gedeihen, es braucht vielschichtige und vor allem echte Verbindungen. Für mich bedeutet das, sich von der Hochglanzfassade zu verabschieden und sich lieber offen über Prozesse, Entwicklungen und auch eigene Schwierigkeiten und Hürden auszutauschen.
Also auch hier die »professionelle Maske« abnehmen und authentisch agieren, um gemeinsam hilfreichere Möglichkeiten und Lösungen entwickeln zu können. Dabei kann es um spezifische interne Prozesse gehen, aber auch um allgemeine Entwicklungen, wie etwa die Digitalisierung. Daraus können dann auch tragende Kooperationen und vertrauensvolle Beziehungen entstehen. Wie das in der Praxis funktionieren kann, das spielen wir in den Workshops anhand konkreter Anliegen und Fragen der Teilnehmer:innen durch.
Was sollten Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen in Bezug auf das Thema Netzwerken eher vermeiden?
Nevoigt: Man nimmt sich und seiner Organisation viele wunderbare Möglichkeiten, wenn man nur ergebnisorientiert und nicht menschen- und beziehungsorientiert netzwerken möchte. Zum Beispiel indem man lediglich nach eigenen Vorteilen und Problemlösungen sucht, während man sich selbst und seiner Organisation nicht in die Karten schauen lässt. Mit Argwohn oder Misstrauen kann kein offener Austausch entstehen und somit auch keine echte Verbindung.
Natürlich ist es sinnvoll, vorab im Team und der Organisation zu klären, ob es gewisse sensible Informationen oder interne Prozesse gibt, die zum Beispiel aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geteilt werden dürfen. Aber meistens braucht es diese ganz spezifischen Informationen gar nicht, um gemeinsam Möglichkeiten und Lösungsideen auszuloten, weil vieles auf einer Metaebene beleuchtet werden kann.
Gibt es bestimmte Fragen oder Themen, die in Ihrem Coaching von den Teilnehmenden, egal ob Führungskräfte oder Berufseinsteiger:innen, häufig angesprochen werden?
Nevoigt: Viele Anliegen laufen letzten Endes, wenn die Blockaden langsam aufgelöst sind, auf große philosophische Lebensthemen hinaus: Was ist der tiefere Sinn meines Schaffens? Was motiviert und begeistert mich im tiefsten Innern? Was möchte ich mir und der Welt geben? Welche Beziehungen möchte ich eingehen? Was würde ich tun, wenn ich alle Möglichkeiten hätte und frei von inneren und äußeren Hindernissen wäre?
Auch wenn diese Fragen auf den ersten Blick wenig mit dem praktischen Arbeitsalltag zu tun haben, so tun Unternehmen und Organisationen doch sehr gut daran, sich klarzumachen, dass es solche Fragen sind, die Menschen und ihr Handeln auf der tieferen Ebene bewegen. Es geht dabei auch um die elementare Frage, was für uns Menschen ein echter Mehrwert ist und wie wir auf Grundlage dessen gemeinsam wirtschaften, zusammenarbeiten und leben wollen.
Die besprochenen Themen und Ansätze beziehen sich im Grunde auf alle Menschen, wie etwa die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit oder hilfreiche Bedingungen, um die eigenen Potenziale zu entfalten. Nach meinen Erfahrungen sind allerdings hochsensible Menschen in besonderem Maße von diesen tieferen Themen betroffen, weil sie durch ihre Feinsinnigkeit eher soziale Schwierigkeiten oder strukturelle Dysbalancen wahrnehmen sowie schneller an eigene Belastungsgrenzen stoßen. Und deshalb viel häufiger an den Punkt kommen, sich damit auseinanderzusetzen: Was brauche ich wirklich und wie kann ich mein Leben und Arbeiten danach gestalten?
Können wir alle etwas tun, um Arbeit menschenzentrierter und sensibler zu gestalten?
Nevoigt: Der erste wichtige Schritt ist immer das Bewusstmachen der Bedingungen und Mechanismen, die um mich und auch in mir wirken. Nur was ich ins Bewusstsein hole, kann ich auch beleuchten und gegebenenfalls verändern.
Auf der zwischenmenschlichen und kollegialen Ebene ist auch hier das echte Interesse am anderen und seinem
Blickwinkel hilfreich. Offen für andere Arbeitsweisen, Ansätze und Ansprüche zu sein, kann auch sehr inspirierend für die eigene Art zu arbeiten und zu leben wirken.
Auf der inhaltlichen und strukturellen Ebene kann ich dann gemeinsam mit meinem Team oder mit der gesamten Organisation einen offenen Raum für Fragen und Ansätze etablieren: Wozu tun wir, was wir tun? Für wen oder was ist das hilfreich? Erschafft es einen echten Mehrwert für die Menschen, die Gesellschaft oder die Umwelt? Und ist das für alle Mitwirkenden klar oder braucht es hier weiteren Austausch? Erst wenn das »Was« für alle klar definiert ist, geht es um die Frage: Wie wollen wir das konkret umsetzen?
Häufig werden diese Bereiche unzureichend bis gar nicht erkundet oder nur auf der Führungsebene, wenn die alte Hierarchiestruktur noch festsitzt. Oft herrscht auch noch die Überzeugung, dass die Zeit oder Ressourcen besser für das Alltagsgeschäft verwendet werden sollten, um schnelle Ergebnisse zu erzielen, anstatt auf solche Sinn-Fragen oder verbindende Netzwerkräume. Doch genau auf diesen Ebenen liegen langfristig unschätzbare Möglichkeiten für jede Organisation und jeden Einzelnen. Und das bringt dann, quasi als Nebeneffekt, auch stärkere Ergebnisse auf der Ebene der Daten und Zahlen.
Für die angehenden Führungskräfte im Masterstudium Sozialmanagement an der Paritätischen Akademie gibt Martin Nevoigt Workshops zum Thema Networking. Bereits im März 2023 haben wir mit ihm über seine Kritik an veralteten Menschenbildern gesprochen, auf denen viele Unternehmensstrukturen immer noch fußen. Hier geht es zum Fachbeitrag.
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Das Interview mit Martin Nevoigt (Webseite) führte Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin)
Titelbild: Martin Nevoigt (Foto: Sylvia John)
Hochsensibilität im beruflichen Kontext sozialer Arbeit
Seminar mit Martin Nevoigt
Pionierwerkstatt Agilität – nachhaltige Verankerung von agilen Methoden und agilem Mindset
Zertifikatskurs mit Björn Schmitz
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5 Tipps für wirksames Employer Branding in der Sozialwirtschaft
Wie funktioniert eigentlich aktuelles, wirkungsvolles Employer Branding? Darüber haben wir mit Fachexpertin und Dozentin Anne Engelshowe gesprochen. Herausgekommen sind fünf Tipps, die wir in diesem Magazinbeitrag teilen, um Ihre Arbeitgebermarke in Zeiten von Fachkräftemangel und hoher Fluktuation in der Sozialwirtschaft zu stärken.
1. Sei konsistent – und wenn du’s nicht bist, sprich offen darüber
Viele Unternehmen werben mit flachen Hierarchien und Nachhaltigkeit. In der Realität treffen Bewerber:innen dann aber schnell auf „Siezen in der Chefetage“ und unnötige Wegwerfprodukte im Arbeitsalltag. Konsistent sein bedeutet jedoch, Botschaften nicht nur in der Auswahl smarter Bilder und Sprüche auf der Website, sondern wirklich bis in die Mitarbeitenden-Toilette hinein zu durchdenken. Dies erfordert keine Perfektion, sondern authentische und ehrliche Kommunikation.
Wenn in Bewerbungsgesprächen beispielsweise lieber gesiezt wird und im Team eine „Du-Kultur“ herrscht, sollte dies offen angesprochen werden. Auch was die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und Diversität im Arbeitsalltag betrifft, sollten Arbeitgeber:innen dies weniger perfekt verkaufen und sich stattdessen um eine gemeinsame Entwicklung hin zu einer guten und lebenswerten Organisation bemühen, womit wir auch direkt zum zweiten Tipp kommen:
2. Trau‘ dich, deine (potenziellen) Mitarbeiter:innen zu fragen und damit in die Lösungsfindung mit einzubeziehen
Oft wissen gerade kleine Träger:innen nicht, mit welchen Argumenten sie sich gegenüber „den Großen“ behaupten sollen, sodass in Stellenanzeigen mit üblichen Phrasen und Floskeln geworben wird. Doch was wäre, wenn sie ihre bestehenden Mitarbeiter:innen fragen, warum sie gen bei ihnen arbeiten? Was sie antreibt, sich jeden Tag auf die Arbeit einzulassen? Und, warum nicht Bewerber:innen im nächsten Interview selbst fragen, wie sie sich gerne bewerben möchten? Vielleicht ist der Telegram-Chatbot dann doch nicht so gewollt, wie anfangs angenommen.
Eine Kultur des Fragens und des Zuhörens kann langfristig zu besseren Entscheidungen für alle Beteiligten führen. Es erfordert jedoch Mut zuzugeben, dass man nicht immer die perfekte Lösung parat hat. Genau darum geht es im nächsten Tipp:
3. Ungemütliche Probleme erfordern (vermeintlich) ungemütliche Handlungen
Der Fachkräftemangel im Bereich der Pflege verschärft sich zunehmend. Um diesem Problem entgegenzuwirken, müssen neben faireren Arbeitsbedingungen auch Maßnahmen wie das „Abwerben“ von Pflegekräften neu betrachtet werden. Könnte es als Gewinn auf Systemebene betrachtet werden, wenn Pflegekräfte von einem Arbeitgeber zum anderen wechseln, statt der Branche vollständig den Rücken zuzukehren? Eine weitere Herausforderung besteht in der Erstellung von Dienst- und Schichtplänen, betont Anne. Wie können wir den zunehmenden Wunsch nach geregelten Arbeitszeiten und hoher Vereinbarkeit von Freizeit und Arbeit mit der teilweise noch sehr starren Schichtplanung vereinbaren? Wer in der Pflege in 10 Jahren noch Personal finden möchte, muss sich jetzt mit Lösungen für diese und weitere Fragen befassen. Möglicherweise erfordert dies die stärkere Zusammenarbeit verschiedener Träger:innen, um gemeinsam kreative Lösungen für gute Arbeitsbedingungen zu entwickeln.
Allerdings haben Synergien auch Grenzen, die in der Auswahl und Gestaltung von Kooperationen gewahrt werden müssen. Um diese Grenzen zu kennen, benötigt man ein solides Verständnis der eigenen Identität, auf das im nächsten Abschnitt eingegangen wird:
4. Immer wieder mit dem Brennglas auf die eigene Identität schauen
Arbeitgeber:innen sollten sich öfter die Frage stellen: „Wer bin ich? Was treibt uns an?“. Oftmals wird bei der Gestaltung von Leitbildern zu stark die Perspektive von Leistungsempfänger:innen und Geldgeber:innen berücksichtigt, während die Mitarbeiter:innen-Perspektive vernachlässigt wird. Die eigene Identität als Organisation zu kennen und zu wahren ist jedoch essenziell, um zu wissen, welche Art von Mitarbeiter:innen man sucht und welche nicht. Wenn eine Organisation beispielsweise Offenheit und Lernbereitschaft fördert, muss sich dies auch in der Gestaltung der Arbeitszeit sowie ausreichend Freiraum für Fort- und Weiterbildung widerspiegeln. Gleichermaßen wäre es passender, anstatt den perfekten Lebenslauf von Bewerber:innen einzufordern stärker auf die Lern- und Weiterentwicklungsbedürfnisse der Kandidat:innen zu schauen.
Ein starkes Arbeitgeberselbstverständnis kann daher sowohl bei der Bewerber:innenwahl Orientierung geben als auch konsistentere Entscheidungen im Arbeitsalltag ermöglichen. Dazu gehört auch die Entscheidung einer Kündigung, über die in Organisationen noch viel zu zaghaft gesprochen wird. Auch hierzu hat die Expertin ein paar letzte Tipps.
5. Lerne, wertschätzend loszulassen und im Guten auseinanderzugehen
In Zeiten von Social Media und Online-Portalen hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ein exponentiell wachsendes Netzwerk, das auch für Arbeitgeber:innen von Bedeutung ist. Daher ist es umso wichtiger, dass Wertschätzung und Offenheit nicht nur gegenüber potenziellen und aktuellen, sondern auch ehemaligen Mitarbeiter:innen gezeigt wird. Die Zeiten, in denen Mitarbeiter:innen den ersten Job bis zur Rente behielten, sind vorbei. Auf diese Veränderung beleidigt oder mit verschlossenen Türen zu reagieren, führt zu nichts oder schadet sogar dem Image des Unternehmens. Die innovativsten Reaktionen auf Kündigungen, die Anne in ihrer Karriere erlebt hat, waren:
- ein Blumen-Abo, das auch Monate nach dem Austritt noch monatlich für die großartige Arbeit dankt oder
- eine Postkarte als undatierter Rückfahrschein, der herzlich und kreativ die Option einer Rückkehr ins Unternehmen ermöglicht
PS: Hast Du eigentlich gemerkt, dass wir in diesem Beitrag hier vom „Sie“ ins „Du“ übergegangen sind? Wie hat sich das beim Lesen angefühlt?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Seien Sie gut zu Ihren Mitarbeitenden. Aktivieren Sie sie für Ihre Aktivitäten und finden Sie Freude daran, Herausforderungen gemeinsam anzugehen. Dann wird gutes Employer Branding nicht länger ein gefürchtetes Buzzword sein, sondern eine natürliche Konsequenz eines wertschätzenden und kollaborativen Miteinanders.
Wer intensiver in die Themen Mitarbeitendengewinnung und ‑bindung eintauchen möchte, kann sich noch für Annes Veranstaltungen „13. Treffen Netzwerk Personalmarketing“ (16.10.2024) und „Attraktiver Arbeitgeber werden: Grundlagenseminar für die Sozialwirtschaft“ (16. – 17.09.2025) anmelden.
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Text: Der Beitrag wurde von Tanja Tissen, Bildungsreferentin und Dozentin an der Paritätischen Akademie, im Interview mit Anne Engelshowe verfasst.
Foto: Anne Engelshowe
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Was macht ein:e Sozialarbeiter:in in einer psychiatrischen Klinik?
Exkursion in das St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin Mitte
Wofür gibt es Soziale Arbeit im psychiatrischen Bereich? Das sollen unsere Studierenden des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit genauer erfahren. Im Februar fand eine Exkursion in die psychiatrische Station der Universitätsklinik Charité im St. Hedwig-Krankenhaus Berlin statt. Weit mussten die Studierenden dafür nicht reisen. Denn die Klinik im denkmalgeschützten Bau befindet sich im historischen Zentrum von Berlin-Mitte. Nur wenige Minuten zu Fuß von der Paritätischen Akademie entfernt.
Heute, über 170 Jahre nachdem die ersten Patient:innen hier aufgenommen wurden, arbeiten im St. Hedwig-Krankenhaus über 1400 Mitarbeiter:innen für stationäre oder ambulante Versorgung in unterschiedlichen Fachdisziplinen von Anästhesie und Intensivmedizin bis zur Viszeralchirurgie.
Die Studierenden lernten an diesem Tag die Abteilung für Psychiatrie kennen. Hier erhalten Menschen, die eine psychische Erkrankung sowie eine zusätzliche Abhängigkeitserkrankung haben, in einer auf „Psychose und Sucht“ spezialisierten Tagesklinik unterschiedliche Therapieangebote. Mit Einzelgesprächen und Gruppentherapien, Achtsamkeits- und Bewegungstraining werden sie in der Tagesklinik und Ambulanz für Doppeldiagnosen betreut. Die Student:innen der Paritätischen Akademie nahmen an einer exklusiven Führung und einem Fachgespräch mit einer Sozialarbeiterin vor Ort teil.
Wer arbeitet in der psychiatrischen Klinik?
Ein Team aus ca. acht Mitarbeiter:innen sind in der Tagesklinik angestellt. Es besteht aus Psycholog:innen, Ärzt:innen, einer Ergo- und einer Sporttherapeutin, einer Sozialarbeiterin sowie Praktikant:innen und Pflegeschüler:innen. Auch ein Stationshund für die tiergestützte Therapie ist regelmäßig für die Patient:innen da.
Wie läuft ein Tag in der Klinik für die Patient:innen ab?
Die Tagesklinik hat von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Gestartet wird jeden Tag mit einem Tageseinklang. Das bedeutet eine Tasse Kaffee, Temperaturmessung und derzeit auch die Covid-Test-Kontrolle. Dann geht es laut Plan weiter mit einer Morgenrunde und anschließenden Therapieeinheiten. Die Patient:innen können je nach Tagesprogramm zum Beispiel zwischen Ergotherapie oder einer Gruppentherapiesitzung wählen. Es kann sich gemeinsam oder individuell in Entspannung, Sozialkompetenz oder auch Konzentration geübt werden.
Der Nachmittag ist durch vielfältiges Programm gestaltet. Außenaktivitäten im Park, Lichttherapie, Zeichnen oder alltagspraktisches Training werden angeboten. Ein wichtiger Bestandteil sind die Tages- sowie Wochenbilanzen, die
in Gesprächsgruppen und Einzelgesprächen gezogen werden.
Was sind die Aufgaben von Sozialarbeiter:innen im Bereich Psychiatrie?
Gesprochen haben die Studierenden mit einer Sozialarbeiterin der Station. Sie erklärt, wie der Weg von der Diagnose bis zum Therapieplatz abläuft. Die Aufnahme von Patient:innen erfolgt entweder direkt nach einem stationärem Aufenthalt oder durch ärztliche Überweisung. Sozialarbeiter:innen unterstützen Personen mit Hilfebedarf dabei, einen Therapieplatz zu finden und zu beantragen. Sie helfen bei Leistungsansprüchen und bei der Organisation von weiterführenden Hilfen, wie medizinische oder berufliche Rehabilitation.
„Sie sind Berater:innen für die verschiedenen Lebensbereiche von finanziellen und beruflichen Themen bis hin zur Gestaltung der eigenen Tagesstruktur und sozialen Beziehungen.“
so fasst Berit Kempe die Aufgaben zusammen. Die Dozentin für Sozialmedizin und Public Health im Bachelor Soziale Arbeit ist als Sozialarbeiterin an der Psychiatrischen Station des Krankenhauses tätig.
Der Rundgang über die Station schloss mit einem Besuch des Offenen Ateliers ab. Farbtuben, Pinsel und eine Vielfalt an kunsttherapeutischen Materialen stehen hier an den verschiedenen Arbeitsplatten zur Verfügung. Kunst- und Handwerkstherapie begleitet Menschen in akuten Krisen und hilft ihnen bei der Integration des Erlebten.
Unsere Studierenden haben viel darüber gelernt, was in einer psychiatrischen Tagesklinik alles passiert und wie insbesondere die Arbeit im Sozialdienst aussieht. Ob jemand von ihnen dazu inspiriert wurde, in dieses Berufsfeld tiefer einzusteigen? Wir werden sie weiter auf ihrem Weg begleiten.
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Text & Fotos: Julia Mann (Paritätische Akademie Berlin: Kontakt)
Foto: Canva
Handlungsstrategien in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen
Seminar mit Uta Rautenstrauch
Sozialmanagement, Master of Arts
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