Hochsensibilität im Berufsalltag
Und ihre Potenziale im Arbeitskontext
Vom Gefühl, sich nicht zurechtzufinden und einfach nicht reinzupassen, war das Verhältnis zur Arbeitswelt von Martin Nevoigt lange Zeit geprägt. Soziale Interaktionen wie Small Talk am Mittagstisch oder unausgesprochene Konflikte im Team laugten ihn oft aus. Außerdem hatte er nie Interesse an der vorherrschenden Ellenbogenmentalität: Konkurrenzdenken, Statussymbole oder das ewige Schneller-Höher-Weiter. „ Mich bewegte vor allem der tiefere Sinn hinter allem und wie echte Begeisterung und innere Motivation dafür entfaltet werden kann.“ erinnert er sich. Wir haben ihm einige Fragen zu seinem Werdegang gestellt.
Martin Nevoigt ist heute Geschäftsführer einer gemeinnützigen Organisation und systemischer Coach im Bereich Hochsensibilität, menschenzentriertes Arbeiten (New Work) und sensibles beziehungsweise empathisches Unternehmertum. Er ist außerdem als Dozent und Autor tätig. In seiner Arbeit geht es häufig um selbstbestimmte Arbeitsstrukturen und einen guten Umgang mit den eigenen Ressourcen und Potenzialen.
Vor 10 Jahren begann er, sich eingehend mit seiner eigenen Hochsensibilität und neuen Arbeitsansätzen zu beschäftigten. Dann ergab vieles plötzlich Sinn. Er gewann Akzeptanz für sich selbst. Daraus entstand die Kraft, sein Leben und Arbeiten nach seinen Werten und Bedürfnissen zu gestalten.
Was bedeutet es, hochsensibel zu sein?
Nevoigts Klient:innen sind hauptsächlich Unternehmer:innen, Selbständige und Personen mit einer sehr ausgeprägten Empathie und Sensibilität.
„Laut psychologischen Forschungen sind etwa 15–20 Prozent der Bevölkerung hochsensibel. Das bedeutet, dass ihr Nervensystem über die Sinnesorgane deutlich mehr und feiner Reize und Informationen aufnimmt und diese auch länger und intensiver im Gehirn verarbeitet als normalsensible Menschen.“
stellt er in der Auseinandersetzung mit dem Thema fest. In alltäglichen Situationen kann das ziemlich herausfordernd sein. Die Reizüberflutung kann zu einer großen Erschöpfung und schließlich einem sozialen Rückzug führen. Auch die zwischenmenschliche Kommunikation kann mitunter schwierig sein, weil die hochsensible Reizverarbeitung häufig auf Details oder Nuancen fokussiert. Das kann schnell zu Missverständ-nissen führen. Viele Hochsensible zweifeln dann an sich und ihrer feinen Wahrnehmung. Sie denken oft, nicht „hart“ oder stark genug für eine Selbständigkeit oder Führungsposition zu sein. Doch diesem Glaubenssatz widerspricht der erfahrene Coach für hochsensible Personen (kurz: HSP).
Hochsensibilität – Laster oder Potenzial?
In der Hochsensibilität stecken große Potenziale, so der Experte. Zum Beispiel eine ausgeprägte Gewissenhaft-igkeit, Detailverliebtheit und starke zwischenmenschliche Kompetenzen, wie Einfühlungsvermögen und eine gute Intuition.
„Hier fehlt es oft an einem tragenden (Selbst-)Bewusstsein für diese wertvollen Potenziale und Möglichkeiten, die hochsensible und »leise« Wesenszüge aufweisen – für sich selbst und die Gesellschaft. Es geht auch darum, zu erkennen, dass innere Stärke nicht entsteht, wenn wir hart zu uns sind, sondern indem wir auch in schwierigen Phasen gut für uns sorgen.“
Wenn Arbeitgeber:innen und Führungskräfte die wertvollen Begabungen und speziellen Bedürfnisse von Hochsensiblen erkennen und fördern, kommt dies der gesamten Organisation zugute. Denn im richtigen Umfeld sind Hochsensible absolute Teamplayer, handeln sehr loyal und selbstverantwortlich, haben hohe moralische Werte und ausgeprägte soziale Kompetenzen. Außerdem können sie häufig komplexe Zusammenhänge intuitiv erkennen und gehen mit großer Sorgfalt und Tiefgründigkeit vor.
Wie können Arbeitsstrukturen so gestaltet werden, dass sie für hochsensible Menschen funktionieren?
„Die Arbeitsweise ist oft eine andere, als der typische Büroalltag als Angestellter es zulässt. Zum Beispiel können viele Hochsensible in kürzester Zeit sehr intensiv und effektiv arbeiten, weil das ihrer komplexen Reizverarbeitung entspricht, brauchen dazwischen aber häufiger Pausen und Ruhe zum Entspannen und Regenerieren. Mit zeitlich
eng getakteten Arbeitstagen oder lauten und vollen Büroräumen funktioniert das nicht. Hier wären zum Beispiel Ruheräume, selbstverantwortliche Arbeitszeiten oder bestimmte Tage im Home Office gute Möglichkeiten.“ So Nevoigt. Wenn hochsensible Mitarbeiter:innen einen tieferen Sinn in ihren Aufgaben und Tätigkeitsfeldern sehen und die Unternehmensziele ihren Werten entsprechen, bringen sie sich enorm ein, weiß er.
Sind Unternehmen offen für ein Umdenken und ein daraus folgendes Umstrukturieren? Wie kann Vorbehalten entgegnet werden?
Ja, der HSP-Coach kann ein allmähliches Umdenken beobachten. Technische und digitale Entwicklungen tragen zu diesem Wandel bei. Die Digitalisierung oder die Corona-Pandemie haben Homeoffice oder Remote Work als Optionen normalisiert.
Nevoigt ist überzeugt, dass die „klassisch hierarchische Arbeitswelt der Fabriken, wo ein Vorgesetzter plant und alle anderen ausführen“ überholt ist. Abgelöst werden sollte dieses Modell durch „ein netzwerkendes Zusammen-arbeiten auf Augenhöhe, wo Menschen ihre Ideen, Interessen, Expertisen und Erfahrungen einbringen. So kann eine Art organisatorisches Biotop entstehen, in welchem ein sinnvoller Mehrwert und spannende Ansätze gedeihen.“ Hochsensible und empathische Menschen gewinnen dadurch an persönlichem Gestaltungsraum und können freier arbeiten. Sie können sogar zu Vorreiter:innen werden. Das möchte der Berater für hochsensible Unternehmer:innen und Führungskräfte vermitteln.
Können dadurch bessere Ergebnisse erzielt werden?
Geht durch Umstellung auf neue Arbeitsstrukturen nicht auch ein gewisses Maß an Effizienz verloren? Diese Sorge stammt laut Nevoigt aus einem „industriellen Menschenbild“. Arbeitskräfte sollen hier streng und kontrollierend geführt werden. Führungskräfte müssen alles wissen und fehlerfrei managen. „Das erzeugt auf allen Ebenen enormen Druck und ein demotivierendes Klima der Angst und Kontrolle.“ Und auch am Vertrauen in die eigene Wirkkraft fehle es dann.
Wer hingegen authentisch agieren kann, weil ein vertrauensvolles Menschenbild vorherrscht, erzielt spannendere Ergebnisse. Nicht nur, nehmen Menschen schwierige Herausforderungen eher an, wenn sie diese für sinnvoll und wertvoll erachten (intrinsische Motivation). Auch für alle anderen Mitwirkenden kann sich eine echte Befreiung einstellen. Davon, sich nicht mehr hinter einer „professionellen Maske des Allwissenden und Unfehlbaren verstecken zu müssen.“ Das sogenannte „Masking“ raubt Energie und Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können.
Solche Veränderungen entfalten gerade für hochsensible Menschen viele bis dahin unentdeckte Möglichkeiten, stellt Nevoigt in seinen Coachings immer wieder fest. Sinnlose Tätigkeiten, Ängste, sozialer Druck und frühere Abwertungen entmutigen Menschen. Sie fühlen sich blockiert. Martin Nevoigt hilft diesen Menschen dabei, sich diese Blockaden bewusst zu machen und sie abzulegen. Im Ergebnis gehen Menschen danach sehr viel zuversichtlicher und engagierter vor. Dazu gehört auch, eine sinnvolle Abgrenzung zu entwickeln und häufiger mal „Nein“ zu sagen.
„Menschen sind nicht faul, sie sind nur blockiert und entmutigt.“
Seine Tipps und Methoden gibt Martin Nevoigt in Gruppen-Workshops auch an die Studierenden im Master Sozialmanagement der Paritätischen Akademie Berlin weiter. Zum Semesterbeginn 2022 drehte sich dabei alles um das Thema Networking. Wie das auch als z. B. introvertierte Person gut funktionieren kann, hat er uns für das nächste Interview beantwortet. Der Beitrag erscheint in Kürze in unserem Online-Magazin.
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Das Interview mit HSP-Coach Martin Nevoigt (Webseite) zum Thema Hochsensibilität im Berufsalltag und die redaktionelle Verarbeitung erfolgte durch Julia Mann (Mitarbeiterin Marketing Paritätische Akademie Berlin: Kontakt).
Foto: Sylvia John
Sozialmanagement
Master of Arts
Berufsbegleitender Fernstudiengang
Management von Sozialeinrichtungen
Master of Science
Berufsbegleitender Masterlehrgang
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Workshop über das systemische Konzept der „neuen Autorität“ in der Sozialen Arbeit
„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ wirft die Trainerin und Sozialarbeiterin Magdalena Kurde in die Teilnehmerrunde – und führt damit in einen zentralen Gedanken des Konzepts „neue Autorität“ ein. Darin spielen Präsenz (oder „wachsame Sorge“) und ein Netzwerk an Bezugspersonen und Professionellen eine zentrale Rolle, damit die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen nachhaltige Wirksamkeit entfalten kann. Entwickelt wurde die „neue Autorität“ von Haim Omer, emeritierter Professor für Klinische Psychologie an der Tel Aviv University.
Die Teilnehmenden des Seminars „Soziale Bildungsarbeit“ an der Paritätischen Akademie in Kooperation mit der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik unter Leitung von Prof. Dr. Tanja Seider diskutierten in einem Workshop eigene Vorstellungen von positiver und negativer Autorität und erprobten daran anschließend Methoden für eine positive und deeskalierende Beziehungsgestaltung in Konflikten. Frau Kurde, die Schulsozialarbeiterin an einer Berliner Grundschule ist, berichtete dabei auch aus ihrer schulischen Alltagspraxis: „Neue Autorität trägt dazu bei, dass Kinder die Schule als einen sicheren Ort erleben, an dem sie sich entfalten können.“ Ihr persönlicher Zugang sei es aber auch, die Schüler*innen am Beginn des Schultags stets mit zusätzlichem „Glitzer“ im Schulalltag willkommen zu heißen.
Der Theorie-Praxis- Workshop war für die unterschiedlichen Arbeitsfelder der Teilnehmenden aus der Kinder- und Jugendhilfe von Interesse, um konfliktreiche Alltagssituation aus der Berufspraxis auf der Grundlage dieses Konzepts zu reflektieren.
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Text: Prof. Dr. Tanja Seider
Foto: Paritätische Akademie Berlin
Hier geht es zum Originalbeitrag auf der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik (HSAP).
Im berufsbegleitenden Studium der Sozialen Arbeit (B.A.) mit Präsenzeinheiten an der Paritätischen Akademie Berlin unterrichtet die Dozentin Prof. Dr. Tanja Seider Soziale Bildungsarbeit. Der Studiengang ist eine Kooperation zwischen der Hochschule für Soziale Arbeit und Pädagogik und der Paritätischen Akademie Berlin. Der nächste Studiengang startet im Oktober 2023.
Soziale Arbeit, Bachelor of Arts
Studiengang
Online-Studium mit Präsenzeinheiten
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Neue Erkenntnisse zum Messie-Syndrom
Veronika Schröter forscht und arbeitet seit vielen Jahren zum Messie-Syndrom. Die Bezeichnung „Messie-Syndrom“ ist allerdings ein Überbegriff. Bisher wurde nicht klar zwischen den verschiedenen Ausprägungstypologien unterschieden. Dabei müssen sie in ihrer Symptomatik, Behandlungsform und Ursachen klar voneinander differenziert werden.
Teil 1: Definition und Krankheitsbild
Um in der sozialen Arbeit mit vom Messie-Syndrom betroffenen Menschen umgehen zu können, muss zunächst ein Verständnis darüber herrschen, worum es sich bei dem Syndrom handelt. In der Forschung gab es in den letzten
Jahrzehnten lange keine klare Antwort darauf. Angenommen wurde unter anderem, dass es sich um ein Symptom einer anderen zugrundeliegenden psychischen Erkrankung handeln könnte. Vermutet wurde möglicherweise eine Zwangs- oder Suchterkrankung, die entsprechend therapiert werden müsse. Nun gibt es neue Erkenntnisse, über die wir mit Veronika Schröter gesprochen haben. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie mit vom Messie-Syndrom
betroffenen Menschen und hat untersucht, was genau dahintersteckt.
Nach den Forschungsergebnissen einer von ihr durchgeführten Studie im Jahr 2022 wird deutlich: Es handelt sich beim sogenannten pathologischen Horten um eine eigenständige Krankheit (ICD-11). Schröters Arbeiten zeigen auch: es gibt nicht „das“ Messie-Syndrom, sondern unterschiedliche Ausprägungsformen mit eigenen Merkmalen. Das Messie-Syndrom ist demnach als ein Überbegriff zu verstehen.
An der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg unter der Leitung von Prof. Dr. Ebert führte sie eine Studie durch, in der das Krankheitsbild „Messie-Syndrom“ näher definiert wurde. Die Annahme, dem Messie-Syndrom liege eine andere psychische Krankheit (z. B. eine Zwangsstörung) zugrunde, konnte in der Studie nicht bestätigt werden. Bestimmte Bindungserfahrungen, vor allem in der frühen Kindheit liegend, führen zu der Erkrankung.
Die Annahme, dem Messie-Syndrom liege eine andere psychische Krankheit (z. B. eine Zwangsstörung) zugrunde, konnte in der Studie nicht bestätigt werden.
Doch grenzen wir das Phänomen zunächst ein: Von Kleidung über Zeitschriften bis hin zu elektronischen Geräten wie alte Handys und Co. – In der heutigen Konsumgesellschaft passiert es nicht selten, dass sich Dinge anhäufen, Schubladen und Schränke regelrecht „überquellen“. Ab wann wird von einem Messie-Syndrom gesprochen?
Laut Veronika Schröter ist dann vom Messie-Syndrom die Rede, wenn sich Sachen in einer Art und Weise stapeln, sodass Betroffene damit eine tatsächliche Lebenseinschränkung erfahren. Eine Einschränkung kann zum Beispiel
darin bestehen, keine Menschen mehr zu sich einladen zu können. Nicht nur wichtige soziale Kontakte haben dann keinen Zugang mehr zu der betroffenen Person. Auch Sozialpädagog:innen oder Therapeut:innen und Pflegekräfte können nicht mehr an die Betroffenen (wortwörtlich) herankommen, um zu helfen.
Schröter definiert drei Ausprägungstypologien, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen.
Der erste Typus ist das pathologische Horten. Hier ist die Hauptsymptomatik, dass sich Menschen von ihren Dingen nicht mehr trennen können. „Das ist trocken. Da riecht und krabbelt auch nichts.“ merkt die Co-Autorin der Studie an. Zuvor wurde das Sammeln bzw. Horten nicht von anderen Symptomatiken wie dem unhygienischen Wohnsituationen oder der gar nachlässiger Körperpflege unterschieden. Das pathologische Horten hat jedoch
eine vollständig andere Ursachenherkunft als zuletzt genannte.
Beim sogenannten „Vermüllungssyndrom“ gibt es im Gegensatz zum ersten Typus auch Geruchsbildung. Dies geschieht aufgrund einer Herdentwicklung unter den Stapeln in der Wohnung. Im Unterschied zum pathologischen Horten kann es hier laut Schröter „auch zu Feuchtigkeit und Schimmelbildung im Haushalt kommen.“
Dann gibt es noch eine dritte Ausprägungstypologie. Diese nennt sie das „Verwahrlosungssyndrom“. Die Therapeutin beschreibt es so: „An diesen Menschen ist erkennbar, dass sie aus einem gesellschaftlichen Konsens ausgestiegen sind.“ Damit meint sie allgemein existierende Übereinkunft, gepflegt aus dem Haus zu gehen. Der Hintergrund ursächlicher Art unterscheidet sich hier grundsätzlich von den anderen Ausprägungstypologien. Nämlich die Tatsache, dass diese Menschen an einer Bedeutungs- sowie Sinnlosigkeit leiden.
Zusammengefasst gibt drei verschiedenene Ausprägungstypologien:
- Das Pathologische Horten
- Das Vermüllungssyndrom
- Das Verwahrlosungssyndrom
Nicht nur in ihren Ursachen, auch in ihren Rechtsgrundlagen unterscheiden sie sich voneinander. So gibt es tatsächlich ein „Recht auf Verwahrlosung“ . Bei „Vermüllung“ ist das jedoch nicht der Fall. Hier muss auf der Rechtsgrundlage von Selbst- und Fremdgefährdung gehandelt und daraufhin in den Wohnraum eingegriffen werden. Wichtig ist der Messie-Expertin aber, dass dies mit Würde geschieht. Wie man das umsetzen kann, ist lernbar. Zum Beispiel bei ihr. Fachkräften der sozialen Arbeit vermittelt sie Grundlagenwissen, unterstützt als Coachin und Supervisorin sowie bei der Konzeptentwicklung in ihren Einrichtungen. Ihr Ziel: Das alle Mitarbeiter:innen das notwendige Wissen und Handwerk erhalten, um Messie-Betroffene auf gleicher Ebene begleiten zu können.
Wir möchten in Folgebeiträgen auf die Ursachen, Symptomatik, Behandlungsansätze der drei Ausprägungstypologien näher eingehen. Diese werden im Laufe des Jahres in unserem Online-Magazin erscheinen.
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Veronika Schröter ist Gründerin des Messie-Kompetenz- Zentrums in Stuttgart und bildet bundesweit Fachkräfte und Einrichtungen in der Arbeit mit Betroffenen aus. Erfahren hier Sie mehr über die Seminar an der Paritätischen Akademie Berlin.
Im Seminar Das Messie-Syndrom. Umgang mit Menschen, die dauerhaft im Chaos leben. schult die Messie-Expertin Fachkräfte darin, den typischen Herausforderungen in der Arbeit mit Betroffenen auf professionelle Weise gelassen und erfolgreich zu begegnen. Im Jahr 2023 wird das Seminar im April sowie im Oktober angeboten.
Foto: Veronika Schröter
Beziehungsdynamik bei psychischen Störungen
Seminar
mit Dr. phil. Sylvia Siegel
Das Messie-Syndrom. Umgang mit Menschen, die dauerhaft im Chaos leben.
Seminar
mit Veronika Schröter
Handlungsstrategien in der Arbeit mit psychisch kranken Menschen
Seminar
mit Uta Rautenstrauch
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Interview mit Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner
Eine Fachkraft, die sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, ist motivierter und engagierter. So hat die interne Teamkultur einen bedeutenden Einfluss auf die Leistung der Mitarbeitenden und natürlich darauf, ob sie langfristig im Arbeitsplatz bleiben. Ein gutes Miteinander unter Kolleg:innen ist nicht nur gut fürs Arbeitsklima. Es wirkt sich zudem auch positiv auf die Patient:innen bzw. Klient:innen aus.
Elke Katharina Meyer und Thomas Achim Werner haben es sich zur Aufgabe gemacht, Positive Psychologie in die Sozialwirtschaft zu bringen. Sie begleiten Führungskräfte dabei, diesen Ansatz in ihrer Einrichtung zu integrieren. Im Interview sprechen wir mit ihnen über ihre Erfahrung als Berater:innen in sozialen Organisationen und welche dort noch vorherrschenden Glaubenssätze zum Beispiel nicht mehr funktionieren.
Herr Werner, Sie kommen aus dem Bankwesen. Frau Meyer, Sie aus der Erwachsenenbildung. Ist Führung in sozialen Einrichtungen ein aktuelles Thema und gibt es hier dieselben typischen Probleme wie in anderen Branchen? Wie entstand die Idee für einen Zertifikatskurs zu Positiver Führung?
Meyer & Werner: Positive Führung ist ein aktuelles Thema, das in allen Branchen helfen kann, Menschen für zukünftige Herausforderungen zu stärken. In der Sozialwirtschaft gibt es allerdings besondere Herausforderungen.
Zum einen zeigen Untersuchungen, dass die wahrgenommene Qualität der Führung in der Sozialwirtschaft geringer ist als in vielen anderen Branchen. Hier wird viel Aufmerksamkeit auf die begünstigten Menschen (Patient:innen / Kund:innen / Teilnehmende) gerichtet, aber oft zu wenig auf die hier arbeitenden Menschen.
Zum anderen ist es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels insbesondere in der Sozialwirtschaft wichtig, attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten, um als Arbeitgeber Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten.
Führungskräften kommt dabei eine besondere Stellung zu. Es ist nachgewiesen, dass Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, primär ihre direkten Vorgesetzten und nicht das Unternehmen als Ganzes verlassen. Als Vorbilder sind Führungskräfte die direkte Schnittstelle zwischen Unternehmen und Mensch, sie tragen wesentlich zum Teamklima und der Kultur des Miteinanders bei. Oft ist ihnen gar nicht im vollen Umfang bewusst, dass sie in jedem Moment und mit jedem Verhalten bewusst und unbewusst als Modell wahrgenommen werden.
Darum ist es wichtig, Führungskräfte bewusst darin zu schulen, welche Wirkung sie im Team haben und wie sie ganz bewusst eine förderliche Führungskultur schaffen können. Dabei geht es nicht nur um erlernbares Verhalten, wie z. B. ein Gespräch nach einem bestimmten Leitfaden zu führen. Es geht auch um die innere Haltung, die eine Führungskraft gegenüber ihren Mitarbeitenden oder einer Situation einnimmt. Dafür haben wir den Zertifikatskurs Positive Führung entwickelt.
Es ist nachgewiesen, dass Mitarbeitende, die das Unternehmen verlassen, primär ihre direkten Vorgesetzten und nicht das Unternehmen als Ganzes verlassen.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie?
Meyer & Werner: Positive Führung ist noch recht neu und wurde in den letzten Jahren von einigen innovativen Unternehmen mit sichtbaren Ergebnissen implementiert. Mit diesem Kurs wollen wir die kräftigende Wirkung der Positiven Psychologie stärker auch in die Sozialunternehmen bringen, so dass auch hier Führungskräfte und Mitarbeitende von den neuesten Erkenntnissen der Positiven Psychologie profitieren können.
Gerade in dieser Branche sind die Menschen emotional besonders gefordert und arbeiten oft an ihrem Limit. Es ist uns nicht nur eine Herzensangelegenheit, diese Menschen in ihrem Selbstmanagement, ihrer Resilienz und ihrem Miteinander zu fördern. Es ist auch eine gesellschaftliche Notwendigkeit, dass diese Menschen auch zukünftig ihren wertvollen Job ausführen können.
Durch gelebte und umgesetzte Positive Psychologie wird sowohl das Arbeitsleben für die Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden verbessert. Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass das auch positiv auf die Kund:innen / Patient:innen wirkt.
Über die Zusammenarbeit mit der Paritätischen Akademie möchten wir die wertvollen Erkenntnisse der Positiven Psychologie auch den Betrieben der Gesundheits- und Sozialwirtschaft näherbringen. Das bietet auch kleineren Trägern, die (noch) keine strukturierte Führungskräftentwicklung haben, die Möglichkeit, ihre Führungskräfte zu vertretbaren Kosten zu entwickeln.
Was sind die Schwerpunkte und Stärken des Ansatzes Positive Führung?
Meyer & Werner: Positive Führung basiert auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Positiven Psychologie. Diese befasst sich im Kern damit, wie ein erfülltes Leben gelingen kann und was dazu beiträgt. Also weg vom Problemfokus hin zu Wachstum und Entfaltung.
Für die Führung bedeutet das, das Wertvolle und Gute zu erkennen und zu stärken, anstatt nur Probleme zu beseitigen. Wir ignorieren Störungen und Schwächen nicht, aber beschränken uns nicht auf die negative Abweichung, sondern suchen bewusst die positiven Abweichungen. Damit lenken wir unsere Energie und Aufmerksamkeit auf die Bausteine, aus denen die Lösungen gestaltet werden. Alle Modelle und Interventionen haben eine wissenschaftliche Basis mit nachgewiesener Wirksamkeit.
Neuere Ansätze wie New Work und Agilität verlangen von den Menschen viel Flexibilität und Entwicklungsbereitschaft. Mit der Positiven Führung stärken wir die Menschen von innen heraus, die Zukunft kraftvoll und zuversichtlich zu gestalten.
Sie arbeiten mit wissenschaftlichen Modellen wie dem PERMA-Modell. Woher kommt das und auf welchen Erkenntnissen beruht es?
Meyer & Werner: Das PERMA-Modell wurde 2011 von Martin Seligman vorgestellt, um die Elemente von „Flourishing“, also einem gelingenden Leben, strukturiert und verständlich darzustellen. Es ist inzwischen gut erforscht und – im Vergleich zu vielen anderen Modellen – leicht zu vermitteln. Es bietet für unsere Trainings einen
wissenschaftlich fundierten und zugleich sehr praxisorientierten Rahmen, um die Kerninhalte der Positiven Führung lebensnah zu vermitteln.
Das PERMA-Modell besteht aus 5 Elementen, die mit wissenschaftlichen Verfahren messbar sind. Zugleich sind alle 5 Elemente gut trainierbar.
P – Positive Emotionen – Die Forschungen von Barbara Fredrickson über positive Emotionen bezeichnet sie
selbst als „Schatztruhe der Menschheit“. Wie können Führungskräfte diese bei sich selbst und bei ihren
Mitarbeiter:innen aktiv anregen?
E – Engagement – Die Stärkenforschung ist – im Gegensatz zur Defizitorientierung der letzten Jahrzehnte – ein
originäres Forschungsfeld der Positive Psychologie. Wie können Führungskräfte Stärken und
Eigenverantwortung fördern?
R – Relationship – Als soziale Wesen ist für uns das wertschätzende und vertrauensvolle Miteinander
wesentlich für Zufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Gesundheit. Wie können Führungskräfte stärkende
Arbeitsbeziehungen gestalten?
M – Meaning – Die Quelle der Motivation ist das Wissen, warum wir etwas tun. Wie können Führungskräfte das
Bewusstsein für das „Warum“ auf verschiedenen Ebenen schärfen?
A – Accomplishment – Die Freude daran, Dinge zu schaffen und Ziele zu erreichen, stärkt Selbstbewusstsein
und Mut. Wie können Führungskräfte Ziele setzten und Erreichtes sichtbar machen?
Die PERMA-Modell wurde gerade im Führungskontext (genannt „Positive Leadership“) in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum von unserem Kollegen Markus Ebner intensiv erforscht. Die daraus resultierenden sehr überzeugenden Ergebnisse stellen ein Rahmenwerk für unseren Kulturkreis dar. Wir als Trainer fungieren als Brücke
zwischen Wissenschaft und Unternehmen. Aus den Forschungs-Ergebnisse bilden wir umsetzbare Techniken und Wege, die Führungskräfte und Mitarbeitende im Alltag umsetzen können. Alle Ansätze, die wir in diesem Zertifikatskurs trainieren, dienen der Steigerung einer oder mehreren Säulen des PERMA-Modells.
Was ist Ihnen wichtig, den Teilnehmenden zu vermitteln? Worauf legen Sie wert?
Meyer & Werner: Wir selbst lieben und leben das, was wir weitergeben. Aus diesem Grund bieten wir eine Fortbildung, in der die Teilnehmenden für sich und ihr Umfeld möglichst viel mitnehmen können. Dafür bieten wir Möglichkeiten zur Selbstreflexion, um bewusster zu erkennen und zu verstehen, was psychologisch bei ihnen und ihrem Gegenüber geschieht. Auf Basis dieser Reflexion bieten wir Raum, um neues Verhalten auszuprobieren und zu trainieren. Und letztlich sollen die Führungskräfte die Fähigkeit ausbauen, ihre Führungsrolle, ihr Führungsverhalten und ihre Führungskultur jetzt und in zukünftigen Situationen aktiv und bewusst zu gestalten.
Im Zentrum geht es immer darum, die eigenen Muster im Denken, Fühlen und Handeln zu erkennen, zu verstehen und mit guter Absicht zukunftsorientiert zu gestalten.
Wem würden Sie zu diesem Kurs raten? Gibt es da besondere Voraussetzungen oder Vorkenntnisse, die sie erfüllen sollten?
Meyer & Werner: Dieser Zertifikatskurs richtet sich an alle Führungskräfte sowie an Menschen, die bald in Führung gehen. In dieser Zielgruppe erwarten wir per se grundlegende Kommunikationsfähigkeiten und praktisch eingesetztes Führungsverhalten.
Die wichtigste Voraussetzung sind Neugier und Offenheit sowie die Bereitschaft, das eigene Denken und Verhalten zu hinterfragen und konstruktiv zu verändern. Damit verbunden ist auch die Erprobung und Umsetzung der Erkenntnisse in dem integrierten Praxisprojekt.
Was können die Teilnehmenden voneinander lernen?
Meyer & Werner: Im Verlauf des Kurses entsteht ein intensiver Austausch. Wir werden uns intensiv kennen lernen. Was sind meine eigenen Stärken? Was macht mich als Führungskraft aus? Welche Lösungsstrategien gelingen mir am leichtesten?
Diese Erkenntnisse entstehen nicht nur über Testverfahren und Selbstreflexion, sondern vor allen aus dem gegenseitigen Feedback in den Lernpartnerschaften und bei den Übungen.
Da die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Organisationen kommen, entsteht ein wertvoller Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Unsere Erfahrungen aus solchen Kursen zeigen zudem, dass sich daraus beständige Netzwerke von Menschen bilden, die gleichermaßen den Weg der Positiven Führung beschreiten.
Selbstführung ist ein Schlagwort aus Ihrem Kurs. Wie können Führungskräfte lernen, die Kontrolle und Verantwortung abzugeben?
Meyer & Werner: In unserem Führungsalltag sind wir oft getrieben von äußeren Anforderungen und Impulsen. Ein Großteil unserer Reaktion geschieht unbewusst.
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“ Dieses Zitat von Viktor Frankl bringt auf den Punkt, warum Achtsamkeit und Selbstreflexion für Entwicklung unabdingbar sind.
Kontrolle und Verantwortung abzugeben, erfordert das eigenen gute Gefühl dabei (P aus PERMA) und Vertrauen in den Mitarbeitenden ®. Der Blick auf die Stärken (E) meiner Mitarbeiter:innen ermöglicht eine gesunde Einschätzung, welche Aufgaben ich wem geben kann. Wenn ich delegiere, muss ich auch die Sinnhaftigkeit (M) vermitteln. Dann können wir im Anschluss gemeinsam die Erfolge feiern (A). Und damit
eine Wachstumsspirale der positiven Führung einleiten.
Gibt es auch Vorurteile und Zweifel, mit denen Sie konfrontiert werden? Wie begegnen Sie diesen?
Meyer & Werner: Uns begegnen einige Vorurteile und Zweifel und das können wir gut nachvollziehen. In unserer Kultur haben Begriffe wie „Zufriedenheit“ oder gar „Glück“ keinen großen Platz im Arbeitsalltag und das löst Skepsis aus. Einige der häufigsten Aussagen und unsere Antworten dazu sind:
„Nur das Positive im Blick zu haben, ist doch Schönfärberei.“ Genau. Da stimmen wir komplett zu. In der Positive
Psychologie geht es nicht darum, schön zu färben. Negative Emotionen gehören genauso zum Menschen wie Positive. Sorgen und Ängste gehören genauso zum Menschen wie Hoffnungen und Zuversicht. Wir sprechen von einem gesunden Gleichgewicht und einer angemessenen Balance: Wie können wir unsere einstudierten „Muster“ so ändern, dass wir in unserem Leben und Miteinander eine gesündere und positivere Basis schaffen.
„Das hat doch im Arbeitskontext nichts zu suchen, da sollen sich die Menschen in ihrer Freizeit drum kümmern.“ Die menschliche Psyche und Gesundheit zieht keine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die die Ansätze der Positiven Psychologie umsetzen, sowohl leistungsfähiger bei der Arbeit als auch zufriedener und erfüllter im Privaten sind. Insofern fördern Arbeitgeber, die in Positive Psychologie investieren das „Aufblühen“ des ganzen Menschen.
„Positives Denken kennen wir schon aus den 80ger Jahren.“ Positive Psychologie ist nicht Positive Denken. Tatsächlich zeigen z. B. die Forschungen von Gabriele Oettingen, dass das falsch eingesetztes „Positives Denken“ sogar negative wirken kann. Hier zeigt sich die Stärke der Wissenschaft: „Binsenweisheiten“ werden auf den Prüfstand gestellt, um herauszufinden, was wie hilft und wo wir lieber die Finger von lassen sollten.
„Ich habe schon eine fundierte Führungsausbildung. Ich brauche das nicht.“ Wunderbar, wenn Sie schon eine gut ausgebildete Führungskraft sind. Eine Ausbildung zum „Positive Leader“ ersetzt keine Ausbildung in den Führung-Grundlagen (Mitarbeitergespräche, Führungsstile, Rollen, Teambuilding). Zusätzlich können Sie deshalb von dieser Ausbildung zum „Positive Leader“ vieles neu und vertiefend für ihre Führungsrolle mitnehmen.
Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die die Ansätze der Positiven Psychologie umsetzen, sowohl leistungsfähiger bei der Arbeit als auch zufriedener und erfüllter im Privaten sind.
Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren hin zu einer Haltungsänderung in den Führungsebenen? Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell? Wo versuchen Sie entgegenzuwirken?
Meyer & Werner: Noch prägen die Baby Boomer mit ihren Werten die Führungskultur der meisten Organisationen.
Jüngere Generationen haben aber ganz andere Werte-Sets und vor allem ganz andere Erwartungen an die Qualität der Führung. So es z. B. für die „Digital Natives“ völlig demotivierend, nur im Rahmen der (jährlichen) Mitarbeitergespräche ausführliches Feedback zu erhalten. Die „Baby Boomer“ hingegen kennen das kaum anders.
Eine offene und wachstumsorientierte Haltung kann der Führungskraft eine innere Konstante bieten, um mit den unterschiedlichsten Mitarbeiter:innen und immer schneller eintretenden Veränderungen konstruktiv umgehen zu können.
Fachkräftemangel, Digitalisierung und ein agileres Arbeiten werden schnell weiter voranschreiten. Auf der Verhaltensebene wird immer mehr Flexibilität erforderlich. Um dabei gesund und motiviert zu bleiben, müssen das Bewusstsein der eigenen Stärken, der Werte und der Sinnhaftigkeit einen stabilen Gegenpol bieten. Daran arbeiten
wir im gesamten Verlauf unseres Zertifikatstrainings.
Welche Formen von Wertschätzung brauchen Mitarbeitende? Wie kann diese konkret aussehen?
Meyer & Werner: Wertschätzung muss dem Menschen vermitteln, dass er als ganzer Mensch gesehen wird, nicht nur in seiner Rolle oder Aufgabe. Klassische Wertschätzungstechniken der Mitarbeiterführung wie Aktives Zuhören, Loben, zum Geburtstag gratulieren, nach den Kindern fragen etc. bilden eine gute Grundlage.
Ein Stärken-Feedback stärkt die Stärken. Positives Feedback richtet den Fokus auf das Gelungene. Allein schon die eigenen Bedürfnisse einbringen zu können, wird als sehr motivierend betrachtet. Wenn dann noch konstruktive Lösungen z.B. für die Kinderbetreuung, Homeoffice oder die eigene Weiterentwicklung gefunden werden, steigen Motivation und Engagement noch weiter.
Jede Organisation und jedes Team sollten für sich selbst Rituale der Wertschätzung entwickeln und etablieren. Wertschätzung kann nur wirken, wenn sie aus einer Haltung der Wertschätzung heraus gezeigt wird und damit auch authentisch ist. Und das Individuum sich dabei gesehen fühlt.
In unseren Kursen arbeiten wir viel daran, genau die Rituale der Wertschätzung zu entwickeln, die zu dem Team und der Organisation passen.
Wie können beispielsweise lösungsorientierte und wachstumsorientierte Feedbackgespräche geführt werden? Was sind dabei No-Gos?
Meyer & Werner: Der größte Fehler im Bereich Feedback besteht darin, dass es zu wenig positives und bekräftigendes Feedback gibt, dass die Mitarbeiter:innen bestärkt und zugleich ein Wachstum anregt.
Ein No-Go ist unkonkretes Feedback: dann weiß der:die Mitarbeitende gar nicht genau, was die Führungskraft meinte. Eine konkrete Rückmeldung zu erhalten, positiv und negativ, gibt Orientierung und Klarheit und damit Sicherheit. Ich bin richtig. Ich weiß, was von mir erwartet wird.
Und selbst ein positives Feedback kann sich einschränkend auf die Entwicklung auswirken. Das hat die großartige Forschung von Carol Dweck gezeigt. Etwa wenn ich nur den Status bewertend hervorhebe, anstatt das positive Verhalten zu beschreiben.
Mit dem Zertifikatskurs Positive Führung ermöglichen wir Führungskräften, die Chancen und Potenziale Positiver Führung theoretisch und praktisch für sich zu erschließen. Wir schaffen einen Lern- und Entwicklungsraum, um bessere Führungskulturen und in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zu gestalten. Immer nach unserem Motto: „Für glückliche Menschen in erfolgreichen Organisationen“.
Elke Katharina Meyer hat sich als zertifizierte Trainerin und Beraterin der Positiven Psychologie (Positivity Guides) darauf spezialisiert, Menschen in einen positiven Wachstum zu bringen. Als NLP-Lehrtrainerin, Coach und Diplom-Pädagogin begleitet sie seit über 25 Jahren Unternehmen zu den Themen Mitarbeiterführung, Selbstmanagement, Kommunikation und Unternehmenskultur – immer nach dem Motto: „Für glückliche Menschen in erfolgreichen Organisationen“.
Thomas Achim Werner ist zertifizierter Trainer für Positive Psychologie (Positivity Guides), NLP-Trainer (DVNLP), Diplom-Kaufmann und Coach. Als Führungskraft im Bankenwesen und Venture Capital ist er zudem mit langjähriger Erfahrung in der Unternehmensberatung tätig. Sein Motto: „Ich schlage Brücken – zwischen dem Jetzt und der Zukunft, zwischen Psychologie und Betriebswirtschaftslehre, zwischen Menschen und Unternehmen“.
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Das Interview führte Annette Loy, Bildungsreferentin und Leiterin des Seminarbereichs an der Paritätischen Akademie Berlin. Gemeinsames Ziel der beiden Trainer:innen und der Paritätischen Akademie Berlin ist es, Führungskräfteentwicklung im sozialen Bereich zu vertretbaren Kosten zu stärken.
Der Zertifikatskurs zum „Positivity Leader in der Sozialwirtschaft“ mit den beiden Interviewpartner:innen startet am 6. September 2023. Er besteht aus 10 Fortbildungstagen in Präsenz, vier Online-Vertiefungssessions und zwei Einzelcoachings. Melden Sie sich jetzt über die Veranstaltungsseite an!
Im Februar und März 2023 können Sie außerdem einen je zwei Tage dauernden Grundlagenkurs sowie einen Workshop zum Thema Positive Führung mit Thomas Achim Werner absolvieren.
Foto: Thomas Achim Werner und Elke Katharina Meyer
Positive Führung
Zertifikatskurs
mit Thomas Achim Werner und Elke Katharina Meyer
Change-Management für Führungskräfte
Online-Workshop
mit Thomas Achim Werner
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Interview mit Ulrike von Willisen
Ulrike von Willisen ist Beraterin und Supervisorin im Personalmanagement und in der Entwicklung innovativer Projekte. In ihren Fortbildungsformaten legt sie vor allem Wert auf Wissensvermittlung über Führungsmodelle. Ihr Anspruch ist es, den Teilnehmenden in einem sehr praxisorientierten Rahmen Orientierung und Handlungssicherheit zu geben. Die Coachin verfügt selbst über jahrelange Erfahrung als Geschäftsführerin. Im folgenden Interview sprechen wir mit ihr über ganzheitliches Management, über die Machtdynamiken zwischen der Organisation, den Mitarbeitenden und der Gesellschaft und warum Führungskräfte diese erkennen und produktiv einsetzen sollten.
Frau von Willisen, Sie verbinden in diesem Kurs Grundlagen für Führungskräfte in Entscheidungspositionen Einheiten zu normativem, operativem und strategischem Management. Das Thema Agilität in der Führung oder das Entwickeln einer authentischen Führungspersönlichkeit sind ebenso Inhalte Ihres Seminars. Wie können Führungskräfte von dieser Mischung in Ihrem Seminar profitieren?
Von Willisen: Die unterschiedlichen Strategieebenen sind Teil des St. Galler Management- Modells. Sie bilden eine gute Leitplanke für das operative Handeln. Das Arbeiten in agilen Teams gilt zurzeit als sehr modern. In meinem Seminar beleuchte ich diesen, eigentlich bereits Jahrzehnte alten Begriff und lade die Teilnehmenden dazu ein, ihn mit den Anforderungen ihres Arbeitsbereiches abzugleichen.
Mein Ziel ist es, Führungskräften einen Raum zu geben, in dem sie einen guten Überblick über ihr komplexes Schaffen gewinnen und ganz konkret Lösungen für ihre herausfordernden Führungsaufgaben entwickeln.
Insbesondere durch den gemeinsam erlebten Gruppenprozess reifen die Teilnehmenden in ihrer Führungspersönlichkeit.
Welche Personen nehmen an Ihren Fortbildungen teil und was verbindet sie?
Von Willisen: Eine wichtige Entscheidungsposition in einer Organisation auszufüllen, bedeutet meist auch eine gewisse Einsamkeit auszuhalten, selbst dann, wenn man Teil eines Leitungsteams ist. Strukturell betrachtet, gibt es
oft kein Gegenüber, das sich im Organigramm auf der gleichen Ebene bewegt. Sich in einer lernenden Gruppe als „Primus oder Prima unter Pares“ zu befinden ist eine einmalige Chance. Die Gruppe wirkt quasi wie ein Verstärker bei der Entwicklung zur Führungspersönlichkeit.
Die Veranstaltung ist für Entscheidungsträger*innen passend, die die Mischung aus Wissensvermittlung und Selbsterfahrung besonders anspricht. Meine Erfahrung ist, dass auch Menschen, die sich eher als nicht besonders gruppenaffin beschreiben würden, von dem Format profitieren und auf im Anschluss an die Veranstaltung fortgeführte Netzwerke zurückgreifen.
Sie erwähnten zuvor das St. Gallener Management Modell. Was ist Ihrer Meinung nach der Mehrwert des Modells für die Führungskräfte, die sie coachen?
Von Willisen: Das St.Galler Management – Modell wurde im weltweit sehr anerkannten wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich der Universität St.Gallen entwickelt. Es verbindet traditionelles Wissen mit modernen Erkenntnissen und Forschungen. Das Modell ist eine ganzheitliche Managementlehre, die komplexe Zusammenhänge sehr klar und übersichtlich zu verdeutlichen mag. Das Denken in Systemen und Formen des reflexiven Managements spielen dabei eine große Rolle.
Gilt das auch für den Bereich gemeinnützigen und sozialen Arbeit?
Von Willisen: Als Führungskraft mit Personal- und Finanzverantwortung bewegen Sie sich im Bereich der
Unternehmensführung. Aus meiner Sicht ist es im Kontext einer guten Führung sekundär, ob dieses im Profit oder Nonprofit-Bereich erfolgt. Moralische Ansprüche an eine gute Führung, eine Corporate Governance, gelten gleichermaßen für Verantwortungsträger*innen aus allen Bereichen. Das St.Galler Modell bietet für alle Branchen einen Rahmen für verantwortungsvolles Führungshandeln. Gleichzeitig gibt es selbstverständlich Besonderheiten des jeweiligen Arbeitsfeldes zu berücksichtigen, auf die ich später noch eingehen werde. Nach meiner Erfahrung verfügen Leitungskräfte im psychosozialen Bereich meist über ein sehr umfangreiches Fachwissen in ihrem
jeweiligen Arbeitsfeld. Vielen ist in diesem Kontext das systemische Denken durchaus vertraut. Mir geht es in meiner Veranstaltung darum, dass die Teilnehmenden ihre Perspektive aus organisationaler Sicht erweitern und
Dynamiken zwischen ihrer Organisation, dem gesellschaftlichen Umfeld und den Mitarbeitenden erkennen.
Was möchten Sie insbesondere Führungskräften vermitteln? Worin möchten Sie sie bestärken?
Von Willisen: In meinem prozessorientierten Coaching geht es in erster Linie darum, ein eigenes Profil als authentische Führungskraft zu entwickeln. Es gilt, den Mut zu fördern, sich auf dem Parkett der Unternehmensführung sicher zu bewegen und die Lust am Gestalten zu entdecken. Dazu zählt auch die Reflexion über das Thema “Macht“ und inwiefern diese produktiv genutzt werden kann.
Im Zentrum von Führung geht es darum, diejenigen Voraussetzungen zu schaffen, die erforderlich sind, damit eine Organisation sich selbstorganisierend immer wieder neu stabilisieren kann. Folglich steht die Entwicklung und Pflege tragfähiger Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen durch sorgfältige Teamentwicklung, ein gemeinsames Verständnis über die zu erreichenden Ziele und die dafür zu leistenden Tätigkeiten im Vordergrund. Ich würde sagen: Wir brauchen weise Manager*innen mit einer wertschätzenden und vertrauensvollen Haltung gegenüber den Mitarbeitenden.
Meiner Erfahrung nach haben Mitarbeitende in sozialen Bereichen eine hohe intrinsische Motivation, sie wollen das Bestmögliche für ihre Klientel erreichen und sie bewältigen ihre Aufgaben eher mit zu viel als zu wenig Verantwortungsbewusstsein. Führungskräfte können in diesem Bereich umso mehr davon ausgehen und darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeitenden zu Leistung und Kooperation bereit sind. Sie müssen eher darauf achten, dass die gesteckten Ziele nicht zu hoch sind, und dafür sorgen, dass den Mitarbeitenden angemessene, strukturell verankerte Maßnahmen gewährt werden, die vor Überforderung und Ausbrennen schützen. Zudem sollten Führungskräfte dazu in der Lage sein, immer wieder auf eine Metaebene zu gehen. Sie sind sowohl Teil eines
Systems, müssen gelegentlich aber auch eine Außenposition einnehmen können.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie und der Förderung von Führungskräften vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels?
Von Willisen: Der Fachkräftemangel wird uns meiner Einschätzung nach noch Jahre begleiten und die Träger werden weiterhin um die besten Arbeitskräfte werben müssen. Dabei sind nicht alle Unternehmen gleich stark vom Fachkräftemangel betroffen. Natürlich spielen regionale Bedingungen eine Rolle.
Aber, wenn man auf die Gründe schaut, warum Arbeitnehmende ein Unternehmen verlassen, so wird primär ein schlechtes Verhältnis zu den Vorgesetzten angegeben.“ Leiten“ im klassischen Sinn funktioniert nicht mehr
und Führungskräfte sollten Haltungen und Sichtweisen entwickeln, die sich an den Werten von Sinn, Vertrauen und Verantwortung orientieren. Für Führungskräfte ist das Erreichen einer solchen Haltung eine hohe Kunst, die
gerade auch im Rahmen des Angebotes der Paritätischen Akademie vermittelt werden sollte.
“Leiten“ im klassischen Sinn funktioniert nicht mehr und Führungskräfte sollten
Haltungen und Sichtweisen entwickeln, die sich an den Werten von Sinn,
Vertrauen und Verantwortung orientieren.
Noch ein Blick in zu Zukunft: Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren für Führungskräfte im (psycho-)sozialen Bereich? Oder auch Herausforderungen?
Von Willisen: Der Fachkräftemangel wird weiterhin eine große Herausforderung für Führungskräfte, aber auch für die Fachkräfteteams bleiben. In diesem Zusammenhang spielt auch die Arbeit mit divers aufgestellten Teams eine bedeutende Rolle. Menschen, die unterschiedlichen Generationen angehören und/oder, die durch verschiedene
kulturelle Hintergründe geprägt sind, sollen ein Team bilden. Vor diesem Hintergrund brauchen wir Führungskräfte mit hohen sozialen und integrativen Kompetenzen. Auch ist der digitale Wandel in den Organisationen sehr
unterschiedlich ausgeprägt. Dieser wird nach wie vor auch auf Führungsebene viele Ressourcen binden.
Foto: Ulrike von Willisen
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Das Interview führte Annette Loy, Bildungsreferentin und Leiterin des Seminarbereichs an der Paritätischen Akademie Berlin
Das Seminar „Grundlagen für Führungskräfte in Entscheidungspositionen“ mit Ulrike von Willisen startet am 21. März 2023. Es besteht aus zwei Fortbildungstagen und weiteren 6 monatlichen Gruppencoachings in je 3 Stunden. Melden Sie sich jetzt hier an.
Wenn Sie Ihre Organisation im digitalen Wandel voranbringen wollen, empfehlen wir Ihnen einen Blick in die Kursangebote des Digitalforums.
Führungskräfte in Entscheidungspositionen
Seminar mit Ulrike von Willisen
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93 Studierende beginnen das Wintersemester 2022/23 mit Präsenztagen an der Paritätischen Akademie Berlin
Im Oktober begann in Berlin für viele Universitäten das Wintersemester. Auch wir durften die Studierenden unserer Kooperationsstudiengänge an der Paritätischen Akademie in Berlin-Mitte begrüßen. Die Studierenden der Alice Salomon Hochschule, der Universität für Weiterbildung Krems und der Hochschule für angewandte Pädagogik sind für eine Woche aus ganz Deutschland und Österreich nach Berlin gereist, um zum ersten Mal die Räumlichkeiten der Akademie und die Kommiliton:innen kennenzulernen. Bis zu nächsten Präsenzeinheit werden die Studierenden online verbunden bleiben. Denn um die Vereinbarkeit von Beruf und Studium zu gewährleisten, besteht das Studium aus Online- und Präsenzeinheiten.
Die beste Zeit, um in Inhalte einzutauchen, ins Gespräch zu kommen und Nummern auszutauschen. Dazu rät auch Tabea Ludwig, die im Bachelor Soziale Arbeit gerade alle Präsenzeinheiten hinter sich gebracht hat. Zur Eröffnung des neuen Durchgangs erzählt sie von ihren Erfahrungen und beantwortet die Fragen der neugierigen Erstsemester-Gruppe: „Wie organisiere ich Lerneinheiten unter der Woche?“, „Wie schaffe ich es, mich zwischen Arbeit, Studium und Privatleben nicht zu übernehmen?“ Tabeas Antwort darauf ist neben einer guten Planung vor allem eine enge Bindung zu den Mitstudierenden aufzubauen, die in ihrem Studium eine große Unterstützung waren.
„Ich fand es super, dass der Studiengang in wenigen, aber intensiven Präsenzwochen konzipiert war. Da bin ich viel aufnahmefähiger als abends nach der Arbeit oder am Wochenende.“, erinnert sie sich. „Generell hilft es natürlich sehr, sich die Wochen gut zu strukturieren. Termine für die Präsenzphasen sollten frühzeitig mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden.“
Die ausgebildete Ergotherapeutin steht nun kurz vor der Abgabe der Bachelorarbeit. Diese schreibt sie über die Betreuungsrechtsreform, die 2023 in Kraft treten wird*. Ein Thema, dass sie im Job sofort anwenden kann. „Mein Arbeitgeber hat mir vorgeschlagen, dass ich im nächsten Jahr unsere Mitarbeiter:innen darin schule. Schließlich habe ich mir umfassendes Wissen erarbeitet.“ Durch ihre neue fachliche Kompetenz tun sich auf einmal neue Arbeitsfelder auf, zu denen sie jetzt Zugang hat.
Viele Arbeitgeber:innen erkennen den Wert, in ihre Mitarbeitenden zu investieren und sie in ihrer beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Auch Laura Kielc, die dieses Semester mit dem Masterstudium Sozialmanagement beginnt, hat die Weiterbildung von ihrer Arbeitgeberin aus dem Bereich der Suchthilfe angeboten bekommen. Laura weiß, wie wichtig es für ihre neue Leitungsposition ist, die sozialwirtschaftlichen Prozesse hinter der sozialen Arbeit zu verstehen. Sie freut sich auf die Möglichkeit, sich neben dem Beruf weiterbilden zu können und erlerntes Handwerkszeug direkt in die Praxis zu transferieren.
Es ist bereits einige Jahre her, als Emanuel Lérémon den Auftrag hatte, seinen damaligen Träger umzustrukturieren. Auch ihm wurde zu einem berufsbegleitenden Masterstudiengang geraten. Im Jahr 2012 schloss er ihn erfolgreich an der Alice Salomon Hochschule in Kooperation mit der Paritätischen Akademie ab. Auf dem Alumni-Netzwerk-Treffen am 15. Oktober treffen wir ihn an. „Das hat mir viel für die Bewältigung meiner damaligen Leitungsaufgaben gebracht. Es hat mir zum Beispiel einen guten Einstieg in die allgemeinen Führungsprozesse, in die Mitarbeiterführung und Personalmanagement gegeben.“ Mittlerweile ist er Bereichsleiter bei einer großen sozialen Organisation im Bereich stationärer Jugendhilfe.
Die berufliche Weiterentwicklung durch den Master Sozialmanagement ist auch Isabella Schulte-Vogelheim gelungen. Unter den besonderen Umständen der Corona-Pandemie erhielt sie 2021 ihren Abschluss. Das Lernen in der heterogenen Gruppe empfand sie sehr angenehm, da sie aus den vielfältigen Perspektiven ihrer Mitstudierenden viel mitnehmen konnte. Bis heute ist sie an unterschiedlichen Blickwinkeln interessiert und sucht aktiv nach Austausch. Deshalb war auch sie am 15. Oktober bei Auftaktveranstaltung des Alumni-Netzwerks mit dabei. Die ehemaligen Absolvent:innen erhielten die Möglichkeit, an einem Workshop zum Thema Networking teilzunehmen. Geleitet wurde dieser von HSP Coach Martin Nevoigt, der diese wichtige Kompetenz auch den neuen Studierenden in der ersten Präsenzwoche vermittelt hat.
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*Der Beitrag wurde am 16.11.2022 von der Redaktion in Bezug auf diese Information geändert. Für weitere Informationen: Verordnung über die Registrierung von beruflichen Betreuern (Betreuerregistrierungsverordnung – BtRegV)
Sie interessieren sich für ein Studium an der Paritätischen Akademie Berlin? Hier gelangen Sie zu unseren akademischen Weiterbildungsprogrammen.
Soziale Arbeit,
Bachelor of Arts
Online-Studium mit Präsenzphasen in Berlin mit Abschluss zum/ zur staatlich anerkannten Sozialarbeiter:in
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
Lassen Sie sich gern von uns beraten!
Sozialmanagement,
Master of Arts
Berufsbegleitender Fernstudiengang mit laufbahnrechtlichem Zugang für den höheren Dienst
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
Lassen Sie sich gern von uns beraten!
Management von Sozialeinrichtungen,
Master of Science
Berufsbegleitender Masterlehrgang in Kooperation mit der Universität für Weiterbildung Krems, Österreich
Informationen zum Studienangebot für das Wintersemester 2023 folgen in Kürze auf unserer Webseite.
Details zum Studiengang mit Beginn 2022 finden Sie hier:
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Interview mit Daniela Kobelt Neuhaus
Im Zuge der Coronazeit, steigender Lebenserhaltungskosten und im Kontext von Flucht- und Diskriminierungserfahrungen wächst die Vielfalt an Bedürfnissen von Menschen, die in Familienzentren Hilfe aufsuchen. Um den individuellen Lebenslagen gerecht zu werden, braucht es stetig innovative Lösungen. Zur Stärkung von Leitungskräften in Familienzentren hat die Paritätische Akademie Berlin in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Familienzentren e.V. ein Angebot zur fachlichen Qualifizierung erarbeitet. Im Gespräch mit Daniela Kobelt Neuhaus, Geschäftsführerin des Verbands, geht es um die aktuellen Anliegen und Herausforderungen der Zentren und die Anforderungen an eine Leitungskraft.
Liebe Frau Kobelt Neuhaus, Sie sind Geschäftsführerin des Bundesverbands der Familienzentren e.V. und leiten den Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, uns einige Fragen zu beantworten.
Wie entstand zunächst einmal die Idee für einen Zertifikatskurs zur Führung von Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Ein Familienzentrum ist oft der Kontenpunkt in einem Netzwerk, das Familien bedarfsgerecht und passgenau berät, bildet und begleitet. Familienzentren vermitteln, bündeln und ergänzen die Angebote anderer Einrichtungen durch eigene und richten sich vor allem an Erwachsene in Familiensystemen. Sie verbinden Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern mit Bildungs‑, Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Eltern und Erziehungsberechtigte. Führungskräfte in Familienzentren benötigen daher neben den allgemeinen Führungs- und Managementkompetenzen auch Netzwerkkompetenz, erwachsenenbildnerische und beraterische Fähigkeiten sowie in unterschiedlichem Maße pädagogisches, sozialarbeiterisches, gesundheitsspezifisches und
arbeitsrechtliches Knowhow.
Den Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ hat der Bundesverband der Familienzentren e.V. basierend auf Erfahrungen und Rückmeldungen von aktiven Mitgliedern und Anfragen diverser Träger und Familienzentren entwickelt. Der Kurs soll angehenden und bereits als Führungskräfte oder Koordinatorinnen von Familienzentren tätigen Personen ergänzend zu ihren individuell bereits vorhandenen Kompetenzen zielgerichtet spezifisches Wissen und Können vermitteln. Die Schwerpunktthemenfelder der Qualifizierung orientieren sich an den im Positionspapier des Bundesverbands der Familienzentren e.V. verankerten
Leitlinien und Qualitätsvorstellungen. Die Paritätische Akademie Berlin hat den Bundesverband bei der Planung durch die Auswahl fachspezifischer Referent:innen unterstützt.
Welche Chance sehen Sie in der Zusammenarbeit der Paritätischen Akademie und des Bundesverbands für
Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Die inhaltliche Expertise dürfte beim Bundesverband der Familienzentren, der bereits sein 10-jähriges Jubiläum feiert, hoch sein. Allerdings hat der Verband nicht die Infrastruktur, um eine so hochkarätige Qualifizierung allein zu stemmen. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir sowohl strukturell als auch inhaltlich unterstützt werden und dabei sogar vom Renommee der Paritätischen Akademie profitieren können.
Worin bestehen die Besonderheiten und Schwerpunkte dieses Angebots?
Kobelt Neuhaus: Die Fortbildung „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ orientiert sich am Konzept ganzheitlicher und ressourcenorientierter Bildung und Begleitung von Familien. Um die Erziehungsberechtigten für ihren Alltag und ihr Miteinander zu stärken, gilt es, an ihren Fragen und ihren Unterstützungsbedarfen anzusetzen, denn Familie ist nach wie vor der primäre Ort für Bindungen, Beziehungen sowie für Bildung, Erziehung und Entwicklung von Kindern.
Familien unterliegen heute zahlreichen Herausforderungen. Sie wollen den Anforderungen an Eltern- und Partnerschaft genügen, Beruf und Familie vereinbaren, ihren Kindern möglichst viel ermöglichen und den Alltag für alle befriedigend gestalten. Die meisten Familien meistern den Alltag. Entscheidend ist, herauszufinden, welche Faktoren eine erfolgreiche Alltagsbewältigung im je individuellen Fall erleichtern würden. Familienzentren halten niedrigschwellige Unterstützungs- und Bildungsangebote bereit und sind im Idealfall Türöffner und Begleiter für schwierige Lebenslagen. Leitungskräfte in Familienzentren benötigen daher einen analytischen sozialräumlichen Blick sowie eine innovative Haltung gegenüber den Lebenswelten und Bedürfnissen von Familien, insbesondere von Eltern und Kindern. „Gute Pädagogik“ alleine führt nicht zu Chancengerechtigkeit. Vielmehr wird das Familienwohl – und damit die Entfaltung kindlicher Potentiale – durch die elterliche Beziehungskompetenz, durch gelingende Work-Life-Balance, ein anregendes Wohnumfeld und die eigene Wohnsituation der Familie, durch balancierte Familienformen, gesundheitliche, milieuspezifische oder sozioökonomische Faktoren beeinflusst.
Eine bedarfsorientierte Führung im Familienzentrum setzt an den vorhandenen Interessen und Motivationen
der Familien an und greift die vor Ort vorhandenen Dringlichkeiten auf, d.h. sie plant lokal in Abstimmung mit anderen Einrichtungen vor Ort entlang bekannter Sozialraumdaten. Aufgabe von Leitungskräften ist auch, für eine gute Mischung an Professionen und Mitarbeitenden im Team und ein solidarisches Arbeitsklima zu sorgen. Eine übergreifende Reflexions- und Dokumentationskultur, die sowohl für die sozialräumliche Planung der Kommune als auch für die stetige Weiterentwicklung der Einrichtungskonzeption genutzt wird, ist wichtig, denn Familienzentren
haben sowohl die Stärkung der Familien als auch die Beeinflussung der strategischen Ausrichtung der Kommune in Richtung Familienfreundlichkeit zum Ziel. Leitungskräfte befassen sich daher mit Organisationsentwicklung, Qualität und Wirkungsorientierung, Sozialraumorientierung, Partizipation und Empowerment. Sie beteiligen Betroffene und Expert:innen gleichermaßen bei der Entwicklung des Familienzentrum-Programms. Dies wird als Schwerpunkt in der Qualifizierung „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ berücksichtigt.
Für wen ist der Kurs gedacht? Gibt es bestimmte Voraussetzungen oder Kenntnisse, die bereits mitgebracht werden sollten?
Kobelt Neuhaus: Wir hoffen, dass am Seminar sowohl gestandene Leitungskräfte, die vertiefende Kenntnis oder theoretische Einbettung ihres Wissens versprechen, als auch „neue“ Koordinator:innen oder Führungskräfte teilnehmen. Teilnehmende, die bereits in einem Familienzentrum tätig sind oder eines leiten, können aus ihrer Praxis die richtigen Fragen stellen und Ideen und Erfahrungen einbringen. Nicht alles ist überall sinnvoll umsetzbar, wichtig ist jedoch das Weiterdenken. Teilnehmende, die erst planen, eine Leitungsaufgabe im Familienzentrum zu
übernehmen, stellen meist Grundsatzfragen, die nur vermeintlich leicht zu beantworten sind. In den Praxisphasen zwischen den Modulen sind die Teilnehmenden je nach Vorkenntnissen eingeladen, an unterschiedlichen
Fragestellungen weiterzuarbeiten und darüber zu berichten. Die Kursmodule bieten eine Mischung aus konkreten Managementanforderungen, theoretischer und fachlicher Fundierung. Sie sind so aufgebaut, dass jederzeit Erfahrungs- und Theoriewissen eingebracht und in Gruppen gerne kontrovers diskutiert werden kann.
Ein Modul widmet sich der Zusammenarbeit mit Familien und Erziehungsberechtigten. Warum ist es so wichtig, sich in diesem Kontext mit Intersektionalität und Diversität auseinanderzusetzen? Wie können Familienzentren ein Bewusstsein für die beispielsweise von Rassismus betroffenen Familien aktiv schärfen?
Kobelt Neuhaus: Die „Zusammenarbeit mit vielfältigen Familien“ ist die zentrale Aufgabe eines Familienzentrums. Hier erleben viele Familien erstmalig, dass sie gehört und ernst genommen werden. Das Dazugehören ist eine wesentliche Grundlage der Demokratie, ebenso wie Streit und Auseinandersetzung zu ihr gehören. Im Familienzentrum gilt es, unterschiedliche Ansichten, Meinungen, Vorstellungen und Einstellungen als gewinnbringende und berechtigte Ressource zu verstehen. Aufgabe eines Teams im Familienzentrum ist aber auch, Nutzerinnen und Nutzern aufzuzeigen, dass nicht jeder Wunsch sofort erfüllt werden kann und dass Diskriminierung nicht in die Leitvorstellung der Einrichtung bzw. einer demokratischen Gesellschaft passt. Gerade Rassismus oder auch Auseinandersetzungen rund um das Thema Gender werden nicht toleriert, wenn Menschen dabei psychisch oder physisch verletzt werden. Manchmal ist es auch nötig, Strukturen zu schaffen, um zerstrittenen Parteien dennoch die Möglichkeit der Teilnahme zu geben, etwa vorübergehend unterschiedliche Räume oder Zeiten anzubieten.
Das ist ein gutes Beispiel für innovative Führung. Welche Schlüsselkompetenzen und ‑rollen braucht die Leitung eines Familienzentrums?
Kobelt Neuhaus: Auch wenn es das ganze Team eines Familienzentrums betrifft: Softskills wie Empathie, Perspektivenwechselkompetenz, Kooperationskompetenz etc. sind auch für Leitungskräfte zentral. Darüber hinaus sind aber gerade in Familienzentren Koordination, Steuerungsaufgaben und Prozessbegleitung zentrale Aufgaben von Leitungskräften. Auch Personalentwicklung und ‑akquise, Delegation, fachliche und politische Netzwerkarbeit sowie Öffentlichkeitsarbeit sind nahezu in allen Familienzentren Leitungsaufgabe.
Was ist für Sie besonders wichtig, den Teilnehmenden angesichts dieser Vielfalt an Aufgabenfeldern zu vermitteln?
Kobelt Neuhaus: Personen, die den Kurs besucht haben, sollen am Ende in der Lage sein, ihr Team zu motivieren und zu ermutigen, mit den Familien und anderen Akteur:innen vor Ort gemeinsam ein Programm zu stricken, das aus Erziehungsberechtigten, Bürgerinnen und Bürgern eine am Geschehen im Stadtteil interessierte Solidargemeinschaft entstehen lässt. Ein besonderes Anliegen ist, Familienzentren als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen. Es sind keine therapeutischen Einrichtungen, aber sie können durchaus ermutigen, eine Therapie in Betracht zu ziehen. Es sind auch keine rein sozialarbeiterischen Einrichtungen. Dennoch sollte der soziologische Blick geschärft und politische Strategien kritisch zum Wohle von Familien geprüft werden. Ich hoffe, dass im Kurs für die Teilnehmenden so etwas wie ein Fahrtenbuch entsteht, das für die kommenden Monate und Jahre Richtung und Tempo vorgibt. Dazu gehören etwa die Planung und Pflege von Kontakten, Fundraising für bestimmte Projekte usw.
Wo gibt es derzeit besonderen Handlungsbedarf in Familienzentren? Was geben Sie Leitungskräften mit?
Kobelt Neuhaus: Zahlreiche Familienzentren sind unterfinanziert und verfügen nicht über genügend Personal. Dennoch haben sie in der Coronazeit und auch im Umgang mit Menschen auf der Flucht bewiesen, wie gut sie Familien gerade in Krisenzeiten begleiten und stärken können. In Windeseile haben zahlreiche Zentren neue Kommunikationsformen und Angebote entwickelt und den Familien auf vielfältigen Wegen nähergebracht. Viele Einrichtungen haben sich weit über ihre Pflicht hinaus engagiert. Es ist nicht verwunderlich, dass sich einige zurzeit erschöpft und in ihrer Bedeutung nicht ernst genommen fühlen. Uns ist es daher wichtig, Leitungskräfte zu stärken und ihnen Mittel und Wege aufzuzeigen, wie die Familienzentrumsarbeit effektiv und effizient geleistet werden kann und wie sie in ihren Kommunen und Ländern für auskömmliche Ressourcen streiten können.
Wo sehen Sie die größten Veränderungen in den kommenden Jahren für die Arbeit von Familienzentren? Oder auch Herausforderungen?
Kobelt Neuhaus: Typische Herausforderungen von Familienzentren ist bereits aktuell die wachsende Vielfalt an Familien, die ein sehr differenziertes Programm erfordert. Insbesondere in ländlichen Regionen ist die Komm-Struktur ein Problem. Vielfach sind lange Wege zu bewältigen und die Angebote finden nicht direkt vor der Haustür statt. Daher werden sowohl für städtische als auch für ländliche Regionen neue Konzepte gesucht und finanziert werden müssen, die Familien flächendeckend eine stärkende Partizipation und Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen, zum Beispiel den Einsatz von Beratungs- oder Familienzentrumsfahrzeugen.
Darüber hinaus werden auch die Teams in Familienzentren vielfältiger werden. Das aufgrund vielfacher Einflüsse schwächelnde ehrenamtliche Engagement, ohne das vermutlich kaum ein Familienzentrum auskommt, gefährdet immer wieder die Kontinuität von Vorhaben. Und nicht zuletzt wird es immer mehr digitale Angebote geben, was eine gute Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit tauglichen Internetverbindungen und Medien voraussetzt.
Was sind die Schwerpunkte und Stärken des Bundesverbands für Familienzentren?
Kobelt Neuhaus: Der Bundesverband der Familienzentren e.V. versteht sich als der Fach- und Lobbyverband für Familienzentren. Ursprünglich bestand die Hoffnung, einmal ein bundesweit einheitliches Qualitätsverständnis für Familienzentren zu entwickeln und zu etablieren. Begleitung von Familien gemäß §16 SGB VIII ist eine Pflichtaufgabe der Kommunen, wobei die Weisungsfreiheit dazu führt, dass jede Kommune bzw. jedes Bundesland selbst definieren kann, wie diese Begleitung aussieht. Und obwohl es inzwischen hinreichend Nachweise der Effizienz von Familienzentren bei der Stärkung der Chancen‑, Bildungs- und Gesundheitsgerechtigkeit für Kinder
und Eltern in Deutschland gibt, sind noch längst nicht alle Länder und Kommunen auf dem Weg, Familienzentren flächendeckend zu etablieren.
Neben der aktiven Vertretung der Interessen der Familienzentren auf allen politischen Ebenen sind weitere Aufgaben des Verbands der bundesweite Austausch, Vernetzung und Information, Wissenstransfer durch
Fachveranstaltungen sowie die Unterstützung von Trägern und Einrichtungen bei der Weiterentwicklung der familienorientierten sozialräumlichen Arbeit.
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Das Interview führte Ina Kant, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin
Der Zertifikatskurs „Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen“ startet am 28. November 2022. Er besteht aus insgesamt dreizehn Fortbildungstagen, die sich aus Präsenz- und Onlineformaten zusammensetzen. Mehr Informationen zu den Kursinhalten und zur Teilnahme erhalten Sie hier.
Eine Infoveranstaltung findet am 28. September 2022 um 16:30 über Zoom statt.
Ein Familienzentrum innovativ und nachhaltig führen
Zertifikatskurs mit Daniela Kobelt Neuhaus (u.a.)

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Interview mit Gabriele Girke und Michael Völker, Dozent:innen und
fachliche Leitung im Zertifikatskurs Systemische Organisationsentwicklung und ‑beratung
Michael Völker, Sie sind seit 12 Jahren als Dozent und Co-Leitung im Zertifikatskurs „Systemische Organisationsentwicklung und ‑beratung“ für die Paritätische Akademie tätig. Es ist inzwischen der 15. Kurs, der in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt wurde. Was kann man sich darunter vorstellen,
wofür braucht man eine solche Qualifikation?
Völker: Organisationen, ob Vereine, Netzwerke, Unternehmen oder Behörden verändern sich oft, weil äußere oder innere Impulse dafür sorgen. Man kann es dann wild laufen lassen und nur reagieren, wenn es unerwünschte Konflikte zwischen den Beteiligten gibt. Man kann auch irgendwas anschieben und hoffen, dass die Nebenwirkungen nicht zu schlimm werden. Oder man kümmert sich überhaupt nicht um das „Ganze“, sondern sorgt für den eigenen Nutzen. Beliebt sind auch Haltungen, wie „das haben wir immer schon so gemacht“ oder „das geht sowieso nicht“. Oder die Angst vor Fehlern führt dazu, Schwachstellen eher zu verstecken und man begnügt sich aus Angst darüber, dass etwas Unabsehbares bei Veränderungen herauskommen könnte, mit dem unerfreulichen Ist-Zustand. Wir sind nicht ganz so veränderungsfreudig in Organisationen, wie das nötig und möglich wäre angesichts der vielen Impulse wie z.B. Digitalisierung, gesetzliche und konzeptionelle Änderungen, neue Generationen und Werte, soziale Spannungen und knappe Ressourcen.
Kurz gesagt spüren viele angehende oder bereits tätige Führungskräfte, dass der souveräne und professionelle Umgang mit Veränderungen zum entscheidenden Erfolgsfaktor von Organisationen geworden ist. Das Management muss dabei einen Spagat schaffen, für ein möglichst „reibungsloses Alltagsgeschäft“ zu sorgen
und gleichzeitig Innovationen einzuführen – Impulse zu geben, Stärken auszubauen, Potentiale zu mobilisieren. Dafür sind manchmal kleine überlegte Schritte ausreichend, meist geht es jedoch um komplexere Veränderungen. Dabei müssen Führungskräfte gleichzeitig Abläufe und Strukturen anpassen, Verantwortungsbereiche und Koordination klären, Mitarbeitende führen, Strategien und Prinzipien genauso im Auge behalten, wie die Ausstattung und die Kultur der Unternehmung.
Diese Veränderungsprozesse müssen trotz – oder wegen – der Komplexität mit teils unvorhersehbaren Wirkungen professionell gestaltet werden und das kann man lernen: mit sicheren Erkenntnissen über die Entwicklungsmuster von Organisationen, mit geübten Instrumenten, die Veränderungen nachhaltig steuern und mit reflektierten praktischen Erfahrungen.
Zu diesem Thema gibt es zahlreiche Studiengänge und Fortbildungen, was ist das Besondere an diesem Kurs an der Paritätischen Akademie Berlin?
Girke: Hier treffen sich vor allem (Nachwuchs-)Führungskräfte, die sich auf die Übernahme einer anspruchsvollen Führungsaufgabe vorbereiten wollen oder diese Tätigkeit schon ausüben und einfach sicherer und besser werden und sich breiter aufstellen wollen. Oder die sich auf eine künftige Beratungstätigkeit vorbereiten, also aus dem Management in eine externe Beratungsrolle wechseln. Auf jeden Fall wollen sie wissenschaftlich gesicherte Grundlagen, praktisch erprobte Methoden und Instrumente handhaben lernen – letzteres besonders. Das soll schon während des Kurses in der eigenen Organisation in einem ohnehin stattfindenden Veränderungsprojekt angewendet und reflektiert werden. In kleinen selbst gewählten Lerngruppen unterstützen sich die Teilnehmenden außerdem gegenseitig und das ist insgesamt ein Markenzeichen dieses Kurses zwischen den Lehr-Modulen.
Michael Völker, Sie sind selbst ein langjähriger und viel gefragter Organisationsberater, haben den Kurs zu der heutigen Form mit entwickelt: hätten Sie einen solchen Kurs gern selbst gehabt zu Beginn Ihrer Karriere?
Völker: Ja, das ist wohl so. Ich habe mehrere Studiengänge und viele Ausbildungen absolviert und aus meinen und den Erfahrungen von Kolleg:innen gelernt. Die Supervisions- und Coachingausbildungen habe ich Stück für Stück mit Erkenntnissen zur Organisationsentwicklung und Konfliktmanagement verbunden, weil das die Praxis so erforderte. Auch meine eigene Führungstätigkeit in einem Verein und einer Stiftung haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, dabei die Organisations-Brille aufzusetzen, organisationale Wechselwirkungen im Auge zu behalten, „blinde
Flecken“ zu kennen, aus dem Scheitern zu lernen, nicht allen Moden nachzurennen, aber neugierig zu bleiben auf neue Erklärungsmuster oder Methoden, möglichst ganzheitlich zu arbeiten und das Machbare zu unterstützen. Deshalb verfolgt dieser Kurs auch konsequent den systemischen Ansatz.
Gabriele Girke, Sie haben kleine und große Unternehmen und Vereine geleitet, waren als Fortbildnerin und Hochschullehrerin tätig und arbeiten seit einigen Jahren in der Co-Leitung dieses Kurses – was ist nach Ihrer Erfahrung das Erfolgsrezept?
Girke: Das kann ich ganz genau sagen, auch aus dem Unterschied zu meinen anderen beruflichen Erfahrungen heraus und zumal wir es immer wieder erleben und zum Abschluss eines Kurses von den Teilnehmenden hören:
Zum einen werden sie unterstützt, bereits während des Bildungsgangs Stärken und Veränderungsbedarfe in der eigenen Organisation professionell zu analysieren, Veränderungsvorhaben zu initialisieren und zu konzipieren und das eigene Führungsverhalten zu qualifizieren. Also: kein Wissen reinstopfen und hoffen, dass man es wiederfindet, wenn es gebraucht wird. Nicht nur Theorien „über“, sondern Methoden im Führungs- oder Beratungshandeln. Dabei profitieren Sie von Wissen, ausgewiesenen Erfahrungen und Unterstützung durch langjährig erfolgreiche Berater:innen und Dozent:innen.
Zum anderen: Der Weiterbildungsgang ist so angelegt, dass die Teilnehmenden
Veränderungsvorhaben sowohl aus interner Verantwortung nachhaltig und verantwortlich gestalten, als auch Organisationsentwicklung als (externe) Beratung lernen können. Dieser Perspektivwechsel ist keine Verunsicherung, sondern vertieft und verbreitert die Qualifikation.
Und weil aller guten Dinge drei sind stellen wir didaktisch die Praxis und Erfahrungen der Teilnehmenden in den Mittelpunkt – das ist nicht nur belebend und abwechslungsreich, sondern hat einen eigenständigen Lernwert, der immer wieder hervorgehoben wird in den Rückmeldungen und den wir im Laufe des Kurses auch besonders fördern.
Systemische Organisationsentwicklung und ‑beratung
Zertifikatskurs mit Dr. Gabriele Girke, Michael Völker (u.a.)

Auch an Sie die Frage: hätten Sie einen solchen Kurs gern selbst gehabt zu Beginn Ihrer Karriere als Führungskraft?
Girke: Oh, ja! Aber es ist, wie es ist, so sehen es auch viele Teilnehmende: „jetzt weiß ich endlich, warum das nicht geklappt hat“, hören wir immer wieder. Ich selbst habe oft genug durch „Aua“ gelernt und es dann später verstanden durch die Beschäftigung mit Organisationsentwicklung. Aber da hat sich in den letzten Jahren ohnehin viel getan, Forschung und reflektierte Erfahrungen haben Erkenntnisse gebracht, die ich in den ersten Jahren meiner Tätigkeit als Führungskraft nicht zur Verfügung hatte. Das war nicht katastrophal, aber manches hätte besser laufen können für mich und andere. Und es kommt etwas hinzu: die digitale und soziale Welt hat sich so verändert, dass man heute mit einfachen Rezepten nicht zurechtkommt; die Zusammenhänge sind komplexer geworden, so dass man mit Unvorhersehbarem, Gleichzeitigkeit und schnellem Wandel gut umgehen können muss. Darauf ist die Weiterbildung ausgerichtet. Sie ist anwendungsorientiert und entspricht zugleich hochschulischen Kriterien (mit
anerkannten Credit-Points).
Herr Völker, alle Dozent:innen sind wie Sie selbst erfahrene Organisationsberater:innen, die wissen, was man braucht, um Veränderungen kompetent zu managen. Worin besteht genau eine solche Veränderungskompetenz?
Völker: Man braucht einen ganzheitlichen Blick auf dieses merkwürdige vielgestaltige „Lebewesen Organisation“ und zugleich die Fähigkeit, die wesentlichen Aspekte von Veränderungsprozessen im Blick zu behalten. Instrumente für zielgerichtete Interventionen und die Fähigkeit, sie situativ angemessen einzusetzen, das ist ein weiteres
Merkmal. Außerdem muss man Konzepte kennen, um Veränderungsprozesse in geeigneter Weise in Gang zu setzen und diese auch in Krisen- und Konfliktsituationen kompetent zu begleiten. Das braucht vor allem ein Verständnis für soziale (Gruppen)Prozesse und muss die Möglichkeiten und Grenzen der Steuerung von Organisationen einkalkulieren. Letztlich braucht man für ein erfolgreiches Veränderungsmanagement die Fähigkeit, das eigene Handeln in Veränderungen und die eigene Rolle zu reflektieren, um so die Qualität des Managements und der Führung stetig zu erhöhen.
Und das alles kann man im Kurs lernen?
Völker: Ja, und dabei haben die Teilnehmenden einen jeweils unterschiedlichen Erfahrungshintergrund, Lernformen und eigene Ziele – davon hängt ab, welche Kompetenzen sie individuell im Verlauf des Kurses entwickeln wollen.
Sicher ist – das wissen wir aus den Abschlussreflexionen und aus den z.T. langjährig stattfindenden Follow up‘s – dass sie in ihrer Führungs- oder Beratungstätigkeit deutlich zielsicherer und methodisch flexibler werden. Weil
das für die davon „Betroffenen“ auch deutlich positiv spürbar ist, belegen einige von ihren Kolleg:innen dann auch den nächsten Kurs, denn das wollen sie dann auch können. Und deshalb treffen wir auch oft Absolvent:innen aus Studiengängen hier wieder.
Frau Girke, noch eine letzte Frage zum Inhalt des Kurses: wie sieht der inhaltliche Aufbau ganz konkret aus?
Girke: Der Inhalt ist modulhaft aufgebaut, beginnt mit Konzepten, Erfolgsfaktoren und Maßnahmen der Organisationsentwicklung. Es werden Modelle und Instrumente erarbeitet und geübt, um Stärken und Entwicklungsbedarfe zu erkennen. Weitere Themen sind Wertesysteme bei Personen und Organisationen sowie erprobte Methoden der Organisationsberatung. Entlang eigener Entwicklungsprozesse wird geübt, wie
Veränderungen initialisiert, kommuniziert und Beteiligung organisiert werden muss. Führen in Veränderungen sowie der Umgang mit Widerständen und Konfliktmanagement nehmen einen wichtigen Raum ein. In jedem Kurs wird ein Vertiefungsseminar zu einem ausgewählten Thema angeboten, z.B. agile Methoden, erfolgreiches Verhandeln, Selbstmanagement o.ä. Zum Abschluss werden alle gelernten Methoden zusammengeführt, sortiert, ergänzt um Maßnahmenplanung und Stabilisierung von Veränderungsprozessen und in einer komplexen Fallstudie
zusammenfassend angewendet.
Das ist ein anspruchsvolles Pensum, wodurch werden die Teilnehmenden unterstützt?
Sie haben die Möglichkeit, in der Weiterbildung Problemstellungen, Konzepte und Vorgehensweisen aus der eigenen Führungs- oder Beratungspraxis zu bearbeiten und profitieren durch die professionelle Bearbeitung und Reflexion auch von den jeweils anderen. Dadurch wird eine besonders intensive Verarbeitung der fachlichen Inputs der Dozent:innen gewährleistet. Durch diese vielfältigen Fallbesprechungen können die Teilnehmenden Muster und
Lösungsmöglichkeiten erkennen, die ihnen durch den eigenen Management-Alltag oft verborgen bleiben.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Das Interview führte Susanne Steinmetz, Bildungsreferentin an der Paritätischen Akademie Berlin
AUCH INTERESSANT